Die Aufgaben der Kreisverwaltung

Von Landrat Werner Urbanus

Der einfache Mann von der Straße hat meist nur eine unklare Vorstellung von den Aufgaben einer Kreisverwaltung. Wohl weiß er, daß es Landkreise gibt, und daß an ihrer Spitze Landräte stehen. Meist hört aber damit sein Wissen auf. Im Rahmen der Aufsätze und Erzählungen, die ein Heimatkalender bringen soll, erscheint es daher angebracht, über den Aufgabenkreis einer Kreisverwaltung allgemein an Hand von einzelnen Beispielen kurz zu berichten.

Die Kreise sind ein Zusammenschluß von vielen Gemeinden, also ein Kommunalverband. Grundsätzlich sind sie zuständig für all" die öffentlichen Aufgaben, die innerhalb ihrer Gebietsgrenzen anfallen. Das Feld ihrer Aufgaben ist praktisch nach unten abgesteckt durch den Tätigkeitsbereich der Gemeinden. Was einer oder mehreren Gemeinden allein nicht zugemutet werden kann, sollen die finanzkräftigeren Kreise erfüllen. Nach oben bestimmen die Aufsichtsbefugnisse des Staates, was vom Kreise erledigt werden soll.

In unserem Lande hat man aus guten Gründen an der bewährten Tradition, daß der Landrat als staatlicher Beamter Vertreter des Staates ist und als Leiter des Kreiskommunalverbandes die Interessen der Selbstverwaltung wahrzunehmen hat, festgehalten.

Zu den Aufgaben, die dem Kreise vom Staate auferlegt werden und bei deren Durchführung der Landrat an Weisungen der übergeordneten staatlichen Behörden (Regierungspräsident, Landesregierung) gebunden ist, gehören in erster Linie staatliche, insbesondere polizeiliche Funktionen. Das Landratsamt stellt als Paßbehörde Pässe und Personalausweise aus, erteilt Aufenthaltsgenehmigungen für Personen aus der sowjetischen Zone und vermittelt auch Interzonenpässe.

Die Preisbehörde überwacht die Preise und hat über Anträge auf Erhöhung oder Herabsetzung der Miete zu befinden.

Führerscheine (Erlaubnis zum Fahren von Kraftfahrzeugen) werden vorn Landratsamt ausgestellt und bei bestimmten Voraussetzungen (z. B. bei Trunkenheit am Steuer) auch entzogen. Der Landrat als Kreisverkehrspolizeibehörde bestimmt auch, welche Straßen Einbahnstraßen sind und auf welchen Straßen oder Plätzen nicht geparkt werden darf.

Baupolizeiliche Genehmigungen erteilt das Landratsamt als Baupolizeibehörde. Hier obliegt der Kreisverwaltung eine ungemein wichtige Aufgabe, bei deren Durchführung der hiervon Betroffene nicht immer das richtige Verständnis aufzubringen vermag. Landschaft, Städte und Dörfer unserer Kreise sollen in ihrer Eigenart und Schönheit erhalten bleiben. Deshalb müssen sich Bauwerke und insbesondere Werbezeichen (Reklame) in die örtlichen Gegebenheiten einordnen. Wer unsere Städte und Dörfer besucht, wer durch unsere Täler wandert, die Berge besteigt oder mit einem Schiff auf dem Rheine fährt, will nicht überall lesen, daß die Firma X ein noch nie dagewesenes Waschmittel erfunden hat, oder daß ein bestimmter Reifen für Kraftfahrzeuge unzuverlässig ist, oder daß die Bonbons der Firma Y unübertrefflich im Geschmack sind, oder daß das Bier der Brauerei Z in der und der Gaststätte zu haben ist.

Das Landesforstgesetz vom 16. 11. 1950 hat die Landräte zu unteren Forstbehörden bestellt und den Landratsämtern viele Aufgaben zur Sicherung der Durchführung der Bewirtschaftungspflicht der Waldbesitzer übertragen. Ein bei dem Landratsamt gebildeter Forstausschuß hilft der unteren Jagdbehörde hierbei, indem er sie berät bzw. in bestimmten Fällen sogar beschließend mitwirkt.

Auf dem Gebiete der Wasserpolizei hilft das Landratsamt die Rechte der Wasserberechtigten sichern und sorgt im Verein mit der Wasserschaukommission dafür, daß die Wasserläufe in verkehrsmäßiger und gesundheitspolizeilicher Hinsicht in Ordnung gehalten werden.

Eine meist in der Bevölkerung nicht bzw. wenig bekannte Abteilung des Landratsamtes ist das Versicherungsamt. Es führt die Aufsicht über die Krankenkassen (z. B. Allgemeine Ortskrankenkasse, Betriebskrankenkasse), berät die Versicherten und entscheidet in erster Instanz über Streitigkeiten zwischen den Versicherten und den Krankenkassen.

Solange die Wohnungsnot andauert, können Zwangsmaßnahmen der Wohnungsämter nicht entbehrt werden. Dem Landratsamt obliegt die Aufsicht über die Wohnungsämter. Es entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen der Wohnungsämter und ist an sich berechtigt, im Einzelfalle bestimmte Weisungen zu geben.

Die Kommunalaufsicht umfaßt ein wesentliches Gebiet der Aufgaben einer Kreisverwaltung. Es gilt hier, die gemeindlichen Haushaltssatzungen, insbesondere die Höhe der Hebesätze der Gemeindesteuern (Grundsteuer, Gewerbesteuer u. a.) zu genehmigen, die Stellenpläne der Gemeinden und Ämter zu überprüfen. Die Kommunalaufsicht soll entsprechend dem Wortlaut und Sinn des Selbstverwaltungsgesetzes sicherstellen, daß die Verwaltung der Gemeinden und Ämter im Einklang mit den Gesetzen geführt wird. Sie ist so zu handhaben, daß die Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit der Gemeindeverwaltung gefördert und nicht beeinträchtigt wird. Jede Kreisverwaltung sollte es als ihre vornehmste Aufgabe in dieser Sparte ansehen, daß sie die nachgeordneten Gemeinden stets mit gutem Rat unterstützt und Mittel und Wege sucht, den Gemeinden bei Durchführung ihrer zahlreichen Aufgaben zu helfen.

Für die auf fürsorgerechtlichem Gebiete anfallenden Aufgaben bildet der Kreis einen Bezirksfürsorgeverband, der im wesentlichen seine Funktionen über das Fürsorgeamt durch die Ämter und amtsfreien Gemeinden erfüllen läßt. Rund ein Drittel aller Ausgaben des Kreises laufen über den Fürsorgeetat. Hier gilt es, den Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zu helfen, die mittellosen Alten und die sonstwie Unterstützungsberechtigten im Rahmen der Fürsorgerichtlinien zu betreuen. Besondere Aufgabe des Fürsorgeamtes ist es, dafür zu sorgen, daß jeder Unterstützungsberechtigte seinen vollen Richtsatz* erhält. Das Amt muß aber ebenso gewissenhaft darüber wachen, daß kein Pfennig zu Unrecht gezahlt, und daß rechtzeitig alle unterhaltspflichtigen Personen zur Entlastung der Allgemeinheit herangezogen werden. Das auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes gegründete Ausgleichsamt wird in Kürze mit seiner Tätigkeit beginnen. Im Rahmen der geltenden Bestimmungen wird es über die Ansprüche der Flüchtlinge, der Kriegsgeschädigten, der Währungsgeschädigten und Ostvertriebenen zu befinden haben. Zahlreich werden die Anträge, mannigfaltig und außerordentlich hoch werden die Ansprüche und relativ gering werden die Mittel sein, welche im Augenblick zur Verteilung kommen oder in späteren Raten zur Verfügung stehen.

Die Unterbringung der Heimatvertriebenen ist ein Problem erster Ordnung. Sie bedeutet für industriearme Kreise eine fast unlösbare Aufgabe. Hierbei kann u. U. nur die Schaffung von neuen industriellen Arbeitsstätten helfen. Hierbei sollen die Kreise solche Absichten der Gemeinden nachdrücklich unterstützen.

Der Bau von Wohnungen bleibt nach wie vor die vordringlichste Aufgabe. Einen gerechten Ausgleich zwischen den Wünschen der Heimatvertriebenen und den berechtigten Ansprüchen der übrigen Kreisbewohner im Rahmen der geltenden Vorschriften herbeizuführen, sollte oberster Grundsatz der Kreisverwaltung sein.

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Photo: Kreisbildstelle

Das Jugendamt führt die Amtsvormundschaft über die im Kreise wohnenden unehelichen, minderjährigen Kinder und unterstützt die Kindesmütter. Das Jugendamt ist bemüht, für elternlose Kinder geeignete Elternpaare zur Annahme an Kindesstatt zu bewegen. Straffällig gewordenen Jugendlichen leistet das Jugendamt Gerichtshilfe.

Allen Jugendlichen ist die Sparte Jugendpflege gewidmet, einerlei, ob es sich um die Förderung des Sportes oder um die Durchführung von Lese-, Spiel- oder Singabenden handelt. Auch Jugendwandern wird ebenso gefördert wie die Schaffung von Jugendheimen. Dies gilt besonders für die Landjugend, die stark vom Dorfe zur Stadt drängt, wo sie mehr Verdienstmöglichkeiten findet und Zerstreuung sucht.

Die finanzielle Anspannung der Landkreise läßt ihnen heutzutage für die Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben außerordentlich wenig Raum. Die Unterhaltung der Landstraßen 2. Ordnung (der Kreisstraßen) steht hierbei an erster Stelle. Es ist allgemein bekannt, daß der Zustand der Straßen dem Verkehrsbedürfnis längst nicht mehr Rechnung trägt. Daß dies so ist, scheiterte nicht an dem guten Willen der Kreisverwaltung oder der Unkenntnis des Kreisbauamtes von dem Zustand der Kreisstraßen, sondern einzig und allein an den fehlenden Geldmitteln. Aufgabe aller verantwortlichen Stellen wird es sein, mehr als bisher den Kreisen und auch den Gemeinden aus dem Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer höhere Beträge zufließen zu lassen.

Die Förderung des Weinbaues und die Unterstützung der Landwirtschaft gehören in weinbautreibenden Kreisen untrennbar als vordringliche Aufgabe zusammen. Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Lehranstalten innerhalb des Kreises Grundvoraussetzung für eine fruchtbringende Tätigkeit. Die notwendigen Maßnahmen der Weinwerbung und Aufgaben von Rebenaufbaugenossenschaften u. a. sind ebenso förderungsnotwendig wie die Prämiierung von guten Vatertieren, die Verbesserung der engen und oft lichtlosen Kuhställe, die Unterstützung von Landumlegungen sowie die Fortbildung des bäuerlichen Nachwuchses, um nur einige Probleme zu nennen.

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Photo: Landesbildstelle Rheinland-Pfalz

Der Ausbau der Berufsschulen, und zwar der allgemeinen wie der ländlichen Berufsschulen, ist, wie das jüngst erlassene Berufsschulgesetz festlegt, ureigene Aufgabe der Kreise, zumal der überwiegende Teil der Kreisbevölkerung zum Besuch dieser Schulen verpflichtet ist. Enge Zusammenarbeit mit Industrie, Handwerk und Landwirtschaftskammer ist für eine ersprießliche Arbeit Voraussetzung. Die Schaffung der notwendigen Schulräume und Bereitstellung der Lehrmittel, die Errichtung von Fachklassen für bestimmte Gewerbezweige sind ebenso wichtig wie die Unterstützung von Lehrfahrten und Bereitstellung von Mitteln für Minderbemittelte.

Der Fremdenverkehr beschäftigt heute fast jeden Kreis, da er einen sehr beachtlichen Wirtschaftszweig darstellt. Dabei gilt es mehr als bisher den fast überall auftretenden Auswüchsen, die nichts mehr mit Erholung und Ausspannung zu tun haben, ernst entgegenzutreten und ihn wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Hier können in Zusammenarbeit mit allen am Fremdenverkehr beteiligten Organisationen u. a. überlieferte und gepflegte Heimatfeste mithülfen, den billigen Kirmesrummel und den verlängerten Fastnachtsbetrieb allmählich auszuschalten.

Kulturelle Aufgaben bedeuten die Denkmalpflege (z. B. Erhaltung historischer Bauten), die Pflege heimatgebundener Vereine und Gesellschaften, berufsständischer Organisationen, Heimatarchive und Museen.

Die Finanzwirtschaft der Kreise allgemein ist, wie bereits erwähnt, besonders angespannt. Hierbei ist die Höhe der Kreisumlage, welche die Gemeinden aufzubringen haben, von besonderer Bedeutung. Die Kreisumlage darf ein gewisses Maß nicht übersteigen, weil sonst Gefahren für die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden entstehen können und in den Kreis Spannungen hereingetragen werden, die seinen inneren Zusammenhalt beeinträchtigen. Die Kreise sollen auch aus diesem Grunde keine Aufgaben übernehmen, zu deren Erfüllung die Gemeinden berufen sind. Die gemeindliche Selbstverwaltung darf auf dem ihr zustehenden Aufgabengebiet nicht ausgehöhlt werden.

Die Verwaltung der Kreise fordert unmittelbare Fühlungnahme mit dem von der Entscheidung Betroffenen. Je volksnäher eine Entscheidung fällt, umso mehr können Akten entbehrt werden. Die unmittelbare Kenntnis von den rat- und hilfesuchenden Menschen und der Einblick in die besondere Lage des Einzelfalles machen langen Schriftverkehr entbehrlich.

Kommt dann noch bei den berufenen Stellen der Wille zur Selbstverwaltung dazu und wird das Schaffen von dem Willen gelenkt, zuerst mit eigenen Kräften den größtmöglichen Nutzen für den Kreis herauszuholen, dann bleiben die Kreise jene guten Organisationen, die staatliche und kommunale Aufgaben zum Besten der Kreisbewohner lösen werden.