Bild links: Grabmal der Jobannetta, Wild- und Rheingräfin, aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Entdeckt u. aufgestellt an der Pfarrkirche Brohl 1951.

Das Grabmal

der Burggräfin Johanetta von Rheineck in Brohl

Von Leo Stausberg

Der Gärtnereibesitzer Hans Mannheim in Brohl hatte s. Zt. eine Anzahl behauener Werkstücke aus Niedermendiger Basaltlava als Abbruchmaterial erstanden, die er zu einem Hausneubau zu verwenden gedachte. Darunter befand sich eine türgroße Grabplatte von 2,10x0,95 m. Sie hatte anderthalb Jahrhunderte lang mit der Schauseite nach unten als Deckplatte vor dem Kellereingang des Hauses Schröder an der Koblenzer Straße in Brohl gelegen. Meiner Anregung gerne folgend, stellte er sie im Jähr 1951 Herrn Pfarrer Poetz zur Verfügung, der ihr an der Außenwand der Brohler Pfarrkirche einen würdigen Platz einräumte, um das geschichtlich und künstlerisch wertvolle Stück der Nachwelt zu erhalten.

Wir erkennen auf dem Epitaph eine Edelfrau in der Witwentracht der Dürerzeit, zu deren Füßen ein Hündlein, das Symbol ehelicher Treue, kauert. Um die Rechte der zum Gebet gefaltenen Hände, auf welche die Dame ihren Blick senkt, ist ein Rosenkranz geschlungen. Der Daumen der Linken ist abgespreizt. Ein „Gebände" verhüllt den Mund der Witwe. Vier ausgeführte Wappen füllen die äußeren Ecken der Grabplatte, während vier glatte kleinere Wappenschilde an der Innenseite der Umschriftung angebracht sind. Die Schriftleiste enthält vertieft eingemeißelte gotische Lettern. Da die Leiste teilweise zerstört ist, fehlt leider die Jahreszahl, die sich oben befunden hat. Das Textfragment lautet:

„. . . UF VELTISDAG (ANNO . . .) IST GESTORFFE DE WOLEDEL
WITT JOHANET WILT UND REINGR(E)FIN ALHIE . . .".

Dieser Textrest ließ im Verein mit den vier ausgeführten Wappen die Persönlichkeit der Dargestellten einwandfrei sichern. Es ist Johannetta, Wild- und Rheingräfin, geboren auf Rheingrafenstein a. d. Nahe um 1465 als Tochter des Wild- und Rheingrafen Johann V. mit dem Barte und der Johanna von Salm. In erster Ehe war sie von 1485 bis 1500 Gemahlin des Burggrafen Jakob I. von Rheineck, der 1500 starb. In zweiter Ehe war sie seit 1501 verheiratet mit dem Grafen Philipp Beißel von Gym-nich. Der Letztgenannte starb um 1516, so daß das Sterbejahr der Gräfin, das leider sonst nicht belegt ist, nach 1516 zu setzen ist. Der Todestag ist durch die Umschrift gegeben: Veltisdag = Valentinstag,
d. i. der 14. Februar.

Bild rechts: Epitaph der Jungfrau Margarete v. Dann in der Kirche zu Wassenach, + im Mai 1517. (Zum Vergleich mit dem Brohler Epitaph)

Zwei Fotos: Buschbaum

Die ausgearbeiteten Schilde stellen die Ahnenwappen der Johannetta dar. Herr Studienrat i. R. Heinrich Milz, Neumagen, deutet sie wie folgt:

Oben links (vom Beschauer): Quadriertes Feld mit zwei roten Löwen in goldenem Felde und zwei rotbewehrten silbernen Löwen mit in Sicht gestelltem Kopfe; im inneren roten Herzschild drei goldene Löwen und zwei kleine Kreuze. Es ist das Wappen der Wild- und Rheingrafen. Dieser Doppeltitel, den auch das Wappen ausdrückt, kam dadurch zustande, daß im Jahre 1406 der Rheingraf Johann III. vom Stein die Erbin Adelheid, Wildgräfin von Kirburg (Kirn an der Nahe) heiratete und beide Herrschaften vereinigte.

Oben rechts: In rotem Felde zwei silberne, auswärts gekrümmte Salme, begleitet von sieben goldenen Kreuzen. Dieses Wappen führten die Grafen von Salm im Wasgau.

Unten links: Wappen von Gold und Rot, dreimal sparrenförmig geteilt, gehörte den Grafen von Hanau (Main).

Unten rechts: In Silber drei rote Lilienstäbe, war das Wappen des flämischen Geschlechts von Rotselaer (Rousselaer).

Der Vater Johannettas, der schon erwähnte Johann V., Wild- und Rheingraf geboren 1436, gestorben am 4. 7. 1495, hatte 1474 die Herrschaft Rotselaer und 1475 die halbe Herrschaft Salm im Wasgau sowie ganz Mörchingen und Püttlingen in Lothringen geerbt. Der Ehevertrag mit Johanna von Salm datiert vom 14. 11. 1459.

Von den vier Großeltern der dargestellten Toten ist im Interesse der Wappendeutung noch zu erwähnen:

Großeltern väterlicherseits: Johann IV., Wild- und Rheingraf, der am 30. 6. 1476 starb, hatte im Jahre 1432 die Elisabeth, Gräfin von Hanau, geheiratet. Diese starb am 20. 2. 1446. Der Hillichvertrag war bereits am 27. 1. 1422 geschlossen worden.

Großeltern mütterlicherseits waren: Simon III., Graf von Salm, der vor 1459 starb und die Johanna von Rotselaer geheiratet hatte.

Die engen Bindungen der hier genannten Adelsgeschlechter erfahren eine Bestätigung durch folgende Tatsache: In der für den Jülicher Herzog siegreichen Schlacht bei Linnich gegen Geldern am 3. 11. 1444 stiftete der Herzog den Orden des hl. Hubertus, dem u. a. folgende Ritter angehörten: von Rheineck, von Rotselaer, Beißel von Gymnich, Wild- und Rheingrafen.

Da die alte Burggrafschaft Rheineck, einst ein pfalzgräfliches Lehen, unter Barbarossa an den Kölner Erzbishof und Kanzler des Reiches Reinald von Dassel vergeben, an die Brohler Gemarkung angrenzt und die Tote einst dort hauste, müssen wir noch weitere geschichtliche Daten geben.

Der Sohn Johannettas und ihres ersten Gemahls, des Burggrafen Jakob L, hieß ebenfalls Jakob (II.). Nach erlangter Großjährigkeit wurde er im Jahre 1508 vom Kölner Erzbischof Hermann mit der Burggrafschaft Rheineck belehnt. Als er im Jahre 1539 ohne männliche Erben starb, zog Kurköln die Burggrafschaft als erledigtes Lehen ein, „weil niemand desselben Mannesstammes noch Namens mehr am Leben". So kam seine Nichte Mezza, die einen von Warsberg geheiratet hatte, zunächst um ihr Erbe, weil Rheineck als Mannlehen galt. Erst ihre Söhne Johann und Wilhelm von Warsberg bewirkten durch einen Prozeß beim Reichskammergericht zu Speyer, daß ihren Erbansprüchen entsprochen wurde und sie die Burggrafschaft Rheineck im Jahre 1571 vom Kölner Erzbischof Salentin von Isenburg als Erblehen empfingen. Mezzas Nachkommen blieben bis 1654 Herren von Rheineck. Sie verkauften die Burggrafschaft dann für 7000 Dukaten an den niederösterreichischen Grafen Rudolf von Sinzendorf.

Es ist noch die Frage offen: Wie kommt die Grabplatte der Johannetta nach Brohl? Wir wollen versuchen, sie zu beantworten.

Durch Vertrag vom Jahre 1487 war Johannetta als Gemahlin des Burggrafen Jakob mit Genehmigung des Erzbischofs von Köln als des zuständigen Lehensherrn mit Rheineck bewittumt worden. Dieser Vertrag wurde nach dem Tode ihres zweiten Gemahls wirksam. Aus diesem Vertrag hatte Johannetta Anspruch auf 400 Goldgulden jährlich. Meist erhielt sie Naturalien. U. a. lieferte man ihr aus Breisiger Besitz jährlich vier Fuder Wein. Es ist naheliegend, anzunehmen, daß Johannetta als Witwe nach Burg Rheineck zurückkehrte, um ihren Lebensabend bei ihrem Sohne zu verbringen. Wo aber fand sie ihre letzte Ruhestätte? Ob in oder bei der Burgkapelle auf Burg Rheineck? Die dortige Kapelle aus der Stauferzeit wurde erst im 3. Jahrzehnt des 19. Jh. auf Veranlassung des neuen Besitzers Moritz von Bethmann-Hollweg abgebrochen und durch den heute vorhandenen Neubau ersetzt. Er, der selber Sammler von Altertümern war, würde der künstlerisch wertvollen Grabplatte ein Plätzchen im Burghof gegönnt haben. Meiner Vermutung nach wurde Johannetta in der Donatuskapelle der Johanniter zu Niederbreisig beigesetzt. Diese Kapelle, die als ein Kleinod gotischer Baukunst gerühmt wird, wurde einige Jahre nach Aufhebung der Komturei im Jahre 1802 mit den Wirtschaftsgebäuden und Liegenschaften von der französischen Regierung verkauft. Käufer war der wallonische Straßenbau-Unternehmer Henri Fluchard, der im Auftrage der französischen Verwaltung hier gearbeitet hatte. U. a. ist die Vinxtbachbrücke am „Onkel Gustav" sein Werk. Fluchard blieb auch in der Preußenzeit in Niederbreisig ansässig. Die Kapelle wurde niedergelegt und das Material verbaut. Ein Sohn des Fluchard zog nach Brohl und gründete in dem aufstrebenden Ort ein Baugeschäft, das heute noch von einem Nachkommen betrieben wird. Das Haus Schröder in Brohl, von dem eingangs die Rede war, wurde zu der damaligen Zeit erbaut. So liegt der Schluß nahe, daß damals die Grabplatte mit anderen Werkstücken nach Brohl kam. Ein glücklicher Zufall und die Initiative einiger Heimatfreunde haben sie nunmehr der Vergessenheit entrissen und ihr zu einem würdigen Standort verholfen. Dort mag der wertvolle Stein noch zu späteren Geschlechtern als Zeuge einer reichen geschichtlichen Vergangenheit sprechen!

Ein wichtiger Fingerzeig für die Zeit der Entstehung des Grabmals sei zum Schluß noch geben: (siehe Abbildungen!)

Ein Tuffstein-Epitaph, das unzweifelhaft aus der Werkstatt desselben Steinmetzen stammt, wenn es nicht gar vom selben Künstler herrührt, steht in der Kirche zu Wassenach. Nach der Umschrift stellt es die im Jahre 1518 verstorbene Edeljungfrau Margaretha von Daun dar. Das Hündchen feht hier, der Mund ist nicht verhüllt, aber die Tracht ist die gleiche wie bei dem Brohler Stein und bis in Einzelheiten der Gewandfalten fast identisch Der weichere Stein bedingt eine flachere Behandlung der Hände.