Am Eifeler Herdfeuer

VON PETER WEBER

In mannigfachen Formen spricht die Vergangenheit zu uns, die wir im Heute leben, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gestaltend ineinanderfließen. Ob es sich dabei um die gestaltende Kraft der Landschaft, des Bodens, des bodenständigen Baumaterials, der Bau- oder Dorfformen handelt oder um die religiöse Ausdruckskraft, die Wohn- und Dorfkultur, überall begegnen wir dem Odem der Vergangenheit.

An vielen Stellen in Feld und Flur begegnen wir schlichten Kreuzen oder Heiligenhäuschen, an denen man vor geraumer Zeit noch den Hut lüftete, wenn man auf dem Wege von oder zur Feldarbeit war. Unsere Vorfahren empfanden ihre Abhängigkeit vom Schöpfer viel stärker als wir, und so begleitete das Heilsgeschehen in einem viel größeren Umfange als heute ihren Alltag.

Damals stand im Mittelpunkt des Eifeler Bauernhauses das offene Feuer. Wenn man diesen Raum betrat, dessen Balken rußgeschwärzt und Wände weißgetüncht waren, dann konnte man vielfach links neben der Haustür in den oft sehr niedrigen Keller gehen. Darüber befand sich von der gegenüberliegenden Seite die Treppe zum Obergeschoß. Nach einigen Stufen zweigte diese jedoch ab zur sogenannten „Guten Stube". Oft waren an der rechten Seite noch ein oder zwei sogenannte Kammern, die als Schlafzimmer benutzt wurden. Dem Eingang gegenüber befanden sich die Schränke, die Tellerbank mit dem Küchengeschirr und der Backofen. Der Fußboden bestand aus Steinplatten. Unter dem offenen Kamin war dieser Steinfußboden etwas erhöht. Dort brannte ein offenes Feuer, das Wärme und Licht ausstrahlte. Hier lagen die Scheite auf sogenannten Feuerböcken und verbrannten langsam. Darüber hing an einem Holzbalken die sogenannte Hool, ein sägeartiges eisernes Gerät, an dem der Kessel über dem Feuer mal höher, mal tiefer gelassen werden konnte, je nachdem es erforderlich war. Zum Kochen oder Heizen wurde die Glut mit Blasrohr oder Blasebalg zu einem flammenden Feuer entfacht und der Kessel an der eisernen Hool eingehängt. An der Rückwand der Feuerstelle war eine Eisenplatte befestigt, Takeneisen oder Takenplatte genannt; mit ihrem Fußende war sie meist etwas eingelassen und oben und an den Seiten mit Bruchsteinen übermauert. Diese Feuerwand war, im Gegensatz zu den anderen Wänden, nicht aus Lehmfachwerk hergestellt. Die Takenplatten strahlten die Wärme auch In die darunterliegende Stube, denn dort war eine Öffnung und gleichzeitig der sogenannte Taken oder Takenschrank eingebaut. Die Türen Im unteren Teil waren mehrfach durchbrochen, wodurch die angewärmte Luft in die Stube strömte. In diesem Teile stellte man die Milchtöpfe auf, damit sich der Rahm schneller absetzte. Darüber kam oft, ebenfalls in die Wand eingelassen, ein Schrankteil mit verglasten Türen, dessen Holz in vielen Fällen durch Schnitzereien schön verziert war. Darin verwahrte die Frau ihr Geschirr aus Kupfer, Zinn und Steingut auf. Diese Takenschränke waren eine Zierde des Raumes und strömten neben der Wärme auch eine wohltuende Behaglichkeit aus. So wirkte diese kleine, oft niedrige und mit einer Balkendecke versehene Stube recht gemütlich.

In der Küche, am Herdfeuer, dem Mittelpunkt des Hauses, saß die Familie nach getaner Arbeit beisammen oder wenn die Stürme über das Eifelland brausten und der Wind im Rauchfang heulte. Hier fühlte man sich geborgen und schaute dem Spiel der glimmenden und flackernden Holzscheite zu. Wenn alles ringsum in Dunkel gehüllt war, ließ das Schattenspiel des Feuers die Gestalten auf den Takenplatten lebendig werden. Sie bewegten sich schemenhaft, ganz nach der Fantasie des Beschauers. Und wenn dann der Großvater oder ein wandernder Gesell eine Geschichte erzählte, dann vergaß man die Not, die Arbeit im Wald oder auf der kargen Scholle.

Je nach den Darstellungen auf den Takenplatten boten sie auch Anlaß zu sinnvoller Betrachtung des Heilgeschehens, so wurde der Ausdruck „Bilderbibel" geprägt. Die meisten Darstellungen älterer Zeit behandeln ja biblische Themen, so daß man annehmen kann, daß die Künstler, die sie schufen, nicht nur Meister ihres Faches, sondern auch von religiösem Empfinden durchdrungen waren. Wann und wo der künstlerische Eisenguß zuerst in Deutschland vorgekommen ist, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. Es ist aber anzunehmen, daß er aus der Eifel stammt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ist hier der Meister Poelit van der Ar genannt, der jedoch nach einer anderen Quelle als Auftraggeber genannt wird. Von hier aus verbreitete sich der künstlerische Eisenguß ins Siegerland und von dort wahrscheinlich in den Harz und nach Hessen. Eine der ältesten urkundlichen Nachrichten über den Ofenplattenguß stammt aus dem Siegerland. Von dort lieferte „Gerhard snytzeler" 1486 einen Eisenofen nach Brabant. Hier in der Eifel waren bekannte Eisenhütten in Kerpen, Ahrhütte, Eichelhütte, Quint und Kali. Aber auch in Antweiler sollen Takenplatten gegossen worden sein. Die Takenplatten aus Antweiler tragen zum Zeichen ihrer Herkunft Randwerk aus Rebenzweigen mit Blättern und Trauben, neben den drei Mispeln, dem Wappen von Aremberg.

Es ist anzunehmen, daß in den Anfängen der Plattenguß schwierig war. Wir begegnen hier einfachen Platten ohne Randwulst, ohne Ornamentik oder Randwerk. Als einzige Zierde sind ein oder mehrere Wappen des Landesherrn angebracht. Diese Platten sind in ihrer einfachen, aber eindrucksvollen Art sehr schön. Man könnte daraus schließen, daß sie für die Kaminfeuer der Herrscher hergestellt wurden, denn die Herstellung war nicht nur schwierig, sondern auch teuer. Es waren natürlich auch von den hergestellten Platten Abgaben zu leisten, und so dauerte es längere Zeit, bis diese Hauszierde in allen Häusern Eingang fand. Wahrscheinlich erhielten einzelne Einwohner zu besonderen Anlässen von den Begüterten Platten zum Geschenk. Die Herstellung der Taken- oder Ofenplatten ging folgendermaßen vor sich. Zunächst wurde von dem Künstler in Holz ein Modell der zukünftigen Platte geschnitzt. Dieses wurde oft mit einer Jahreszahl, mit dem Wappen des Landesherrn oder dem Namen des Künstlers versehen. Solche Zeichen geben uns heute wichtige Hinweise auf Alter, Herkunft und Hersteller, wobei Vergleichmöglichkeiten mit anderen Platten ohne besondere Kennzeichen gegeben sind. Dieses Holzmodell wurde dann in einem Formkasten in Sand gepreßt, so daß darin ein Negativ der Platte entstand. Dann goß man das flüssige Eisen vorsichtig in die Form und konnte nach der Abkühlung die fertige Platte vom Sande abheben. Bei einem Vergleich zwischen Platten gleichen Formats und Alters kann man öfter feststellen, daß die Einteilung dieselbe ist und nur die Figuren vertauscht oder ausgewechselt wurden.

Danach zu urteilen, verfügten die Gießereien über einen Vorrat verschiedener Modelle, die beliebig zusammengesetzt werden konnten. Zweifellos haben die Künstler das gleiche Thema, z. B. Opferung Isaaks, nach ihrem Gefühl gestaltet, so daß man oft entsprechende Abweichungen feststellen kann. Viele Platten wurden auch nachgearbeitet und weisen dadurch Abweichungen oder Vertauschung der Seiten auf. So kam der künstlerische Eisenguß zu hoher Blüte und machte bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts die Entwicklung der Stilepochen durch. Ihre Blütezeit war das 16. und 17. Jahrhundert. Die Takenplatte, die am Herdfeuer Verwendung fand, machte mehr und mehr der Ofenplatte Platz. Dieselbe zeigt den gleichen Schmuck, ist aber dünner und hat einen besonderen Rand zum Zusammensetzen oder Einmauern. So entstanden kunstvolle Öfen, die schließlich nicht nur mehr in den Häusern des Adels und in Ratssälen der Städte Aufstellung fanden, sondern auch bei den Bürgern selbst. Und als schließlich die Technik weiter fortschritt und die Beheizung der Wohnräume auf andere Art erfolgte, verlor die Ofenplatte ihre Bedeutung für den Gebrauch .Sie wurde schließlich Zierstück in Museen und Sammlungen. Leider fand sie nur selten den ihr zustehenden Platz im oder am Bauernhaus, in dessen Mittelpunkt sie einst stand.

Und nun die Betrachtung einiger Taken- bzw. Ofenplatten, die auf den Fotos abgebildet sind.

Bild 1: Diese lakenplatte stammt aus dem 17. Jahrhundert. Sie zeigt das Wappen von Aremberg mit dem Herzogshut (1644 verliehen), den beiden Löwen und die Inschrift „FACTVM ARENBERG ANNO 1657". Das Foto läßt deutlich zwei Abschnitte erkennen. An der Platte selbst erkennt man noch einen weiteren. Demnach bestand das Modell aus drei Teilen.

Bild 2 zeigt ebenfalls eine Aremberger Platte und zeigt König und Königin, über den beiden Bogen das Wappen von Aremberg, unten Rankwerk. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um eine Nacharbeit, denn die gleiche Platte gibt es auch mit Inschrift und Jahreszahl.

Bild 3: Diese Platte ist in zwei Hälften geteilt und zeigt links einen heiligen König und zwei Wappen von Aremberg und ein Wappen von der Marck, rechts ebenfalls einen heiligen König und zwei Wappen von der Marck.

Bild 4 zeigt zwei Krieger, der eine Blitze bzw. Feuer in der Hand, der andere Feuer löschend. Sie sollen Feuer und Wasser darstellen. In der Mitte oben das Wappen von Aremberg mit dem Fürstenhut. Die Takenplatte stammt aus dem 17. Jahrhundert.

Bild 5 zeigt ein religiöses Motiv, die Flucht nach Ägypten. Auf dem Esel Maria mit dem Kind. Josef mit Hut und Stab auf der Schulter führt den Esel, oben rechts und links |e ein Engel, unten Rankwerk. Rechts sehen wir den „leeren" Rand, der zum Einmauern bestimmt war. Es handelt sich hierbei um eine Ofenplatte. An der linken Seite oben deutlich erkennbar eine Stelle zur Verbindung mit einer anderen Ofenplatte.

Bild 6 zeigt die Opferung Isaaks. Der „leere" Rand ist diesmal links. Auf dem Holzstoß rechts Isaak, Abraham holt zum Schlage aus, ein Engel (Mitte ob.) hält ihm das Schwert fest. Auf einer anderen Ofenplatte ist auch ein Widder dargestellt, hier befinden sich an dieser Stelle sieben vorstehende Dreiecke. Rechts und links Rankwerk, im oberen Teil unten die Inschrift „GENESIS AM 22 CAPIT". Das untere Drittel enthält in Ornamentwerk die Inschrift „VERBVM DOMINI MANET IN ETERNVM ANNO DOMINI 15". Die letzte Zahl ist stark beschädigt, könnte evtl. auch eine 6 sein. Da man damals am Ende die Null wegließ, stammt sie aus dem Jahre 1500 oder 1600.

Bild 7 zeigt eine Probeplatte, ohne rechtwinklige Form. Das gleiche Motiv (Maria mit dem Kind) ist achtmal vorhanden. Die Platte hat keinen Rand und weist starke Unebenheiten auf.

Bild 8 zeigt eine Zusammenstellung von damals beliebten Darstellungen, links, etwas tiefer, steht Samson mit Keule und Kiefer in den Händen, in der Mitte Judith mit dem Haupt des Holophernes und rechts der Selbstmord der edlen Römerin Lukretia, die die Schande, die ihr der frevelhafte Sohn des letzten römischen Königs Superbus angetan hatte, nicht überleben wollte.

Fotos: Weber

Bild 9 zeigt eine spätgotische Takenplatte. In zwei gleichgroßen Feldern mit massiver Umrandung sind je eine hl. Äbtissin dargestellt. Es wurde die Vermutung geäußert, daß diese Platte im Auftrag einer Angehörigen der Arembergischen Herzogsfamilie hergestellt wurde. Im allgemeinen möchte ich noch darauf hinweisen, daß der untere Teil der Taken- oder Ofenplatten meist stark durch Rost beschädigt ist, weil dort die Platten in der Erde befestigt waren. So bieten die Erzeugnisse des künstlerischen Eisengusses uns manchen Einblick in die handwerkliche Kunst, aber auch in die Geisteshaltung unserer Vorfahren, und es wäre zu wünschen, daß alle zweckentfremdeten Taken- oder Ofenplatten in einer Sammlung zusammengestellt der Allgemeinheit zugänglich gemacht würden. Dazu möchte dieser Beitrag anregen und beitragen.