E R N S T    W Ö L B E R T

DIE HILLIG IN LIERS

Wenn in Liers ein Junge und ein Mädchen heiraten wollen, so wird vorher die Hillig oder Verlobung gefeiert. Sie findet am Tage der Anmeldung der Ehe auf dem Standesamt statt und ist eine schöne Familienfeier. Der Bräutigam verbringt diesen Abend im Hause der Braut. Die Dorfburschen versammeln sich vor dem Hause, singen Lieder und machen durch Heulen großen Lärm. Darauf tritt einer der ältesten Junggesellen ins Zimmer vor die Brautleute und sagt den Hilligspruch: „Vier, Pier (früher: iba, biba) pas morda! Diese Worte, welche ich Euch hier vorgetragen habe, sind gekritzt, gekratzt, gezogen aus der iplateinischen Bibel und lauten auf unsere stiefmütterliche Sprache: Sauf und fraß, solang Du ein Hemd am Pudik hast, und trinken Sie zum Wohle auf Ihre Gesundheit, und bringen Sie mir auf meine Plumpheit. Guten Abend Herr Bräutigam und Jungfer Braut. (Zum Bräutigam): Wie wir gehört haben, sind Sie zu unserm Rosengarten gegangen und haben uns das schönste Röslein herausgenommen, welches wir darin hatten. Auch sind Sie in unsern Schafstall eingedrungen und haben das beste Lämmlein herausgenommen. Dafür müssen Sie uns nun geben zu jetziger Jura soviel Schinken und Braten, als die Tische tragen, soviel Bier und Branntwein, als für uns Lierser Jungen genug macht sein. Und 20 Mark Geld in die Hand, dafür geben wir Ihnen die Jungfrau zum Unterpfand!"

Nachdem ihm nun das Geld überreicht worden ist, in der Regel 3 oder auch 5 Mark, fährt der Sprecher fort: „Nun danken wir dem Bräutigam und wünschen ihm das erste Jahr ein Kind, das zweite Jahr ein Kind, oder zwei, drei, das gibt ein ganzes Haus Geschrei, sagen ihm für dies und das das Deo gratias. Amen."

Die empfangenen Gaben werden nun in Alkohol umgesetzt, der dann gemeinschaftlich getrunken wird.