WIR BEOBACHTEN
vier luftsänger

UNSERER HEIMAT

VON JAKOB RAUSCH

„Der Gesang der Vögel, den wir unter keine musikalische Regel bringen können, scheint mehr Freiheit und darum mehr für den Geschmack zu enthalten, als selbst ein menschlicher Gesang, der nach allen Regeln der Tonkunst geführt wird."
(Kant in „Kritik der Urteilskraft")

Von der mannigfaltigen und reichen Vogelwelt unseres Ahrtales wollen wir heute vier beobachten, vier muntere Luftsänger: die Feldlerche, die Heidelerche, die Haubenlerche und den Baumpieper (siehe Bildfolge).

über den Getreidefeldern steigt die Feldlerche mit hastigem Schwingenschlag steil zur Höhe, und ununterbrochen klingt dabei ihr bekanntes aufmunterndes Tirili, Tirili; sie singt schon während des Aufstieges; unermüdlich setzt sie ihren Gesang in luftiger Höhe, oft dem Auge nicht sichtbar, fort. Auch während des abwärts führenden Gleitfluges singt sie fleißig weiter; aber in Baumhöhe verstummt ihr Gesang, und schnell fliegt sie schweigend zu Boden und huscht hinter eine Ackerscholle oder verschwindet in der jungen Saat.

Ganz anders verhält sich die Heidelerche. Noch sind die Nachtsänger und Rufer, wie Nachtigall und Eulen, nicht verstummt, da hört man vor der Morgendämmerung, aber auch nach der Abenddämmerung, mitunter sogar in der Mitternacht, den süßen Schlag der Heidelerche, sanft und schwermütig, weich und zärtlich. Bald tönt's wie Amselruf, bald schluchzt's wie Nachtigallengesang. Aber auch während des Tages setzt sie ihren Gesang fort. Da sehen wir sie wie ihre Schwester, die Feldlerche, emporsteigen. Aber sie steigt nur doppelt so hoch wie ein Baum und schweigt während des Aufstieges.

Sie bleibt aber nicht schwirrend in der Luft, sondern beginnt sofort ihren Gleitflug zur Erde. Und bei diesem Gleitflug läßt sie ihr melodisches Lied ertönen. In der Nähe des Erdbodens setzt sie sich auf einen Ackerpflug, auf einen Draht oder auch auf einen Baum und singt dabei sitzend lustig weiter. Aber bald reizt sie wieder die freie Luft, und wieder steigt sie stumm zur Höhe, und im Gleitflug nähert sie sich wieder singend und jubilierend der Erde, wo sie auf einem erhöhten Sitze ihr Lied fortsetzt. In wärmeren Getreidegegenden, z. B. Grafschaft und Maifeld, kommt die Haubenlerche vor, die auch während des Winters bei uns bleibt. Auch sie singt während des ganzen Tages, besonders aber gegen Abend. Die Haubenlerche ist ebenfalls eine Luftsängerin. Sie schraubt sich wie die Feldlerche in schwindelnde Höhe, so daß wir ihr Flugbild nur mit dem Fernglas sehen können. Fast am gleichen Punkte singt sie ihr schönes, weiches Lied, das aber durch die Locktöne hoid, hoid oder quiquiqui oder dürdideri unterbrochen wird. Dabei fliegt sie schweigend zu einem tieferen oder höheren Punkt, um dort ein neues Lied zu singen. Immer wieder beginnt sie nach kurzer Pause mit dem Singen. Plötzlich zieht sie die Flügel an und stürzt schweigend in den Straßenschmutz, um dort nach Nahrung zu suchen. Da erhebt sie sich, setzt sich auf einen Strauch und singt dort nur leise ihre schönen Strophen.

Von weitem fällt der Baumpieper auf, wenn er von einem Baumwipfel stumm bis fünfzig Meter Höhe aufsteigt. Dann beginnt mit stillgehaltenen Flügeln ein ruhiger Gleitflug zur Erde, und nur bei diesem Gleitflug singt er so schön wie ein Kanarienvogel. Hat er auf der Erde oder auf einem Strauch und Baum einen Ruheplatz gefunden, so schweigt er wie die Feldlerche. Aber nach ca. 15 Sekunden steigt er wieder in die Luft, um im Gleitfluge zur Erde wieder sein schönes Lied trillernd und pfeifend, zuletzt jubelnd zia zia zia, ertönen zu lassen. Nach einer kurzen Pause steigt er immer wieder empor, um uns beim Niederflug durch sein schönes Lied zu erfreuen. Das ist der bei uns allenthalben vorkommende Baumpieper, den das Volk seiner Färbung und seines Singfluges wegen als „Spitzlerche" bezeichnet.

So singen beim Aufstieg und hoch in der Luft Feld- und Haubenlerche. Heidelerche und Baumpieper singen beim Gleitflug zur Erde. Unten angekommen, schweigen Lerche und Baumpieper. Ihren Gesang setzen am Boden, auf einem Strauch oder Baum die Heide- und Haubenlerche fort.

Lauschen wir dem Gesang der Vögel und stimmen auch wir ein in das Dank- und Loblied, das die kleinen gefiederten Sänger ihrem Schöpfer singen.