W. Knippler

Tausend Jahre Aachen-Frankfurter Heerstraße

EIN HEIMATSPIEL UM DIE LANDSKRON

Inhalt der Bilder:

1. Planung der Straße
2. Die Krönungsstraße
3. u. 4. Die Landskron als Schutz der Reichsstraße
5. Die Pilgerstraße
6. Die Post= und Kaufmannsstraße
7. Die Straße des Elends
8. Das Ende der Heerstraße

Von diesem geschichtlichen Heimatspiel, das im Winter 1958/59 in Heppingen seine Uraufführung erlebt, bringen wir die zwei ersten Bilder.

Einleitung spielt in der Gegenwart am Königsgraben zwischen Kirchdaun u. Gimmingen.

Großvater: So, hier bleiben wir ein wenig. (Setzt sich) Enkel: Großvater, warum denn? Hier ist doch garnichts los!

Großvater: Jedesmal, wenn ich hierherkomme, setze ich mich auf diesen Stein. Hier hat vor sechzig Jahren mein Großvater gesessen, und ich war damals ein Knabe wie du und stand vor ihm.

Enkel: Weshalb aber an diesem Stein? Hier ist doch nichts zu sehen! Hier ist nur ein Graben.

Großvater: Königsgraben heißt er bei uns bis auf den heutigen Tag. Doch ich sehe mehr als einen Graben, ich sehe einen Weg, der in weite Ferne führt.

Enkel: Hier ist doch kein Weg. Hier ist alles grundlos, vieles zugewachsen mit Dornen und Hecken.

Großvater: Du kannst den Weg auch nicht sehen. Aber früher war hier ein Weg, sogar eine große Straße.

Enkel: Und wohin führte die?

Großvater: Weit ins deutsche Land und weit in die deutsche Vergangenheit.

Enkel: Wie weit?

Großvater: Über tausend Jahre und über tausend Kilometer!

Enkel: Dann ging sie wohl bis nach Rußland?

Großvater: Nein, nicht nach Osten, sondern nach Süden, von der Mündung des Rheins bis über die Alpen! Wohin schauen wir denn hier?

Enkel: Dort liegt Bengen und dort Leimersdorf, weit hinten steht die Fritzdorfer Windmühle.

Grovater: Dorthin führte der Weg und weiter nach Rheinbach—Düren—Aachen bis in die Niederlande. Und dort?

Enkel: Da kommt man zum Köhlerhof, nach Bodendorf und Sinzig.

Großvater: Ja, von dort den Rhein hinauf nach Frankfurt und weiter nach Süden.

Enkel: Wie sagtest du: „Tausend Jahre weit?"

Großvater: Tausend Jahre, durch die ganze deutsche Vergangenheit hindurch. Es war eine der Hauptstraßen unseres Reiches.

Enkel: So wie die Autobahn heute? (Großvater nickt bejahend.) Wie hieß die Straße?

Großvater: Sie hatte viele Namen. Das Volk nannte sie meistens die Heerstraße, die Aachen=Frankfurter Heerstraße.

Enkel: Großvater, erzähle mir von dieser Straße durch die tausend Jahre! Großvater: Gut, so schaue dir nachfolgende Bilder an und höre auf das Gespräch der Leute!

Erstes Bild. 800. In Aachen
Einhard und ein Mönch, später ein Bauer

Ein Choral klingt auf

Einhard: Ist ihr Singen nicht besser geworden, seit Karl sich um den Kirchengesang kümmert?

Mönch: Ja, Einhard, sie können singen, die Jünger der sieben freien Künste. Einhard: Seine Schule hat ihresgleichen nicht im ganzen Reich. Mönch: Das schufen seine Eehrer, auch Du! Einhard: Aber der beste ging, Alkuin — nach Tours. Mönch: Es ist gut, daß Karl wieder im Lande ist.

Einhard: Noch besser ist, daß die Sachsen nachgeben mußten. Endlich ist Friede und Ruhe.

Mönch: Und Karl ist zum Kaiser gekrönt, zum Römischen Kaiser!

Einhard: Er konnte es nicht verhindern.

Mönch: Das Abendland ist gesichert, solange Kirche und Reich zusammenstehn.

Einhard: Ihr meint christlicher Geist und germanische Kraft! Jetzt endlich kann Karl Ordnung schaffen.

Mönch: Was hat er in den letzten zehn Jahren aus Aachen gemacht!

Einhard: Gefallen Dir die gewaltigen Säulen, die er für die Pfalzkapelle aus Italien herbeischaffen ließ?

Mönch: Ich will Euch nicht schmeicheln, aber wenn die Kapelle erst fertig sein wird, dann werden sich noch in ferneren Zeiten die Menschen daran erfreuen. Diese Säulen werden Karls Ruhm späteren Geschlechtern verkünden.

Einhard: Die Heiligtümer aus Byzanz werden auch viele Menschen anziehen.

Mönch: Von weither kommen sie heute schon nach Aachen. Doch sagt, wie ging es mit den Gebeinen der Heiligen, die Ihr nach Seligenstadt führtet?

Einhard: Das war eine schlimme Fahrt. Das ist kein Weg! Bis Düren und Rheinbach kommt man noch vorwärts. Dann aber geht's zum Ahrgau, und je näher der Grimmig kommt, desto mehr bleibt man im Gestrüpp und Sumpf stecken. Unsere Pferde waren so müde, daß wir am Tage nicht mehr nach Sinzig kamen. So blieben wir zur Nacht in Lohrsdorf und erst ändern Morgens waren wir am Rhein.

Mönch: Dieser Weg ist schändlich. Wie oft aber reitet ihn der Kaiser zum Bannforst an der Ahr oder zu seinen Kammergütern.

Einhard: Karl soll eine Straße bauen lassen, von hier geradewegs nach Sinzig. Von dort kommen wir zu Schiff weiter.

Mönch: Bis an den Main, nach Eurem geliebten Seligenstadt. Einhard: Ja, auch zum Main! Heimat bleibt Heimat!

Mönch: Die alten Wege der Römer können wir leider nicht benutzen, die laufen meist so, daß sie die neue Strecke rechtwinklig schneiden.

Einhard: Das darf uns nicht stören. Die neue Straße muß den Eifelhöhen entlanglaufen, geradeaus auf die Mündung der Ahr. Wir werden tüchtige Leute brauchen.

Mönch: Da müssen die Handwerker von den Kammergütern helfen.

Einhard: Ich werde mit den Gaugrafen reden. Die können die Hundertschaftführer verständigen. Mönch: So trägt's dem Kaiser vor, der wird Euch nichts abschlagen. Ihr seid ja Meister im Bauen!

Ein Bauer tritt auf

Bauer: Grüß Gott! Könnt Ihr mir helfen? Ich bin der Bauer vom Lindenhof. Ich war mit des Kaisers Heerbann in Spanien, fünf Jahre! Derweil verkam mein Hof. Immer hatte ich die besten Pferde weit und breit. Jetzt ist alles heruntergewirtschaftet. Meine Nachbarn leben in Wohlstand, die sind hörig geworden und blieben daheim. Erlaubt mir, daß ich auch hörig werde! Die Heerfolge drückt zu sehr.

Einhard: Ist Euch die Freiheit so wenig wert? Bauer: Hörig sein ist halt das kleinere Übel. Einhard: Ich will mit dem Kaiser darüber reden. Bauer: Ich dank Euch! (Geht ab.) Einhard: Schade um den stolzen Bauer! Mönch: Was geht's den Kaiser an?

Einhard: Karl duldet nicht, daß alle Bauern Knechte werden. Er kümmert sich um alles. Sein Riesengeist bemerkt das Größte und das Kleinste.

Mönch: Ja, er ist groß, und stark ist deshalb sein Reich.

Einhard: Aber wie wird es sein, wenn er einmal nicht mehr sein wird?

Mönch: Ein Reich schaffen ist schwer, es erhalten ist schwerer.

Einhard: Doch komm, wir zeichnen den Plan zu der neuen Straße nach der Ahr.

Mönch: Und zum Main! (Beide ab.)

Zweites Bild. 1151. In der Kaiserkammer bei Bodendorf. (Die Krönungsstraße)

Ritter Rodolfus von Sinzig, Schulze von Bodendorf, ein Bursche, später zwei Bauern.

Schulze: Solch ein Volk hab ich noch nicht beisammen gesehn. Der junge König nimmt alle gefangen durch sein Wesen. Das ist ein echter Ritter!

Ritter: Wie herrlich war das Königsboot geschmückt, das Friedrich von Frankfurt nach Sinzig brachte. In der Villa regia ruhte er aus für den Ritt nach Aachen.

Schulze: Wie lange wird er bleiben? Ob die Servitien ausreichen werden?

Ritter: Diesmal wird es gehen. Remagen und Sinzig haben pro Tag zwei Servitien zu stellen: je 40 Schweine, 7 Ferkel, 5 Kühe, 50 Eier, 10 Gänse, 90 Käse und 4 große Fuder Wein. Das wird genügen; denn heute reitet der Staufer weiter.

Ritter: Geride für Euch bleibt noch viel zu tun. Denn hier in Eurer Gemeinde wird der König sich huldigen lassen.

Schulze: Wa wa — was? Das ist doch nicht möglich!

Ritter: Was meint Ihr, weshalb ich Euch am frühen Morgen hierherbestellt habe? Laßt schnell einige Leute holen, die müssen Hecken weghauen und auf die Seite schaffen.

Schulze: Weiter nichts? Das ist schnell gemacht. (Spricht mit den Burschen. Dieser ab!)

Ritter: Euer Berg wird vom Gestampf der Pferde zittern! Hier wird das rote Königszeit aufgeschlagen, mit dem Blick zur Ahr und zum Rhein. Das erledigen die Knap= pen. Vor dem Zelt wird der König stehen, unter der Staufenfahne. Dort wird der Hofstaat sich aufstellen. Hier die Herzöge, der Zähringer, der Lothringer, Otto von Wittelsbach und der von Österreich. Auf der ändern Seite halten die Bischöfe: Arnold von Köln, Hillin von Trier, die ändern kenne ich nicht. Die von Kambrijk, von Verdun und von Toul sind aber auch dabei. Zu der Gruppe gehören auch die Äbte. Vergessen habe ich noch die Pfalzgrafen und die Gaugrafen.

Schulze: Die Fahnen und die Wimpel werden flattern. Die Trompeten werden schmettern. Rätätätä!

Ritter: Macht keine Spaße! Die vom Ahrtal werden auch dabei sein mit ihren Frauen, der Graf von Are Theoderich, Adolf von Saffenburg und Ulrich von Nürburg.

Schulze: Jeder sonnt sich in der Pracht des jungen Königs. Ritter: Sogar die Schulzen und die Scheffen.

Schulze: Und alles, was sich dranhängt: die Spielleute, die fahrenden Sänger und die Gaukler. Schade, daß erst März ist und die Wälder noch nicht grünen.

Ritter: Dafür haben wir aber heute Königswetter — und Friedrich hat den Frühling und den Sommer für den großen Königsritt.

Schulze: Wohin führt der

Ritter: Nach Köln—Paderborn—Goslar—Merseburg—Regensburg—Augsburg—Speyer—Fulda. In Trier will der König die Weihnacht verbringen.

Schulze: Von den meisten Orten habe ich nie gehört. Die liegen doch nicht alle am Rhein? Ritter: Nein, im Westen und Osten, im Norden und Süden. Schulze: Dann reitet er ja durchs ganze Reich!

Ritter: Und überall wird der gleiche Jubel herrschen, und überall muß er Huldigungen über sich ergehen lassen.

Schulze: Wir von der Ahr aber erleben die erste!

Ritter: Der König wird jetzt bald zur Messe gehen, da muß ich eilen.

Schulze: Ich sehe nach, wo die Bauern bleiben. (Beide ab.)

Zwei Bauern treten auf.

1. Bauer: Bist Du auch bestellt?

2. Bauer: Ja, aber ohne den Schulzen können wir nicht anfangen.

1. Bauer: Von hier oben sieht man, daß in Bodendorf noch für Wingerte gerodet werden kann.

2. Bauer: In Ahrweiler haben sie es im Winter getan.

1. Bauer: Die Zeit des großen Rodens ist vorbei. Überall sind Dörfer!

2. Bauer: Bald ist kein Platz mehr für die vielen Menschen.

1. Bauer: Die Ersten sind schon abgewandert. Der Tonis von Heimersheim ist nach Osten mit den Rittern.

2. Bauer: Der Barthel von Kirch=Daun auch mit den Mönchen.

1. Bauer: Wenn nur der Schulze käme! Heute früh soll der neue König hierherkommen mit all den Rittern und Bischöfen.

2. Bauer: Was, Bischöfe? Ich habe gestern abend in Sinzig bei dem ganzen Gefolge keinen einzigen Bischof gesehen.

1. Bauer: Im Königsgefolge sehen sie aus wie alle anderen Ritter, jeder hoch zu Pferd, gerüstet, das Schwert an der Seite.

2. Bauer: Ziehen die auch mit in die Schlacht, wenn einmal Krieg im Lande ist?

1. Bauer: Natürlich, auch sie ziehen mit ins Feld für Kaiser und Reich.

2. Bauer: Ja, das Reich! Da liegt das Sinziger Reich, und zur Feier des schönen Tages ist darüber die Sonne aufgegangen.

1. Bauer: Das alles gehört dem jungen König.

2. Bauer: Wer den Staufer gesehen hat, der muß ihn gern haben. Das ist ein richtiger Herr. Dem geben wir gerne die Servitien.

1. Bauer: Wenn er das Recht schützt und den Frieden!

2. Bauer: Dann stehen alle Banner treu zum Reich. — Dort kommt ja der Schulze!

(Beide ab.)