JAKOB DIEDERICH

Wie die Trinkwasserfrage auf der Grafschaft gelöst wurde

Der Ausspruch von J. Liebig, daß man den Kulturstand eines Volkes vom Gebrauch der Seife erschließen könne, erinnert an das 300 Jahre alte Wort von Paracelsus, daß der Wasserverbrauch eines Volkes ein Gradmesser für seine Kultur sei. Die Versorgung der Bevölkerung mit gutem, hygienisch einwandfreiem Trinkwasser muß auch in der Gegenwart als eine der vordringlichsten Aufgäben einer verantwortungsbewußten Kommunalverwaltung bezeichnet werden. In unserem Heimatkreis Ahrweiler ist auf diesem Gebiet in der Vergangenheit hervorragende Arbeit geleistet worden, so daß es nur noch wenige Gemeinden geben dürfte, die nicht an eine neuzeitliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen sind.

Die letzten Jahre brachten auch für eine große Anzahl von Ortschaften des Amtsbezirks Ringen in dieser Hinsicht die Erfüllung langgehegter Wünsche. Dank der Initiative des Herrn Landrat Urbanus und des Amtsbürgermeisters Simons konnten im vergangenen Jahre die Hoffnungen verwirklicht und das Werk einer umfassenden Wasserversorgung erfolgreich zum Abschluß gebracht werden.

Die Planungsarbeiten reichen bis in das Jahr 1955 zurück. Es galt, vielfach in mühevoller Kleinarbeit, die einzelnen Gemeinden für das neue Projekt zu gewinnen und im Verein mit dem Wasserwirtschaftsamt Koblenz und dem Landwirtschaftsamt in Ahrweiler die schwierige Frage der Finanzierung zu lösen, da die erheblichen Kosten die Kräfte der Gemeinden weit überstiegen. Es gelang, nahezu 450 ooo,— DM als verlorene Zuschüsse oder als Beihilfe flüssig zu machen; hierzu kamen Darlehen aus Landes= und Bundesmitteln bzw. von öffentlichen Kassen in Höhe von rund 520 ooo,— DM. Die geologische Bodenbeschaffenheit der „Grafschaft" weist unter dem tiefgründigen, fruchtbaren Lehm= und Lößboden ausgedehnte Tonschichten auf, die wasserundurchlässig sind, so daß man notwendigerweise darauf angewiesen war, das in den höheren Schichten vorhandene Oberflächenwasser als Reservoir für die Wasserversorgung in Anspruch zu nehmen. Es zeigte sich bei den Tiefenbohrungen, daß für alle in Aussicht genommenen Projekte ergiebige Wasseradern erbohrt werden konnten, die die Versorgung voll gewährleisten.

Trotz vielfach ungünstiger Witterungsverhältnisse konnten die umfangreichen Arbeiten in der vorgesehenen Zeit zum Abschluß gebracht werden. Die verständnisvolle Mitarbeit und Unterstützung der Gemeindebürgermeister sowie der Gemeinschaftsverwaltungen und der Vorstände der Wasserversorgungszweckverbände trugen nicht wenig zur Förderung des großen Werkes bei. Für die Hauptrohrleitungen wurden erstmalig Eternitrohre und für die Hausanschlüsse meist Kunststoffrohre verwandt, die billiger als Gußeisenrohre und nach neuesten Erfahrungen unempfindlicher gegen Verkrustung sind. An der Erstellung der Anlagen waren in der Hauptsache die Firma „Eternit (Vertreter Wilh. Tenten, Bonn), die Firma Blech in Hillesheim für Wasserpumpen sowie die Gebr. Becher, Mudersbach/Sieg als Spezialfirma für Wasserversorgungsanlagen" beteiligt. Nachstehende statistische Angaben vermittein ein eindrucksvolles Bild über den Umfang der ausgeführten Arbeiten.

GEMEINDE BENGEN

Der Ort zählt 400 Einwohner mit 193 Stck.

Großvieh. Die Rohrlänge beträgt 2 km mit 20 Hydranten. 85 mit Wasserzählern versehene Hausanschlüsse wurden erstellt. Eine Tiefenbohrung von 33 m fördert täglich rund 60 cbm Wasser bei einem Tagesbedarf von 35 cbm. Ein Hochbehälter faßt in zwei Kammern je 40 cbm Verbrauchs= und Brandwasser.

GRUPPENWASSERWERK
Birresdorf = Leimersdorf = Nierendorf

Die Versorgung umfaßt die Ortschaften Birresdorf, Leimersdorf, Oeverich, Niederich und Nierendorf mit insgesamt 1140 Einwohnern und 807 Stück Großvieh, für die täglich 110 cbm Wasser benötigt werden. Verlegt wurden rund 11 km Rohrleitung mit 35 Hydranten und 252 Hausanschlüssen. Ein Hochbehälter hat ein Fassungsvermögen von 250 cbm Wasser, davon 50 cbm Brandwasser.

GRUPPENWASSERWERK
Vettelhofen = Holzweiler

Versorgt werden aus einer zentralen Anlage die Orte Vettelhofen, Nieder= und Oberesch, Nieder= und Oberholzweiler mit 872 Einwohnern und 521 Stück Großvieh. Die Länge der Hauptrohrleitung beträgt 10 km mit 30 Hydranten und 175 Hausanschlüssen. Der Tagesbedarf beläuft sich auf 100 cbm. Ein Hochbehälter vermag 250 cbm Wasser, davon 50 cbm als Brandwasser aufzunehmen. Zusätzlich liefert der Brunnen von 24,60 m Tiefe 200 cbm, so daß die Versorgung reichlich gedeckt ist.

GEMEINDE KALENBORN

Der Ort hat 262 Einwohner mit 153 Stück Großvieh. Mit der Schaffung der Wasserversorgungsanlage wurde gleichzeitig eine Kanalisierung des Ortes verbunden. Die Länge der Rohrleitung ist 3 km mit 16 Hydranten und 64 Hausanschlüssen. Ein Hochbehälter faßt bei einem täglichen Bedarf von 24 cbm Wasser 8o cbm mit 40 cbm Brandwasser.

GEMEINDE KARWEILER

Seit Jahren war die Wasserversorgung des Ortes, der 295 Einwohner und 8o Stück Großvieh hat, unzureichend. Die nunmehr in der Nähe der „Grasmühle" auf einem wasserreichen Gebiet angebohrte Wasserader liefert 28—30 cbm pro Tag. Ein Hochbehälter mit So cbm Wasser, davon 40 cbm als Brandwasser, sowie eine neue zusätzliche, 600 m lange Hauptleitung von der „Grasmühle" in den Ort haben dem alten Übel einer mangelhaften Wasserversorgung abgeholfen.

GEMEINDE GELSDORF

Auch hier war die Wasserversorgung für die 870 Einwohner mit 367 Stück Großvieh zählende Gemeinde mit großen Schwierig" keiten verknüpft, zumal die Qualität des Wassers zu wünschen übrig ließ. Eine Tiefenbohrung von 40 m liefert jetzt ausreichend Trinkwasser von bester Güte. Bei einem Tagesbedarf von etwa 100 cbm werden täglich 190 cbm geliefert. Die Rohrleitung wurde erneuert und ist 1,7 km lang. 15 Hydranten sind vorhanden.

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Gesamtbild: Etwa 3000 Einwohner mit 2125 Stück Großvieh wurden an die neugeschaffenen bzw. verbesserten zentralen Wasserversorgungsanlagen angeschlossen. Rund 27 km Hauptrohr wurden verlegt, über 100 Hydranten eingebaut und 580 Hausanschlüsse installiert.

Ein eindrucksvolles, in seiner Gesamtschau imponierendes Werk!

Vorbei ist die mühselige und zeitraubende Arbeit, da man das Wasser für den Haushalt und die Versorgung des oft umfangreichen Viehbestandes aus nicht immer hygienisch einwandfreien Brunnen, Bachlaufen oder anderen trüben Quellen entnehmen mußte. Die einstens im Dorfbild nicht wegzudenkenden dahinwankenden Gestalten mit den schweren Wassereimern gehören endgültig der Vergangenheit an. Dank aber gebührt Herrn Landrat Urbanus und Amtsbürgermeister Simons, die dieses große Werk als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben betrachteten und durch ihre Bemühungen um eine glückliche Finanzierung die Durchführung der umfangreichen Arbeiten ermöglichen.

EINE KULTURHISTORISCHE RÜCKSCHAU!

Vor fast 2000 Jahren bauten die Römer im Ahrgau aus Tuffsteinen Wasserleitungen, die ihre Landhäuser, besonders aber ihre Kasernen, mit frischem Quellwasser versorgten. Großartiger noch war die römische Wasserleitung, deren Überreste wir noch heute bewundern, die von Nettesheim aus der Kalkeifel am Nordrande der Eifel und der Grafschaft vorbei nach Bonn und Köln führte.

In der Frankenzeit benutzte man durchweg Bach= und Flußwasser. Im Mittelalter traten Ziehbrunnen und Pumpen auf, die aber häufig zu beanstanden waren, weil Jauchegruben und Friedhöfe oft in der Nähe der Brunnen lagen.

Unsere modernen Wasserleitungen bringen wie die römischen frisches Quellwasser dem Verbraucher ins Haus; sie führen das Wasser aber nicht nur wie in römischen Zeiten zu den Villenbesitzern und Truppenlagern, sie bringen das „kostbare Naß" in jedes Haus, auch in die kleinste Hütte des ärmsten Dorfbewohners. Das kostbare Element „Wasser" in den Wasserleitungen mit den zahlreichen Hydranten hilft aber auch die Gewalt eines anderen Elementes bannen: Die Wasserstrahlen aus den Hydranten bannen das Feuer, wenn es, die Zügel abwerfend, sein Zerstörungswerk beginnen will; sie ersticken das Feuer im Keim oder beschränken es auf den Ausgangsherd. Bisher konnten wir für die Höhendörfer der Grafschaft fast für jeden Ort alle hundert Jahre einen Großbrand feststellen, der einen großen Teil der Ortschaft in Schutt und Asche legte!

So sind die neuen Wasserleitungen als kulturelle Werte zu schätzen, da sie gutes Trinkwasser spenden und gegebenenfalls einen Großbrand verhindern.