FRANZ WEBER

Die Landschaft auf dem NÜRBURGRING

Wenn man vom Nürburgring spricht, dann denkt man unwillkürlich an seine Eigenschaff als die größte und schönste Rennstrecke der Welt, an seine hier ausgetragenen internationalen Rennen. Die Atmosphäre der sonst so stillen und romantischen Eifel ist an solchen Tagen wie verzaubert: Menschen, die im Alltagsleben nüchtern denken und sich zu spontanen Handlungen kaum hinreißen lassen, verlieren an solchen Tagen ihre Zurückhaltung, sie sehen sich plötzlich inmitten eines brodelnden Hexenkessels versetzt und sind einige der vielen, denen das bisher so behütete Temperament durchgeht. Das ist eine der Seiten, die man am Nürburgring erleben kann.

Aber es gibt auch noch eine andere Seite des Erlebens, und diese Seite wollen wir einmal anklingen lassen. Selbstverständlich steht auch hier der Nürburgring im Mittelpunkt, aber in diesem Falle wirkt er wie ein ruhender Pol, wie eine Insel in dem umflutenden Verkehr: Es ist die Ruhe, die Stille, die den Menschen umgibt, wenn er den Nürburgring nicht mit dem Auge des Sportlers, sondern mit den Augen des Kraftfahrtouristen oder des Eifelwanderers ansieht.

Zu Beginn zwei Erläuterungen: Was ist die Eifel und welches sind die technischbaulichen Besonderheiten des Nürburgringes? Die Eifel ist jenes Gebiet im Westen der Bundesrepublik Deutschlands, das mit seinen Ausläufern nach Frankreich, Luxemburg und Belgien hineinreicht, ein Gebiet, das im Laufe der Jahrtausende durch Erosionen und Eruptionen seine Gestalt und seinen Charakter geändert und dann endgültig geformt hat. Die vielen Domkuppen, Kraterberge und Maare, die heute noch der Eifel ihr Gepräge geben, zeugen davon, daß seit der Tertiärzeit bis zur Neuzeit der Vulkanismus tätig war. Lange war diese Landschaft verkannt, und doch ist sie reizvoll, so überreich an landschaftlichen Schönheiten. Kein Bergland im Westen hat einen derartig verschiedenartigen Charakter, vereinigt in sich solch landschaftliche Kontraste wie die Eifel. Und inmitten dieses naturgebundenen Kleinodes liegt der Nürburgring, eine in der ganzen Welt einmalige Touristenstraße: 28 Kilometer lang, 500 Meter Höhenunterschied, Steigungen bis zu 18 Prozent, Gefalle bis 11 Prozent, 175 Rechts= und Linkskurven.

„Keine Eifelfahrt ohne eine Runde über den Nürburgring!"

Hinter diesen Worten verbirgt sich die Erkenntnis, etwas tatsächlich Schönes erlebt zu haben. Es ist ja die Eigenart der Nürburgringlandschaft, daß sie sich in jeder Jahreszeit in einem anderen Gewand vorstellt. Im Frühling ist es das zarte Grün der Wiesen und Wälder, im Sommer der Ginster, im Herbst die Heidelandschaft und das Braun der Blätter, im Winter die Weite der Schneelandschaft. Eine Fahrt über den Nürburgring bietet immer neue Ausblicke, das Landschaftsbild vermittelt immer neue Überraschungen. Darum einen Rat an den Kraftfahrtouristen: „Fahre langsam und genieße die Reize, die dir geboten werden!" In dieser herrlichen Bergwelt mit ihren duftenden Laub= und Nadelwäldern wollen wir gemeinsam eine Fahrt über den Ring machen. An der Auffahrt in Breidscheid haben wir schnell die erforderlichen Formalitäten hinter uns. Nach kurzer Anfahrt haben wir das „Bergwerk" — hier soll vor einigen Jahrhunderten Silber gewonnen worden sein — erreicht; zur Linken ein langgestrecktes Wiesental, klettert der Wagen in langsamer Fahrt am „Kesselchen" und „Klostertal" vorbei bis zum Fuße der Steilstrecke. Hier müssen wir uns nun entscheiden: sollen wir die Schwierigkeiten der 27prozentigen „Steilstrecke" meistern — aber nein, diese Runde gilt ja nur der Schönheit der Natur. Also lassen wir das Grau der Betonstrecke liegen und folgen der schwarzen Linienführung zum „Karussel". Zum ersten Male sehen wir von hier aus die Nürburg mit ihrem trutzigen Turm herüberblicken. Unser Wagen nimmt die letzte Höhe und wir befinden uns am Fuße der „Hohen Acht", des höchsten Berges der Eifel. Aufstrebende Buchen= und Tannenwälder laden zur kurzen Rast ein.

Auf fast gleichbleibender Höhe geht es nun in Berg= und Talfahrt am „Wippermann" und „Brünnchen", am Naturschutzgebiet des Wacholders, vorbei. Am „Pflanzgarten" kommen uns die plastischen Konturen der Nürburg immer näher, die Hohe Acht, die „Königin der Eifel", liegt hinter uns. Nachdem wir dann am „Schwalbenschwanz" vorbei das düstere und kurvenreiche Gebiet des „Galgenkopfes" — die frühere Richtstätte der Grafen von Nürburg — hinter uns gelassen haben, zeigen sich auf der „Döttinger Höhe" die Mayener Berge. Kurz hinter der „Antoniusbuche" liegen Dorf und Ruine Nürburg zu unseren Füßen, und der Start= und Zielplatz, das Herz der gesamten Anlage, empfängt uns. Wir verfehlen auch nicht, von hier aus einen kurzen Spaziergang zur Burg zu machen, von der man einen wundervollen Rundblick in die weite Landschaft hat. Ursprünglich im Besitz der Grafen von Are und ihrer Nebenlinie, der Grafen von Are=Nürburg, kam sie schon 1276 zu Kurköln, bei der sie bis zur Franzosenzeit (1794—1814) verblieb. Im Jahre 1689 wurde sie von den Franzosen zerstört.

Wir setzen unsere Fahrt in die Südschleife fort, erreichen nach kurzer Fahrt durch Wald und Ödland den Ort Müllenbach, um dann in wechselnden Steigungen durch den Hochwald wieder die Gegengerade an Start und Ziel zu erreichen. Aber noch steht uns Schönes bevor. Dunkler Tannenwald begleitet uns durch die „Hatzenbach", bis uns die „Quiddelbacher Höhe" aus dem Dunkel herausreißt, ein wundervolles Panorama liegt vor uns: Rechts die Nürburg mit einem im Sonnenschein liegenden Steinbruch, vor uns in einiger Entfernung der aufragende Aremberg — einst der Stammsitz der Grafen, Fürsten und Herzöge von Aremberg — sowie das Dörfchen Quiddelbach. Geschichtliche Erinnerungen werden nunmehr in uns wachgerufen und begleiten unsere weitere Fahrt. Die „Poststraße", eine zur Zeit der Römer erbaute Straße, läuft an der Außenseite der Rennstrecke entlang, das „Schwedenkreuz" ruft in uns die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück, aber das plötzlich in die „Fuchsröhre" führende Gefalle und die anschließende Steigung zum „Adenauer Forst" bringt uns wieder in die Gegenwart zurück. Gegen Ende unserer Fahrt erblicken wir im kurvenreichen „Kallenhard" und „Wehrseifen" das in schützende Berge in einer Talfurche eingebettete Adenau, die Stadt am Nürburgring.

Blick in die Eifellandschaft von der Burgruine der Nürburg
Foto: H. Esch

BLICK AUF DIE NÜRBURG
Foto: H. ESCH

Der Nürburgring mit seinen unzähligen Kurven, seinen dauernd wechselnden Steigungen und Gefallen ist umrundet, und wenn man sich dann die Frage vorlegt, ob sich eine solche Runde gelohnt hat, dann haben hierauf schon viele Besucher — allein 80 000 Fahrzeuge besuchen im Laufe eines Jahres den Ring als Touristenstraße — die Antwort gegeben. Neben seiner Bedeutung als Rennstrecke für den nationalen und internationalen Motorsport hat der Nürburgring die zweite, nicht minder hohe Aufgabe, das Gebiet der Eifel dem Fremdenverkehr immer mehr zu erschließen und zu fördern.

Und die Schönheit der Eifel mit ihren Bergen und Wäldern erschließt der Ring auch dem Wanderer und den Wandergruppen, die auf wohlgepflegten Waldpfaden, die den Ring begleiten, die stille Freude der Wälder erleben und auf Bergeshöhen die Landschaft aus der Vogelschau betrachten und froh genießen.