Exotische Gäste in Adenau

EINE KLEINE BETRACHTUNG FÜR NATURFREUNDE

Von Friz Theisen

Gäste pflegen im allgemeinen, den Ort ihres Besuches, je nach Umständen, auch wieder zu verlassen. Den Besuchern aber, von denen hier die Rede sein soll, hat es bei ihrem ersten Aufenthalt in Adenau anscheinend gleich so gut gefallen, daß sie sich entschlossen haben, nicht mehr in ihre ursprüngliche Heimat zurückzukehren, sondern für immer bei uns zu bleiben. Sie haben hier in des Wortes wahrster Bedeutung Wurzeln geschlagen und fühlen sich seither, es mögen jetzt ungefähr So Jahre vergangen sein, sehr wohl bei uns. Wir freuen uns über die Treue, die sie uns gehalten haben.

Es handelt sich um eine Gruppe exotischer Bäume, die der Naturfreund sehr leicht findet, wenn er auf einem Spaziergang zum Friedhof oder zum Kreuzweg an den Eingang zum Steinweg kommt und einen Blick nach links in den Vorgarten des Hauses Sieglohr wirft. Nun erhebt sich die Frage, wie diese fremden Gäste der Natur zu uns gekommen sind. Heinrich Sieglohr (geb. 21. 7. 1836, gest. 4. 5. 1911) war Bezirkswiesenbaumeister in Adenau und als solcher mehr als manch anderer mit der Natur verbunden. Ihm mag es Freude gemacht haben, beim Bau seines Hauses um 1880 den seltenen Gästen in seinem Garten einen Platz einzuräumen.

Im Hintergrund der Gruppe sehen wir zwei hohe und schlanke Bäume, denen der Volksmund den Namen Lebensbaum gegeben hat, weil er im Winter wie im Sommer grünt. Als Sinnbild unvergänglichen Lebens sieht man ihn daher auch häufig auf Friedhöfen. Andere leiten den Namen Lebensbaum her von der angeblichen Heilkraft des Öles, das in dem Holz enthalten ist. Der richtige Name des Baumes ist aber Thuja (thya von thyo = ich opfere). Das wohlriechende Holz wurde nämlich zu Räucheropfern verwendet. Bei genauerem Zusehen werden wir wohl eine gewisse Ähnlichkeit der beiden eben genannten Bäume feststellen. Sie sind trotzdem verschieden, besonders in der Astbildung. Der aus Nordamerika stammende Lebensbaum (Thuja occidentalis) vorne links) verzweigt sich wiederholt in waagerechter, der in Ostasien heimische Morgenländische L. (Thuja orientalis) dagegen in senkrechter Richtung. In ihrer Heimat wird der Stamm beider Sorten als gutes Bau= und Möbelholz verwendet. Wie ergiebig ein solcher Baum sein kann, mag man daran ermessen, daß die amerikanische Thuja gigantea bei entsprechendem Umfang eine Höhe bis zu 60 m erreicht, während die Thuja orientalis, die man vom Kaukasus bis Japan antrifft, bei weitem in der Entwicklung zurückbleibt. Als nächsten Gast begrüßen wir den Tulpenbaum oder wie er richtig heißt, die Magnolie. Sie gehört zur Familie der Magnoliazeen. Sie bekam ihren Namen nach dem französischen Professor der Botanik, Pierre Magnol (gest. 1745). Etwas Ähnliches haben wir übrigens auch bei unsern Dahlien, die als Georginen aus Mexiko bei uns eingeführt und später nach dem nordischen Botaniker Dahl ihren neuen Namen bekommen haben. Die Heimat der Magnolie ist Amerika, wo sie zu einem bis zu 50 m hohen Baum heranwächst. Manche Sorten der Magnoliazeen finden sich auch in Asien. Am bekanntesten sind die laubabwerfenden Arten, zu denen auch unsere Magnolie gehört. Im zettigen Frühjahr,

noch bevor die Blätter erscheinen, entfaltert sie ihre herrlichen Blüten, die einer Tulpe nicht unähnlich sind. In milderen Gegenden unseres Vaterlandes ist ab und zu auch eine immergrüne Art der Dahlie anzutreffen, die ihre weißen, duftenden Kelche aber erst im Sommer erschließt. Wohl der seltsamste unter unseren exotischen Gästen ist der Gingkobaum, den wir in zwei Exemplaren in dem Vorgarten sehen können. In größerer Anzahl finden wir ihn in einem Park bei Hümmel=Falkenberg, in einer Allee in Andernach, im Schloßpark zu Heidelberg und als Einzelbaum in den Ehrenwallschen Anlagen in Ahrweiler und vor der Hildaschule in Koblenz. Seine Heimat ist China und Japan. Dort erreicht er eine Höhe von 40 m und findet bevorzugt Verwendung als Tempelbaum. Das Eigenartige bei ihm ist, daß er weder Laub= noch Nadelbaum ist, sondern eine Zwischenart darstellt. Er hat zwar fast das Aussehen eines Laubbaumes, aber seine langgestielten, zweilappigen Blattgebilde sind von gabelig verzweigten, strahlig verlaufenden Nerven durchzogen, so daß sie stark an gewisse Farne erinnern. Die merkwürdigen Blätter werden im Herbst abgeworfen. .

Der Gingkobaum (Gingkobiloba) wird wegen der Form seiner Blätter auch Elefantenohrbaum genannt. Trotz seiner Blätter wird er zu den Nadelhölzern gezählt. Beim gelben Herbstblatt sehen wir, wie die eigentlichen Nadeln durch eine dünne Blatthaut verbunden sind.

Dieser zweihäusige Baum steht in der Stufenleiter der Systematik noch unter den Nadelhölzern, nicht deshalb, weil er zweihäusig ist — zweihäusig sind auch die Nadelhölzer Eibe und Wacholder —, sondern weil er im Bau seiner Vermehrungsorgane Anklänge an Moose und Farne, also an die Sporenpflanzen, zeigt.

Im Mai treibt der Wind die Pollenkörner zu den Fruchtblüten, wo jedoch die Befruchtung nicht sogleich stattfindet. Die Pöllenkörner bleiben noch monatelang in den sogenannten Pollenkammern der weiblichen Fruchtblüten liegen, bis aus den Pollen bewegliche, mit Wimperhärchen „Spermatozoiden" hervorgehen, die nunmehr die Befruchtung vollziehen.

Die drei bis fünf stehenden fächerförmigen Blätter werden im Herbst abgeworfen. Die Früchte sind pflaumenähnlich und genießbar. Wenn unsere beiden Freunde nicht die volle Höhe erreicht haben und auch keine Früchte tragen, so liegt das daran, daß man ihnen die Flügel gestutzt und sie dadurch an der vollen Entfaltung gehindert hat; es mögen aber auch zwei männliche Exemplare sein, die keine Früchte tragen können.