Content-Type: text/html Besuch bei den letzten Schwaben im heutigen Ungarn

Besuch bei den letzten Schwaben im heutigen Ungarn

VON HEINRICH O. OLBRICH

Ihre Vorgeschichte

Die Donau war im Mittelalter eine der beliebtesten Verkehrsstraßen für den deutschen Handel nach dem nahen Orient. Es blieb daher nicht aus, daß an den Ufern dieses bedeutenden Wasserweges von den Deutschen zahlreiche Stützpunkte angelegt, befestigt, ausgebaut, und bevölkert worden sind. So entstanden die Städte Preßburg, Odenburg, Raab, Ofen, Pesch, Fünfkirchen, Kremnitz, Schemnitz, Nausohl, Großwardein und viele andere.

Die damaligen Könige von Ungarn begrüß« ten diese von den Deutschen geförderte Entwicklung sehr und erteilten ihnen Schutzbriefe und besondere Privilegien, wonach die deutschen Zuwanderer „nach deutschem Recht und deutscher Sitte sollten leben dürfen".

Diese ersten Kolonisten gelangten rasch zu Ansehen, Ehren und Wohlstand und förderten dadurch zugleich das Ansehen, die Kultur und Macht dieses Landes. Die älteste glückliche Entwicklung der Deutschen in Ungarn wurde durch die Türkenkriege, in denen unsere Stammesbrüder einen beträchtlichen Blutzoll leisten mußten, zerstört. Die Abwehrkämpfe erstreckten sich über zwei Jahrhunderte, bis endlich das Siegesjahr 1717 die Entlastung brachte.

Prinz Eugen, der Generalfeldzeugmeister Prinz Alexander von Württemberg und der Graf Thaun befreiten nach harten und langwierigen Kämpfen das ausgeplünderte Land von der türkischen Herrschaft.

Die erste Werbung von Deutschen

Auf dem denkwürdigen Reichstag von 1723, der die berühmte Pragmatische Sanktion zum Gesetz erhob, wurde im Gesetzartikel 105 festgelegt, daß der Herrscher von den ungarischen Ständen ersucht werde, aus seinen österreichischen Erbländern und aus dem Heiligen Römischen Reich Deut= scher Nation Ansiedler nach Ungarn zu bringen. Dieser Gesetzartikel lautet in deutscher Übersetzung: „Seine geheiligte Majestät wird gütig erlauben, daß freie Personen jeder Art ins Land gerufen werden, die von jeder öffentlichen Steuer für sechs Jahre zu befreien sind, und daß diese Freiheit im ganzen Lande verkündet werden kann."

Dem Siege folgte der deutsche Pflug

Der durch diese Werbung einsetzende erste Reichskolonistenzug erstreckte sich übe* die Jahre 1723 bis 1726. Die Deutschen kamen ins Banat als „freie kaiserliche Zinsbauern", denn das Banat mit der Hauptstadt Temeschwar war 1756 an die Krone des Kaisers gefallen. In zäher Arbeit entwickelten die Deutschen aus Not und Tod eine reiche Kornkammer. Wie schwer und hart das Los dieser deutschen Kolonisten war, zeugt die Kunde, die damals von Mund zu Mund ging, daß „das Banat das Grab der Deutschen" sei. In der Tat war es wirklich so, daß das Land völlig versumpft war und die Malaria viele Menschen dahinraffte. Aber trotz der großen Fährnisse des Bodens erarbeiteten sich die Deutschen in mühevollsten Arbeitsjahren den wohlverdienten Erntesegen. Dörfer blühten auf und die Städte erfreuten sich eines regen Handels.

Die Jahre 1737 bis 1739 brachten einen großen Rückschlag, als plötzlich die Pest ausbrach und das Land mit neuem Krieg überzogen wurde; 1736 war nämlich der heldenhafte Prinz Eugen gestorben, und die Türken versuchten nochmals, bis zur Festung Temeschwar vorzudringen. Wieder wurde das erblühte Land verwüstet; die Deutschen, soweit sie nicht in der Abwehr standen, flüchteten in die deutschen Dörfer nördlich Temeschwar. Trotz dieser harten Bewährungsprobe für das junge Siedlungswerk hielt der Schwabe wacker durch.

Das großzügige Siedlungswerk Maria Theresias und Josefs II. Ungarn und auch die übrigen Kronländer Österreichs waren aufnahmefähig genug, um eine erneute umfassende Besiedlung anzubahnen. Maria Theresia ließ bevorzugt deutsche Bauern ins Land rufen, die durch ein besonderes Ansiedlungspatent gesichert werden sollten. Der Erfolg war so groß, daß man in den deutschen Ländern von einem „Zweiten Schwabenzug" sprach. Eine wahre Völkerwanderung setzte jedoch ein, als der Sohn Maria Theresias, Kaiser Josef II., 1780 die Regierung übernahm

und sein großes Augenmerk den östlichen Gebieten seines Reiches, besonders Ungarn, zuwandte.

Über diese Vorgänge berichtet uns Johann Eimann aus Duchroth bei Kreuznach, der damals als junger Mann nach Ungarn auswanderte, selbst Siedler wurde und die Geschehnisse seiner Zeit in einem umfassenden Bericht niederlegte. Um den großen Menschenbedarf Josefs II. zu decken, kamen Werber ins Land, bevorzugt in die Pfalz, ins Moselgebiet bis nach Trier, in die Eifel und ins Hessenland. Begehrt waren Bauern und Handwerker. So wanderten auch 18 Familien aus dem Ahrtal, besonders aus Ahrweiler und Altenahr, nach Ungarn aus. Mit karglichem Haus= und Ackergerät und mit Brot und Mehl aus der Heimat bestiegen sie bei Sinzig ein Rheinschiff und fuhren rhein- und neckaraufwärts. Der Landweg führte über die Rauhe Alb nach Ulm. Hier bestiegen die Auswanderer die „Ulmer Schachteln" (= breite, großräumige Schiffe), die sie donauabwärts nach Ungarn brachten.

Das Ansiedlungspatent des Kaisers

Es lautet auszugsweise wörtlich:

„Wir sind gesonnen, deutsche Reichsglieder, besonders aus dem oberrheinischen Kreise, anzusiedeln. Zu dem Ende versprechen. Wir bei unserer angeborenen kaiserl. königl. Parole allen zu uns wandernden Reichsfamilien, deren wir viele Tausende von Ackersleuten benöthigt sind.

1. eine gänztlich vollkommene Gewissens= und Religionsfreiheit . . . mit denen benöthigten Geistlichen, Lehrern und was dazu gehört, auf das vollkommenste zu versorgen;

2) eine jede Familie mit einem ordentlichen neuen, nach Landesart geräumigen Haus nebst Garten zu versehen;

3) die Ackersleute mit dem zu jeder Familie erforderlichen Grund, in guten Ackern und Wiesen bestehend, wie auch mit dem benöthigten Zug= und Zuchtvieh, dann Feld= u. Hausgerätschaften zu beschenken;

Die Banater Schwaben - Jugoslavien
Junge siebzehnjährige Bäuerin aus Glogonj in ihrer festtäglichen Kirchentracht aus schwerer Seide

4) die Professionisten und Tagewerker hingegen haben sich blos deren in der Hauswirtschaft nöthigen Geräth zu erfreuen, wo nebstbei aber denen Professionisten für ihre Handwerksgeräthe anzuschaffen 50 Gulden Rheinisch in Barene gezahlt werden;

5) der älteste Sohn von jeder Familie ist und bleibet von der Militärrekrutierung befreyet;

6) jede Familie erhält von Wien aus freie Transportierung bis auf Ort und Stelle der Ansiedlung, wozu die benöthigten Reisegelder ausgezahlet werden; darnach dauert die Verpflegung noch so lange fort, bis die Familie imstande ist, sich Selbsten zu ernähren;

7) endlich sind diesen Reichseinwanderern von dem Tag ihrer Ansiedlung an, durch ganze 10 Jahre die Freyheit zugesichert, binnen welcher Zeit solche an allen Landes= und Herrschaftssteuern, Abgaben und Lasten, wie sie auch Namen haben möchten, gänzlich befreyet seyn und verbleiben sollen, nach Verlauf dieser zo Freyjahren aber sind sie verbunden, eine leidendliche, landesübliche Steuerabgabe, so wie andere Landeseinwohner, zu entrichten. Welchen Entschluß und Willensmeinung Wir zur Steuer der Wahrheit mit Urkund dieses besiegelt mit unserm k. k. aufgedruckten Sekret=Insiegel bestätigen, so gegeben: Wien, am einundzwanzigsten September. Anno siebzehnhundertzweiundachtzig. Unserm Reiche des Römischen im neunzehnten, des Ungarischen und Böhmischen im zweyten. Josef."

Die große Werbung

Mit dem Jahre 1783 setzte im süddeutschen Raum, in Hessen und im Moselland bis in die Eifel eine große Unruhe ein. Das Patent des Kaisers war so verlockend, daß es die ausgesandten Werber leicht hatten, das Volk für eine Auswanderung zu gewinnen. Es erschienen auch, wie sich später heraus» stellte, wilde, geschäftstüchtige Werber, die bei uns willige Familien listenmäßig erfaßten, je Familie 1 Fl. ,30 Kr. als Reisekosten kassierten und sie in Wien für die Auswanderung anmeldeten. Die Werber wurden dafür in Wien nochmals reichlich entlohnt und erhielten das Versprechen, bei der Ansiedlung bevorzugt behandelt zu werden.

Zu diesen Vorgängen schreibt der Siedler Eimann: „Es brachen so viele, mitunter auch wohlhabende Familien, zur Auswanderung auf, daß die Straßen völlig bedeckt wurden und es das Ansehen bekam, als wollten alle Menschen die Gegend verlassen. Weil die Werber daran Schuld waren, den Lärm auch zu groß gemacht hatten und deswegen von den Landesregierungen zur Verantwortung gezogen werden sollten, §o nahmen sie Ausreiß." Schließlich wurde es erforderlich, daß die Landesbehörden jegliche Werbung und Ausreise verbieten mußten. Trotzdem verschwanden laufend bei Nacht und Nebel viele Leute und strebten der Stadt Regensburg zu, von wo aus eine Gefahr der Rückführung nicht mehr bestand. Hier wurden den Auswanderern von der kaiserlichen Gesandtschaft neue Pässe ausgestellt, „um mit allen Mobilien in die kaiserlichen Staaten einwandern zu können". Erst in Wien erfolgte auf der ungarischen Hofkanzlei ihre genaue Registrierung, die Auszahlung von 2 Gulden Reisegeld pro Person und eine Zuweisung nach Ofen, wo die Familien endlich den Ort ihrer Ansiedlung in Ungarn erfuhren.

In der neuen Heimat waren Ansiedler=Rent=Ämter eingerichtet, welche sämtliche Ankömmlinge nochmals registrieren mußten, Hierbei mußten die Familienoberhäupter ihre Angehörigen vorstellen. Heiratsfähige Jugendliche mußten kuzerhand heiraten. Erst dann erhielten sie den Ansiedlungspaß und 1 Gulden pro Person. Die Verhältnisse einer jeden Familie wurden genau registriert.

Von diesem Zeitpunkt ab ward der Familie zugesichert, „täglich für einen großen Kopf, über 10 Jahre alt, 2 Kr. und 1 Halbe Mehl, und für einen kleinen Kopf, unter 10 Jahren alt, 1 Kr. und 1 Seidel Mehl, dann etwas Holz, Stroh und Essig, welches alles monatweise verabreicht werden, und so lange dauert, bis die Familie angesiedelt war und sich selbst ernähren konnte." Die Umsiedler kamen zunächst in Notquartiere, bis sie ihr eigenes Haus in einem neuen Dorf beziehen konnten. Alles in allem hat die Wiener Regierung die den Siedlern zugesicherten Versprechen erfüllt.

2 Fotos: Hans RetzlaH, Berlin-Chltbg.
Die Banater Schwaben (Rumänien)
Das deutsche Bauerndorf Guttenbrunn im Heckenland bei Arad. Es ist das Heimatdorf des bekannten schwäbischen Heimatdichters Adam Müller-Guttenbrunn

Nachdem die neuen Besitzverhältnisse der deutschen Bauern klar waren, setzten sie ihre ganze Kraft und ihr Können in den Aufbau im Banat ein. Es entstanden zahlreiche neue Dörfer mit praktisch gestalteten Hoflagen, Kirchen, Schulen und Spitälern. Die alten deutschen Stadtsiedlungen entwickelten sich rasch zu neuer Blüte. Die Ertragsfähigkeit eines von Natur aus guten, durch Sümpfe und Flüsse abgelagerten Bodens, gesteigert durch ein gutes Klima, schienen einmalige Gegebenheiten des gesegneten Banats zu sein. Neben den Getreidearten gediehen hier prächtig Mais, Reis, Flachs, Hanf, Rübsen, Sonnenblumen, Tabak, Wein und Maulbeerbäume als Grundlage für die' Seidenzucht. Das Landschaftsbild des Banats ist abwechslungsreich; von den platten Ebenen von Torontal bis zu den Gebirgszügen von Krasso konnte man jene Vielgestalt der Bodenformen finden, die der Naturfreund nur wünschen kann.

In dieser Reichhaltigkeit der Landschaft prägten die verschiedenen deutschen und österreichischen Stämme, treu in der Wahrung und Pflege ihres angestammten Volkstum, ein neues, indem die verschiedenartigen Charakterzüge der Siedler, je nach Landschaft, zu einer geschlossenen Gemeinschaft der „Schwaben" zusammenflössen.

Gerade die Völkervielfalt hat das Siedlungsgebiet des Ungarlandes zu einem wohl in ganz Europa einzigartigen Mosaik volkstümlicher Buntheit gestaltet. In der Blütezeit zählten die Schwaben 1,6 Millionen Seelen.

Der Verfasser dieses Artikels hatte in den Jahren 1926, 1928 und 1929 Gelegenheit, auf Vortragsreisen die gesegneten Land= Schäften des Banats zu besuchen und den großen Wohlstand der deutschen Bauern zu bewundern.

Die Aufteilung des Banats

Starke Erschütterungen für die Donau=Deutschen brachte der tragische Ausgang des ersten Weltkrieges. Die Donaumonarchie wurde zerschlagen und Ungarn, Jugoslawien und Rumänien teilten sich in die reiche Beute eines durch deutschen Fleiß erblühten Landes. Die Deutschen kamen unter starkem nationalistischem Druck ihrer neuen Länderregierungen und schlossen sich als nationale Minderheiten umso enger zusammen mit dem Erfolg, daß sie ihr Volkstum vor bedrohlichen Erschütterungen bewahren konnten. In diese Zeit fällt die bedeutendste Förderung dieser Auslandsdeutschen durch unsere Heimat unter Führung des Prälaten Dr. Straubinger aus Stuttgart.

Die Wellen der Machtergreifung in Deutschland erschütterten auch das innere Gleichgewicht der Donauschwaben, bis die Flut des zweiten Weltkrieges gleichfalls den ganzen südosteuropäischen Raum in das Weltchaos hineinriß.

Die Vertreibung

Als die „Großen der Erde" im Jahre 1945 in Potsdam zusammenkamen, wurde die Vertreibung der Schwaben beschlossen. Ihnen wurde kundgetan, daß ihnen nichts mehr gehöre und sie das Land zu verlassen hätten. Arbeitsfähige Männer und auch viele Frauen wurden in die Bergwerke des Donezbeckens verfrachtet und erst nach fünf Jahren entlassen.

Man wird nie genau feststellen können, wieviel Deutsche dabei ums Leben gekommen sind. Es erhoben sich damals die Dämonen ihrer Heimat, und die Deutschen durchlitten die bittersten Tage ihres Lebens.

Die heutige Lage der Deutschen

Etwa ein Drittel der einstigen deutschen Bevölkerung ist in Ungarn verblieben; jedoch restlos enteignet nicht mehr als Besitzer, sondern als Landarbeiter oder Arbeitnehmer des Staates und seiner Werksund Verkaufsgenossenschaften. Seitdem sich die kommunistischen Neuordnungen Ungarns eingespielt haben, genießen die Deutschen als nationale Minderheit eine, wenn auch eingeschränkte, Gleichberechtigung.

Es gelang ihnen nach und nach, verschiedene kulturelle Einrichtungen — allerdings von den Staatsorganen kontrolliert und gelenkt — wieder aufzubauen. Im Banat bildet der vor einigen Jahren gegründete „demokratische Verband der deutschen Werktätigen in Ungarn", der seinen Sitz in Budapest hat, die Grundlage für die kulturelle Betätigung. Diese Vereinigung hat es ermöglicht, daß bis zum Jahre 1960 immerhin neunzehn deutsche Kindergärten und vier Grundschulen mit deutscher Unterrichtssprache eingerichtet werden konnten. In 146 Schulen erhalten die deutschen Kinder wöchentlich drei Deutschstunden. In Frankenstadt besteht ein deutsches Gymnasium, und an drei weiteren höheren Schulen sind deutsche Abteilungen angegliedert. Damit auch deutschsprachige Lehrer herangebildet wer« den können, besteht seit 1956 in Fünfkirchen eine deutsche Lehrerbildungsanstalt. Die meisten deutschen Familiennamen wurden madjarisiert, und nur die älteren Jahrgänge sind eifrig bemüht, die deutsche Muttersprache zu erhalten.

Man gestattet unseren Deutschen gesellige Zusammenkünfte in Form von Unterhaltungsabenden mit Tanz, welche der „fortschrittlichen deutschen Volkskultur" dienen sollen; aber im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen steht immer ein politischer Vortrag. Trotz der Wirrnisse der Zeiten haben die Ungardeutschen ihren angestammten Glauben tapfer verteidigt und somit erhalten. Deutsche Geistliche, die aus den Schwabensiedlungen hervorgegangen sind, pflegen in den Kirchen das religiöse Kulturgut. Der Nachwuchs an deutschen Priestern ist schon so gering, daß auch dieses Band des Zusammenhalts in nicht zu ferner Zeit zerschnitten sein wird. Z. Zt. ist wöchentlich eine Religionsstunde gestattet.

Die Liebe zur Musik pulsiert in den Adern der Restdeutschen. Größere deutsche Orte oder Betriebe mit einer starken deutschen Belegschaft haben Musikkapellen gebildet, welche in den deutschen Veranstaltungen — natürlich staatlich gesteuert — mitwirken können. Ein Kapellmeister namens Lang komponierte für den Schwabenball 1960 einen Marsch mit dem Titel: „Hält's alle Euch zusammen, alle miteinander!" Wie es aber wirklich um die Deutschen im Banat steht, darüber sagt voller Wehmut ein letzter Brief aus, den ich auszugsweise zitiere:

„Lieber Freund!

. . . Über die stummen Zeugen einer stolzen Vergangenheit des _ ungarländischen Deutschtums soll ich Dir schreiben? Über die engen, verträumten und verstummten Gassen und Gäßchen von Erlau, Raab, Wieselburg, Stenamanger, über das alte Ofen und viele, viele andere darf man ja nur mehr träumen, um die harten Steine nicht zum Schluchzen zu bringen, in die deutsche Geschlechter all' ihr Können, Wollen und Streben einmeißelten. Heute sind es Steine, in der unsere stolze völkische Vergangenheit, einer Gruft gleich, ruht. Unser Bürgertum, das diesen Städten seine Züge verlieh, das die Zünfte und Zechen schuf, das nach dem deutschen Stadtrecht von Ofen regierte, das vom Gewerbe zur Industrie sich den Weg bahnte, ist im Nationalsozialismus des erwachenden Madjarentums verloschen, untergegangen . . . Dabei trug der deutsche Acker das Doppelte dessen, was der madjarische Nachbar aus seinem Boden herauszuwirtschaftert vermochte.

Aber auch an geistigen Gütern war der Schoß des deutschen Bauerntums in Ungarn unerschöpflich reich. Wenn man alle Sterne, die den geistigen Himmel Ungarns erleuchten, wegwischen würde — man darf es ohne zu übertreiben sagen —, es fiele eine dunkle Nacht auf das Land. Seit Stephan dem Heiligen leuchten sie und strahlen mit dem schwäbischen Kardinal Mindzenty bis in unsere Tage , . . Und dieses Volk, das alles auf den Altar des Vaterlandes geopfert hat, was wert und teuer war, wurde vertrieben, dezimiert, soll ausgelöscht werden. . . . Ich schweige lieber in dem Glauben, daß Gott dieses Volk nicht untergehen lassen wird, weil es ja keine Schuld an diesem harten Geschick trifft. Mit herzlichen Grüßen

Ihr . . ."