Der Hexenbach am Weiberberg

VON ALFONS HAYDUK

Wo der Schlesische Landrücken sich sanft und sandig durch die Wälderweiten rechts der Oder buckelt, im nordwestlichen Oberschlesien, leben in der Pitschener Gegend zwei seltsame Flurnamen fort, die an ein dunkles Kapitel der Vergangenheit gemahnen: an die Hazusen oder Hegissen, die Hexen, deren Spur aus dem Mittelalter in die altgermanische Zeit zurückführt.

Die Hexen trafen sich mit ihrem Herrn und Meister in der Walpurgisnacht, der Nacht zum ersten Mai, auf dem Blocksberg im Harz. Aber für die schlesischen Hexen sind noch zwei andere Tanzplätze bekannt; der Peterstein an der Hohen Heide im Altvater und eben jener Weiberberg überm Hexenbach am Landrücken.

Dort hielten die Hexen ihre Versammlungen zu mitternächtiger Stunde, und jedermann tat gut, den verrufenen Ort auch sonst zu meiden. Es gab immerhin noch in diesem Jahrhundert alte Leute, die behaupteten, die Hexen tanzen gesehen zu haben, obgleich uns urkundlich überliefert ist, daß bereits vom 14. Jahrhundert an schlesische Hexen zum Bocksberg auf Besen und Stangen, Stöcken und Spinnrocken geflogen sind. Aber erst im 17. Jahrhundert setzten die Hexenverfolgungen und Hexenprozesse ein, die dann allerdings recht schlimm waren, wie etwa im Neißer Bistumslande, wo anno domini 1651 an die zweihundert Hexen verbrannt worden sein sollen. Hörte die Hexenverfolgung in Neiße jedoch immerhin schon 1684 auf, so stand andererseits noch in dem gleichen Jahr, in dem der Alte Fritz in Schlesien einmarschierte — also 1740 —, die letzte Hexe zu Steinau an der Oder vor Gericht.

Von den Hexen am Weiberberg haben wir leider gar keine schriftlich verbürgten Nachrichten. Wir müssen uns hier an den alten Volksglauben und die Sage halten. Diese erzählt aus jenen vergangenen Zeiten, es wären die Frauen aus dem Dorfe Roschkowitz, das nahe dem Weiberberge liegt, vor allem gewesen, die in dem Verdacht standen, mit , dem Höllenfürsten und seinem elenden Gesinde Umgang zu pflegen und an dem schamlosen Treiben auf dem Tanzplatze teilzunehmen.

Die Roschkowitzer Bauern haben da nicht lange gefackelt. Zwar wagten sie es nicht, auch nur von Ferne dem höllischen Fest zuzusehen, wenn sie vermeinten, im mitternächtigen Sturmwinde die schaurige Tanzmusik der Teufelssippschaft zu vernehmen. Denn es hieß, der Leibhaftige verstehe keinen Spaß und lasse jeden an den Föhren baumeln, der es wage, den Bannkreis des Bannwaldes zu betreten.

Aber die pfiffigen Roschkowitzer wußten einen anderen Weg, dem Zauber vom Weiber* berge hinter die Schliche zu kommen und festzustellen, welche von ihren Dorffrauen sich den sündhaften Ausschweifungen hingaben. Die gesamte weibliche Einwohnerschaft wurde unversehens eines schönen Tages vom Schulzen an die Dorfwaage bestellt, und als alles hübsch beisammen war, packten kräftige Männerarme die Frauen, und jede einzelne wurde genau gewogen.

Es hieß nämlich damals, eine Hexe wiege nicht mehr als achtzig Pfund. Daran hielten sich die Roschkowitzer Männer. Diejenigen Frauen, deren Gewicht geringer war, kamen in ein scharfes Verhör, wurden als Hexen entlarvt und in jenen Bach gestoßen, der am Weiberberge vorbeifließt und seitdem den Namen Hexenbach trägt. Die Sage berichtet nicht, wieviel Hexen das eigentlich gewesen sind. Da die Roschkowitzerinnen immer als recht gewichtige Frauen bekannt gewesen sind, kann es schon stimmen, daß nur ein uraltes verhutzeltes Weiblein, die närrische Vronka, die nicht alle auf dem Christbaum hatte und die Mär vom Walpurgistanz auf dem Weiberberge aufgebracht haben soll, als einzige für eine Hexe erklärt worden war.