Dörfliche Pfingstbräuche

VON WILHELM HAY

Die Frühlingsnatur nähert sich ihrem Höhepunkt. An der Schwelle des Sommers steht Pfingsten, das Fest erfüllter Natur, der Übernatur und des Heiligen Geistes. Die Eisheiligen sind vorüber, die ersten Früchte unserer Heimat beginnen zu reifen. Ist es zu verwundern, daß darob bei unseren Vorfahren eine schier unbändige Freude aufsprang? Nun wußten sie: Mit der Kälte ist es aus, der Winter ist besiegt!

Die Heddesdorfer Reiter sprengen am Pfingstdienstag durch die Auen, um auf dem Gut Rommersdorf und in Engers nach altem Brauch ihren Tribut für die überlassene Viehweide und den Durchgang der Schafherden zur Schwemme im Wiedbaeh zu empfangen. - Solche Pfingstritte mit Peitschenknallen und Schellenklang sind auch anderwärts im Schwung; dabei entsteht mitunter ein Wettstreit, wer als erster die Weide erreicht.

Der Segen des bebauten Ackers und gesunden Viehs machte den Reichtum unserer Vorfahren aus. Darum war Pfingsten das Fest der Hirten, die Umzüge und ein fröhliches Gelage hielten, im das Wachstum auch der letzten Gräser und Kräuter zu wecken. Und wo die Tränkebrunnen nicht schon zum 1. Mai von den Dorfmädchen gereinigt sind, da holen sie es noch vor Pfingsten nach. - Der sozial sehr beachtenswerte und gedankentiefe Dorfbrauch der „Pfingstblume" knüpft hier an, erhält von hier auch seine Würde und seinen Wert, der den Mädchenversteigerungen oder „Mailehen", vor allem an der Ahr, innewohnt. Der Erlös für die schönen Mädchen wurde zur Ausstattung der körperbehinderten Mädchen verwandt. „Pfingstblume" war das ärmste Mädchen, das auf blumengeschmücktem Wagen von Haus zu Haus gefahren wurde, sein Lied vom Einzug des Lenzes sang und Gaben entgegennahm, die unter die Armen des Dorfes verteilt wurden. Unsere Junggesellenvereine, die einstmals der dörflichen Gemeinschaft am ehesten gerecht wurden und die sich auch heute auf ihre traditionellen Aufgaben besinnen sollten, haben solch schöne Blüten sozialen Verständnisses und feiner Ritterlichkeit zuwege gebracht. Vorchristlich gläubigen Sinn und christlichen Geist zugleich atmen die pfingstlichen Prozessionen und Flurumgänge, die bemerkenswerterweise aus ihrer dörflichen Vergangenheit her heute vielfach gerade in den Lebensgemeinschaften unserer Kreisstädte noch gehalten werden. Friedrich Hölderlin beginnt seinen „Pfingstgesang" also:

Engelfreuden ahnend wallen
Wir hinaus auf Gottes Flur,
Wo die Jubel widerhallen
In dem Tempel der Natur.

Unter der „Pfingstmaie" fand der abendliche Umtrunk statt, wobei an den Flüssen und Bächen der „Pfingstvogel", ein als Winter verkleideter Dorfjunge, von zwei Mädchen solange durchs Wasser gezogen wurde, bis sich seine Verkleidung auflöste. - Zu Dohr im Eifelteil des Kreises Kochern zieht in der Vermummung von Tannengrün und Laubzweigen der „Pfingstquak"durchs Dorf. - In Ottweiler an der Saar hält ein Brunnen diese Sitte des Pfingstquaks im Bilde fest.

Pfingstzeit webt des Sommers Kleid! In frühchristlicher Zeit wurden die kirchlichen Pfingstsequenzen auf dem Hof vor der Kirche von den Gläubigen getanzt.

Taube mit dem Lichtgefieder,
Steige heut zu uns hernieder!
Sieben sind die Gaben Dein,
Lasse sie auch unser sein!

So singt Guido Görres.

Unsere Freunde aus Ermland und Ostpreußen, die heute bei uns Heimat finden, werden sich daran erinnern, daß es in ihrer alten Heimat Brauch war, gesegnetes Laub oder die „Pfingstbirke" als Abwehrmittel gegen Blitzgefahr unter den Dachbalken zu verwahren. - Pfingstlaub, Kalmusbüschel oder Kaddickzweige, ins Kommodenfach gelegt, sollten eine gute Ernte erbringen. Sie und uns alle beselige am „lieblichen Fest" - im Erfülltwerden vom „Schöpfer Geist" - der Vers des Hoffmann von Fallersleben:

Ich brech ein grünes Zweigelein
Und steck's auf meinem Hut.
Ja, Hoffnung will ich tragen
Auch in den schwersten Tagen
Und bleiben wohlgeraut.