Wieder im Dom

Bist du es noch, den das Jahrhundert schmähte,
das dich verhängte mit dem Talmi-Tand,
der nicht mehr Sinngeweihten armer Späte,
die das Betriebliche an Masken band,

und nicht an Werte, wie sie Genien bauen,
der Allmacht Grenzenloses streng gefügt
in das Begrenzte können — das zu schauen,
was Tag und Nacht, das Jahr nicht frech betrügt?

Ich seh' dich nun, ganz Quadratur des Kreisens,
jahrhundertkundig Stein, der Andacht singt,
Rundbogen-Macht-Gewölbe kühnen Weisem,
die Ehrfurcht in das Weltgeheimnis zwingt.

Da gliedert Kunst, wie sie den Meistern eigen,
die nur das Rebenland am Rhein gebar,
Natur und Geist, der Ich-Bezüge Schweigen,
nun wieder farbig und macht offenbar

des ewgen Wiederkehrens Ur-Gesetze,
Chaos-Verwandeln in des Kosmos Born,
auf daß die Seele wese trotz der Hetze,
wie sie entfacht der Stunde Hüllenzorn.

Altar und Plastiken, Vielfall im Stufen,
Rundbogenfenster, Lichtlegenden, wie
sie Sonne, Mond und Sterne ständig schufen,
sie schenken dem Erhabnen Melodie.

Und da ich plötzlich deine Glocken höre,
die alten Vünf, bewahrt von deinem Turm,
ist mir's, ah jubelten die Äon-Chöre:
„Gebaute Majestät, bleibt Hort im Sturm!"

Theodor Seidenfaden

Beim Wiedersehen des Sinziger Staufer-Domes nach 38 Jahren.