Content-Type: text/html Der einseitige Pfannekuchen

Der einseitige Pfannekuchen

VON FRANZ SCHOLZ

Fährt man zu Schiff von Bad Niederbreisig rheinaufwärts, so bietet sich dem Beschauer ein überaus eindrucksvolles Strombild dar, dessen Mittelpunkt der trutzige Grauwackenfels des Hammersteins mit seiner Burgruine bildet. Manche halten dieses Rheinpanorama für packender als das bei der Loreley. Wenn der Dampfer Brohl verlassen hat, gibt sich die Silhouette des Stromtales mit seinen Bergkulissen noch stärker und schärfer als vorher. In der Höhe der Kilometerbezeichnung 617 — diese Zahl deutet die Entfernung von der Rheinbrücke zu Konstanz, an — haben wir links den Beginn des Hammersteiner Werths, rechts die wenigen Häuser von Fornich. Früher stand daselbst eine gotische Kapelle nebst einer Unterkunft. Im Mittelalter diente diese als Heim für Aussätzige. Im letzten Kriege hatte die anmutige, kaum mehr besuchte Gottesstätte durch eine Jabo-Bombe sehr gelitten. Bei den Bauarbeiten für die erweiterte B 9 sind im Vorjahr die Trümmer gänzlich beseitigt worden. — Vor über hundert Jahren hörte man einen scherzhaften Spruch, der kurze die Häuserzeile von Fornich, aber auch die längere des Ortes Hammerstein betraf. Er lautete:

Vernehmet, ihr Heben Leut:
In Fornich am schönen Rhein
bäckt matt den Pfannkuchen auf einer Seit,
In Hammerstein, es ist nicht weit,
bäckt man ihn auf der anderen Seit.

Was soll der eigentümliche Vers? Die meisten werden den Kopf schütteln. Ein einseitig gebackener Pfannekuchen kann doch nicht schmecken. Vielleicht hat der Spruch einen anderen Sinn. Die eine Seite — die andere Seite! Soll da nicht die Rheinseite mit gemeint sein? Liegt doch Fornich auf dem linken und der Ort Oberhammerstein auf dem rechten Ufer des Rheines. Trotzdem trifft diese Lösung nicht des Pudels Kern, da man das auch von anderen Rheinorten sagen könnte. Vielmehr will der Vers meinen, daß sowohl Fomich wie Oberhammerstein Ortschaften sind, deren Häuser ausschließlich nur auf einer Straßenseite liegen, weil Eisenbahn, Strom und Gebirge eine zweiseitige Bebauung der Landstraße nicht zugelassen haben. Die Häuserzeile liegt bei Fornich rechts, bei Hammerstein links vom Beschauer, der rheinaufwärts fährt ,so daß sie sich also ergänzen. Folglich wird drüben der Pfannekuchen linksseitig (bitte: straßenseitig) gebacken, hüben rechtsseitig. Übrigens soll der Name Fornich auf das lateinische Wort fornax zurückgehen, was soviel wie Esse oder Schmiede bedeutet. Gerade hier ragt etwas oberhalb des Ortes die 330 m „Hohe Buche" empor, ursprünglich ein feuerspeihender Berg, der um 12000 v. Chr. seine glühenden Lavamassen zum Rheinufer hinabgeschickt hat. Es ist der einzigste Vulkan, dessen Lavastrom in den Rhein mündete. Dort zersprangen sie beim Erkalten im Stromwasser. Sie lassen sich noch heute jenseits des Bahndammes feststellen. Diesseits sind sie durch den Bau der neuen B 9 beseitigt worden, genau wie die Häuserzeile nebst Kapelle. Die B 9 hat Fornich bis auf ein Haus aufgefressen.