Die Tomburg

Ein geschichtliches Denkmal am Rande der Grafschaft

VON LEO STAUSBERG

Von allen Seiten weithin sichtbar erhebt sich der einsame Basaltkegel des Tomberges am Nordwestrand der alten Grafschaft Neuenahr über ausgedehnten Waldungen, die sich zwischen Erft und Swistbach hinstrecken. 316 m über NN gibt die Karte an. Die Hälfte eines aus blauem Säulenbasalt gefügten mächtigen Bergfrieds ragt über Buchen und Eichen hinaus. Die andere Turmhälfte liegt wie die abgeschälte Rinde eines Riesenbaumes mit der Höhlung nach oben daneben, so wie die Pulvermine Jülicher Söldner sie im Jahre 1473 hinstreckte. Die Güte des Mörtels, den die Erbauer vor mehr als tausend Jahren zu mischen verstanden, hielt die ungeheure Last, die wie eine Brücke über einem Graben schwingt, in der Bindung. Hauptbestandteil dieses betonharten Mörtels ist Tuff, den man, ebenso wie den Säulenbasalt, an Ort und Stelle gewann. Reste des über der Basaltkuppe lagernden Tuffmantels findet man an der Südflanke des Berges. Die rötliche Verfärbung an der Kontaktnaht zwischen Basalt und Tuff beweist, daß der Aschenregen auf den noch glühenden Basalt herabfiel oder von dem aufsteigenden Magma angeschmort wurde.

Ruine Tomburg
Foto: Kreisbildstelle

Aus Tuffstein waren auch die Gewölbe des Turminneren, deren Reste erhalten blieben. — Sonst ließen die Bauern der Umgebung nur spärliche Mauerreste übrig, seitdem sie die Ruine als willkommenen Steinbruch benutzten, um damit die Keller und Steinsockel ihrer Fachwerkhäuser zu mauern. Übrig blieb auch der rundgefaßte Burgbrunnen, dessen gähnend tiefer Schacht einst bis an die Talsohle hinabgebrochen wurde, um das so notwendige Trinkwasser für die Burgbesatzung zu gewährleisten. Eine goldene Wiege ruhe am Grunde des Brunnens, so erzählt die Sage. _ Welch herrlicher Rundblick von der Bergeshöhe, die doch nur selten noch ein Wanderer ersteigt!

Die Geschichte der Tomburg hebt mit ihrem Namen an. Im Jahre 1052 hieß sie „castrum nomine Toncburg". Das germanische Wort „tun", das dem keltischen „dun" entspricht, bedeutet etwa „Bergfeste". Ähnliche Bedeutung hat das niederrheinische Wort „donk" d. i. ein befestigter Hügel im Sumpf. Das Wort „Zaun" ist damit ebenfalls verwandt. Den Zaun um einen Weinberg nennt man in der Gegend des Siebengebirges „Donn" (weibl.). Ortsnamen in Frankreich und im Rheinland enthalten dieses Wort: Lugdunum (Lyon), Augustodunum (Autun), Noviodununi (Nevers), Daun, Kirchdaun, Wachtendonk, Millendonk, Donk u. a. — Der isolierte Kegel des Tomberges bot sich den keltischen Ureinwohnern geradezu als Fluchtburg an. Daß auch die Römer hier eine Warte unterhielten, kann aus römischen Mauerresten und Münzfunden geschlossen werden. Um 950 ist eine Burg urkundlich nachweisbar. Damals regierte auf ihr der Gaugraf des Bonn- und Zülpichgaues Ehrenfried I. und nach ihm sein Sohn Hermann, Gaugraf des Bonn-, Zülpich- und Auelgaues. Dessen Sohn Ehrenfried II. = Ezzo, der die Würde eines Pfalzgrafen (Comes Palatinus Rhenanus) bekleidete, finden wir um das Jahr 1000 auf der Tomburg. Dieser mächtige Mann war ein treuer Vasall der Ottonen. Otto III. setzte ihn für die Zeit seiner Romfahrt zum Reichsverweser ein und vertraute ihm die Reichskleinodien an, die Ezzo in den Gewölben der Tomburg sicher verwahrte. Dieser Pfalzgraf heiratete um 991 die Schwester Kaiser Otto's III., Mathilde, Tochter Kaiser Otto's II. und der griechischen Prinzessin Theophano. So wurde Ezzo der Schwager des jungen Kaisers. Bei der ottonischen Sippe galt der Gaugraf, trotz seiner Tüchtigkeit, nicht als ebenbürtig. Otto III. indes schätzte Ezzo's Rat. Hier mag jene Sage ihren Ursprung haben, wonach Ezzo beim Schachspiel auf der Tomburg dem Kaiser die Einwilligung zu dieser Heirat abgewonnen habe. Das Pfalzgrafenpaar stiftete die Benediktinerabtei Brauweiler bei Köln und fand in der Gruft des herrlichen Nikolausmünsters dort seine letzte Ruhestätte. Erbe der Tomburg wurde einer der Söhne

Ezzo's, Hermann. Dieser wurde Erzbischof von Köln und schenkte die Tomburg im Jahre 1052 dem Erzstift. Seither wurde die Burg von kölnischen Vasallen bewohnt, die sich „von Tomburg" nannten. Zeitweilig war die strategisch wichtige Feste ein Zankapfel zwischen dem Erzstift und den Grafen und späteren Herzögen von Jülich. Unter anderem hat Erzbischof Konrad von Are-Hochstaden, der Gründer des Kölner Domes und Verleiher der Stadtrechte an Ahrweiler, im Jahre 1251 die Tomburg belagert und sie dem Jülicher Grafen Wilhelm IV. entrissen. Ein Vergleich zwischen den Gegnern vom 9. 9. 1251 brachte einen vorübergehenden Frieden. Durch Erbteilung besaßen später mehrere Adelsgeschlechter Anteil an dem Tomburger Lehen, so die Grafen von Saffenberg, die Burggrafen von Rheineck, die von Kerpen, von Landskron. Als im 15. Jahrhundert einer der Lehensinhaber, Friedrich von Sombref, Herr zu Kerpen, von der Tomburg aus das Land unsicher machte und die Kaufleute auf der nahe bei der Burg vorbeiführenden alten Heerstraße nach Aachen überfiel, rückte Herzog Gerhard von Jülich vor die Burg. Lange dauerte die Belagerung, während der im Jahre 1470 der jüngste Sohn des Herzogs im Kampfe erschlagen ward. Endlich fiel die Burg. Der erbitterte Herzog ließ sie völlig zerstören (1473). Seither blieb die einst so starke Festung Ruine. Um die noch vorhandenen Reste vor weiterem Verfall zu bewahren, hat die Stadt Rheinbach, in deren Waldungen die Burg liegt, in letzter Zeit Maßnahmen geplant. Das ist sehr zu begrüßen, handelt es sich doch um einen mehr als tausendjährigen Zeugen rheinischer und deutscher Geschichte!