Zweitausendjährige Kultur verpflichtet— dem Europäischen Markt gewachsen

Römerrebe — Klosterrebe

VON KURT BROICHER

Zukunftsrebe

500 Jahre waren die Römer an der Ahr. Sie erbauten hier ihre Landgüter, ihre Villen. Jede Mahlzeit erhöhten sie, wie das in Ländern alter Weinkultur auch heute noch üblich ist, durch den Wein. Die Transportkosten von Wein aus Italien waren unerschwinglich. Deshalb bauten die Römer, wenn es die natürlichen Verhältnisse erlaubten, dort, wo sie lebten, Reben an. Wir dürfen daher als sicher annehmen, daß die Römer den Weinbau an die Ahr wie an den Rhein und an die Mosel gebracht haben.

Die frühen Lehrmeister

Waren die Römer erste Lehrmeister der Ahrwinzer, so folgten ihnen die Klöster der Benediktiner, Zisterzienser und Prämonstratenser auf ihren Klostergütern, von 1137 ab auch die Augustiner-Chorfrauen in Marienthal. Mit der Klosterrebe aus der ehemaligen Zisterzienserniederlassung Castenholz versuchten die Ahrwinzer noch nach dem Zweiten Weltkrieg den Burgunderanbau zu gesunden.

Kultur der Rebe

So steht die Arbeit des Winzers an der Ahr seit zweitausend Jahren als Mittler zwischen der Mutter Erde und der Traube, die Leib, Seele und Geist des Menschen ernährt und erfreut. So wurde an der Ahr Kultur. Kultur bezeichnet ja ursprünglich die Kunst der Bebauung von Weinberg und Acker (Theodor Haecker „Vergil, Vater des Abendlandes"). Sie und Ausbildung des schaffenden Menschen ist auch heute noch die untrennbare Einheit dreier Dinge: Des gegebenen Stoffes, der vermittelnden Arbeit und der Frucht.

Zur echten Kultur kommt noch hinzu die Ehre, der Ruhm und der Reichtum der Frucht, des vollendeten Werkes. Auch die Wildrebeist schön und ihre Frucht, aber was ist sie gegen die Kulturrebe, gegen den Reichtum edlen Weines! Die menschliche Arbeit hat die Wildrebe in Jahrtausenden gebändigt und gelenkt. Ohne diese Arbeit wäre der Wein nicht. Die Wildrebe und die Kulturrebe gibt uns die Mutter Erde, die Wildrebe gibt sie umsonst, die Kulturrebe nur um den Preis der Arbeit im Schweiße des Angesichts.

Unsere hohe Aufgabe

Zweitausendjährige Winzerarbeit hat die Kulturlandschaft an der Ahr geschaffen. In unserer heutigen, technisch künstlichen Welt stehen wir in der Gefahr, die uns anvertraute Kulturlandschaft nicht mehr zu beschützen und zur Wüste werden zu lassen, wie die Menschheit unzählige Kulturlandschaften zur Wüste werden ließ. Wir dürfen auf den tiefen dialektischen Zusammenhang hinweisen, daß auch der Mensch als Teil der Natur schutzlos wird, wenn er die ihm anvertraute Welt nicht mehr beschützt. Ernst Jünger läßt es den bloßen Rechner Ortiier so beschreiben:

„Die Welt entleerte sich, sie wurde Wüste, und Schemen bewegten, sich nach mechanischem Gesetz in ihr. . . Die Leere wuchs."

Es ist sicher nicht leicht, die uns anvertraute Kulturlandschaft der Ahr zu schützen. Viel Arbeit ist nötig wie in den Zeiten unserer Väter und viel Kapital als vorgetane Arbeit.

Bereinigung der Flur

Die Flurbereinigung kann und muß den Arbeitsaufwand im Weinberg halbieren. Sie muß den Einsatz der Technik ermöglichen. Für den Wiederaufbau nach der Flurbereinigung aber brauchen wir die Reben, die dem Europäischen Markt gewachsen sind.

An der nördlichen Anbaugrrnze der deutschen Reblandschaft haben die Römerreben und die Klosterrebrn besondere geschmackliche Vorzüge entfaltet, wie das alle Edelkulturen tun, also neben den Reben auch das Obst. Die geschmackliche Spezialität haben die Väter in ihrer Züchtungsarbeit richtig kombiniert mit hoher Qualität, die bei unserer relativ kurzen Vegetationszeit nur frühreifende Rebsorten bringen können. Der blaue Spätburgunder und der blaue Frühburgunder haben den Ruf der Ahr als Rotweingebiet geschaffen.

Auslese der Reben

Doch ist alles Edle und Hochgezüchtete auf dieser Welt verletzlich und zart. Auch die Böden verseuchen bei jahrhundertelangen Monokulturen. So kam es, daß die Burgundererträge zu klein und zu unsicher wurden, um noch wirtschaftlichen Weinbau zu ermöglichen.

Damit ist die unserer Zeit gestellte Aufgabe umrissen. Die Böden müssen vor dem Wiederaufbau mit Nematoziden entseucht werden. Entsprechende Versuche laufen seit Jahren. Die Züchtungsarbeit muß sich der Reben annehmen. Auf die Burgundersorten können und wollen wir nicht verzichten. Selektionszüchtung hat Stämme ausgelesen, die virusfrei und rieselfest sind und genügend hohe und sichere Erträge garantieren. Diese Stämme werden planmäßig vermehrt. Zugleich werden alle Selektionen anderer Gebiete auf die Eignung für die Ahr geprüft. Wahrscheinlich sind sehr wertvolle Klone darunter.

Kreuzungen

Die Rebsorte Portugieser hat einerseits für die Ahr große Vorzüge, auf der anderen Seite erfriert sie zu leicht und reift im Holz nicht aus, so daß die Ertragsschwankungen untragbar sind. Es lag nahe, Burgunder und Portugieser zu kreuzen. Wir prüfen in der Domäne Marienthal eine solche Kreuzung, die frostfest, rieselfest, gleichmäßig im Ertrag, von hohem Mostgewicht und tiefer Farbe ist. Auch hat sie sich als relativ unempfindlich gegen die Virose Reisigkrankheit erwiesen.

Schutz der Auen

Wir hoffen, mit den Burgunderselektionen und der Kreuzung Portugieser mal Spätburgunder die Rebsorten der Zukunft für die Ahr gefunden zu haben. Doch werden weitere Sorten unermüdlich geprüft, damit wir dem Europäischen Markt gewachsen bleiben.

Mit dem Schutz der uns anvertrauten Kulturlandschaft wollen wir nicht nur die Menschen des Ahrtals schützen, sondern auch eine den Verdichtungsräumen zugeordnete Landschaft (Raumordnungsgesetz § 2 Nr. 5) und damit die Menschen dieser Verdichtungsräume. Für die Ahrlandschaft gilt das gleiche, wie es kürzlich von der Bodenseelandschaft geschrieben wurde:

Diejenigen Teilgebiete, die landschaftlich für Erholung und Fremdenverkehr oder für Intensivlandwirtschaft besonders wertvoll sind, weisen zugleich die stärkste Besiedlung, den höchsten Anteil nichtlandwirtschaftlicher Bevölkerung, den stärksten Verkehr auf. Die langfristige Planung steht deshalb vor spezifischen Aufgaben. Eine ungeordnete Bebauung, der ständig wachsende Verkehr und vor allem eine unbedachte Industrialisierung könnten eine der kostbarsten Erholungslandschaften zerstören.

Terrassen und abermals Terrassen! Generationen haben daran gearbeitet, sie aufzubauen im Trockenverband, Stein auf Stein. So schwierig und mühevoll, wie die Terrassen zu setzen waren, so schwer sind sie zu bearbeiten. Es wird nicht ausbleiben, wenn der Ahrweinbau konkurrenzfähig sein will in der EWG, die Weinbergfluren zu bereinigen und in größeren Lagen zusammenzulegen. Das erleichtert die Arbeit auf einem zusammenhängenden Stück. Im Gefolge der Flurbereinigung steht ja auch der Wegebau. Dann können die Traktoren in die Lagen fahren. Sie bringen den Winzer mit seinem Arbeitsgerät hinauf, zum Binden, zum Schnitt, zum Spritzen, zu Bodenarbeiten und dann zur Ernte. — Unser erstes Bild zeigt eine Terrassenlage an der Ahr. Das zweite Bild zeigt, wie leicht es nach der Flurbereinigung ist. Sie ist schon geschehen am Ehlinger Berg. Er ist ein Modell für den Ahrweinbau. Flurbereinigung im Weinberg soll nicht den Behörden zuliebe, sondern dem Winzer zuliebe geschehen. Hier ist es sichtbar, wie leicht in den Wingert gefahren werden kann.

Weinbergterrassen im Ahrtal
Foto: Oscar Lorzenz

Wer ihn liebt, soll unser sein

Möge uns die römisch-christliche Kulturgemeinschaft mit den Völkern alter Weinkultur erhalten bleiben. Der Dichter J. Kreutzberg sagt es so:

Nichts hat der Herrgott mehr geadelt
als schwacher Rebe starken Wein.
Wer ihn verschmäht, sei nicht getadelt,
doch wer ihn liebt, soll unser sein,
soll unser sein
in der geheimen Kennerschaft
vom unverfälschten Rebensaft.
Was uns Armseligen gegeben:
Der Erde Herzblut, roter Wein,
soll zu den Sternen uns erheben,
läßt uns mit Göttern selig sein,
glücklich sein
in der geheimen Bruderschaft
vom unverfälschten Rebensaft.