Denkschrift zum Eisenbahnbau Adenau-Kelberg-Hocheifelbahn (1926)

„Seit mehr als 25 Jahren kämpft der Kreis Adenau um die Erschließung des Kreises durch Weiterführung der Bahnlinie von Adenau über Kelberg zum Anschluß an die Mayen-Gerolsteiner-Bahn bei Utzerath oder Ulmen. Wirft man einen Blick auf die Eisenbahnkarte, so ist wohl in ganz Deutschland keine Gegend, die eine so geringe Bahnanschlußmöglichkeit hat wie der Kreis Adenau. Alle Kreise sind mehr oder minder durch Bahnlinien erschlossen, nur der Kreis Adenau muß diese entbehren. Nur 9 von 107 Gemeinden des Kreises genießen den Vorteil einer Bahnlinie. Vergleicht man die Entwickelung dieser Gemeinden mit denen, die weitab der Bahnlinie liegen, so muß es jedem Unbefangenen auffallen, welchen Aufschwung die einen genommen und welche Rückständigkeit und Armut in den übrigen Gemeinden herrscht. Deshalb ist auch der Kampf um den Bahnanschluß nur zu gut zu verstehen. In Erkenntnis der außerordentlichen Wichtigkeit der Erschließung des Kreises durch Bahnlinien hat der Kreistag bereits 1908 für die Fortführung der Bahn Dümpelfeld—Lissen-dorf die vom Kreise geforderte Summe von 75 ooo Mark bewilligt, außerdem haben die Gemeinden den für den Bahnbau erforderlichen Grund und Boden, soweit er sich im Ge-' meindeeigentum befand, unentgeltlich zur

Verfügung gestellt. Da diese Bahnlinie jedoch nur einigen wenigen Gemeinden des Kreises den gewünschten Bahnanschluß brachte, wurde schon damals vom Kreistag die Bedingung gestellt, daß gleichzeitig mit der Inangriffnahme der Neubaustrecke Dümpelfeld —Lissendorf die Strecke Adenau—Kelberg— Rengen in Angriff genommen würde. Der damalige Beschluß des Kreistages drückt nur einen viel älteren Wunsch der Kreisbevölkerung aus, der unbedingt die Fortsetzung der Bahnlinie Remagen — Adenau — Kelberg nach Daun forderte. Dieses Streben nach Verwirklichung dieser Strecke ist bei allen Verhandlungen betr. die Weiterführung der Ahrtalbahn stets in den Vordergrund gerückt worden, da diese Strecke unter allen für die Weiterführung der Ahrtalbahn in Frage kommenden Bahnlinien für den Kreis Adenau bei weitem die wichtigste ist. Hat doch der Kreis Adenau bei ungefähr 60 ooo ha Bodenfläche insgesamt nur etwa 35 Kilometer Bahnlinien, und das sind Bahnlinien, die ihn zumeist nur an der Peripherie berühren. Durch die Eisenbahn würde der ganze südliche Teil des Kreises, und zwar die große Bürgermeisterei Kelberg sowie ein Teil der Bürgermeisterei Virneburg erschlossen werden, zurückgebliebene Kreisteile, welche nach allen vorliegenden Bedingungen bedeutender wirtschaftlicher Hebung fähig sind, würden gefördert und der Wohlstand sich heben.

Unzweifelhaft sind die Gemeinden im südlichen Teile des Kreises nicht nur nicht vorangekommen, sondern ihre gesamte Entwicklung ist gehemmt worden, seitdem in Nachbarkreisen Bahnen gebaut wurden. Der Touristenverkehr hat nachgelassen. Die sonst merkliche Nebeneinnahme aus diesem ist versiegt, weil bequeme Bahnverbindungen auch heute noch vorgezogen werden. Die ehemals sehr wichtigen Viehmärkte in Kelberg weisen heute nur noch einen geringen Auftrieb nach. Es ist umso bedauerlicher, daß diese Tatsache fast lähmend auch auf die Viehzucht eingewirkt hat, die den Haupterwerbszweig der Gegend ausgemacht hat. Mit Bedauern nur muß festgestellt werden, daß die sonst in dieser Gegend so hochentwickelte Rindviehzucht von Jahr zu Jahr eingeht. Alle Zuschüsse des Kreises, der Landwirtschaftskammer, der Provinz und des Staates sind unproduktiv, sofern dieser Gegend nicht bald der Bahnanschluß gebracht wird. Aber auch auf anderen Gebieten, die dem armen Eifellandwirt die Möglichkeit gaben, im Winter sich einen Zusatzverdienst zu verschaffen, oder den im eigenen Haushalte überflüssigen Arbeitskräften Arbeit und Verdienst zu bieten, ist ein Rückschritt zu verzeichnen, weil es ohne nahen Bahnanschluß nicht möglich war, die erschlossenen Bodenschätze, wie Schwerspat, Tongruben, Basalt, Mineralwasserquellen, Torf und Erze zu bergen und zu verfrachten . Der Betrieb auf allen Gruben ruht deshalb seit Jahren, weil sie die Achsenfracht nach den in weiter Entfernung liegenden Verladestationen nicht zu tragen vermögen. Neben diesen schon erschlossenen Mineralvorkommen gibt es noch eine gewaltige Menge von Vorkommen, die im Zusammenhang mit dem Bahnbau lohnend erschlossen werden können. Die Folge davon, daß das bisher nicht möglich war, ist Arbeitslosigkeit und bejammernswertes Elend dieser in Frage kommenden Bevölkerung. Die mit reichlichen Staatszuschüssen durch Kultivierung der ertraglosen Heiden in den letzten 70 Jahren herangezogenen reifen Holzbestände, namentlich Nadelholz, können schlecht abgefahren und verwertet werden, weil sie der Bahnverbindung entbehren. Die sonst in anderen Gegenden mit Bahnanschluß vorhandenen Holzschneidereien fehlen hierdurch vollständig. Deshalb erleiden die Gemeinden beim Verkauf des anfallenden Holzes große finanzielle Schäden, der Bevölkerung geht eine Beschäftigungsmöglichkeit verloren.

Die durch die im südlichen Teile des Kreises fast restlos durchgeführte Umlegung der Grundstücke gesteigerten Erträge landwirtschaftlicher Produkte jeder Art kommen den Bewohnern nicht in dem Maße zu gute, daß sie die Produktionskosten angemessen ersetzen und einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeiführen können. Der weite Antransport der Kunstdüngemittel und der Abtransport der Bodenerzeugnisse macht den Betrieb unrentabel. Menschen und Tiere leisten viel unproduktive Arbeit, die sonst der Verbesserung und Intensivierung der landwirtschaftlichen Grundstücke zugute kommen würde, wodurch wiederum eine wesentliche Hebung der Erträge erzielt würde. Daß durch diese Umstände eine gewisse Verärgerung und Mutlosigkeit der Bevölkerung, die nun schon jahrzehntelang auf den Bahnanschluß gehofft hat, vorhanden ist, ist nicht zu verwundern. Die weitere Folge ist ein Rückschlag, der sich auf allen Gebieten zeigt und der zuletzt die früheren trostlosen Verhältnisse der armen Eifelbewohner wieder herbeiführen muß, ja teilweise bereits gezeitigt hat. Ist es doch Tatsache geworden, daß gerade in der Bürgermeisterei Kelberg eine ganze Anzahl Gemeinden vorhanden sind, die im kommenden Jahre auch nicht einen Pfennig Reichseinkommensteuer aufbringen, weil trotz restloser Zusammenlegung aus den vorher geschilderten Umständen die Landwirte nicht das steuerfreie Existenzminimum aus ihrer Landwirtschaft zu überschreiten vermögen. Alle diese Nachteile würden mit dem Ausbau der Bahn beseitigt. Neues, frisches Leben und Streben würde alle Schichten der Bevölkerung durchdringen. Handel und Wandel würden aufblühen, Steuerfähigkeit der Landwirtschaft würde eintreten und nicht zuletzt ein stärkerer Zuzug des Fremdenstromes und damit Geld und Verdienst einer armen, aber fleißigen Bevölkerung die Existenzmöglichkeit schaffen.

Die Bahn dürfte aber auch für die Reichsbahngesellschaft rentabel sein, da ihr nicht allein erhebliche Gütermengen zur An- und Abfuhr zugeführt werden, sondern auch ein reger Personenverkehr namentlich von Touristen mit Sicherheit zu erwarten ist. Alle Reisenden, die von der Ahr kommend die Nürburg, die Hohe Acht, den Hochkelberg, die vulkanische Eifel mit ihren Maaren besuchen wollen, werden diese Strecke Adenau— Berenbach—Ulmen benutzen. Die in diesem Jahr fertig werdende Autogebirgs-Renn- und Prüfungsstraße, „Der Nürburg-Ring", wird für die Folge einen solchen Menschenstrom aus allen Gegenden Deutschlands und des Auslands in die Eifel führen, daß u. E. dieses Werk allein die Bahn rentabel gestalten muß. Immer mehr werden hierdurch die Schönheiten der Eifel Allgemeingut der Deutschen und zum großen Teil auch des Auslands werden, so daß ein dauernder Zustrom zur Eifel mit Sicherheit zu erwarten ist. Auf die weitere Rentabilität der Bahn durch den Güterverkehr wird der in der Anlage beigefügte Plan den Nachweis erbringen.

Mögen die vorgenannten Tatsachen auf die Wichtigkeit der Bahn hinweisen, so sei auch jetzt der Tatsache zu gedenken, daß der Preußische Staat sich diesem nicht hat verschließen können; daß die geforderte Bahnlinie Adenau—Kelberg—Hocheifelbahn eine Lebensfrage für den Kreis Adenau bedeutet. Deshalb hat das Preußische Abgeordnetenhaus sich bereits im Jahre 1914 zum Bau dieser Bahn entschlossen und hierfür durch das Eisenbahnanleihegesetz den Betrag von 12 617 ooo Mark zur Verfügung gestellt. In jahrelangen Vorarbeiten war die Trasse der Bahnlinie festgelegt, und wäre der Weltkrieg nicht ausgebrochen, hatte der Kreis längst die sehnlichst erwünschte Bahnlinie. Wenn aber schon -damals die Erkenntnis herrschte, so ist das Erfordernis des Eisenbahnbaues jetzt noch bedeutend dringender geworden. Nachdem zunächst das Deutsche Reich, alsdann die Deutsche Reichsbahngesellschaft, Rechtsnachfolger des Preußischen Staates als Eisenbahnunternehmer geworden sind, glaubt der Kreis aber auch ein Anrecht darauf zu haben, daß nunmehr seitens der Rechtsnachfolger die Verpflichtungen von 1914 zum Bau der Eisenbahn übernommen und eingehalten werden.

Adenau, den 6. Dezember 1926

Der Kreistag
des Landkreises Adenau.
Dr. Creutz. Weber Stumpf."