Milano Das kaum Beschreibliche der Stunde ists,
was mich seit jenen Tagen stumm umschwebt
und das stets drängender zum Worte strebt.
Ein Hauch nur. Doch dies „nur" ist schon missagi.
Was in mir antwortet, zugleich auch fragt,
was still mich anblickt und so, klaglos klagt:
das Heilige Antlitz mein ichjesu Christs.

In Mailand schlug sie uns, die große Stunde.
Milano
Mailand! Fülle der Gesichte!
O Paradies der steinernen Gedichte!
Schatzkammer langer Zeit, nördliches Rom!
Du Schäpfungsfülle um den weißen Dom!
Und doch —: in der Erinnerungen Strom
ein Heiligstes, das Bild der Tafelrunde!

Erlauchten Geistes hohe Segenspende,
die im „coenaculum" sich uns erteilt.
Hier haben wir wie Pilger stumm verweilt,
wie aufgenommen in den Kreis der Kreise
und innerlichst gespeist mit jener Speise,
die Labsal ist für jede Pilgerreise,
darin der Anfang lebt und auch das Ende.

Die Luft in diesem Räume ist voll Gold,
geheimes Gold, das wie in Hauchen webt,
so wie die Heilkraft im „arcanum" lebt,
das sich ein wahrer Alchymist ersann,
bis er das kaum zu Glaubende gewann,
die Todeshilfe zwischen Weib und Mann.
Die Luft in diesem Räume ist voll Gold.

Dem großen Weltenalchymist entstrahlt es,
der als der höchste Therapeut hier handelt
und opfernd lehrt, wie sich das Letzte wandelt.
Im Kreis der Zwölf, Urbild der Sternenrunde,
und sichtbar hier im Menschen-Erdenbunde.
Da Vinci sinnt dem nach, erkennt es, — malt es!

Durch dieses Bildnis steigen Engel nieder,
und es erklang das ewige „Gloria",
da Lionardos reines Werk geschah.
Er baute eine Farbengnadenbrücke
quer über einen Höllengrund der Tücke.
Und bricht die Zeit das Werk in Staub und Stücke —:
es klingen ewig solche Farbenlieder!

E. K. Plachner
Aus dem Zyklus „ITALIA"