Gräber neben Gottheiten — Fund im Glück der Stunde

Die Augen offen beim Bau der Kläranlage am Unkelstein

VON HARRY LERCH

Das Bauen und Schachten ist Glück und Gefahr für die Archäologen. Wenn für ein Fundament gebaggert wird, werden Schichten angeschnitten, in denen sich Bilder der Vergangenheit verbergen. Vom guten Auge eines Baggerführers hängt es oft ab, daß nicht alles gleich zerstört wird. Lieber einmal drumherum arbeiten, den Unternehmer verständigen — und die Wissenschaft ist glücklich. Sie kann das Bild bereichern und ergänzen, was eigentlich vor zweitausend Jahren „hier los" gewesen ist. Es zeigt sich dann: An besonders bevorzugten Plätzen, wo wir heute gern ein Haus bauen, im Hang mit weitem Blick, haben auch die Römer und unsere germanischen oder fränkischen Vorfahren gelebt.

Das Glück der Stunde sicherte ein römisches Brandgrab, als um Unkelstein die Grube für die Kläranlage von Oberwinter ausgebaggert wurde. Genau in der Mitte des Gevierts kamen römische Urnenkrüge, zahlreiche Scherben und eine römische Münze zutage. Es ist schade, daß nicht mehr geborgen worden ist, aber schon für diesen Fund ist die Archäologie dankbar. Was kam zutage?

Ein Einhenkelkrug, 20 cm hoch — ein Einhenkelkrug, 30 cm hoch — zwei Schalen aus Terra Sigillata, hellrot und dunkelrot (die bisher genannten Gegenstände sind vollständig erhalten). Weitere Funde, diese allerdings nicht in der unversehrten Gestalt: Boden- und Halsstück eines großen, etwa 70 cm hohen Tongefäßes — das Fragment eines Faltbechers (der Hals mit dem Daumen vor dem Brennen gefaltet) — Bruchstücke von Gefäßen — eine römische Münze.

Ihr Avers (Vorderseite) zeigt den Kopf eines Kaisers, das Revers (die Rückseite) eine schlanke, in S-Linie elegant gebogene Gestalt einer römischen Quellgöttin. Die Münze ist noch nicht datiert. Es waren insgesamt 15 Gefäße, gesichert hat sie Carl-Heinz Albrecht, Archäologe aus Leidenschaft.

Was läßt sich aus dem Fund schließen? Im Hang über Bundesstraße, Eisenbahnstrecke und Rheinufer war hier eine Begräbnisstätte. Wo aber bestattet wurde, haben die Römer und die eingesessene Bevölkerung der Eburonen auch gesiedelt, gearbeitet, gelebt. Ganz nahe diesem Fundort standen im Basalt- und Schieferbruch am Unkelstein drei Weihesteine, wie Prof. Otto Kleemann in der Heimatchronik des Kreises berichtet. Mit ihnen dankten die Steinbrucharbeiter den Gottheiten für die Errettung aus Bergrutsch, vor Verschüttungen und vor Abstürzen, wenn sie, am Seil frei hängend, dem Gestein zu Leibe gingen.

Man sieht: Es ist gar nicht „totes Leben", was geborgen wird. Was aus dem Boden geborgen wird, gibt Kunde vom Leben. Der Beweis ist da, daß vor zweitausend Jahren Leben und Dasein war dicht an der Mündung des Unkelbachs, 4aß für Bergleute und Steinbrecher hier das schwere Brot und die Gefahr das Leben war. Ein Hinweis zur Praxis noch, wenn Funde gemacht werden: das Bonner Universitätsinstitut für Vor- und Frühgeschichte verständigen (Tel. 02221 — 734325) oder das Koblenzer Amt für Vor- und Frühgeschichte Koblenz-Ehrenbreitstein (Tel. 0261 — 73626). Dann kommt alles in die kundige Hand.