Alte Kreuze un4 Bildstöcke im Kreis Ahrweiler

VON IGNAZ GÖRTZ

Bei einer Wanderung durch unser Kreisgebiet trifft man immer wieder innerhalb der Orte und besonders inmitten der Landschaft, am Weg, im Feld oder im Wald, alte Kreuze und Bildstöcke.

Für den Interessierten ist eine solche Begegnung mit Fragen verbunden, Fragen nach dem Alter dieses steinernen Denkmals, nach dem Anlaß seiner Errichtung und auch nach den Menschen, die vor Jahrhunderten diese Kreuze und Bild  stocke schufen und aufstellten,  Die Antwort gibt in vielen Fällen eine eingemeißelte Inschrift, die jedoch, verwittert und moosüberwachsen, in ihrer etwas willkürlichen Rechtschreibung und ungewohnten Abkürzungen eher einer Geheimschrift gleicht.

Dernau: Grabkreuz mit Hausmarke (1609)
Foto: I. Görtz

Hinzu kommt, daß die Schöpfer dieser Kreuze meist schreibunkundig waren, sich die Inschrift vorzeichnen ließen und dann die Schriftzeichen, nicht immer in der richtigen Reihenfolge, in den Stein schlugen. So nennt ein Grabstein den „GVNGERGESEHL DEGODORVS" (=Junggeselle Theodor), oder neben allgemein üblichen Abkürzungen wie G S D S G (Gott sei der Seele gnädig) liest man „IM H.e.S.CH." (im Herrn entschlafen).

Nicht alle Kreuze tragen eine Inschrift." Hier berichten vielleicht alte Akten unti Urkunden oder die übellieferten Sagen und Erzählungen über Gründe und Umstände der Errichtung. Erinnert sei hier an die Sage um ein Kreuz in Demau, das die Stelle markieren soll, an der der Glockengießer im Zorn seinen Gesellen erschlug, als dieser freudig dem Meister entgegenkam und erzählte, daß ihm in Abwesenheit des Meisters ein anstehender Glockenguß allem gelungen sei. In manchen Fällen kann nur ein Vergleich mit ähnlichen Kreuzen und Standorten in ändern Orten bei der Deutung helfen. Daher ist es wichtig, die vorhandenen Denkmäler und Inschriften eines größeren Gebiets zu erfassen.

Blasweiler: Flurkreuz (1715)
Foto: I. Görtz

Eine gebietsweise Zusammenfassung ist darüber hinaus wünschenswert, wenn die Kreuze und Bildstöcke in ihrer Bedeutung für Kunst- und Kulturgeschichte, Volks- und Familienkunde ausgewertet werden sollen. Eine Reihe dieser Zeugen vergangener Jahrhunderte ist schon in früheren Jahrgängen dieses Jahrbuches für den Kreis Ahrweiler dargestellt worden, andere werden sicher folgen. Hier sollen nur einige Gedanken und Peststellungen folgen, die sich bei der Bestandsaufnahme der Grabkreuze, der Flur- und Wegekreuze und Bildstöcke im Kreis Ahrweiler, die im vollen Gange ist, ergaben. Zunächst muß leider festgestellt werden, daß manches ältere Wegekreuz in den letzten Jahrzehnten Schäden, davontrug, ja sogar verlorenging. Kreuze fallen um, zerbrechen, verwittern, werden von Gras und Hecken überwuchert und sind schließlich vergessen. Bei Bauarbeiten, vor allem bei Wege- und Straßenbauten, werden Kreuze beiseitegeräumt und nicht mehr aufgestellt. In einigen Fällen wurden sogar Kreuze, zwar unwissentlich, beim Erdaushub mit aufgeladen und fortgefahren.

Foto: I. Görtz 
Vischel: Grabkreuz (1736) am alten Kirchweg Freisheim-Vischel aufgestellt

Dies ist natürlich nur möglich, weil viele Bürger ihre Gemarkung und die dort stehenden Denkmäler nicht mehr kennen. Bedenklich stimmt, wenn umgestürzte Wegekreuze nicht mehr aufgestellt werden oder 300jährige Grabkreuze, von Friedhofsabfall verdeckt, achtlos in einer Ecke stehen. In den meisten Gemeinden weiß man jedoch um den Wert und die Bedeutung dieser steinernen Zeugen. Hier findet man die alten Grabkreuze um die Kirche oder auf dem Friedhof ordentlich aufgestellt oder in Mauern eingelassen. Wege- und Flurkreuze werden nicht nur instandgehalten, sondern durch gärtnerische Anlagen besonders hervorgehoben. Auf versteckt stehende Kreuze weisen Hinweisschilder hin, um im Rahmen der Fremdenverkehrsarbeit auch den interessierten Gast mit diesen Denkmälern und dadurch mit der Geschichte des Ortes bekanntzumachen. Alte Grabkreuze, Wegekreuze, Bildstöcke und Kapellen berichten nicht nur von der frommen Gesinnung früherer Generationen. Sie sind gleichzeitig Denkmäler von kunst- und kulturgeschichtlicher Bedeutung. Der Familienforscher findet in den Inschriften der über 500 Grabkreuze und Grabplatten, die aus der Zeit vor 1800 im Kreis Ahrweiler erhalten, sind, und der großen Zahl von Wegekreuzen Hinweise auf Familien und Personen, über die die schriftlichen Quellen nichts oder nur lückenhafte Angaben überliefern. Oft werden wertvolle Ergänzungen zu den schriftlichen und mündlichen Überlieferungen entdeckt, Namen, Daten, Wappen und Hausmarken. In der Freitreppe zur Pfarrkirche in Altenahr befindet sich beispielsweise eine Grabplatte, die nach dem Tode des Ehepaares Bernhard Urbach (gest. 1681) und Anna Reuter (gest. 1673), Bürgern zu Altenahr, angefertigt wurde. Aus den schriftlichen Quellen erfährt der Familienforscher nichts über die Herkunft des Ehepaares. Die Grabplatte überliefert die Namen der Eltern beider Ehegatten und deren Hausmarken: „Dietrich Urbach, kurtrierischer Zollaufseher zu Engers — Margareta Breuer und Johannes Reuter, kurfürstlicher Zollschreiber zu Mainz — Katharina Haffener von Ulm." " Der Volkskundler fragt nach 'der Bedeutung der Kreuze und Bildstöcke, nach dem Grund und Zweck ihrer Errichtung. Viele kleinere Kreuze am Weg oder im Feld sind ehemalige Grabkreuze, die man später an einem vielbegangenen Weg — einem Verbindungsweg zwischen zwei Orten oder dem Kirchweg vom Filial-zum Pfarrort — oder auch in der Nähe der zum Hof gehörenden Ländereien aufstellte. Eng verwandt mit den Grabkreuzen sind jene Kreuze, die von einem tragischen Todesfall berichten, wie ein Kreuz südwestlich von Kesseling auf der Höhe: „1761 IST MATTHIAS HANSSEN V KESSELING HIER DODT GEFUNDEN WORDEN", oder ein Kreuz im '_ Vischeltal am alten Fahrweg von Kreuzberg nach Hilberath: „IOHANNES TILEMANUS HEINTZEN V LANTERSCHUVEN (Lantershofen) STARB HIER D 7 T MEY 1801." Manches Kreuz in der Nähe des Abrufers markiert die Stelle, an der ein Mensch in den Fluß stürzte und ertrank, als er nachts den schmalen Felspfad längs der Ahr benutzen mußte. So ein Kreuz unterhalb der „Bunten Kuh" bei Wal-porzheim: „Ao 1778 D 9. OCTOBER IST DER EHRSAMER MANN WILHELMUS HEINRICH ... IELZ ALHIER VERDRUNCKEN, GEBUERDIG IN HOLZHEIM, HALFFWIN-NER VON GU..."

Auch Kriegsschicksale leben auf, wenn ein Kreuz in Altenahr am Roßberg schlicht feststellt: „Ao 1690 DEN 9. JANUAR HABEN DIE FRANSOSEN BERNER BROCHSI(TT)ART HIR ERSCHOSSEN." Die mündliche Überlieferung weiß zu ergänzen, daß ein Fuhrmann von der „Grafschaft" den Roßberg hochfuhr und hier von den Soldaten angehalten wurde, damit er sein Pferd vor ihren Wagen mit Beutegut spanne. Auf seine Weigerung wurde er erschossen. Die größere Gruppe der Kreuze an Wegen und in den Feldern bilden die Flurkreuze, die in früher Zeit als Schutzkreuze gegen Unwetter, besonders gegen Hagel errichtet wurden. Im 17. und 18. Jahrhundert sind es Stationskreuze für die Flur- und Wetterprozessiönen. Diese Kreuze weisen Nischen auf, die bei den meist als Sakramentsprozessionen abgehaltenen Umgängen die Monstranz aufnahmen. Die Zahl der Flurkreuze schwankt. Pfarreien mit mehreren Filialorten besitzen weniger Flurkreuze, da hier die Kapellen der Filialorte auch als Station der Flurprozession aufgesucht wurden. Ein Kranz solcher Flurkreuze, wahrscheinlich noch der volle alte Bestand, steht zum Beispiel um Blasweiler.

Als Schutzkreuz für den Reisenden sind auch einige Wegckreuze und Bildstöcke entstanden, die besonders an alten Reise- und Pilgerwegen von überörtlicher Bedeutung stehen, zum Beispiel bei Eckendorf an der alten Frankfurt-Aachener-Heerstraße.

Südlich von Rech am Weg über die Höhe ins Kesselinger Tal stehen drei Kreuze, deren Ursprung auf religiöses Brauchtum zurückgeht, die Prozession der Matthias-Bruderschaft nach Trier, die diesen "Weg zog. Ein Kreuz nennt nur die Stifter und zeigt eine Darstellung des Apostels Matthias. Ein zweites trägt die Inschrift: „1781 FERNAMT (Ferdinand) WOLFF

U S H (und seine Häusfrau) MARGARETA SCHULTES HABEN DIES CREUTZAUFFGR Z EHREN G U D H AP MATHIAS (Gottes und des'Hl. Apostels Matthias). Das dritte Kreuz berichtet: ANNO 1696 HABEN AN DIESEM ORTH UNSER PILGER DIE BRUDERSCHAFT DES H APOS MATHIA ANGEFANGEN.

Hingewiesen sei auch auf die Kreuze, meist Bildstöcke, die auf den Brauch der „Sieben Fußfälle" zurückgehen, und die Stationen des Kreuzweges, deren Zahl in manchen Orten vierzehn, in ändern in Beziehung zu den Füßfällen nur sieben ist.

Diese Darstellung will nicht umfassend sein. Es geht zunächst nur darum, auf das Vorhandensein und die Bedeutung dieser Denkmäler hinzuweisen, um sie vor dem Untergang zu bewahren.

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