Siebzig Jahre Landes-Lehr- und Versuchsanstalt

VON DR. FRANZ HEINZ EIS

Vortrag anläßlich der Kuratoriumssitzung am 1. Februar 1973, die dem 70jährigen Bestehen der Anstalt gewidmet war.

Die historische Feststellung „70 Jahre Landes-Lehr- und Versuchsanstalt" fordert in unserer heutigen, so schnellebigen und vom Reformgeist erfüllten Zeit mit Recht die grundlegende und zugleich kritische Beantwortung der Frage, hat sich diese Bildungsstätte des ländlichen Raumes mit ihren vielseitigen Einrichtungen einschließlich der Staatlichen Weinbaudomäne und des Obstbaubetriebes bewährt und dem landwirtschaftlichen Berufsstand die Hilfen zuteil werden lassen, die für die Erhaltung einer funktionstüchtigen Landwirtschaft unumgänglich notwendig sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß unser Auftrag die Ausbildung des Berufsnachwuchses, die Fortbildung der bereits in der Verantwortung Stehenden, die laufende Beratung und die Versuchsanstellung umfaßt. Hierzu - zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage -ist es notwendig, Rückschau zu halten, denn so wie sich in diesen sieben Jahrzehnten fortlaufend die Landwirtschaft und ihre Sonderkulturen in produktionstechnischer, betriebs- und arbeitswirtschaftlicher sowie absatzwirtschaftlicher Hinsicht gewandelt haben, so hat sich auch die Aufgabenstellung der Anstalt in den einzelnen Fachgebieten laufend geändert.

Der Änderung grundsätzlich nicht unterworfen war und ist auch heute noch unser pädagogischer Auftrag, fachlich tüchtige und den Interessen der Allgemeinheit gegenüber aufgeschlossene Landwirte, Winzer, Obstbauern und Landfrauen heranzubilden, die in der Lage sind, ihren Aufgaben als Betriebsleiter und in der Gesellschaft gerecht zu werden. Geändert haben sich natürlich die Methoden der Unterrichtserteilung und Stoffdarbietung. Auch wir wenden im pädagogischen Raum moderne Lehrverfahren an, die der Ausbildung und deren Zielsetzung im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts gerecht werden. Mit der Jugend wird selbstverständlich viel diskutiert, aber dabei nicht das „Lernen für das Leben" vergessen. Daß dabei das Verhältnis Lehrer-Schüler heute ein anderes als früher ist, trifft für unsere Lehranstalt ebenso wie für die übrigen Schulen zu.

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Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Ahrweiler

Gründung und Ausbau der Anstalt

Die Gründung der Anstalt erfolgte zu Beginn dieses Jahrhunderts, als von der damaligen Rheinischen Provinzialregierung in Düsseldorf ebenfalls die Lehr- und Versuchsanstalten in Trier und Bad Kreuznach

eingerichtet wurden. In Ahrweiler, im Herzen des Rotweingebietes, erfolgte im Jahre 1899 der Ankauf der Grundstücke. 1901 wurden die Gebäude erbaut und eingerichtet. Die Gesamtkosten für die Erstellung der Gebäude und den Ankauf der Weinberge und Obstflächen umfaßten 316700,- RM. An der Finanzierung beteiligte sich der Kreis mit 30 712,- RM. Der damalige Landrat, Geheimer Regierungsrat Heising, trat als Mitglied des Provinziallandtages mit Nachdruck dafür ein, daß die Anstalt in Ahrweiler errichtet wurde.

Am 1. April 1902 konnte der 1. Direktor der Anstalt, Herr Braden, berufen werden. Bereits im Sommer 1902 veröffentlichte er mehrere Zeitungsberichte, in denen für den Besuch der Schule geworben wurde. In seiner ersten Verlautbarung machte Herr Braden unter anderem folgende Ausführungen: „Hier in der Schule wird das Fundament zur vernunftsgemäßen Bewirtschaftung gelegt. Alte Vorurteile, schädliche Gepflogenheiten, die sich in manchen Orten eingenistet haben, werden auf die Seite geschoben. Es wird nur auf das Mustergültige hingewiesen. Theorie und Praxis gehen hierbei Hand in Hand. Morgens erfolgt in der Schule die theoretische, nachmittags in Wein- und Obstbau die praktische Unterrichtung. Da die Hauptarbeit in Wein- und Obstbau hauptsächlich in die warme Jahreszeit fällt, erstreckt sich der Unterricht auch über das Sommersemester. Für die praktische Arbeit stehen der Schule 5 Morgen Weinberge in hervorragendsten Lagen in Ahrweiler und Walporzheim zur Verfügung. Hier soll der Schüler seine im Unterricht erworbenen Kenntnisse in die Praxis umsetzen. Weiter ist ihm Gelegenheit zur Erlernung einer richtigen Auslese, woran es noch vielfach mangelt, gegeben. Da der Wein in der nach der neuesten Richtung angelegten Kellerei gelagert wird, so lernt der Schüler eine sachgemäße Gärung kennen, von der ja das ganze Werden des Weines abhängt. Auch der Ausbau bis zur Flaschenreife wird gezeigt. Auch für die Obstzüchter wird gesorgt. Besitzt doch die Schule ein Areal von 8 Morgen, die in unmittelbarer Nähe der Schule liegen und fast ausschließlich dem Obst- und Gemüsebau gewidmet sind. Damit nun in allen Zweigen den jungen Leuten eine gründliche Ausbildung zuteil wird, ist ein zehnmonatiger Kursus eingerichtet, für welchen das Schulgeld RM 36,- beträgt. Für Schüler aber, die sich als Aufseher oder Verwalter für den Großbetrieb ausbilden wollen, erstrecken sich Theorie und Praxis auf 2 Jahre Schulzeit."

Die Eröffnung des ersten Lehrganges fand am 3. Oktober 1902 mit 26 Schülern statt. Am Anfang der unterrichtlichen Tätigkeit standen die Fächer Wein- und Obstbau im Vordergrund. Außerdem wurden laufend Fortbildungskurse, sie hießen damals „Spezialkurse", von acht- bis zehntägiger Dauer in den Fachgebieten Weinbau, Kellerwirtschaft, Weinuntersuchung, Obstbau und Obstverwertung abgehalten. Die Thematik der Kurse umfaßte den Rebschnitt, das Ausbrechen im Mai, die Weinbehandlung, die Reblausbekämpfung, Pflanzung, Schnitt, Pflege und Sommerbehandlung der Obstbäume sowie die Obstverwertung. Bei den Lehrkräften nahm neben der Erteilung des Unterrichts die Wanderlehrtätigkeit einen breiten Raum ein. Hierunter fällt diejenige Aufgabe, die wir heute mit dem Begriff Beratung umschreiben, wenn auch vom Arbeitsinhalt zwischen damals und heute erhebliche Unterschiede bestehen. Durch die Wanderlehrtätigkeit war reichlich Gelegenheit gegeben, sich über die Gesamtlage des Wein- und Obstbaues zu orientieren und Fehler und Mängel in der Bearbeitung der Weinberge und Obstplantagen kennenzulernen, die sodann Gegenstand von Erörterungen in Versammlungen und bei Beratungsgesprächen bildeten. Die enge Kontaktpflege mit den ehemaligen Schülern wirkte sich zudem auf ihre Arbeit in Weinberg, Keller und Obstbau günstig aus. Aus den Darlegungen über die ursprüngliche Zielsetzung und Arbeit geht eindeutig hervor, daß die zu dieser Zeit Verantwortlichen in Regierung, Landratsamt und Berufsstand die so dringende Notwendigkeit der Ausbildung und Beratung der Winzer und Obstbauern erkannten und an ihrer praxisnahen Verwirklichung intensiv arbeiteten. Entsprechend dieser Grundeinstellung, die vom Kuratorium der Anstalt stets nachhaltigst unterstützt wurde, nahm die „Provinzial Wein- und Obstbauschule" im hiesigen Raum eine bedeutungsvolle Stellung ein, die im wahrsten Sinne des Wortes in den zwanziger Jahren als gebietlicher Kristallisationspunkt die fortschrittliche Entwicklung durch ständig neue Anregungen und Impulse wesentlich beeinflußte. Sie wurde im Laufe der Jahre zum wein- und obstbaulichen Mittelpunkt dieser Region. So hört es sich heute wie eine Selbstverständlichkeit an, daß im Jahre 1924 der Wein- und Obstbauschule eine landwirtschaftliche Abteilung angegliedert wurde, die ab diesem Zeitpunkt u. a. Unterricht in den landwirtschaftlichen Fächern analog einer Landwirtschaftsschule erteilte. Mit der Angliederung dieser Abteilung war auch eine Umbenennung verbunden. Die nun gewählte offizielle Bezeichnung lautete bis 1945 „Provinzial-Lehr- und Versuchsanstalt für Weinbau, Gartenbau und Landwirtschaft". Hand in Hand ging damit auch die Vergrößerung der Versuchsbetriebe, die schließlich 1925 zur Angliederung eines landwirtschaftlichen Betriebes führte. In den dreißiger Jahren umfaßten die einzelnen Betriebszweige: Weinbau 2,9 ha Rebland; Obstbau 2,7 ha Bestandsfläche; Landwirtschaft 12,0 ha Acker- und Wiesengelände. Das landwirtschaftliche Versuchsgut Altenwegshof, das sich mit Sorten-, Düngungs-, Bearbeitungs-, Saatgut-, Tierzucht- und Fütterungsfragen befaßte, mußte leider im Jahre 1944 wieder verkauft werden. Mit dem Zusammenbruch des preußischen Staates am Ende des II. Weltkrieges kam es auch zur Auflösung der Provinzialverwaltung in Düsseldorf. Der Kreis Ahrweiler und somit die Anstalt kamen zum Land Rheinland-Pfalz. Von da ab führt die Anstalt die Bezeichnung „Landes-Lehr- und Versuchsanstalt für Weinbau, Gartenbau und Landwirtschaft".

Neben der Anstalt bemüht sich seit dem Jahre 1925 die Staatliche Weinbaudomäne Marienthal um die spezielle Fortentwicklung des Weinbaues im Ahrgebiet. Die Domäne, ursprünglich von 1136 bis 1803 Augustinerinnenkloster, das 1803 durch die Säkularisation in französischen Staats- und nachher in Privatbesitz gelangte, ging 1925 in den Besitz des preußischen Staates über. Der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt wurde sie im Jahre 1952 angegliedert. Hierdurch erhielt diese die Möglichkeit der Einleitung und Vornahme umfangreicher Versuche auf weinbaulichem und kellerwirtschaftlichem Gebiet.

Der Anschluß der Domäne hatte zur Folge, daß die früheren anstaltseigenen Weinberge sowie die Kelterei, die Brennerei und der Weinkeller der Domäne zugeordnet wurden, so daß nun das Gebäude II, in dem sich die Verarbeitungsanlagen befanden, für andere Zwecke Verwendung finden konnte. Die Betreuung der ländlichen Hauswirtschaft und die Ausbildung der Landfrauen wird seit 1953 durch den zu diesem Zwecke geschaffenen hauswirtschaftlichen Lehr- und Beratungsdienst wahrgenommen. Erstmalig konnte 1958 eine eigene Klasse Hauswirtschaft eingerichtet werden. Aufgrund der guten schulischen Erfahrungen im hauswirtschaftlichen Bereiche erfolgte 1962 der Ausbau der sogenannten Mädchenabteilung im Haus II. Durch die Initiative der hauswirtschaftlichen Lehr- und Beratungskräfte ist diese Abteilung inzwischen ein wesentlicher Bestandteil der Anstalt geworden. Auf vielen Gebieten, sei es in der Fort- und Ausbildung sowie in der Beratung, ist die erfolgreiche Wirksamkeit unserer hauswirtschaftlichen Fachkräfte erkennbar. In diesem Rückblick auf 70 Jahre Anstaltstätigkeit möge auch die Reihe der Direktoren stehen, von denen doch entscheidende Impulse auf eben diese Arbeit ausgingen: Braden (1902 bis 1919), Pfeiffer (1919 bis 1924), Bernhard (1924 bis 1937), Hironimi (1937 bis 1941), Dr. Jöhnssen (1946 bis 1952), Dr. Möhringer (1952 bis 1957), Broicher (1957 bis 1970), Dr. Eis (seit 1970). Zur Zeit gliedert sich die Lehr- und Versuchsanstalt in folgende Abteilungen: 1. Weinbau; 2. Gartenbau; 3. Landwirtschaft; 4. Hauswirtschaft; 5. Staatliche Weinbaudomäne Kloster Marienthal und 6. Verwaltung.

Insgesamt sind an der Anstalt tätig 9 Bedienstete des höheren Dienstes, 17 Bedienstete des gehobenen und mittleren Dienstes im Beamten- und Angestelltenverhältnis und 27 Bedienstete - ohne die Saisonarbeitskräfte - für die Unterhaltung der Gebäude sowie als Facharbeitskräfte in der Weinbaudomäne, im Obstgut und als Lehrlinge bzw. Praktikanten.

Der Grundbesitz der Anstalt und der Domäne umfaßt 20 ha Rebfläche, 10 ha Garten- und Obstgelände, 50 ha Wald, 5,5 ha Öd- und Unland sowie 2 ha Hofraum.

Landwirtschaft, Weinbau und Obstbau heute

Seit Beendigung des II. Weltkrieges haben sich in der Landwirtschaft, im Wein- und Obstbau Wandlungen und Veränderungen vollzogen, die nicht vorausschaubar waren. Die heutige Landwirtschaft hat mit der der dreißiger und vierziger Jahre nicht mehr viel gemeinsam. Die Struktur der bäuerlichen Familie und die der Betriebe ist eine andere geworden. Daß sich dabei das Bild und das Leben unserer Dörfer gewandelt hat, soll der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben.

Der Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft macht nunmehr 7 bis 8 Prozent der Erwerbstätigen der Gesamtwirtschaft aus. Die Zahl der Betriebe in der Bundesrepublik und ganz besonders im Kreis Ahrweiler ist ab 1949 stark rückläufig. Während in diesem Zeitraum in der Bundesrepublik rund 700000 Betriebe ihre Landbewirtschaftung aufgaben, waren es im Kreis Ahrweiler, wie die nachfolgende Gegenüberstellung der statistischen Daten ergibt, im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt noch mehr.

1949

Betriebe insgesamt 6350

von    0,1 bis    1,0 ha    l 771 Betriebe (27,9%)
   1,0 bis    5,0 ha    3 174 Betriebe (50,0%)
   5,0 bis    10,0ha    1114 Betriebe (17,6%)
   10,0 bis    15,0ha    175 Betriebe (2,7%)
   15,0 bis    20,0 ha    59 Betriebe (0,9%)
   20,0 und mehr       57 Betriebe (0,9%)

1970

Betriebe insgesamt 3 506

von    0,5 bis    2,0ha    1130 Betriebe (32,2%)
   2,0 bis    5,0ha    827 Betriebe (23,8%)
   5,0 bis    10,0 ha    789 Betriebe (22,5%)
   10,0 bis    15,0 ha    272 Betriebe (7,8%)
   15,0 bis    20,0 ha    212 Betriebe (6,0%)
   20,0 und mehr       276 Betriebe (7,7%)

Trotz des überaus starken Rückganges in der Zahl der Betriebe ist heute dank der Bemühungen sämtlicher im Kreise Ahrweiler in und für die Landwirtschaft tätigen

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Aussiedlerhof bei Oberzissen

Behörden und Institutionen eine intakte Landbewirtschaftung sichergestellt. Die von den aufgebenden Betrieben freiwerdende Fläche wurde von den verbleibenden zur Aufstockung aufgenommen. Am deutlichsten geht das Ausmaß und die Notwendigkeit der Aufstockung der Betriebe zur Sicherstellung eines ausreichenden Einkommens aus der Größenentwicklung derjenigen Betriebe hervor, aus denen unsere Landwirtschaftsschüler kommen. So stieg in den Schuljahren 1969/70 bis 1972/73 die Durchschnittsgröße je Schülerbetrieb von 18,7 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche über 22,6 ha und 25,3 ha auf 30,3 ha an.

Als Auswirkung der unmittelbaren Nähe des stark industrialisierten Raumes Bonn-Köln haben sich im Weinbau ab der Jahrhundertwende erhebliche Strukturveränderungen ergeben. Die heute im Ahrgebiet vorhandenen Weinberge befinden sich in den Lagen, die hervorragende Qualitätsweine erbringen. Gleichfalls ist die betriebliche Entwicklung soweit fortgeschritten, daß die Aufteilung in Nebenerwerbs-, Zuerwerbs- und Vollerwerbsbetriebe als weitgehend abgeschlossen zu betrachten ist. Der sich in den übrigen rheinischen Weinbaugebieten z. Z. vollziehende Strukturwandel hat im Gebiet der Ahr schon vor und unmittelbar nach dem I. Weltkrieg eingesetzt. Ein besonderes Charakteristikum des Gebietes ist, daß mehr als zwei Drittel der Rebfläche von Zu- und Nebenerwerbswinzern bewirtschaftet werden. Die durchschnittliche Betriebsgröße der Nebenerwerbswinzer beträgt 0,4115 ha. Die Betriebsgröße der Vollerwerbswinzer ist dagegen wesentlich größer und schwankt nach unseren Erhebungen zwischen 1,5 bis 3,0 ha. Im Obstbau tritt immer stärker der reine Vollerwerbsbetrieb in den Vordergrund. Der früher vorherrschende Gemischtbetrieb - Landwirtschaft und Obstbau - ist heute bald zur Seltenheit geworden. Demzufolge verfügen die Spezialbetriebe über eine große wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Das in den Betrieben erzeugte Obst besitzt eine große Qualität und findet guten Absatz. Auch in der ländlichen Hauswirtschaft haben sich in den zurückliegenden Jahren durch die Spezialisierung der Betriebe und durch ihre Vergrößerung in der Fläche ebenfalls erhebliche Veränderungen ergeben. Der Landhaushalt gewinnt zunehmend mehr den Charakter des Stadthaushaltes. Eine Vielzahl von Maßnahmen zur Rationalisierung der Hauswirtschaft konnte in den zurückliegenden Jahren durchgeführt werden. Die Bäuerin übernimmt in der ländlichen Arbeitsteilung immer mehr Funktionen in der Betriebsleitung, wie z. B. die Buchführung, und nimmt so verantwortlich an der Leitung des Betriebes teil.

Der von den Landwirten, Winzern und Obstbauern für die Neuorientierung ihrer Betriebe aufgewandte Kapitaleinsatz war sehr groß. Um das Ziel der kostengünstigen Produktion und der Verbesserung der Rentabilität zu erreichen, waren erhebliche Investitionen erforderlich. In den letzten acht Jahren investierte die Landwirtschaft je Betrieb über 30 000,- DM. Über die Hälfte des Gesamtbetrages wurde für Maschinen aufgewandt. Die Einrichtung eines Arbeitsplatzes in der Landwirtschaft kostet heute rund 72000,- DM. Eine Kommentierung dieser Zahlen ist m. E. nicht erforderlich. Sie geben Zeugnis von den Bemühungen der Landwirtschaft, um innerhalb der EWG wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Entwicklung wurde ausgelöst durch die Einführung arbeitssparender Verfahren und die Veränderungen im agrarpolitischen Bereich. Als Beispiel für die Verringerung des Arbeitsbedarfes wird einmal der Weinbau angeführt.

Für die Bewirtschaftung einer im stark terrassierten und nicht durch Wege erschlossenen Gelände liegenden l ha großen Rebfläche sind bei Pfahlerziehung je Jahr rund 2 700 bis 3 000 Arbeitsstunden notwendig. Nach Durchführung der Flurbereinigung und des planmäßigen Wiederaufbaues, bei der der Ausbau eines neuzeitlichen Wegenetzes, die Zusammenlegung des Splitterbesitzes und die Umstellung der Pfahlerziehung auf den Drahtrahmen vorgenommen wird, werden für die gleiche Fläche nur mehr 1200 bis 1400 Arbeitsstunden je Jahr benötigt. Solche Beispiele, die den Erfolg der Rationalisierung aufzeigen, ließen sich für sämtliche Bereiche der Landwirtschaft und des Obstbaues aufzeigen. Durch die Vergrößerung der Betriebe bei gleichzeitiger Verbesserung der Erträge je Flächeneinheit und Steigerung der Arbeitsproduktivität konnte das Betriebseinkommen und das Einkommen je Arbeitskraft beachtlich gesteigert und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten, ja zum Teil sogar noch wesentlich verbessert werden.

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Neuzeitliche Obstanlage

Die derzeitigen Anforderungen an Lehre, Beratung und Versuchsanstellung

Die aufgezeigten Wandlungen in der Struktur der Betriebe und die dadurch bedingte

Spezialisierung auf nur wenige Betriebszweige, zum Teil auf nur eine einzige Produktionsrichtung, hat zu einer grundlegenden Änderung im Lehrplan, in der Aufgabenstellung der Beratung und der Versuchsanstellung geführt.

Entsprechend der sich im agrarischen Bereich immer stärker durchsetzenden strengen ökonomischen Betrachtungsweise und Betriebsführung stehen in sämtlichen Fachgebieten unserer Anstalt die Fächer Betriebs- und Arbeitswirtschaft einschließlich Volkswirtschaft, Agrarrecht, Agrarpolitik und Marktlehre im Vordergrund der unterrichtlichen Bemühungen. Es folgen sodann die Fachgebiete der pflanzlichen und tierischen Erzeugung, die die so wichtigen Teilgebiete wie Weinbau, Kellerwirtschaft, Weinchemie, Ackerbau, Pflanzenbau, Düngung, Schädlingsbekämpfung, Tierzucht, Tierhaltung, Fütterung, Obstbau, Obstverwertung und dergleichen mehr beinhalten.

Der Unterricht wird getrennt nach Fachklassen Weinbau, Obstbau und Landwirtschaft erteilt. Der theoretische Unterricht findet eine sinnvolle Ergänzung durch Abhaltung praktischer Übungen, die in unserer Domäne und im Obstgut sowie im landwirtschaftlichen Sektor in von unserer Anstalt betreuten und eingerichteten Betrieben durchgeführt werden. Am Ende des sich über zwei Winterhalbjahre erstreckenden Ausbildungslehrganges kann durch die Ablegung der Abschlußprüfung vor einem staatlichen Prüfungsausschuß die anerkannte Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfter Wirtschafter" erworben werden.

Über eine umfassende, moderne und gute Einrichtung verfügt unsere hauswirtschaftliche Abteilung. Der Unterricht erstreckt sich vornehmlich auf die Fachgebiete, die die Grundlage einer neuzeitlichen und geordneten Haushalts- und Betriebsführung sind.

Leider wurden nach 1945 die früher üblichen Unterrichtslehrgänge, die sich über ein und zwei Jahre erstreckten, nicht mehr aufgenommen, so daß sich unsere unterrichtliche Tätigkeit nur auf das Winterhalbjahr erstreckt.

Unter Berücksichtigung der strukturellen Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Landwirtschaft konnten wir bisher mit dem zahlenmäßigen Besuch unserer Fachklassen durchaus zufrieden sein. Wir hoffen, daß auch künftig der Schüler- und Schülerinnenzugang mindestens der gleiche bleiben wird.

Einen breiten Raum in unserer Tätigkeit nimmt die Erwachsenenfortbildung ein. Mit einem vielseitigen Veranstaltungs- und Fortbildungsprogramm bemühen wir uns in Zusammenarbeit mit dem Kreisbauern- und Winzerverband, dem Verein Ehemaliger, der Landfrauenvereinigung und dem Maschinenring Ahr-Rhein-Eifel c. V. die Landwirte, Winzer, Obstbauern und Landfrauen durch die Abhaltung von Vortragsveranstaltungen mit den neuen Erkenntnissen in der Produktion und Vermarktung vertraut zu machen und sie über aktuelle berufsständische Fragen zu unterrichten. Unsere Vortragsveranstaltungen erfreuen sich eines regen und guten Besuches. Sehr intensiv widmen wir uns in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer der Lehrlings- und Meisterausbildung. Zur Zeit führen wir mit insgesamt 40 Teilnehmern einen Meisterkurs durch. Mit besonderer Genugtuung darf ich in diesem Zusammenhang feststellen, daß im Berufswettkampf der Landjugend der beiden letzten Jahre ein ehemaliger Schüler Bundessieger und eine ehemalige Schülerin Bundessiegerin geworden sind.

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Weinbergsflurbereinigung Dernau-Marienthal

In der Beratung werden sämtliche anstehenden Fragen der Betriebswirtschaft, der Arbeitswirtschaft, des Ackerbaues, der Tierzucht und -haltung, des Weinbaues, der Kellerwirtschaft sowie des Obst- und Gemüsebaues bearbeitet. Seit Einführung der amtlichen Qualitätskontrolle bei Wein wird unser Labor zum Zwecke der Weinuntersuchung stark in Anspruch genommen. Unser besonderes Interesse gilt den Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. In den im Weinbau und in der Landwirtschaft anstehenden Flurbereinigungsverfahren verbindet uns eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kulturamt. Seit Beendigung des Krieges wurden im Kreise Ahrweiler über 100 Neu- und Aussiedlungen verwirklicht. Ziel sämtlicher Überlegungen ist der Aufbau existenzfähiger Betriebe.

Die Vornahme von Lehrfahrten innerhalb der Bundesrepublik und darüber hinaus in die Mitgliedstaaten der EWG ergänzen unsere Bemühungen im Unterricht, in der Fortbildung und Beratung und tragen bei den Teilnehmern wesentlich zu einer objektiven Betrachtung der Probleme im agrarischen Bereich bei.

Nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung des ländlichen Raumes hat die Beratungstätigkeit der hauswirtschaftlichen Abteilung, die als Schwerpunkte die Programme „Ferien auf dem Bauernhof" und „Rationalisierung und Verbesserung des Wohnteils" mit Erfolg bearbeitet. Sie wird sich künftighin vor allem der weiteren Angliederung des Erwerbszweiges „Ferien auf dem Bauernhof" als besonderen Betriebsteil an landwirtschaftliche Betriebe in dem von Feriengästen gern besuchten Rhein-Ahr-Eifel-Gebiet widmen.

In der Versuchsanstellung befassen wir uns in der Landwirtschaft sowie im Wein- und Obstbau mit der Anbauprüfung neuer Sorten, mit der Selektion vorhandener Sorten - besonders von Bedeutung im Weinbau -, mit der Prüfung der bei der Biologischen Bundesanstalt für die Zulassung angemeldeten Pflanzenschutzmittel; mit der Anwendung von Dünge- und Wuchsstoffmitteln, mit Pflege- und Kulturversuchen und in der Kellerei der Domäne mit einer Vielzahl von Ausbau- und Behandlungsverfahren. Letztere dienen dem Ziele, die Qualität der Ahrweine ständig zu verbessern. Im Rahmen der anstaltseigenen Versuchstätigkeit verdienen die Forschungsarbeiten auf dem Gebiete der meliorativen Bodenbearbeitung hervorgehoben zu werden, die inzwischen ein weltweites Echo gefunden haben. So war unser Mitarbeiter im vergangenen Jahr im Auftrage der FAO für vier Wochen in Bulgarien tätig. Für dieses Jahr ist ein längerer Aufenthalt in Chile geplant.

Unserer Anstalt wurde im Laufe ihrer Wirksamkeit immer wieder die tatkräftige Unterstützung der Behörden, der Verbände und des Berufsstandes zuteil. Die Bediensteten der Anstalt haben sich ihrerseits bemüht, den erhaltenen Auftrag in Lehre, Beratung und Versuchsanstellung so zu erfüllen, daß eine geordnete Landbewirtschaftung erhalten blieb und daß die verschiedenen Sparten der Landwirtschaft, des Wein- und Obstbaues mit wirtschaftlichem Erfolg arbeiten konnten. Daß heute innerhalb des Dienstbezirkes trotz der unmittelbaren Nähe des stark industrialisierten Großraumes Köln -Bonn eine geordnete Landbewirtschaftung vorgenommen wird, ist nicht zuletzt der guten Zusammenarbeit unserer Anstalt mit der Praxis und den im Kreise Ahrweiler tätigen Behörden und Institutionen zuzuschreiben.

Es ist mir daher ein aufrichtiges Anliegen, sämtlichen mit der Anstalt verbundenen Behörden und Verbänden des Kreises Ahrweiler für die langjährige Unterstützung unserer Tätigkeit verbindlichst zu danken. In diesen Dank schließe ich die Kreisverwaltung, die Ehemaligenvereinigung, den Kreisbauern- und Winzerverband, den Gartenbauverband und die Landfrauenvereinigung ein. Das stets gute Miteinander war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Wirksamkeit.

Zum Abschluß gebe ich der Erwartung Ausdruck, daß es der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt vergönnt sein möge, noch für viele Jahrzehnte der heimischen Landwirtschaft, dem Wein- und Obstbau sowie der ländlichen Hauswirtschaft dienen zu können, um die Entwicklung so zu beeinflussen, daß auch in der Zukunft im nördlichen Landesteil von Rheinland-Pfalz eine intakte und wirtschaftlich gesunde Landbewirtschaftung erhalten bleibt. Dies wäre zugleich ein Beitrag für die Erhaltung der Kulturlandschaft und eines wirksamen Umweltschutzes.