Die Wahrung der Stadtinteressen Ahrweilers in den Landständen des Erzstiftes Köln

Paul Krahforst

Für eine Stadt war es von großer praktischer Bedeutung, wie sie in den Landständen des Stiftes vertreten war, weil diese Kollegien bei nahezu allen wichtigen Regierungs- und Verwaltungsgeschäften mitwirkten, insbesondere aber für die Festsetzung der Landessteuern zuständig waren. Auf Grund der Erblandesvereinigung von 1463, dem Verfassungsgrundgesetz des Erzstiftes, hatten die Landstände diese politisch überaus wichtige Position erlangt. Sie. setzten sich aus vier Gremien zusammen, nämlich dem Domkapitel, den Grafen, der Ritterschaft und den Städten. Die Landtage, zu denen die vier Landstände erschienen, fänden jährlich im Kapuzinerkloster zu Bonn statt und dauerten bis zu sechs Wochen an. Die einzelnen Landstände verfügten jeweils über einen ihnen fest zugewiesenen Sitzungssaal. Der Landtag wurde vom Kurfürsten feierlich eröffnet und geschlossen. Die vom Kurfürsten gebilligten gemeinsamen Entschließungen der Landstände wurden Landtagsabschiede genannt.

Das Domkapitel, das aus 50 Canonicaten und den damit verbundenen Präbenden bestand, wurde auf dem Landtag durch vier Deputierte Vertreten. Da es sich bei diesem Kollegium um eine rein kirchliche Körperschaft handelte, war hier eine Interessenwahrung durch die Stadt Ahrweiler naturgemäß nicht gegeben. Im Grafensland waren die Vertreter von neun, nach 1783 elf, bestimmten Herrensitzen zu einem Standeskollegium vereint. Diese Herrensitze des hohen Adels nahmen insofern eine interessante staatsrechtliche Doppelstellung ein, als sie auf der einen Seite reichsunmittelbar waren, auf der anderen Seite jedoch sich ihre Vertreter innerhalb eines Landesterritoriums zu einem Standeskollegium zusammenfanden. Ein solcher im Grafenkollegium vertretener Herrensitz war der Turm von Ahrweiler. Urkundlich genannt werden die Herren vom Turm bereits im Jahre 1140. Bei diesem Ahrweiler Grafensitz handelte es sich um eine umfangreiche Wasserburg mit einem großen Rundturm, zu der eine Mühle, sechs Morgen Weingarten, 1 1/2 Morgen Wiesenland und bedeutende Lehensgüter gehörten. Der Turm hatte eine eigene Burgkapelle. Gelegen war die Burg in Glesenhofen vor dem Obertor, und zwar dort, wo sich heute der Garten des Ahrweiler Winzervereins befindet. Der Abbruch der Burg erfolgte im Jahre 1811. Mit diesem Herrengut war seit dem Anfall der Grafschaft Are an das Erzstift im Jahre 1246 das Erbschenkenamt der kölnischen Kirche verbunden. Später war an die vier Erbämter (Erbhofmeisteramt, Erbmarschallamt, Erbschenkenamt und Erbkämmereramt) kein regelmäßiger Hofdienst mehr geknüpft. Sie vermittelten lediglich eine erbliche Auszeichnung. Als ersten Inhaber des mit dem Schenkenturm belehnten Amtes finden wir 1259 unter den Zeugen einer Urkunde Ritter Theoderich vom Turm. In der Folgezeit sind mehrere vornehme Geschlechter als Besitzer des Turmes verzeichnet, nämlich die Ritter von Fischenich, die Herren von Kempen, die Grafen von Virneburg und von 1468 bis zum Abbruch der Burg die Herzöge von Arenberg. Unter den neun Sitzen des Grafenstandes hatte also der Lehnsherr des Turms bei Ahrweiler eine einflußreiche Stimme.

Die Ritterschaft war nicht die landständische Vertretung des niederen Adels schlechthin. Nur derjenige Ritter war befugt, im Ritterkollegium des Landtages Stimmrecht auszuüben, der im Besitz eines im Ritterzettel verzeichneten Rittersitzes war und außerdem nach der im Ritterkonvent geleisteten Ahnenprobe von 16 Ahnen in die Ritterschaft aufgenommen war. Dinglich ist also der Besitz des Rittersitzes und persönlich die Rittereigenschaft erforderlich. Insgesamt gab es im Erzstift 227 Rittersitze. Wenn zu den Landtagen vielfach nicht einmal 50 Ritter erschienen, so mag das einmal darauf zurückzuführen sein, daß keine Erscheinungspflicht bestand, zum anderen aber auch darauf, daß vielfach der Inhaber des Rittersitzes nicht ritterbürtig war. Im Amt Ahrweiler gab es sechs Rittersitze, nämlich: zwei Rittersitze zu Ahrweiler, der Staffelturm zu Ahrweiler und drei Rittersitze zu Vettelhoven.

Wenn es auch Anfang des 16. Jahrhunderts in Ahrweiler zwischen Stadtrat und Ritterschaft zu Differenzen darüber gekommen war, daß Ritter zu Schöffen gewählt werden sollten, so liegen doch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß diese Mißhelligkeiten in späterer Zeit so nachgewirkt haben, daß die Ritter aus dem Ahrweiler:. Stadtbereich auf dem Landtag etwa nicht mehr bereit waren, im Rahmen des ihnen Möglichen und Zumutbaren die Interessen der Stadt Ahrweiler mit zu vertreten.

Zum Städtekollegium entsandten die 17 Municipalstädte je zwei Deputierte. In der Regel waren die Städte durch den Bürgermeister und ein Ratsmitglied vertreten. Waren besonders wichtige Beschlüsse im Städtekollegium zu fassen, so wurden den Deputierten vom Rat der jeweiligen Stadt schriftliche Vollmachten ausgestellt, wie z. B. beim Landtag von 1793 den Ahrweiler Deputierten Curtius und Schopp bezüglich der anderweitigen Regelung des kurkölnischen Steuerfußes auf den modus per totum. Dieser Oberblick zeigt, daß die Stadt Ahrweiler im Hinblick auf die günstige Vertretung in den einzelnen Landständen im allgemeinen den Entschließungen der Landtage mit Ruhe entgegensehen und unter Umständen auch mit Verständnis und Unterstützung des Landtages rechnen konnte, wobei nochmals hervorzuheben ist, daß die Landstände, gestützt auf die Erblandesvereinigung von 1463, ungerechtfertigten Steuerausschreibungen der Erzbischöfe mit Erfolg entgegentraten. Von größter praktischer Bedeutung war die Vertretung in den Landständen im Hinblick auf die Bewilligung der jährlichen Landessteuern; denn hiervon hing es ab, in welcher Höhe innerhalb der einzelnen Städte der Steuersimpel von den Bürgern zu erheben war.

Wenn auch die einzelnen Landstände in erster Linie darauf bedacht gewesen, sein mögen, die Belange der von ihnen speziell vertretenen Stände zu wahren, so ist es doch wahrscheinlich, daß einmal der allen Ständen gemeinsame Widerstand gegen die Verschwendungssucht der Kurfürsten, vor allem aber das Heimatzugehörigkeitsgefühl der einzelnen Deputierten gemeinsame Interessen quer durch die einzelnen Landstände zutage treten ließ. So kann auch angenommen werden, daß die aus Ahrweiler kommenden Abgeordneten der einzelnen Stände in manchen Fragen zum Wohle ihrer Heimatstadt im gleichen Sinne ihr Mandat ausgeübt haben.

Quellen:

Walter, Das alte Erzstift und die Reichsstadt Cöln. Bonn 1868.
Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Kreis
Ahrweiler. Düsseldorf 1938.
Lacomblet, Archiv f. d. Gesch. d. Niederrheins, Bd.
V, Düsseldorf 1866.
Knipping, Regesten der Erzbischöfe von Köln. Bd. II
u. III. Bonn 1901/13.
Stadtarchiv Ahrweiler, Nr. 115 (Krudewig)
Lacomblet, Urkundenbuch f. d. Gesch. d. Niederrheins, IV Nr. 325.