Der Faßküfer — ein seltener Beruf

Jörg Zenthöfer

In vielen Weinorten an der Ahr und anderswo dienen sie heute als Dekoration und Blickfang: große alte Eichenfässer, Jubiläumsfässer mit kunstvoll geschnitzten Böden, einfache Lagerfässer in Stück- oder Fudergröße. Der technische Fortschritt hat sie bisher nicht völlig verdrängen können. Heute noch findet man sie in den Kellern der Winzer und Genossenschaften, nicht zur Zierde, sondern als notwendiges Inventar. Durch das Holz kann der Wein atmen, in diesen Fässern gelangt er zur höchsten Reife. Das Interesse des Besuchers gilt dem Inhalt, kaum dem Faß. Bis es zum ersten Mal gefüllt werden kann, muß mit handwerklichem Geschick und mathematischer Genauigkeit viel Arbeit geleistet werden.

Wenige gibt es, die diese Fähigkeiten heute noch beherrschen. Die mittelalterliche Faßbinderzunft in Ahrweiler besteht nicht mehr. Nach Hinweisen im Stadt- und Pfarrarchiv ist sie im Jahr 1388 gegründet worden und War damit die älteste im ganzen Rheinland. Ein erhaltenes Protokollbuch beginnt im Jahr 1767 und ist bis 1946 fortgeführt worden.

Der Rumpf des Fasses wird zusammengesetzt

Es enthält unter anderem viele Notizen über die Lage im Weinbau, ganz verständlich bei der Verbundenheit der Mitglieder der Zunft mit der Wein- und Kellerwirtschaft. Auch der letzte Weltkrieg hatte seine ganz besonderen Auswirkungen. So heißt es in einem Bericht vom Dezember 1941:

„Die Traubenernte 1941 war qualitativ wie quantitativ außerordentlich gut. Infolge der Kriegswirtschaft ist der Wein zu einem Mangelprodukt geworden und findet reißenden Absatz, weil ausländische Produkte fast nicht mehr eingeführt werden können, und das Bier durch behördliche Maßnahmen in seiner Stammwürze und seinem Alkoholgehalt erheblich herabgesetzt wurde. Die Folge hiervon ist, daß nun alle Leute Wein trinken wollen, wofür das deutsche Wachstum bei weitem nicht ausreicht."

Neben den großen, heute noch vorhandenen Fässern, wurden viele kleine Fässer hergestellt. Früher wurden 80% und mehr der Versandweine in diesen Fässern auf den Weg zur Kundschaft gebracht, bis sie nach und nach von der Flasche verdrängt wurden. Das war auch gut so, denn der Faßversand bot keine Garantie, daß die Weinkunden den Wein auch sach- und fachgemäß abfüllten. Die Flaschen waren nicht immer einwandfrei; das Fäßchen blieb im Anbruch, und der Wein mußte darunter leiden. Es gab Unstimmigkeiten und Beschwerden bei den Kunden. Beim Versand in der Flasche können Weinhändler und Winzergenossenschaften garantieren, daß, der Wein haltbar und klar bleibt. Dieser Vorteil für den Weinfreund brachte jedoch dem Küfer weniger Arbeit! So fanden sich immer weniger junge Leute, die das Küferhandwerk erlernen wollten. Der letzte selbständige Faßküfermeister an der Ahr ist heute Jakob Mies, über 50 Jahre im Beruf, seit 40 Jahren selbständig. In vielen Kellern findet man Fässer mit seinen Initialen „J. M." am oberen Rand mit Eisen eingehauen, oft nur zu erkennen, wenn man danach sucht.

Jahrzehnte altes Werkzeug wird auch heule noch benutzt

Das Eichenholz muß lange lagern
Fotos: Kreisbildstelle

In seiner Werkstatt ist heute noch die Entstehung eines Fasses zu verfolgen. Im Hof lagert das zugeschnittene Holz meist 100-jähriger Eichen aus der Eifel. Ihr Holz ist dicht und hart, von langer Lebensdauer. An der Luft trocknet es aus, .pro Jahr ein Zentimeter lautet die Daumenregel.

Für ein Fuderfaß mit etwa 1000 Litern Inhalt werden rund 3,8 laufende Meter Holz benötigt, etwas mehr als sein späterer Umfang an der dicksten Stelle.

Die fertig zugeschnittenen Eichenbretter erhalten in mehreren Arbeitsgängen ihre endgültige Form. Mit einer Schablone wird zunächst die spätere äußere Faßrundung festgelegt und abgehobelt, früher in mühseliger Handarbeit, heute mit Maschinen. Die künftige Innenseite wird ausgehobelt. Das Brett, langsam die Form einer Daube gewinnend, muß überall gleich stark bleiben. Noch ist es überall gleich breit, so zusammengefügt, ergäbe sich die Form eines Zylinders, einer Trommel. Der charakteristische „Bauch" des Fasses würde fehlen. Daher wird nun die „Spitzung" eingearbeitet: von der Mitte zu den Enden wird das Brett an beiden Seiten abgehobelt, es verjüngt sich langsam bis zu den Enden um letztlich 20%.

An den Schmalseiten werden als nächstes von der Außen- zur Innenkante die künftigen Seitenfugen gefräst: die Daube muß innen schmaler sein als außen, sonst wird das Faß nicht rund. Und auf den Mililimeter genau muß alles geschehen, damit später alles dicht ist. Der Küfer darf sich hier wie auch sonst keinen „Schnitzer" erlauben, die Arbeit wäre umsonst.

Etwa 35 Dauben werden auf diese Weise für ein Fuderfaß hergestellt, 6 Arbeitsgänge sind getan. Die ursprünglichen Bretter sehen aus, als seien sie mit leichter Hand zurechtgebogen worden.

Der Rumpf des Fasses wird zusammengesetzt. An einem kreisrunden Reifen werden, wie auf dem Foto zu sehen ist, mit Schraubzwingen vier Dauben, je zwei, ge-

genüber, befestigt. Ein Reifen mit vier „Spinnenbeinen", leicht skurill noch, läßt erstmalig die künftige Form ahnen: Daube für Daube wird nun in das Kreisrund eingefügt, ohne Schraubzwinge Jetzt, sie halten durch die bereits gewonnene Form. In weniger als 10 Minuten ist diese Arbeit getan. Ungewohnt sieht alles immer noch aus: oben am Reifen erkennt man die künftige Form, die Dauben halten einander fest. Unten stehen sie gespreizt auseinander, wie Klatschbasen in der Karikatur, die die Köpfe zusammenstecken und sich flüsternd unterhalten. Das Bild ändert sich jetzt: ein offener Eisenkorb wird in die Mitte gestellt, mit Kohle und Holzkohle gefüllt und angezündet. Für eine Stunde wird das Holz erwärmt und dabei mit Wasser übergössen, verbrennen soll es nicht. Biegsam und warm wird es dadurch. Das untere Ende des Rumpfes wird mit einem Drahtseil, dem „Faßzug" langsam zusammengezogen, die Dauben biegen sich, bis sie wie oben jetzt auch-unten dicht aneinander schließen. Nun stellt der Küfer den Rumpf auf den Kopf und ersetzt den provisorischen Faßzug durch einen Ring. Die endgültige Form ist sichtbar. Vor dem Betrachter steht ein bodenloses Faß im wahren Sinn des Wortes.

Daran ändert sich jetzt noch nichts. Zuerst wird das Spundloch eingefräst, dann in beide Rumpfenden eine Rille („Gargel" oder „Kimme") gehobelt, in die der Boden eingefügt werden soll. Dieser wird aus einzelnen Brettern mit Holzdübeln zusammengefügt, rund geschnitten und an der Außenkante beidseitig so bearbeitet, daß er in die enge Kimme paßt. Holz in Holz muß „kneifen", wie der Küfer sagt, alles muß so stramm sitzen, daß der Wein später nicht heraus kann. Dafür wird der Reifen abgenommen, die durch die Hitze des Feuers widerwillig gebogenen Dauben streben auseinander, der Boden wird in das Innere des Rumpfes geworfen und — bei vorsichtig aufgesetztem Reifen — nach oben geholt, bis er sich in die Kimme einfügt; er ist „eingebunden". Dasselbe wiederholt sich mit dem zweiten Boden.

Zuvor ist noch das Türchen in einen der Böden eingeschnitten worden, damit das Faß später auch gereinigt werden kann. In der Regel geschieht dies nur bei ovalen Fässarn, deren Herstellung schwieriger als bei dem hier beschriebenen runden Fuderfaß mit Bauch Ist. Runde Fässer lassen sich durch Hin- und Herschwenken dank Ihrer Form auch so gut reinigen. Ovale Fässer werden oft der besseren Raumausnutzung wegen in den Kellern bevorzugt.

Zum Schluß wird das fertige Faß außen abgehobelt oder „abgesäubert" und mit Faß-Öl gegen Kellerfeuchtigkeit imprägniert. Vor der ersten Füllung muß noch der dem Wein abträgliche Gerbstoff ausgelaugt werden, das Faß wird mit einer speziellen Lauge gefüllt, es wird „weingrün" gemacht. Dann verläßt es die Werkstatt des Faßküfers oder Faßbinders, oft allerdings in Einzelteilen. Die Fässer in vielen Kellern sind größer als die Eingänge: sie müssen am künftigen Standort zusammengesetzt werden. Der Küfer sieht sein Faß hier nicht zum letzten Mal, Kundendienst ist einbegriffen. Reparaturen nach Jahren oder Jahrzehnten sind erforderlich, auch Fässer verschleißen durch Alter, Feuchtigkeit und unsachgemäße Pflege. Für kleinere Arbeiten werden auch heute noch die abgebildeten alten Werkzeuge benötigt, Maschineneinsatz lohnt nicht oder ist nicht möglich.

Ein Hinweis zum Schluß für den passionierten Heimwerker und Hobbybastler: die Praxis Ist oft ein wenig schwieriger als hier beschrieben. Vor dem Erfolg könnten vielleicht einige Eichen zu nutzlosem Kleinholz verarbeitet sein.