Kleines Welttheater auf grüner Bühne

Die Freilichtbühne Schuld und ihre Laienspieler

Harry Lerch

Als habe Gottes Hand sie hingebettet ins Waldgrün, eine Mulde wie eine Muschelschale - so begünstigt von Schöpfung und Natur ist die Freilichtbühne von Schuld. Ein Amphitheater, das sich Sommer um Sommer mit Leben füllt, mit Sang und Saitenspiel, mit Mysterien und Legenden. Oder es stiefelt ein Kater über die Bühne, und der Müllerbursch auf dem Weg zum Markt hat eine lebende Gans unter dem Arm.

Es begann nach dem Kriege, in der Zeit, als alles neu zu beginnen hatte, als ein Hunger in der Welt war nach, geistigem Brot, nach Farbe, nach Bildern. Wer anders kann das herreichen als die Dichter?

Die Laienschar war unter der Regie von Walter Pfahl schon 1946 auf der Bühne, bis eines sich mit dem anderen zu verbinden begann: das Theater und die Marienwallfahrt zur Schornkapelle. Da hatte Pfarrer Jakob Scherer viele Teilnehmer, und wie von selbst waren sie auch die ersten Theatergäste. Kirche und Kunst reichten hier einander die Hand. So ist denn ein Legendenspiel das erste Stück, und die Laienspieler haben mit 2500 Gästen am ersten Sonntag eine Zuschauerzahl, um die ein Stadttheater sie beneiden könnte.

Erwartungsvolle Spannung im Publikum: Sondervorstellung für Schülerinnen und Schüler
Foto: Kreisbildstelle

Lebensvolles Bild: Der gestiefelte Kater wird seinem Herrn, dem Müllerburschen Hans, zum Glück verhellen
Foto: Kreisbildstelle

Warum das auf Anhieb gelingt? Sie haben Theaterblut in Schuld! Da kehren gleich drei Generationen wieder in drei Jahrzehnten, Bläser, Schlich und Kürsten, Hecken, Drolshagen, Zeyen und Schug. Diese sich senkende Waldbühne braucht wenig Verbesserungen, zunächst werden Mauern gesetzt und Turm und Zinnen, vor allem ein makellos schöner Torbogen, aus dem die Gestalten dann herabsteigen auf die grüne Bühne, die für Schuld die Welt bedeutet wie überall die Bretter für die Schauspieler.

Ein Mysterienspiel als nächstes vom „Geiger unserer lieben Frau", danach die Legende der Heiligen Elisabeth. Dann das Wagnis mit Hofmannsthals „Jedermann" wie vor dem Portal des Domes in Salzburg! Die Gestaltungsfreude der Laienspieler gewinnt an Darstellung und Kraft, an Sprechkultur und Gestik und mimischer Resonanz.. Einige Berufsschauspieler kommen zur Aufführung von „Wilhelm Teil"; die Naturhaftigkeit dieser Bühne gewinnt auch damit Leben, daß aus der Waldlichtung Gessler und Gefolge zu Pferd heranreiten.

Ums szenische Kolorit sind sie nie verlegen in Schuld, die Regieeinfälle haben immer die Spotanität, die ihnen in die Wiege gelegt wurde. Dann wiederum die erschütternde, ganz die Mitte suchende Regie für die „Passion". Ein Jahr später wieder Theater mit Fundus: „Meier Helmbrecht", das Spiel nach Wernher dem Gärtner.

Aus Zeitenwende, Mittelalter und Klassik in die Gegenwart mit „Michael Lenk", einem Heimkehrerstück, im gleichen Jahr 1956 sogar noch eine zweite Einstudierung mit „Schneider Wibbel".

Der Straßenbau nach Winnerath bringt eine Unterbrechung, doch auch Gelegenheit, die Bühne zu erweitern und mit Bänken auszustatten. Heinz Korbach, heute Regierungspräsident, damals Landrat des Kreises Ahrweiler, spricht zu Eröffnung am 21. Juni 1966: „Der Kreis Ahrweiler nimmt diese Bühne in seine Obhut. Möge sie als kultureller Mittelpunkt des oberen Ahrtals wachsen und blühen!" Es helfen für die Umbauten das Land, der Kreis, die Gemeinde, die Kreissparkasse. Die Eröffnung dieses Tages geschieht mit dem „Lied der Wölfe" von llias Venesis, auf der Winterbühne auch „Die Herbergssuche", bis die Freilichtbühne sich noch mehr der Jugend annimmt. Da ist einmal Popmusik, andermal Märchenspiel mit „König Drosselbart" und „Schneewittchen" und im vergangenen Sommer „Der gestiefelte Kater". Für die Regie und die Hauptrolle hat die Laienspielschar Dieter Gerlach aus Köln verpflichten, und das mit Glück und durchzeichneten Aufführungen.

Schöner als jedes noch so kunstvoll gestaltete Bühnenbild: Die Kulisse der Freilichtbühne Schuld
Foto: Kreisbildstelle

Gewiß, auch das Theater in Schuld hat seine Gezeiten mit Ebbe und Flut. Da müssen junge Leute zur Bundeswehr, die Gymnasiasten sind im Streß, doch, merkwürdig oder nicht: es wächst eine neue Generation nach. Das Mäuseballett um den Gestiefelten Kater hat „den Braten gerochen" (was bei Mäusen verständlich ist), — und diese Generation wird dabei bleiben.

Es ist durchaus kein Wink mit dem Zaunpfahl, wenn Walter Pfahl bekennt, wie er nach Süden geblickt und dort gehört hat, daß Landeszuschüsse gegeben werden. Und er wäre mit einer Garantiesumme des Landkreises sehr, sehr zufrieden. „Die Unsicherheit wirft uns oft zurück, und wenn die Laienspieler nicht so sehr an der guten Sache hingen, gäbe es das Freilichttheater Schuld schon gar nicht mehr."

Will in Schuld einer verzagen, sind stets gleich sieben Fürsprecher zur Stelle. Und bei einer Flaute sagen sie sogleich: „Wir machen weiter".

Sie spielen, ob sie nun Seide tragen oder Bauernwams. Immer wieder hat sich diese grüne Bühne mit Leben gefüllt, mit des Wortes Macht und Mahnung. Denn der Geist wehnt, nach Hölderlin, wo er will. Und daß sie etwas geben, sich selbst und Dichter- und Legendenwort — das sollte nicht übersehen und überhört werden.

Denn hier ist es ja noch gegenwärtig: eine kulturelle Mitte auf dem Lande. Für den Sommer 1978 will die Spielschar ein großes Stück wagen: Shakespeares „Sommernachtstraum". Das ist ihr angemessen und auch dieser Sommerbühne.