Einmaliger Glücksfall für die Wissenschaft: Die Römervilla am Ahrweiler Silberberg

Matthias Röcke

Es fing alles ganz harmlos an: bei Bauarbeiten für die Abfahrt der Umgehung Ahrweiler (neue Bundesstraße 267) am Silberberg wurden römische Reste entdeckt. Routinemäßig stellte man die Bauarbeiten ein. mit der Schaufel ging es weiter.

Lohn der Mühe: In etwa 1 Meter Tiefe war bald ein rund 25 Quadratmeter großer Wohnraum eines römischen Hauses freigelegt. An sich nichts überragend Wichtiges in einem schon in der Römerzeit besiedelten Raum, wenn da nicht eine Besonderheit wäre, die der ganzen Ausgrabung am Silberberg ihren Stempel aufdrückt: Bis zu einer Höhe von rund 1,30 Meter fand man an der Wand, also in sito, bemalten Verputz vollständig erhalten, unterteilt in rotgefärbte helle und dunkle Flächen.

Obwohl die Bedeutung dieses Fundes vom Landesamt für Denkmalpflege sofort erkannt wurde — eine Erklärung von Konservator Dr. Horst Fehr vom selben Tage belegt das — ging man zunächst von einer Grabungszeit von nur wenigen Wochen aus. Hans Gadenz, Restaurator beim Landesamt für Denkmalpflege. Außenstelle Koblenz, begann noch am Fundtag mit seiner Arbeit, aus den ins Auge gefaßten wenigen Wochen sind nun bereits viele Monate geworden und bis heute ist nicht abzusehen, wann die Arbeiten abgeschlossen sind.

Heute stehen die Fachleute vor einem Fund, der einmalig ist nördlich der Alpen. Da sind einmal die wertvollen verputzten und bemalten Wände, da ist außerdem eine Fachwerkwand, die, weil umgestürzt, heute Auskunft gibt, wie hoch das Haus früher einmal war. außerdem eine im Lehmstampfverfahren errichtete Mauer, und überhaupt sind alle Funde in einem sensationell guten Zustand. Das hat eine einfache Erklärung: Der nahe Berg hat eines Tages das nicht mehr bewohnte Haus mit nassen Lehmmassen überschwemmt. Die Lehmschicht konservierte die Mauer, die Scherben und den Putz, so daß die Wissenschaftler heute von einem Glücksfall sprechen.

 

Die Fundamente der römischen Villa am Silberberg

Ein weiterer Glücksfall ist der Umstand, daß die geplante Abfahrt der Umgehungsstraße exakt um den Fundort herumführt und nur ein wenig verschoben werden muß, um die ganze Anlage zugänglich zu machen und zu erhalten.

War ursprünglich davon die Rede, daß der wertvolle Putz abgetragen und an einem geeigneten Ort ausgestellt und der Rest zugeschüttet werden soll, liegen heute Pläne in der Schublade, wie die ganze Ausgrabung erhalten werden kann. Das Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz will in Zusammenarbeit mit Bund, Land, Kreis und Stadt eine Schutzhalle errichten.

Rund um die Grabung wird nämlich die Abfahrt verlaufen, das Gelände selbst aber kaum berühren. Das Straßenneubauamt May-en erklärte sich sofort bereit, die Pläne für die Abfahrt entsprechend zu überarbeiten. Aus der Routinegrabung ist eine — für diese Region — Jahrhundertgrabung geworden.

Der bemalte und in sito angetroffene Verputz, die Heizung mit der bemerkenswert gut erhaltenen Schürstelle, die Fachwerkwände und schließlich der Badetrakt sind die Hauptakzente der Grabungsergebnisse.

Die Anlage der Villa zeigt ähnliche Züge wie die Villa in Oberweiß im Kreis Bitburg/Prüm, die in den frühen dreißiger Jahren entdeckt wurde. Rund 65 Meter lang ist die Front der besonders großen und luxuriösen Ahrweiler Villa gewesen — heute etwa parallel zur Bahnschiene verlaufend. Die Tiefe beträgt 30 Meter. Zum Hang hin, an der rückwärtigen Front, lag eine lange, offene Halle mit vielen Pfeilern — ihre Ansätze sind heute noch zu sehen — dahinter ein Korridor mit hohen Fenstern, die nicht zum Heraussehen, sondern nur als Belichtung gedacht waren (krya-tus porticus). Dann folgte der große zentrale Raum, die Empfangshalle des römischen Besitzers. Zur Front und zur Seite waren dann die einzelnen Zimmer angeordnet.

Die Villa muß einem sehr reichen und bedeutenden Römer gehört haben, der hier möglicherweise im Sommer wohnte, da im Ahrtal schon damals ein günstiges Klima herrschte. Es könnte sich, vermuten die Wissenschaftler, um einen hohen Militär oder Beamten gehandelt haben, der in Bonn oder Köln seinen Dienst tat. Funde auf dem Putz weisen auch auf den damals schon im Ahrtal angebauten Wein hin, sicherlich auch deshalb war der Fuß des Silberberges ein begehrter Bauplatz. In der Umgebung standen weitere römische Häuser, meist rund 1200 bis 1500 Meter voneinander entfernt.

In der Mitte des dritten Jahrhunderts wurde das Haus geräumt, möglicherweise deshalb, weil die Lage mit der Aufgabe des Limes zu unsicher geworden war. Die Villa wurde damals nicht zerstört, sondern völlig leer verlassen. Das beweisen die wenigen Keramikfunde, bei einer gewaltsamen Zerstörung hätte man mehr Gegenstände entdecken müssen als bei einer planmäßigen Räumung.

Irgendwann einmal hat dann das leerstehende Haus gebrannt, das Dach stürzte ein. Schwarze Flächen im Boden zeigen das heute. Im vierten Jahrhundert war die Villa wieder für eine Zeit benutzt. Mindestens drei, vielleicht auch fünf Brennöfen waren damals eingerichtet, hier wurde möglicherweise Keramik gebrannt.

Die ersten Funde blieben auch die bedeutendsten. Der Putz an den Wänden, bemalt mit roter Farbe, wird von allen Fachleuten als einmalig nördlich der Alpen bezeichnet. An keiner römischen Fundstelle nördlich der Alpen ist so etwas so reichhaltig angetroffen worden wie hier. Leider wurden in der ersten Nacht nach der Entdeckung, als die Grabungsstätte noch nicht eingezäunt war, Teile des Putzes mutwillig zerstört, aber auch die verbliebenen Stücke sind äußerst eindrucksvoll. Sie werden mit Sicherheit in die Geschichte der römischen Funde nicht nur im Rheinland, sondern im ganzen deutschen Raum eingehen.

In der langen Reihe der wertvollen Putzfunde ragt einer besonders heraus: mit dem Griffel aufgekritzelt, deutlich zu sehen, sind zwei Sätze, Ausdruck einer kleinen Frotzelei zwischen zwei Römern: der eine schrieb mit geübter Hand „Wer nicht gut gelernt hat, bleibt ein Schwätzer". (Cui bene non didicit carrulus esse solet). Der Betroffene revanchierte sich und schrieb darunter: „Die Schrift hat mich belehrt, du Grausamer", und als Zugabe „Das sage ich dir offiziell" (sc l P).

 

Exakte und sorgfältige Arbeit wird von den Ausgräbern verlangt
Fotos: Kreisbildstelle

Konservator Dr. Horst Fehr vom Landesamt für Denkmalpflege stellt diese drei Zeilen qualitativ über alle in Pompeji gefundenen. Während es sich in Ahrweiler um eine Frotzelei handelt, sind in Pompeji meist Frivolitäten oder öffentliche Mahnungen an säumige Zahler gefunden worden.

Bis zur Höhe von 1,50 Meter sind die Wände verputzt und bemalt, bestens erhalten, so gut hat die Schlammschicht konserviert.

Römische Fachwerkwände, ein nicht alltäglicher Begriff, werden bei Grabungen äußerst selten angetroffen. Bekannt war bisher, daß sie oftmals im ersten Stock standen. Der Schwellbalken der Fachwerkwand ist verkohlt, die Steine liegen so da, wie die Wand, die wahrscheinlich bei einem Brand zur Seite gekippt ist. Das Holz ist längst verfault, aber die Anordnung der Steine beweist, daß hier eine Fachwerkwand stand.

Das Wichtige an diesem Fund: die am Boden liegende Wand gibt Aufschluß darüber, wie hoch sie und damit wie hoch die Räume der Villa waren. Ein Glücksfall für die Wissenschaft!

Eine Wasserleitung brauchten die Grabungsarbeiter gar nicht erst freizulegen: während des langen Regens im April gab der Berg wertvolle und gut erhaltene Reste frei, als Erdmassen ins rutschen kamen. Die Leitung im Berg ist allerdings nicht die einzige, sie diente wahrscheinlich nur dazu, das Wasser, das sich im Erdreich sammelte, aufzufangen. Dieser Fund vermittelt dem Betrachter sehr plastisch die Größenordnung einer römischen Wasserleitung.

Im Haus eines so wohlhabenden Römers war eine Heizungsanlage selbstverständlich. Zur Freude der Denkmalpfleger förderten die Grabungen ein hervorragend erhaltenes Praefurnium, die Feuerstelle der Heizung, zutage. Spuren beweisen, daß vor dem jetzt gefundenen Hypocaust ein älteres zusammengebrochen war. Das Praefurnium des neuen fand man so vor, wie es die Bewohner verlassen hatten.

Mindestens drei, vielleicht sogar fünf Öfen, werden in nächster Zukunft freigelegt werden. Spuren verbrannter Ziegel weisen darauf hin, daß die späteren Bewohner des Hauses, nachdem es von den reichen Römern verlassen war, in den noch überdachten Räumen Keramik gebrannt haben.

Auch die Badeanlage wurde entdeckt: jenseits der Straße, im Westen, praktisch hinter der Kurve, stieß man auf allerdings nicht sehr gut erhaltene Reste. Der Grund für den schlechten Zustand liegt in dem Luxus des Hauses, so paradox es auch klingen mag: das Bad war mit Marmor verkleidet, und dieser Marmor war später begehrtes Plündergut. Nur noch zwei Bruchstücke von Marmorplatten der Türschwellen und andere Bruchstücke wurden gefunden. Ein Teil des Badetraktes war beheizt, diese wichtige Feststellung ließ sich auch trotz des nicht so guten Zustandes des Fundes machen. Die Feinarbeiten in diesem Teil der Ausgrabungen beginnen erst.

Kuriositäten am Rande: beim Freilegen des Badetraktes floß drei Tage lang Wasser. Entweder wurde eine wasserführende Schicht ..angezapft", oder sogar eine römische Wasserleitung, die noch funktioniert.

Zu den kleinen „Zugaben" der ganzen Ausgrabung gehören auch Keramik vom ersten und vierten Jahrhundert und Münzen.

Noch zwei bis drei Jahre haben die Verantwortlichen zu tun, um alles zu entdecken, zu sichern und zu konservieren. Das historische Ahrweiler wird dann um eine Kulturstätte größter Bedeutung reicher sein, die sich mit Sicherheit zu einer besonderen Touristenattraktion entwickeln wird.

Anmerkung: Stand der Grabungen: September 1980