Unermüdlich im Dienst des Nächsten

Franziskanerinnen von der Barmherzigkeit 60 Jahre in Oberwinter

Hermann Comes

Patron des Hauses: S. Franziskus

60 Jahre sind im Lauf der Geschichte gewiß keine lange Zeit, wenn es sich jedoch wie hier um die Geschichte eines Klosters handelt, um das Werden aus kleinsten, ärmlichen Anfängen heraus bis zu seiner heutigen Aufgabenstellung, dann sind auch sechs Jahrzehnte von ganz enormer Bedeutung. Dieser Bericht führt uns zum Franziskusheim in Oberwinter, in dem die Franziskanerinnen von der Barmherzigkeit, Mutterhaus Luxemburg, seit 1922 segensreich wirken.

Doch verfolgen wir diesen Zeitabschnitt einmal in seinen Einzelheiten.

Mitte März 1922 übernahmen die Schwestern das Haus in der Hauptstraße des Rheinortes, es war bis dahin von den Franziskanerinnen von Nonnenwerth verwaltet worden. Die erste Oberin war Schwester Carola, die mit drei Schwestern die neue Aufgabe begann. Der Anfang geschah, so ist es in der Chronik niedergelegt, in bitterer Armut. So hatten die vier Schwestern ein Zimmer zur Verfügung, auf dem Fußboden lagen Strohsäcke. Nach Ostern 1922 kamen drei weitere Schwestern aus Luxemburg hinzu, unter ihnen auch Schwester Agnes, die in Oberwinter 40 Jahre den Kindergarten leitete und heute noch mit fast 90 Jahren froh unter vielen Hilfsdiensten im Altenheim des Ordens in Ahr-weiler ihren Lebensabend verbringt. Kindergarten und Nähschule wurden weitergeführt. Möbel konnten erst nach und nach angeschafft werden. Dann kamen Lebensmittelnot und Inflation der Nachkriegszeit. In der Chronik heißt es:

Jung und alt unter einem Dach vereint: Kindergarten und Altenheim in der Obhut der Franziskanerinnen von der Barmherzigkeit Fotos: Kreisbildstelle

»Die guten Oberwinterer Leute halfen still und ungesehen mit Brennmaterial, oft lag ein Bündel Reisig und Holzstücke beim Haus.« 1923 wurde ein kleines Säuglingsheim mit zwölf Kindern errichtet. Im Stall standen nur einige Ziegen, wie nun genügend Milch beschaffen? Die Oberwinterer Leute organisierten mit dem Kirchenchor ein Konzert: Der Erlös brachte eine gute Kuh ein. Im Winter 1924 kam durch Spenden und Theaterspiel eine zweite Kuh hinzu, Familie Ludwig Decker aus Rolandseck zahlte fast die Hälfte aus ihrer eigenen Tasche, so war es für die Schwestern ein reines Geschenk. 1929 wurde ein Erweiterungsbau nötig. 1936 wurde das Kinderheim auf Anraten der Generaloberin aufgelöst. Die leeren Räume wurden zu Einzelzimmern für Pensionäre umgebaut. 1941 wurde Schwester Eustochium Oberin des Hauses, mit über 80 Jahren ist sie heute noch mit gewohnter Tatkraft im Altenheim in Ahrweiler tätig. Es folgte der Zweite Weltkrieg, der dem Haus Besatzung brachte, Brandbomben schlugen in Hof und Garten ein.

1958 forderte die Regierung den Ausbau des Kindergartens. Im gleichen Jahr wurde mit dem Ausbau des Hinterhauses begonnen. Beachtliche Zuschüsse kamen den Schwestern zu Hilfe.

1959 wurde die Verbesserung des Vorderhauses in Angriff genommen, neue Zimmer, Toiletten, Dusche, Teeküche und Loggia entstanden. 1962 erfolgte der Kindergartenneubau nach den neuesten gesetzlichen Bestimmungen, ein Personalwohnraum, eine neue Nähschule mit Pfarrbücherei wurden zugleich mit angebaut. 1968 war der Neubau der Küche und der Klausurräume erforderlich. Nachdem Zuschüsse und Eigenmittel es ermöglichten, wurde mit den umfangreichen Umbauarbeiten begonnen.

Nicht zu vergessen ist, daß Schwester Eustochium als Oberin des Hauses bei allem gut beratend mitwirkte. Bald schon konnte das Richtfest gefeiert werden, im Dezember 1969 zogen die Schwestern in die neuen Räume ein. Vor dem neuen Seitenbau wurden Rasenflächen mit Ziersträuchern angelegt: Ein erfreulicher Anblick für die Heimbewohner, die sich gerne in der offenen Halle oder auch auf der langen Balkonreihe der ersten Etage niederlassen. Leider wurde die Schwester aus der Ambulanz wegen Nachwuchsmangel vom Mutterhaus zurückgenommen: Das bedauerte man in Oberwinter sehr. Seitdem erstreckt sich der Aufgabenbereich der Schwestern auf die Altenpflege im St.-Franziskus-Heim. Doch die Nähschule, der Kindergarten, die Hilfe im Pfarrgemeinderat und die modern gestaltete Pfarrbücherei runden ihr Tätigkeitsbild erst ab. Gewiß ist viel Kraft nötig, um allen Aufgaben in dieser vielgestaltigen Form gerecht werden zu können. Da ist es angezeigt, die Kapelle in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Hier holen sich die Schwestern, oft mit den Heimbewohnern im Gebet vereint, diese Kraft. Landrat Dr. Egon Plümer, der im Dezember vergangenen Jahres dem Franziskusheim in Oberwinter den älteren Mitbürgern einen Besuch abstattete, war sichtlich angetan vom Geist dieses Hauses, von der familiären Atmosphäre, die er hier verspürte. Seine von Herzlichkeit getragenen Grußworte und die Präsente für die Heimbewohner wurden mit spontanem Beifall belohnt. Den Schwestern galt sein Dank für ihren jahrelangen Einsatz in der Umsorgung und Betreuung der ihnen Anvertrauten.

Seit Januar 1979 ist Schwester Dorothea Oberin des St.-Franziskus-Heimes, das dem älter gewordenen Mitmenschen eine Heimstatt gibt, in dem aber auch die Jüngsten liebevoll umsorgt und betreut werden: Ein Haus tatgewordener Nächstenliebe. Zum Abschluß unseres Gespräches sagte Schwester Dorothea: »Gewiß wurde unser Haus im Laufe der Jahre den Anforderungen entsprechend erweitert und dabei auch in jeder Weise modernisiert. Doch heute und in die Zukunft hinein ist der franziskanische Geist die Richtschnur all unseres Handelns.«