Rückblick auf neun Jahrhunderte wechselvoller Geschichte

Hönningen feierte 900jähriges Bestehen 

Ignaz Görtz

Vom 25. Mai bis 3. Juni 1984 feierten die Bürger von Hönningen (Ahr) mit einem umfangreichen Festprogramm ihre 900-Jahr-Feier. Höhepunkte der Festveranstaltungen waren sicher der Festkommers und der farbenfrohe Festzug. Diese eindrucksvolle Darstellung historischer Bilder war gewissermaßen eine Illustration dessen, was in der umfassenden, von der Gemeinde herausgegebenen Festschrift zur wechselvollen Geschichte von Hönningen zusammengetragen worden war. Im Jahre 1084 wird Hönningen erstmals urkundlich erwähnt. Und zwar tauscht die Abtei St. Arnulf, Metz, ihren Besitz zu »Hohingen« mit dem Stift St. Kunibert, Köln.

Der NamQ »Hohingen«, der auf eine frühere Besiedlung, etwa im 8. Jahrhundert, hinweist, ist bis heute in der mundartlich gebräuchlichen Ortsbezeichnung »Hünge« erhalten geblieben. Er begegnet uns in der schriftlichen Überlieferung, unter Fortfall des wohl stummen »h«, bis ins 16. Jahrhundert als »Hoyngen« oder »Hoengen«. Die heutige, erweiterte Schriftform »Hönningen« ist eine spätere Fortbildung. Die Bezeichnung »Hohingen« gehört zu den Ortsnamen mit der Endung -ingen, die meist in Verbindung mit einem vorgestellten Personennamen eine Insassenbezeichnung bilden. »Hohingen« hieße dann »bei den Leuten des Hoho«. Im vorliegenden Fall dürfte das angehende Bestimmungswort eher das althochdeutsche »höht« = Anhöhe sein, so daß der ursprüngliche Ortsname als »Siedlung auf/an der Anhöhe« zu deuten wäre. Nach dem Übergang des Fronhofs »Hohingen« an das Stift St. Kunibert in Köln entwickelt sich hier eine Siedlung, bei der das Stift in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Kirche ausführen ließ, wie das Patrozinium ausweist. Zu diesem Pfarrbezirk gehörten neben dem Fronhofbezirk Hönningen noch Liers und der Bereich der erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts abgestrennten Pfarrei Dümpelfeld. Hönningen und Liers standen unter der Hoheit der Grafen von Are, nach 1246 der Erzbischöfe bzw. Kurfürsten von Köln. Während jedoch Liers, das 1265 als »Lesere« erstmals urkundlich genannt wird, zum Eigenbesitz der Grafen von Are gehörte und unter kölnischer Herrschaft bis 1794 einen eigenen Dingstuhl (Gerichtsbezirk) im Amt Altenahr bildete, besaß in Hönningen das Stift St. Kunibert, später die Johanniterkommende Adenau, die Grundherrschaft und daher eigene Gerichtsbarkeit. So sprechen die Schöffen von Hönningen in dem vor 1492 niedergeschriebenen Weistum dem Stift St. Kunibert »gentzlighen ind zumail den eygedom (das ganze und volle Eigentum) und die vryheit (Freiheit) bynnen deme dorpe (Dorf) und bynnen deme gerichte van Hoyn-ghen« zu.

Dem Kurfürsten von Köln steht der Glockenschlag (Kriegsglocke und Kriegsfolge) zu. Ferner kann sein Amtmann auf Burg Are in Notzeiten Wachtdienste fordern und in Gerichtssachen des Amtes die Hönninger mit den anderen neun »Hunschaften« zur Gerichtsstätte »Wolfsgrube« aufbieten. Dem Stift St. Kunibert stehen alle Rechte, die Herrlichkeit und das Gericht seines Fronhofes wie auch die Gerichtsbuße bis zu 8 Schilling zu. Das Stift hat das Recht auf Wasser und Weide, es darf innerhalb seines Gebietes Mühlenwasser aus der Ahr ableiten und die entsprechenden Mühlleiche bauen. Die Wahrung der weltlichen Interessen obliegt dem Vogt, dem am

Gericht ein eigener Schultheiß beigegeben ist. Als Entgelt fließen dem Vogt 13 Malter Hafer jährlich zu und an jedem Gerichtstag ein Eimer Wein, »wie er in Hoengen gezapft wird und feil ist« sowie 21 Pfennige. Den Bewohnern wird die Wahrnehmung ihrer Rechte am Gericht zugesprochen. Die dem Stift St. Kunibert zuständige Huldigung ist jeweils am nächsten Gerichtstag zu leisten. Der Handel mit Wein, Brot und Fleisch ist freigestellt, bei Wein jedoch nur für die eigenen Gewächse, während gekaufte Weine nur mit Genehmigung der Geschworenen zwischen St. Kuniberts- und Michaelstag ausgeschenkt werden dürfen.

Neben dem Stift St. Kunibert besaß bereits im Jahre 1290 die Johanniterkommende Adenau in Henningen Besitz. Vermutlich waren dies Weinberge; denn am 13. Mai 1381 unterschreibt »Tyele Peter Meysters Sohn zu Hoengen« einen Pachtvertrag mit dem Ordenshaus Adenau über einen Weinberg »up dem Tempeler«, und am 31. März 1429 tauscht das Johan-niterhaus mit der Witwe des »Henckin Holtzgyn von Hoengen uf der Ar« einen Weinberg zu Hönningen gegen ein Gut zu Adenau. Die Johanniterkommende Adenau bestand seit etwa 1162. Sie war eine Gründung von Graf Ulrich von Are-Nürburg, dessen Familie das Ordenshaus mit entsprechendem Besitz und Einkommen ausstattete. Begünstigt und gefördert durch Adel und Bürgerschaft kam die Kommende, wohl eine der ältesten in Westdeutschland, zu gewissem Ansehen und Bedeutung. Im Jahre 1518 wurde die Ordensniederlassung der Kommende Trier inkorporiert, Ende des 18. Jahrhunderts gehörte sie zürn Priorat Niederdeutschland des Malteserordens.

Am 23. März 1494 bestätigt nun Erzbischof Hermann von Köln einen Tauschvertrag zwischen dem Stift St. Kunibert zu Köln und der Johanniterkommende zu Adenau. Hierbei erhält »Komtur, Prior und Konvent des Johanni-terhauses zu Adenau« im Tausch gegen Güter bei Köln Dorf und Hof zu »Hoyngen« nebst allem Zubehör, der Pfarrkirche zu Hönningen und der Kapelle zu Dümpelfeld. Nachdem am 28. Juni 1494 die gerichtliche Übergabe erfolgt war, trat die Johanniterkommende in alle Rechte des Stifts St. Kunibert ein. Ihr gehörten nun der Bezirk der Vogtei Hönningen als Grundherren sowie die gesamte Pfarrei Hönningen, die damals neben Liers noch Dümpelfeld einschloß.

Die Vogtei, d. h. die Wahrnehmung aller weltlichen Rechte, übertrugen die Johanniter dem Herrn von Orsbeck, der im Besitz der benachbarten, ebenfalls im kurkölnischen Amt Alten-ahr gelegenen Herrschaft Wensburg war. Die Inhaber dieser Herrschaft scheinen schon früher unter dem Stift St. Kunibert im Besitz der Vogteigewalt gewesen zu sein, da in einer Urkunde des Grafen von Blankenheim von 1395 Dietrich von Gymnich, der vermutliche Erbauer der Wensburg, als Vogt zu »Hoingen« genannt wird. Die Vogteigewalt blieb erblich beim jeweiligen Inhaber der Herrschaft Wensburg, so daß als Erbvögte in Hönningen auf die Herren von Orsbeck, die Freiherren von Bourscheid und ab 1766 die Freiherren von Lützerode folgten. Über die Rechte und Einkünfte des Erbvogts erfahren wir in späterer Zeit aus einer Übersicht über das Haus Wensburg, die Gerichtsschreiber Conrad Surges am 31. März 1695 zusammengestellt: Der Herr des Hauses Wensberg ist zu Hönningen Erbvogt. Er hat dort Ge- und Verbot, auch über Hals und Bauch zu richten. Ihre kurfürstlichen Gnaden aber hat das Schwert. Ferner hat Wensberg freie Jagd und Fischerei. Die (Natural-) Einkünfte zu Hönningen betragen 13 Malter Erbvogt-Hafer, (ferner aus Eigenbesitz) 2 Malter Roggen von einem kleinen Hof, 4 Malter Hafer, 4 Malter Grundpachthafer, 2 Malter Spelz und 2 junge Hinkel von einem Hofrecht. Der Kurfürst von Köln blieb weiterhin Gewaltherr und besaß die hohe Gerichtsbarkeit, wie sie schon im Weistum von 1492 begegnet. Über die Rechtsverhältnisse zwischen der Vogtei Hönningen und dem kurkölnischen Amt Altenahr berichtet eine Zusammenstellung, die der Altenahrer Schultheiß Wilhelm Hansell am 20. Januar 1692 niederschrieb: »Hönningen. Das Gericht oder die Erbvogtei hat in Zivilsachen das Rechtsverfahren und den Vollzug. In Kriminalsachen hat Hönningen das Ergreifen des Täters sowie das Rechtsverfahreh, während dem Amtshaus der Strafvollzug zusteht. Der Erbvogt bezieht die Beuchten (Gerichtsbußen) allein, es sei denn, die Kommende ist beteiligt oder will beteiligt werden. Das Amtshaus hat allein beizutreiben und zu strafen, wenn jemand säumig oder widerspenstig ist in betreff der dem Amtshaus zu leistenden Dienste. Hierin gehören Wachtdienste, Wachtholz-fahren, Jagen ans Haus, Hand- und Spanndienste beim Bauen auf Burg Are sowie Beifahren von Köln, Bonn und ähnlichen Entfernungen, wie auch aus Hönningen ans Amtshaus. Der Kurfürst und der Erbwildschultheiß zu Brück haben eine »Dingbank« (Gerichtsplatz) an der Kirche, wo das Wildförstergericht nach Läuten der Herrenglocke gehalten wird. Hier wird über Jagen, Fischerei, Kippen, Wie-sennnutzung, Bienenfund, Schäferhunde, Koppellegen, Mühlen- und Wiesenklausen und ähnliches entschieden und vollzogen. Kriegseinquartierung, Untertannenkontribution und Amtsumlagen fallen in die Zuständigkeit des Amtshauses und seiner Bedignsteten.« Das in vorstehender Aufstellung genannte Wildförstergericht war eine Einrichtung, die die genannten Sachen innerhalb des kurfürstlichen Wildbannes verhandelte. Dieser Wildbann kam bereits 992 durch königliche Schenkung an die Familie der späteren Grafen von Are, deren Rechtsnachfolger die Kurfürsten von Köln waren. Räumlich umfaßte der Wildbann das gesamte Gebiet zwischen Ahr und südlich gelegener Wasserscheide zum Vinxtbach vom heutigen Bad Neuenahr bis zur Einmündung des Adenauer Baches bei Dümpelfeld, also auch den auf dem rechten Ahrufer gelegenen Ortbereich und die anschließende Gemarkung von Hönningen.

Hönningen/Ahr um die Jahrhundertwende

In der Amtsbeschreibung vom Jahre 1638, die nach anderen Kriterien aufgestellt wurde, heißt es: »Das Kirchspiel umfaßt die Vogtei Hönningen und das Dorf Liers. Liers hat nicht mit der Vogtei Hönningen Recht und Gerechtsame gemeinsam, sondern untersteht direkt dem kurfürstlichen Amtshaus Altenahr. Hönningen hat 19 Feuerstellen, 18 Mannschaften, 6 Pferde. Liers hat 9 Feuerstellen, 9 Mannschaften, 4 Pferde.«

Hönningen um 1820 in der Tranchotkarte

Das Dorf Hönningen besaß in alter Zeit eine Ortsbefestigung. Die Ost- und Südseite wurde durch einen Wallgraben gegen feindliche Einfälle geschützt. Ahrseits schloß eine Ringmauer über dem natürlichen Schutz bietenden, steilen Abhang den Ort ein. Im Zuge des Fahrwegs durchs Ahrtal war die Umwallung durch zwei Tore unterbrochen. Im Osten, ahrabwärts, befand sich das Niedertor, an das noch die Flurbezeichnung »vor der Porz« erinnert. Im Westen, ahraufwärts, lag das Obertor, wegen seiner Lage bei der Kirche die »Kirchporz« genannt. Beide Tore wurden im 19. Jahrhundert niedergelegt.

Im Lagerbuch der Kommende Adenau wird für 1772 berichtet, daß die Kommende in Hönningen eine Kornmühle besaß, die vor der obersten Pforte lag und damals an den Schultheiß Anton Schorn verpachtet war. Außerdem bestanden noch zwei Ölmühlen, die eine ahraufwärts vor dem Ort, die zweite an der Nordseite, unterhalb des Ortes.

Vom alten Baubestand ist außer der Kirche und den Kapellen in Hönningen und Liers wenig verblieben. Neben manchen Zerstörungen durch Brand oder Kriegseinwirkung suchten vor allem zwei große Brände, im Jahre 1751 und 1837 Hönningen heim. Letzteren Brand erwähnt auch Gottfried Kinkel in seinem Ahr-Führer: »Nach einem Brande ist es zierlicher als die umliegenden Orte wieder aus dem Boden gewachsen, und man sieht es dem Örtchen an, wie herrlich die vorbeiführende Staatsstraße auf den Wohlstand wirkt. Doch gelten auch seine Bewohner bei den Nachbarn für vorzüglich betriebsam und fleißig.« Mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen im Jahre 1794 endete die alte Feudalherrschaft. Die Säkularisation beendete die Grundherrschaft der Johanniter und die Struktur des ehemaligen kurkölnischen Amtes.

Hönningen kam bei der französischen Verwaltungseinteilung in die Mairie (Bürgermeisterei) Brück im Kanton Ahrweiler. Die endgültige Neugliederung der preußischen Verwaltung im Jahre 1818 ordnete den Ort der Bürgermeisterei Brück, deren Sitz Hönningenn bis 1901 blieb, und damit dem Kreis Adenau zu. 1932 kam Hönningen mit der Bürgermeisterei Brück zum Kreis Ahrweiler, 1935 bei der Zusammenlegung der früheren Bürgermeistereien Altenahr und Brück zum Amt Altenahr.

Quellen:

Ortschronik Hönningen; LHA Koblenz: 2.1153, 2964, 3147; 29.245; 55 B2. 24, 39, 51, 52; 700.103