Aus dem Werdegang des Ahrtals

Beobachtungen zur Geologie von Tal und Rahmenlandschaft 

Dr. Bruno P. Kremer

Das Rheinische Schiefergebirge ist sicherlich eine der interessantesten Mittelgebirgsregionen. Vor allem sein Nordwestflügel, die Eifel, zieht seit langem die Aufmerksamkeit der Geowissenschaftler auf sich, weil sich hier die oberflächenformenden Kräfte und Vorgänge aus nahezu 400 Millionen Jahren Erdgeschichte besonders klar verfolgen lassen. Immerhin gehören die in der Eifel zugänglichen Schichtgesteine zu den ältesten in Mitteleuropa aufgeschlossenen Materialien. Darüber hinaus besticht gerade an der Eifel die geologische Vielgestaltigkeit, die in keinem anderen Teilgebiet des Rheinischen Schiefergebirges in vergleichbarem Maße in Erscheinung tritt. Zwei vulkanische Ausbruchswellen, die sich etwa um 40 -35 Millionen Jahren bzw. 500 000 -11 000 Jahren vor der Gegenwart ereigneten, haben drei prägnante Vulkanfelder geschaffen: In der West-, der Hoch- und der Osteifel, dem rund 1 500 Quadratkilometer großen Gebiet der Vulkaneifel, haben die beiden zeitlich weit getrennten Förderphasen mehrere hundert Ausbruchspunkte hinterlassen. Der vulkanische Formenschatz mit seinen vielen verschiedenen Förderprodukten und seinen Schloten, Schlackenkegeln und Kuppen trägt erheblich zur Belebung des Landschaftsbildes bei. Strenggenommen ist die Eifel nicht einmal ein Bergland. Zwar bestimmen der Abwechslungsreichtum des Reliefs und durchaus respektable Unterschiede in der Höhenstufenverteilung den Landschaftseindruck auf weiten Strecken, doch entsteht das Bild einer Gebirgsregion fast immer nur aus dem Blickwinkel der zahlreichen und zumeist tief eingeschnittenen Täler. Der wirkliche Charakter der Eifellandschaft zeigt sich im Grunde genommen erst, wenn man auf die Höhen hinaufsteigt und das Gelände gleichsam von erhobener Warte überblickt.

Von diesem Blickpunkt aus präsentiert sich die Eifel größtenteils als ein weites, gelegentlich sanft wellig geschwungenes Hochflächengebiet. Nur in Richtung der größeren begrenzenden Flußläufe und eben auch in der Nachbarschaft der Ahr werden die sonst so geschlossen erscheinenden Eifelhochflächen durch Zertalung zerschlitzt und stärker aufgelöst. Von der Hohen Acht oder vergleichbaren Aussichtsbergen aus ist das Netz der eingetieften Talzüge gut erkennbar. Aus der Hochlandregion des Hohe-Acht-Berglandes streben die zunächst noch muldenförmigen, nach kurzer Entfernung aber schon sehr engen und tiefen Talzüge wie die Speichen eines Rades nach allen Seiten auseinander.

Im Gewässernetz der Eifel nimmt die Ahr eine sehr zentrale Stellung ein. Der größte Teil dieser Mittelgebirgsregion wird über große Bäche und kleine Flüsse zur Mosel entwässert, die Ahr ist der einzige bedeutendere Rheinzufluß aus der gesamten östlichen Eifel. Auf rechtsrheinischem Gebiet sind die Fließgewässer im Vergleich zum Eifelraum sehr viel dichter angeordnet. Diese Tatsache geht auf die unterschiedliche räumliche Verteilung der jährlichen Niederschlagsmengen auf beiden Flügeln des Schiefergebirgsblock zurück. Die östliche Eifel befindet sich deutlich im Regenschatten von Ardennen, Hohem Venn und westlicher Hoch-eifel. Diese Hochregionen lassen die von Westen herangeführten feuchten Luftmassen bereits in den Randgebieten abregnen. Im größten Teil des Einzugsgebietes der Ahr fallen weniger als 700 mm Niederschläge pro Jahr. Im rechtsrheinischen Schiefergebirge stellen sich die Verhältnisse dagegen etwas anders dar. Hier werden die vom nordwestdeutschen Tiefland heranziehenden Luftmassen erstmals von den Schiefergebirgshöhen zum Aufsteigen und daher zum Abregnen gezwungen. Auf weiten Teilen des rechtsrheinischen Schieferge-birgsflügels fallen jährlich mehr als 1 000 mm Niederschläge. Sayn, Wied, Agger, Sieg oder Wupper sind daher ganzjährig wasserreicher als die Ahr.

Dennoch hat die Ahr den alten Schiefergebirgsrumpf tief durchschnitten, wie sich beim Vergleich der Talmorphologie im Ober-, Mittel-und Unterlauf eindrucksvoll bestätigt. In ihrem obersten Abschnitt verläuft die Ahr ziemlich geradlinig von NW nach SO, wobei die vielen kleinen Mäander, die in der 100 -130 m breiten Wiesensohle pendeln, die Hauptabflußrichtung kaum bestimmen. Bei Ahrhütte treten in 500 -520 m ü. NN erstmals die Höhenfluren der Eifelrumpffläche an das Ahrtal heran. Dennoch bleibt das oberste Talstück insgesamt recht breit und noch wenig eingetieft. Bei Ahrdorf biegt das Ahrtal nahezu rechtwinklig in eine nordöstliche Abflußrichtung um und tritt dabei aus dem Kalkmuldengebiet endgültig in die unterdevonische Schiefer- und Grauwak-kenzone über. Das Talbild gestaltet sich jetzt wesentlich formenreicher. Zwischen Ahrdorf und Müsch beschreibt das Tal zwei besonders enge Talmäander, in denen die Breite der Talsohle bis auf etwa 50 m verschmälert wird, während sie sonst im Durchschnitt 100 -150 m beträgt. Bis Antweiler ist der Talzug in breite Trogböden eingetieft, die in etwa 400 - 420 m ü. NN anstehen. Unterhalb Antweiler ziehen wieder die alten Rumpfflächen der Eifel unmittelbar bis an den Taleinschnitt heran. Hier ragen die Talflanken bereits um über 230 m auf. Die zweifellos markanteste landschaftliche Erscheinung in diesem Teilabschnitt ist der Arem-berg, der sich rund 120 m über die Eifelrumpffläche und nahezu 360 m über die Talsohle des Ahrtals erhebt.

Ahrabwärts beginnt bei Schuld ein Talabschnitt, der durch auffallende Mäanderbildungen gekennzeichnet ist. Diese erste, bis etwa nach Insul reichende Mäanderstrecke unterscheidet sich jedoch noch deutlich vom eigentlichen Engtalabschnitt der Ahr, weil die einzelnen Schlingen wegen der noch geringen Wasserführung des Flusses keine allzu großen Schwingungsweiten erreichen und daher auch viel weitständiger angeordnet sind. Dennoch zeigt sich auch hier bereits eindrucksvoll der stetige Wechsel von Prall- und Gleithängen. In den Gleitmäandern schwankt die Talbreite zwischen 50 und 200 m. Unterhalb von Insul, in einem von der allgemeinen Abflußrichtung abweichenden Talabschnitt, erreicht der Talboden dagegen um 500 m Breite. Bei Insul findet sich außerdem eine interessante Weiterentwicklung eines Mäanders: Ein von der Ahr ursprünglich umflossener Bergsporn wurde durch die Erosionskraft des fließenden Wassers allmählich abgetrennt. Dadurch verkürzte sich der Bogen, weil der Fluß nunmehr den kürzeren Weg nahm. Der abgelöste Bergsporn ist noch vorhanden und bildet einen markanten Umlaufberg.

Nach der Aufnahme des Adenauer Baches, der im Kartenbild fast als die natürliche Fortsetzung des Ahrteils erscheint (ein Eindruck, den die Verkehrslinienführung noch unterstützt), schließt sich ein ausgeprägter Kerbtalabschnitt mit Talsohlenbreiten um etwa 200 - 300 m Breite an. Zwischen Henningen und Pützfeld drängen schuttreiche Bäche die Ahr immer wieder etwas zur Seite. Von zwei größeren Talbögen bei Pützfeld abgesehen, behält der Fluß seine vorgezeichnete, ziemlich gerade Abflußrichtung bei. In diesem Bereich liegt das Ahrtal in vergleichsweise weichen, der Verwitterung eher zugänglichen Schichten. Starke Hangversteilungen fehlen daher in diesem Talabschnitt. Die Talflanken sind daher auch viel sanfter geneigt als im nachfolgenden Engtalabschnitt unterhalb von Kreuzberg. Bis zu diesem

Wechsel in der Talszenerie bleibt das umgebende Hochflächenniveau bei etwa 400 m ü. NN. Auf nur 29 km Fließstrecke von Müsch bis Kreuzberg fällt die Talsohle der Ahr von rund 300 m auf 170 m ü. NN. Somit hat die Ahr ihren Einschnitt in das umrahmende Schiefergebirge von annähernd 100 m auf über 200 m vertieft. Auf der anschließenden Engtalstrecke zwischen Kreuzberg und Walporzheim nimmt die Tiefe des Taleinschnittes noch einmal um rund 100 m zu. Schon allein daraus ergibt sich die erhebliche Reliefenergie selbst eines kleineren Fließgewässers auf kurze Entfernung. Die Engtalstrecke, die ungefähr mit dem Weinbaugebiet an der Ahr zusammenfällt, ist die landschaftlich eindrucksvollste Teilregion des Ahr-gebiets. Ernst Moritz Arndt hat zweifellos recht gesehen, als er 1844 schrieb, daß das »Wundersamste .. die Schlingungen des Flusses um und durch die Felsenmauern seien«. Bei Dernau biegt die Ahr, von Rech fast geradlinig nach Norden abfließend, wiederum rechtwinklig in den geradlinig nach Osten gerichteten Lauf des unteren Talabschnittes um. Diese Fortsetzung des Engtalabschnitts erscheint fast so selbstverständlich, daß sich die Suche nach einer anderen Abflußrichtung beinahe überhaupt nicht stellt. Näheren Aufschluß gibt jedoch ein Blick vom Krauseberg bei Dernau nach Norden. Oberhalb von Dernau tritt die Wasserscheide zwischen Ahr und Swist bis auf fast 1 000 m Distanz an die Talflanke des Ahrtales heran.

Vereinfachte geologische Karte des mittleren und unteren Ahrtals. Die verschiedenen Schraffuren bedeuten: Untersiegen, 1 = Sandsteinfolge, 2 = Tonschiefer; Unteres Mittel-Siegen, 3 = Sandstein, 4 = Tonschiefer; 5 = Oberes Mittel-Siegen (Sandstein); 6 = Obersiegen (Ton-, Schluff- und Sandsteine); 7 = Unterems; 8 = Tertiär; 9 = basaltische Vulkane; 10 = Sattelachse
Zeichnungen: Kremer

An dieser Stelle fällt am oberen nördlichen Rand des Ahrsteiltals eine etwa 600 m breite, nicht allzu markante Eintiefung auf, die genau das Aussehen eines Spülmuldental-Querschnitts aufweist. Dieser Talflankeneinschnitt fällt in nördlicher Richtung ziemlich flach zur oberen Swistbachaue ab. Diese für den heutigen Swistbach unverständlich breite Spülmulde ist mit großer Wahrscheinlichkeit die ursprünglich geradlinige Fortsetzung des Ahrtals nach Norden. An den heutigen Reliefeigenschaften des Geländes kann man noch deutlich ablesen, wie das von Süden heranziehende alte Ahrtal sich über die heutige Wasserscheide fortsetzt und der Niederrheinischen Bucht unter Umgehung des Mittelrheins zustrebt. Folglich sind die heutigen drei Quelläste der Swist ursprünglich in die Ahr geflossen, und der derzeitige Swist-Erft-Graben ist ein alt angelegtes Ahrtal.

Reliefgenerationen und Talterrassen im mittleren und unteren Ahrtal

 Erst vor rund zwei Millionen Jahren führten Bewegungen an verschiedenen Störlinien im Bereich des heutigen Ahrtals dazu, daß der Fluß den unteren Talbereich ausräumen und dem Mittelrhein zueilen konnte. Auf ihrem Weg aus dem Kalkmuldengebiet um Blankenheim durch die devonischen Schiefergesteine bis in die Linz-Remagener Mittelrhein-Talweitung hat die Ahr auf weiten Strecken das anstehende Gestein angeschnitten und so freigelegt, daß sich ein hervorragender Einblick in den Aufbau des nordwestlichen Schieferge-birgsflügels ergibt. Dieser im Ahr-Engtal an vielen Stellen der Beobachtung zugängliche Schiefergebirgssockel wird von Gesteinsfolgen des Unterdevons aufgebaut, die während der Karbonzeit zum variskischen Faltengebirge zusammengeschoben wurden. Die Falten in den Gesteinspaketen und die mit ihnen entstandenen Schieferflächen und Überschiebungen sind im Umkreis des Ahrtals wie im gesamten übrigen Schiefergebirge recht genau in NO/SW-Richtung angeordnet. Gerade in der östlichen Eifel ist ein genauerer Einblick in den Faltenbau des Gebirges möglich.

Die den Rahmen des mittleren und unteren Ahrtals aufbauenden Gesteine gehören zu den Siegener Schichten aus dem unteren Devon. Sie sind älter als 350 Millionen Jahre. In der Osteifel und im benachbarten Westerwald bilden sie ein ausgedehntes Faltenbündel, das sich auf die beiden Großsättel verteilt, die in der regionalen Geologie als Ahrtal-Sattel und als Eifeler Hauptsattel (= Sattel von Hönningen-Seifen) bezeichne} werden. Die Kernzone des Ahrtal-Sattels kreuzt das Rheintal zwischen Linz und Kasbach. Seine rechtsrheinische Fortsetzung ist bisher noch weitgehend unbekannt. Der Eifeler Hauptsattel quert das Mittelrheingebiet zwischen Bad Breisig und Bad Hönningen und zieht über Waldorf, Oberdürenbach, Cassel bis in die Gegend nördlich von Adenau, wo sich der Großsattel in eine ziemlich flachwellige Struktur auflöst.

Die Achsen der einzelnen Gesteinsfalten liegen innerhalb der Aufsattelung nicht exakt horizontal, sondern bilden in der östlichen Eitel eine ausgedehnte Kuppel, eine Achsenkulmination. Am Mittelrhein und im rechtsrheinischen Schiefergebirge tauchen sie nach NO ab. Westlich der Achsenkulmination, die sich etwa mit der Linie Rheinbach - Kempenich -Ettringen festlegen läßt, tauchen die Faltenachsen hingegen in südwestlicher Richtung ab. Der Ahrtal-Sattel besteht in seinem Kern aus einer ziemlich monotonen Sandsteinfolge (Grauwacke) des unteren Mittelsiegen, die randlich von ebenso gleichförmigem Tongestein begleitet wird. Von SO und NW schiebt sich in den Sattelbereich eine Sandsteinserie des oberen Mittelsiegen vor. Gerade an der Nordflanke des Ahrtal-Sattels sind die Gesteinsschichten des oberen Mittelsiegen auffallend steil gestellt. Stellenweise ragen die Schichtflächen sogar senkrecht auf. Bei Altenahr, am Ausgang des Langfig-Tals unmittelbar vor dem Straßentunnel durch den Mäanderhals, lassen sich sogar bemerkenswerte Hinweise auf die Absatzbedingungen dieser Gesteine finden: Die steil aufgerichteten Schichtflächen sind von einem dichten Netz fossiler Wellenfurchen oder Rippelmarken überzogen. Zur Entstehungszeit der betreffenden Gesteinslagen war unser Gebiet von einem vergleichsweise flachen Meer bedeckt. Die Spuren, die sich in Gestalt der Furchenmuster über nahezu 400 Millionen Jahre hinweg erhalten haben, sind nichts anderes als ein fossiler Wattboden. Andere Hinweise auf das Devonmeer finden sich innerhalb der Gesteinspakete in Form verschiedener tierischer Fossilien (Muscheln, Brachiopoden, Haarsterne), die für Meeresgebiete mit Flach- oder Seichtwasserbiotopen typisch sind.

In der Engtalstrecke des Ahnais sind die Sandsteine des Mittelsiegen stellenweise senkrecht aufgerichtet

Wenn man etwa von Rech aus das Ahrtal aufwärts wandert oder fährt, gelangt man aus dem Sattelkern des Ahrtal-Sattels mit seinen Gesteinen des unteren Mittelsiegen in immer jüngere Gesteinsfolgen. Zwischen Mayschoß und Altenahr sind die Schleifen der Ahr fast ausschließlich im oberen Mittelsiegen angelegt. In der Umgebung von Schuld steht in den Talflanken Oberes Siegen an, und bei Müsch sowie im unteren Trierbach-Tal sind die grauen Schiefergesteine des Unterems (= Stadtfeld-Schichten) aufgeschlossen. Nur wenig ahrauf-wärts steht mit den bunten Klerf-Schichten noch höheres Unterdevon an, bis bei Dorsel und Ahrdorf schließlich die Kalke und Mergel der Ahrdorfer Mitteldevonmulde erreicht sind. Die Faltenstrukturen, die die großräumige Aufsattelung im Ahrtal-Sattel zusammensetzen, sind an mehreren Stellen der Beobachtung zugänglich. Besonders klar ist eine sehr engständige Gesteinsfalte in der Ravenlay bei Rei-merzhoven zu erkennen. Größere Berühmtheit unter den Geologen weist jedoch die Falten-Struktur in der Umgebung von Schuld auf. Hier hat die Ahr in den steilen Talwänden gleich mehrfach Profilschnitte durch die gleiche Faltenstruktur gelegt, die hier dem Obersiegen zuzuordnen ist. An diesem Faltenaufschluß wurden von dem Bonner Geologen H. Cloos grundlegende Untersuchungen über die Vorgänge bei der Auffaltung eines Gesteinspaketes durchgeführt. Besonders eindrucksvoll sind die Schichten am Westhang des Rupenberges erkennbar, vor allem im Winterhalbjahr, wenn keine Belaubung den Blick auf das Gefüge verstellt. Bei der Rupenbergfalte fällt die ausgesprochene Asymmetrie ins Auge: Während der Südostflügel der Falte ziemlich flach einfällt und langgezogen erscheint, ist der Nordwestflügel recht kurz und entsprechend steil. Gegenüber der Ahrbrücke an der Straße von Schuld nach Fuchshofen kann man sehen, wie der flache Faltenschenkel in einer großen Mulde wieder umbiegt. Die zugehörige Falte ist nicht erhalten. Wo sie ursprünglich anstand, erstreckt sich heute die Talaue der Ahr. Der tief in das Rahmengebirge eingeschnittene Talzug der Ahr ist das Ergebnis der Seiten- und Tiefenerosion des fließenden Wassers. An den Oberflächenformen des heutigen Tals ist di< jüngere geologische Geschichte der Eintiefun; recht vollständig abzulesen. Wichtige Zeitmar ken der Talgeschichte sind die verschiedener Terrassenzüge, die an den heutigen Talflanker auffindbar sind. Es sind ehemalige Talböden in die die Ahr sich im Laufe der Zeit immer tiefe eingeschnitten hat. Die einzelnen Terrassen körper stellen Stillstandsphasen der Tiefenero sion dar: Während der verschiedenen Eiszei ten führte der Fluß weniger Wasser und schot terte dabei kräftig auf. In den jeweiligen Warm zeiten floß das Wasser reichlicher. Dabei wur de der Talboden teilweise wieder ausgeräum und ein neues Bett eingeschnitten. Seitwärt! am Talhang bleibt der Talbodenrest in Forrr einer schmalen oder breiteren Leiste stehen. In der Linz-Remagener Rheintalweitung sine alle bekannten ehemaligen Talböden des Mit telrheins in Form eines kompletten Terrassen Stufensystems erhalten. Im Bereich der Ahr mündung biegen diese Terrassen in die jeweiligen alten Talböden der Ahr um. Die jüngerer Glieder dieser Terrassenfolge sind naturgemäf besser erhalten und im Gelände zu Verfolger als die alten Terrassen, mit denen die Talent Wicklung vor über zwei Millionen Jahren über haupt erst begann. Von der Mündung bis nach Walporzheim sowie zwischen Dernau unc Rech läßt sich beispielsweise die Niederterrasse (etwa 4 m über der Ahr) gut ausgliedern Zusammen mit dem Hochflutbett nimmt sie fasl die gesamte heutige Talaue ein. Im mittlerer Ahrtal tritt sie kaum in Erscheinung. Erst oberhalb von Insul ist sie wieder in größerer Ausdehnung anzutreffen.

Blockbild der Umgebung von Schuld. An den Talflanken ist ein Faltenzug aus dem Ahrtal-Sattel mehrfach angeschnitten. (Umgezeichnet nach W. Meyer 1983)

Von der Ahrmündung bis fast nach Müsch lassen sich zwei weitere alte Talböden rekonstruieren, die zur Ahr einen Höhenabstand von knapp 20 m bzw. etwa 60 m aufweisen und als Mittelterrassen bezeichnet werden. Sie stammen aus der Riß- bzw. der Mindel-Eiszeit. Ofl sind diese Gehängeterrassen nur in kleineren, unzusammenhängenden Teilstücken erhalten. Besonders prägnant tritt die obere Mittelterrasse etwa unterhalb von Ahrweiler bei Ehlingen in Erscheinungen, wo sie sogar auf der rechten Seite eine Talverengung bildet.

An mehreren Stellen hat die Ahr bei der Eintiefung Profilanschnitte geschaffen, an denen die Faltenstruktur des Grundgebirges sichtbar wird 
Fotos: Kreisbildstelle

Die jüngere (= untere) Hauptterrasse der Ahr geht bei Sinzig in die entsprechende Terrassenstufe des Mittelrheins über. Ihre Oberkante liegt entsprechend bei ungefähr 200 m ü. NN. Nochmals etwa 40 m darüber setzt zwischen Rech und Mayschoß die obere (= ältere) Hauptterrasse ein. Beide Terrassenstufen sind in größeren Teilstücken als Gehänge- bzw. Flurterrassen bis in den Oberlauf der Ahr klar zu verfolgen. Sie sind die Hinterlassenschaft der frühquartären Eiszeiten. Die untere Hauptterrasse liegt bei Bad Neuenahr auf der rechten Ahrtalseite eigenartigerweise etwa 30 m höher als auf der Nordflanke des Tals. Darin drücken sich jüngere Störungen des Gebiets aus. Das gesamte untere Ahrtal wird von einer größeren Störung oder Bruchlinie durchzogen, an der entlang die beiden Talseiten eine unterschiedliche Hebung erfuhren. Die gesamte Nordflanke wurde seit dem mittleren Quartär offenbar etwas stärker nach Norden abgekippt, denn zwischen Rech und Pützfeld fällt die Hauptterrassenfläche viel weniger zum Tal ab, als es bei anderen Terrassen dieser Altersstellung der Fall ist. Diese lebhaften Bewegungen innerhalb des Schiefergebirges, die nach einer ersten tertiären Welle besonders im Quartär wirksam wurden, dauern bis in die Gegenwart an. In manchen Teilregionen des nordwestlichen Schiefergebirgsflügels werden größere Blockeinheiten jährlich sogar um Millimeterbeträge gegeneinander versetzt. Solche Hebungsvorgänge im Grundgebirge waren in der Vergangenheit jeweils mit ereignisreichem Vulkanismus gekoppelt. Im Tertiär entstand das Vulkangebiet der Hocheifel, das vom Ahrtal randlich durchschnitten wird. Der Talzug der Ahr bildet dabei gleichzeitig die Grenze zwischen dem Hocheifel- und dem Siebengebirgsvulkanismus, der nicht nur auf die rechte Rheinseite oder den rheinnahen Westerwald beschränkt blieb, sondern auch einige Fundpunkte etwa im Bereich der Gemeinde Grafschaft hinterließ. Ähnlich ist auch der quartäre Vulkanismus der Osteifel nicht nur im engeren Umkreis des Laacher Sees lokalisiert. Er griff nämlich auch nach Norden weit über das Ahrtal hinaus, denn sein nördlichster Fundpunkt ist der Rodderberg bei Bonn, von dem etwa ein Viertel noch zum Landkreis Ahrweiler gehört.

Bei näherem Hinsehen erweist sich Tallandschaft der Ahr ebenso wie ihr näheres und weiteres Umland als eine geologisch vielseitige und interessante Region, in der sich manche wichtige Phase aus der Oberflächenge des heutigen Rheinischen Schiefergebirges beispielhaft aufspüren läßt.

Eine ausführlichere Landschaftsbeschreibung und ergänzende Angaben zur Originalliteratur über die Ahrregion ist in den beiden Schriften »Das Ahrtal« (= Rheinische Landschschaften, H. 23, Neuss 1982) und »Der Mittelrhein« (= Rheinische Landschaften, H. 26, Neuss enthalten.