Die Herren der Herrschaft Kempenich im 15. und 16. Jahrhundert

Dr. Bernhard Koll

Blättert man in den Werken, die sich mit den Territorien der Eitel beschäftigen, so findet man regelmäßig auch die Herrschaft Kempenich erwähnt. Es wird gesagt, daß die Herren von Kempenich 1424 ausstarben, daß Kurtrier die Herrschaft gewaltsam an sich zog und daß sie von 1573 bis 1777, den Herren und Grafen von Eltz gehörte. Die Zwischenzeit bleibt meist unerwähnt und wenn wir einen Hinweis finden, dann meist vage, daß die Herrschaft mehrfach verpfändet worden sei. Wer die jeweiligen Herren waren und wie sie es wurden, wird nicht mitgeteilt.

Dies verwundert auch nicht, denn durch die häufigen Verpfändungen ist die schriftliche Überlieferung sehr lückenhaft und auch noch nicht umfassend ausgewertet. Die folgenden Darlegungen zur Herrschaftsgeschichte können deshalb nicht den Anspruch erheben, lückenlos zu sein; sie können aber ein wenig Licht in das Dunkel des 15. und 16. Jahrhunderts bringen.

Mit Johann von Kempenich starb 1424 das Geschlecht der Herren von Kempenich aus. Johann hinterließ aber eine Tochter Hedwig und einen unehelichen Sohn Johann, verheiratet mit Eise von Kottenheim. Johann war also nicht erbberechtigt und in der Ahnung kommenden Unheils hatte der Vater gegenüber dem Kurfürsten von Trier als Lehnsherrn die weibliche Erbfolge durchgesetzt. Hedwig war bereits seit 1411 mit Peter von Schöneck vermählt. Diese Familie besaß bereits Anteile an den Herrschaften Bürresheim und Olbrück und da man auf dem Hunsrück den starken Druck Triers spürte, hoffte man hier in der Grauzone zwischen Kurtrier, Kurköln und Jülich noch am ehesten seine Eigenständigkeit bewahren zu können.

Das wußten sicher auch die Trierer Erzbischöfe und so nimmt es nicht wunder, daß Erzbischof Otto von Ziegenhain nach dem Tode Johanns von Kempenich trotz der Bewilligung weiblicher Erbfolge die Burg Kempenich gewaltsam einnimmt und mit Jakob von dem Bongard einen ergebenen Mann in die Burg setzt (vgl. Heimatjahrbuch 1985 Kreis Ahrweiler S. 41). Die große Politik war so in die kleine Herrschaft gekommen und Peter von Schöneck konnte gegen die militärische und politische Übermacht nichts ausrichten. So tat er das, was auch ein Michael Kohlhaas später in der Kleist-'schen Novelle macht, um zu seinem Recht zu kommen. Belegt sind »Frevel« und Straßenraub in Leutesdorf am Rhein und in Kempenich. Die am 13. Oktober 1424 über ihn und seinen Bruder Johann verhängte Gefängnisstrafe brauchte nicht abgesessen zu werden: Sie wurden vom Erzbischof begnadigt. Peter mußte allerdings förmlich auf Kempenich verzichten. Die Herrschaft scheint in den Jahren danach von Kurtrier selbst ausgeübt worden zu sein. Sicher hat man einen Amtmann eingesetzt über den jedoch nichts bekannt ist. Es könnte Johann Walpode von Bassenheim gewesen sein, von dem wir wissen, daß er am 30. September 1432 auf der Burg Kempenich sein Testament machte.

Die Manderscheider Fehde hat dann 1434 Peter von Schöneck doch wieder zu seinem Recht verholten. Er erhielt die Herrschaft von Erzbischof Raban von Helmstedt zu Lehen. Weil die Grafen von Virneburg als Parteigänger von Rabans Konkurrenten plötzlich auf Rabans Seite überwechseln, verliert er sie jedoch zwei Jahre später wieder, denn die neuen Verbündeten erhalten zum Dank die Herrschaft Kempenich pfandweise. Der Übertritt des mächtigen Grafengeschlechtes der Virneburger auf die Seite Rabans hat den Ausgang der Manderscheider Fehde zu dessen Gunsten sicher gefördert, und wieder hatte die große Politik den kleinen Schöneckern Unrecht zugefügt. Die Virneburger verpfänden irgendwann danach die Herrschaft weiter an Engelbert von Orsbeck, dieser wiederum gibt sie an Otto Waldbott von Bassenheim. 1455 ist sie wieder in den Händen der Grafen von Virneburg und zwei Jahre später geht sie pfandweise an Gerlach von Breitbach zu Bürresheim über. Da dieser sie 1472 ein zweites Mal gepfändet hat, muß sie zwischenzeitlich wieder im Besitz der Virneburger gewesen sein. Diese zahlreichen Verpfändungen, zu der noch eine von 1450 an den Erzbischof von Köln zu zählen ist, die aber möglicherweise keine Wirkung gehabt hat, sind einer gedeihlichen Entwicklung sicher nicht förderlich gewesen, wobei aber auf zwei Ausnahmen hingewiesen werden muß: In den Jahren vor 1438 war der Flecken Kempenich zumindest teilweise neu umwehrt worden, und in die siebziger Jahre fällt der Neubau der Kirche. 1479 löst Erzbischof Johann von Trier die Herrschaft wieder ein und verwaltet sie wieder selbst.

Wer dabei die Interessen Triers vor Ort vertrat, ist nicht bekannt. Ab 1483 könnte es Johann aus der Familie der Kolben von Kempenich gewesen sein, den der Erzbischof von allen Zinsen befreit, solange er in der Festung (wohl die Burg) Kempenich sitzt. Drei Jahre später ist er jedenfalls kurtrierischer Kellner, also Abgabenverwalter, der Herrschaft Kempenich. Damit hat die Familie, die bereits 1267 erwähnt wird und deren Wappen die Gemeinde Kempenich heute führt, einen Aufgabenbereich gefunden, den sie später noch einmal wahrnehmen wird.

Die Erben des Peter von Schöneck hatten sich allerdings nicht mit dem Verlust der Herrschaft abgefunden. Johann der Junge, der Sohn Peters, muß 1457 noch einmal ausdrücklich Verzicht leisten, wobei er sich aber die Führung des Titels »Herr von Kempenich« vorbehält. Aber der Sohn von Johanns Schwester Anna, Simon Boos von Waldeck, kann sich mit dem Verlust nicht abfinden. Er erwirkte 1469 eine kaiserliche Belehnung mit Kempenich, was der Kaiser 1471 aber widerrufen muß, da Kempenich kurtrierisches Lehen war. Trotzdem stellte Simon 1472 noch Belehnungen als Herr von Kempenich aus. Sie waren allerdings wirkungslos: Die Herrschaft blieb bis 1495 fest in kurtrierischer Hand. Nachdem Kurtrier Dietrich von Braunsberg aber eine Summe von fast 6 000 Gulden schuldig geblieben war, wechselte man in Kempenich wieder den Besitzer und behielt Dietrich von Braunsberg als Pfandherrn bis 1509.

Dieses Jahr ist für das Haus Schöneck wieder ein Jahr der Enttäuschungen. Nach dem Tode Georgs von Schöneck wird die Burg Schöneck als erledigtes Mannlehen von Kurtrier eingezogen. Wohl wegen der seinerzeitigen unrechtmäßigen Aneignung der Herrschaft Kempenich erhalten die Erben, Georgs Witwe Wilhelma von Lützerath und ihre Tochter Margarethe, endlich die schon längst verloren geglaubte Herrschaft, allerdings gegen Entrichtung einer Pfandsumme von 8 000 Gulden, und sie behalten sie bis 1571/73.

Die 26jährige Margarethe heiratet 1524 Johann von Nassau zu Spurkenburg, einen schon etwas älteren Herrn, für den diese Ehe die dritte ist und der 1532 stirbt. Margarethes Mutter Wilhelma hatte wohl schon 1510 in zweiter Ehe Friedrich von Brambach, der von 1510 bis 1531 als Amtmann in Kempenich erwähnt wird, geheiratet.

Die Ansprüche der Tochter Margarethe werden im Jahr ihrer Heirat finanziell abgegolten, so daß die Kinder aus der zweiten Ehe erbberechtigt werden. Es sind dies die Söhne Friedrich, Wilhelm und Bertram sowie die Töchter Elisabeth und Kunigunde, wobei der älteste Sohn Friedrich laut Testament der Mutter 1533 die Herrschaft Kempenich erhält. Er stirbt aber noch im gleichen Jahr und nachdem auch Wilhelm spätestens 1537 das Zeitliche segnete, führte Bertram die Geschäfte weiter. Doch 1542 stirbt auch er und das Erbe geht auf die beiden Schwestern und auf die Stiefschwester Margarethe zu je einem Drittel über. Kunigunde hatte 1524 Bernhard von Rollingen geheiratet; Elisabeth war in erster Ehe mit Otto von Neuerburg vermählt. 1536 hatte sie Gerlach Schilling von Lahnstein geheiratet. Zur Sicherstellung der gemeinsamen Einkünfte wird Adam von St. Wendel Kellner, sicher auf Empfehlung von Bernhard von Rollingen, der ebenfalls aus dem Saarland stammte. Die Beziehungen Wilhelmas als auch die ihrer Kinder zur Herrschaft scheinen recht gut gewesen zu sein. Wilhelma hatte in ihrem Testament zahlreiche Untertanen bedacht und von Elisabeth wissen wir, daß sie in der Kirche in Kempenich begraben ist. Ihr Todesjahr ist auf der Grabplatte nicht mehr erkennbar; die Kunstdenkmäler setzen die Zeit um 1550 an. Dennoch ist auch von Mißständen zu berichten. 1564 kam es zu Beschwerden der Untertanen gegen den Kellner Johann Schaif von Obermendig. In einem ausführlichen Untersuchungsprotokoll wirft man ihm vor, zusätzliche Frondienste zum Bau seines Hauses in Obermendig eingerichtet zu haben. Die Beschwerden scheinen ihm aber nur wenig geschadet zu haben. Bei der Kündigung der Pfandschaft 1571 ist er noch Kellner. Da diese Sache aber auch zu Irrungen zwischen Rollingen und Lahnstein einerseits und Margarethe von Nassau andererseits führte und der Kellner anscheinend auf Seiten der ersteren stand, verwundert es nicht, daß Margarethe zur besseren Kontrolle der Verwaltung einen zweiten Kellner einsetzt. Johann Kolb von Kempenich, dessen Vorfahren wir schon einmal in Dienste der Obrigkeit erwähnten, wird als Einheimischer wohl kaum gegen die Interessen der Untertanen gehandelt haben. Es blieben ihm aber nicht mehr viele Jahre. 1571 löst Erzbischof Jakob von Eltz den dritten Teil der Margarethe aus und unterstellt ihn der Verwaltung seines Verwandten Anton von Eltz, der 1573 auch den Teil der von Rollingen erhält. Dieses Provisorium wird dann 1581 in eine Pfandschaft umgewandelt, die die Herren von Eltz bis 1777 innehaben.