Die Sage vom Niederlützinger Dreifaltigkeitskreuz

Karl Schäfer

Das Dreifaltigkeitskreuz, dessen Standort wenig unterhalb der Kreisstraße 69, der Fritz-Beck-Straße, an das Gelände des Bonner Landschulheimes auf der Lützinger Höhe grenzt, gerät heute abseits des hastenden Verkehrs in Vergessenheit. Früher führte der Weg als kürzeste Verbindung von der Höhe zur Schweppenburg und zum »Helper«, dem Tönissteiner Sprudel, wo viele Lützinger Arbeit und Brot finden. Sie und vielleicht einmal ein einsamer Wanderer mögen an der Stelle verhalten, wenn sie nach dem Anstieg aus dem Brohltal die Höhe fast erreicht haben, und die Gedanken könnten gerichtet sein an den Ursprung und an den Stifter des Bildstockes, nicht zuletzt aber auch an eine fromme und gläubige Gesinnung früherer Zeiten.

Über die Entstehungsgeschichte dieses Kreuzes berichtet eine Sage, die Lehrer Johann Bantes 1933 in der Schulchronik von Oberlützingen alten Leuten nacherzählt hat.

Am oberen Ende des »Winnweges«, der sich schmal und steil vom Brohltal zur Niederlützin-ger Höhe hinaufwindet, steht einsam ein Bildstock, der das Bild der heiligsten Dreifaltigkeit trägt. Über die Errichtung des Bildstockes erzählt die Sage:

Im achtzehnten Jahrhundert war in dem Dorfe Niederlützingen ein großes Viehsterben. Die furchtbare Seuche kroch rasch von Stall zu Stall, und jeden Tag gab es auf dem »Schindanger«, wo die Tierleichen verscharrt wurden, traurige Arbeit genug.

In dieser Not machte ein Bauer und Winzer (Niederlützingen war damals ein bedeutender Weinort), der bis jetzt von dem Schrecklichen verschont geblieben war, das Versprechen, zum Lob der heiligsten Dreifaltigkeit einen Bildstock errichten zu lassen, falls die entsetzliche Plage an seinem Viehstall vorübergehen würde.

 

Zeichnung: Deisel

Allmählich erlosch die Seuche. Kein Kühlein war dem Bauern krank geworden. Der Mann hatte in seinen irdischen Sorgen um Feld und Wingert sein Versprechen zwar nicht vergessen, aber mit der Erfüllung desselben hatte er es gar nicht eilig, weil ihm sein Häuflein blanker Taler in der Truhe gar zu sehr ans Herz gewachsen war.

Da traf eines Tages den Bauern das Unglück. Die »Bleß«, seine beste Kuh, lag am Morgen im Stall und tat keinen Muckser mehr. Nun wurde es ihm heiß und kalt unterm Hut. Sein Gewissen und seine Frau ließen ihm keine Ruhe, und noch an demselben Tag wanderte er nach Andernach und bestellte dort bei einem Steinmetzmeister den Bildstock.

Bald war der Bildstock fertig, und mit erleichtertem Herzen und den nötigen Talern in der Tasche fuhr unser Bäuerlein mit seinem »Braunen« in die Stadt, ihn zu holen. Als auf dem Heimweg der Bauer an den »Winnweg« kam, wurde es dem Bräunlein zu schwer. Wie sehr es der Fuhrmann auch anfeuerte, das Tier brachte die Last nicht voran. Der Müller in der nahen Mühle spannte bereitwillig ein Pferd vor, aber auch die zwei Gäule schafften es nicht. Da sahen sich Bauer und Müller erstaunt an. Das Ding ging nicht mit rechten Sachen zu; der Stein wog doch höchstens zwei Zentner. Der Müller ging zur Mühle und holte sein zweites Pferd. Aber vergebens rackerten sich die drei Gäule ab, der Wagen rückte nicht mehr von der Stelle. Leute, die in den nahen Weinbergen arbeiteten, kamen neugierig herbei. Allen wurde es unheimlich, keiner wußte Rat. Endlich schlug einer vor: »Wir wollen einmal drei Vaterunser beten, dann packen wir alle an. Vielleicht geht's dann.«

So geschah es, und man kam ein kleines Stück voran. »Weiter beten!« schrie da der Bauer, und alle beteten laut: »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes ...«. Betend ging es nun langsam und mühsam aufwärts bis an den Hohlweg am oberen Ende des Weges. Schaum lag den Pferden auf den Flanken. Hier aber kam man nicht mehr weiter. Man hob den Bildstock vom Wagen und richtete ihn hier auf, wo er heute noch steht.