Vor 150 Jahren waren Ärzte und Apotheker zwischen Rhein und Hoher Acht dünn gesät

Aus der Geschichte der medizinischen Versorgung 

Carl Bertram Hommen

Die Sicherung einer ausreichenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung gehört zu jenen Aufgaben, die in unseren Tagen überall den höchsten »Stellenwert« besitzen. Wenn man krank wird, möchte man einen Arzt möglichst am Wohnort oder doch wenigstens in dessen Nähe aufsuchen können. Und auch die Apotheke wünscht man sich nicht allzu fern. Daß es in dieser Hinsicht im Kreis Ahrweiler recht gut bestellt ist, zeigt ein Blick in die Statistik über den gegenwärtigen Stand des Gesundheitswesens. Im Kreisgebiet gibt es nach den Angaben des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz (Stand 31. Dezember 1985) 270 Ärzte - davon 61 Ärztinnen -, von denen 156 hauptamtlich an einem Krankenhaus tätig sind. Ferner praktizieren im Kreis 45 Zahnärzte. Mit den Krankenhäusern Maria Hilf in der Kreisstadt und den St.-Josefs-Krankenhäusern in Adenau und Burgbrohl, die alle drei auf Gründungen von Hospitälern durch die Waldbreitbacher Franziskanerinnen zurückgehen und noch jetzt von ihnen betrieben werden, sowie mit dem Krankenhaus Maria Stern in Remagen der Franziskanerinnen von Nonnen-werth stehen heute insgesamt 779 Betten für Kranke und ein eingespieltes Personal zur Verfügung. Hinzu kommen 19 Spezialkliniken mit zusammen 1 700 Betten, u. a. für Diabetes-, Venen- und Stoffwechsel-Erkrankte, die sich vor allem in Bad Neuenahr-Ahrweiler niedergelassen haben und Kranke durch fachlich spezialisierte Ärzte behandeln. In den 32 Apotheken im Kreisgebiet, von denen es allein zwölf in Bad Neuenahr-Ahrweiler gibt, arbeiten 27 Apotheker und 27 Apothekerinnen.

Insgesamt erfaßt die amtliche Statistik fast 1 200 Personen, die gegenwärtig im Gesundheitswesen im Kreisgebiet tätig sind. Von ihnen sind neben den Ärzten 499 Krankenschwestern und Krankenpfleger, sieben Hebammen und 160 medizinisch-technische Hilfskräfte. Zu den Einrichtungen, die sich als Heim oder zur Pflege vor allem alter Menschen anbieten, gehören auch 22 Altenwohn- und -pflegeheime. Von den in ihnen zur Verfügung stehenden über 1 400 Plätzen werden zwei Drittel von Personen genutzt, die von außerhalb des Kreisgebietes hierhin gekommen sind. Vor 1800 gab es zwischen Rhein und Hoher Acht nur zwei Ärzte, von denen einer eine Hausapotheke führen durfte, in Ahrweiler und einen Arzt mit Hausapotheke in Remagen, hier später eine Vollapotheke und einen fachlich ausgebildeten Mediziner. Eine medizinische Versorgung im heutigen Sinne war bis dahin im allgemeinen nicht gegeben, jedenfalls nicht für die Masse der Bevölkerung, obwohl ein reiches ärztliches Wissen schon seit etwa dem Jahre 3000 v. Chr. bestand und Heilkundige ihren Beruf, zum Teil mit schwierigen Operationen und mit Anwendung einer Vielzahl von Arzneien, ausübten.

In jenen den Menschen von heute so fernen Zeiten, auch wenn sie noch keine zwei Jahrhunderte zurückliegen, lebten Ärzte praktisch nur in Residenzstädten der Fürsten, der vielen großen und kleinen Herrschaften und vor allem der Erzbischöfe, die sich ihre eigenen Leibärzte hielten. Im Rheinland wurde so vor allem Bonn, die Residenzstadt der Kölner Erzbischöfe und Kurfürsten, zu einem Zentrum der Heilkunde. Ihr Territorium erstreckte sich bis 1794, als die Franzosen für zwanzig Jahre das linke Rheinland besetzten, im Fleckerlteppich einer Vielzahl von Herrschaftsbereichen linksrheinisch über Ahrweiler bis Andernach und auf dem rechten Rheinufer bis Linz. Die Trierer Erzbischöfe, deren kirchlicher Arm damals bekanntlich nur bis zum Vinxtbach reichte, hatten in Ehrenbreitstein eine wichtigte Residenz am Rhein. Zu ihr pflegte das »Breisiger Ländchen« als Außenbesitz der Abtei Essen enge Beziehungen vor allem in der Zeit der letzten Essener Fürstäbtissin Maria Cunegunda, als ihr Bruder Klemens Wenzeslaus Kurfürst in Trier war. 

Die Medicinal-Ordnung des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Maximilian Friedrich vom 2. März 1765 schrieb für Ärzte, Apotheker und Hebammen strenge Prüfungen vor.
Fotos: Hommen

Strenge Medizinalordnungen 

Oft war früher der Arzt auch sein eigener Apotheker. Aber in der Regel bedingten sich die Berufe des Arztes und des Apothekers gegenseitig, so daß man am Konzessionsdatum einer Apotheke meist erkennen kann, ob zu dieser Zeit auch ein Arzt am gleichen Ort seine Approbation erhalten und sich dort niedergelassen hat.

Manche Apotheken haben ein hohes Alter. So weisen zum Beispiel drei Koblenzer Apotheken Konzessionen der Trierer Erzbischöfe auf, die bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreichen: 1560 für die Apotheke Zum Einhorn, 1632 Zum Hirschen und 1786 Zum Adler sowie 1690 in Ehrenbreitstein. Die beiden nächsten Pharmazien in Koblenz Zum Mohren im Jahre 1802 - der Besitzer hieß Carl Mohr - und Zum Schwan 1805 erhielten ihre Zulassung in den Jahren der Niederlassungsfreiheit durch die damals am Rhein herrschenden französischen Behörden. Einige der häufigsten Namen alter rheinischer Apotheken, die noch auf lange Zeit Pate standen bei der Firmierung, sind damit schon genannt.

Auch anderenorts im heutigen Regierungsbezirk Koblenz können Apotheken auf ein hohes Alter zurückblicken, insbesondere an Mosel, Nahe und auf dem Hunsrück: 1599 in Kreuznach, 1663 in Trarbach, 1689 in Cochem, 1707 in Kirn, 1715 in Sobernheim, 1731 in Bacharach, 1743 in St. Goar, 1765 in Kastellaun, 1774 in Zell und 1794 in Boppard. Und auch die Hartung'sche Apotheke in Mayen, deren Einzugsbereich weit ins Brohltal und in den früheren Kreis Adenau hineinreichte, entstand noch 1794 mit einem kurtrierischen Patent kurz vor dem Einmarsch der Franzosen. Im südlichen Machtbereich der Kölner Erzbischöfe, dem sogenannten Oberstift, gab es in Linz, Ahrweiler und Andernach schon sehr früh Apotheken; zu gleicher Zeit sind mit ihnen auch Chirurgen nachgewiesen. In allen drei Städten zog man Nutzen aus der seit Jahrhunderten fortschrittlichen Medizinalpolitik der Kölner Erzbischöfe. Nach Vorschriften für den Verkauf von Medizinalgewürzen, die bereits im 13. Jahrhundert erlassen wurden, nach einer Apotheker-Ordnung im 15. Jahrhundert und mit Verordnungen an Ärzte und Heilkundige sowie die Behörden angesichts der Pest zu Anfang des 17. Jahrhunderts erließ Kurfürst Maximilian Friderich 1765 umfassende Bestimmungen für die Ausbildung von »Medicinal Doctores, Chyrurgen und Apothekern wie auch Hebammen«, über ihren Befähigungsnachweis und ihre Tätigkeit.

In diesem Erlaß ordnete der Kurfürst bei Androhung »willkühriger Brüchten-Straf« an, daß Ärzte, Apotheker und Hebammen nur dann praktizieren dürften, wenn sie zuvor von seinem Leib-Medicus oder bei zu weit abgelegenen Orten von dem »bestellten und bestätigten Land-Physicus zum voraus umständlich examiniert und sodann bei unserem Hofrath ein über ihre befundene Tüchtig- und Fähigkeit erhaltenes Zeugnis der beschienenen Approbation vorgezeigt« hätten, das Siegel und Unterschrift der Hofkanzlei tragen müsse. Denn, so stellte der Erzbischof fest, »dem gemeinen Wesen ist sehr vieles daran, daß Unsere Erzstiftische Landen mit dergleichen tüchtigen Leuthen versehen seyen«. Und mit einer Medizinal-Ord-nung vom 2. März 1779 setzte er bei seiner Regierung in Bonn eigens eine Kommission als »Medizinalrat« ein. Ihre Mitglieder sollten nicht nur eingetretene Mißstände überwachen und beseitigen, sondern auch für die Einführung besserer »Medizinal-Anstalten« zur Ausbildung in den Heilberufen sorgen. Der Name der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn taucht deshalb gerade bei den Dr.-Diplomen der älteren Ärzte und Apotheker in den Verzeichnissen auf, die seitens der preußischen Regierung Koblenz über die im Gesundheitswesen tätigen Heilkundigen veröffentlicht wurden. Neben ihnen werden die Namen der Universitäten Marburg, Gießen, Würzburg, Erlangen und später vor allem Berlin genannt. Zu den in Bonn Diplomierten gehörten etwa 1794 der in Linz praktizierende Arzt Dr. Klein, 1788 der Arzt Dr. Wollersheim in Koblenz und 1802 der Koblenzer Apotheker Carl Mohr.

Ahrweiler Arzt mit eigener Apotheke

Um 1800 gab es in unserer Heimat nur in Ahrweiler und Remagen Ärzte und Apotheker. Dabei ist die Existenz einer Apotheke belegt für Ahrweiler schon seit 1767 und für Remagen seit 1779. Aus einem »Privileg« zur freien Ausübung seiner Arzneikunst und zur Einrichtung einer Hausapotheke für die »Eigendispensie-rung« von Arzneien, das dem Arzt Jakob Lauff 1767 aufgrund der kurkölnischen Medizinal-Ordnung von 1765 erteilt wurde, geht hervor, daß damals in Ahrweiler noch ein weiterer Arzt eine Praxis unterhielt - neben Dr. Lauff war dies Dr. Adam Wulle.

1790 eröffnete dann Anton Josef Schopp, Sohn des Ahrweiler Bürgermeisters, eine Vollapotheke. Für sie erhielt er jedoch nicht das erbetene »große Privileg«, das mit dem Verbot für den Arzt Dr. Lauff verbunden gewesen wäre, seine Hausapotheke weiter zu betreiben. Als Nachbesitzer der von Schopp begründeten »Hirsch«-Apotheke verzeichnet das Amtsblatt der preußischen Regierung zu Koblenz eine Reihe von Apothekern, die in schnell wechselnder Folge Inhaber der Offizin waren, wie das in früheren Zeiten oft üblich war. Mit einer Approbation vom 1. August 1808 war Nachfolger von Schopp der Apotheker Carl August Dahmen, dessen Frau Maria Sybilla Knieps wurde. Die Tochter Wilhelmine heiratete später den Sohn Theodor des Apothekers Franz Carl Guilleau-me aus Köln, des Mitbegründers der Firma Feiten & Guilleaume.

Auf Anregung von August Lenne, des als Nachfolger von Georg Kreuzberg gewählten Direktors der Neuenahrer Kurbad-Gesellschaft, wollte Johann Staud im Jahre 1864 als damaliger Inhaber der Ahrweiler Hirsch-Apotheke in Bad Neuenahr eine Filialapotheke einrichten. Er mußte jedoch noch im Juli 1865 den Behörden mit Bedauern mitteilen, daß er die bereits für das junge Kurbad erhaltene Konzession zur Zeit nicht verwerten könne. Er verfüge nämlich noch nicht über das notwendige eigene Haus für diese Apotheke, weil sich angesichts der starken Baukonjunktur in Neuenahr keine Bauarbeiter finden ließen. (Vor hundert Jahren konnte ein Apotheker seine Offizin nur in einem Haus einrichten, das ihm selbst gehörte.) Die Neuenahrer Filialapotheke wurde erst 1866 eröffnet. Ihre Konzession galt jedoch zunächst nur für die jeweilige Badesaison.

Preußische Distriksärzte

Als sich die preußische Verwaltung nach 1815 am Rhein etabliert hatte, beauftragte sie hier meist junge Ärzte, die gerade ihre Ausbildung beendet hatten, als »Distriksärzte« zur medizinischen Betreuung in einem abgegrenzten Distrikt, der in der Regel eine oder zwei Amtsbürgermeistereien umfaßte. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, »alle armen Kranken des Bezirks in allen drei Kunstzweigen - als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer -zu behandeln.« Sie hießen deshalb zunächst im Volksmund und später auch offiziell »Armenärzte«. Die sparsame preußische Verwaltung wollte diesen jungen Medizinern nicht nur, wie sie mit Nachdruck betonte, die Grundlage für eine Privatpraxis geben, sondern auch selbst Kosten einsparen. Denn die Distriksärzte waren auch Impfärzte und mit der ärztlichen Betreuung der Schulkinder beauftragt — mit Aufgaben, die sonst der Kreisarzt (damals Kreisphysikus genannt) hätte wahrnehmen müssen.

Die Regierung legte zwar auf ein »angemessenes Gehalt« dieser Armenärzte Wert und wandte sich in offiziellen Berichten gegen »Vorsteher von Gemeinden, welche aus Rücksicht auf die Gemeindekassen, selbst wenn diese sich in günstiger Lage befinden, kein Herz für ihre armen Kranken und Gebrechlichen haben«. Aber in den Anweisungen beim Abschluß von Verträgen mit neuen Distriksärz-ten scheute sie sich nicht, den staatlichen Anteil an einem Jahresgehalt, der meist neunzig Thaler betrug, auf siebzig herabzusetzen, wie es etwa 1847 in Niederbreisig für den Arzt Dr. Dick der Fall war.

Erst in den dreißiger Jahren besserte sich langsam die Lage im Gesundheitswesen. Zwar versorgten auch 1834 im heutigen Kreisgebiet nur die drei Apotheken in Ahrweiler, Remagen und Adenau insgesamt 52 000 Einwohner. Aber bald danach ließen sich weitere Ärzte und Apotheker nieder. Seit dem Jahre 1829 erfaßte eine »General-Liste«, die jeweils als Beilage zum »Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Coblenz« erschien, alle »Medizinal-Personen, die gesetzlich zur Ausübung irgendeines Zweiges der Arzneikunst berechtigt« waren. Publikum und Behörden sollten durch die im Abstand von meist fünf Jahren veröffentlichten Listen darüber informiert werden, wo Arzt und Apotheker zu erreichen waren. Man wollte aber auch Behörden in die Lage versetzen, »unerlaubte Praxis jeder Art zu verfolgen«. Das Amtsblatt vom 8. März 1834 zum Beispiel enthält in gesonderten Listen die Namen »sämtlicher im Regierungsbezirk befindlichen promovierten Doktoren, Licentiaten und praktischen Ärzte«, ferner der »Wundärzte l. Klasse«, der »Civilchirurgen aus früherer Zeit«, der »Wundärzte II. Klasse« sowie der Tierärzte, der Apotheker und der Hebammen. Von den insgesamt hierin genannten 72 praktischen Ärzten und den 48 Wundärzten und Geburtshelfern des Regierungsbezirks praktizierten damals nur sieben im Bereich der Kreise Adenau und Ahrweiler: drei in Ahrweiler, zwei in Adenau und je einer in Remagen und Sinzig. Parallel mit der Sorge um Ärzte und Apotheker ging das Bemühen der Medizinalbehörden, in möglichst vielen Orten gut ausgebildete Hebammen zu besitzen. Im Jahre 1843 waren dies im Kreis Adenau 21 und im Kreis Ahrweiler 17. Diese Frauen gingen damals, wie das Datum ihrer in Koblenz, Trier, Bonn oder Köln nach Besuch der dortigen Hebammen-Lehranstalten erteilten Approbation zeigt, ihrer Aufgabe zum Teil bereits seit zwei oder gar drei Jahrzehnten nach.

In Adenau praktizierte Mitte der dreißiger Jahre neben dem 1808 approbierten Apotheker Stephan Wehr der Arzt Dr. Georg Wetz. Er hatte sein Diplom als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer 1814 in Würzburg erworben und wurde später Kreisphysikus mit dem Titel Sanitätsrat. Neben ihm gab es in Adenau seit 1827 den jungen Wundarzt l. Klasse Friedrich Wilhelm Drobegg, der fünf Jahre später zusätzlich als »Medico-Chirurg« bezeichnet wird, und ab 1841 noch den Geburtshelfer Ernst Heinrich Herzog, der später als Kreischirurg tätig war. Ab 1836 arbeiteten ferner der Wundarzt Friedrich Franz Josef Berkenkamp in Kelberg und ab 1842 Gustav Busse in Kempenich. Mitte der fünfziger Jahre waren Dr. Carl August Ahlemeyer Distriksarzt und Kreisphysikus sowie Carl Hesse Distriksarzt mit Sitz in Adenau. Die beiden Wundärzte und Distriksärzte Peter Hubert Gottesacker und Josef Jäckel, der zugleich als Kreischirurgus amtierte, versorgten von Kempenich bzw. von Kelberg aus die Bevölkerung der Umgegend. Die Adenauer Apotheke führte 1852 Arno Weber. 

Liste der im Jahre 1834 in den Kreisen Adenau und Ahrweiler tätigen Ärzte, Wunderärzte und Apotheker.

Apotheke in Remagen seit 1779

Für die Rheinorte des Kreises Ahrweiler war im Beginn der preußischen Verwaltung Dr. Theodor Hieronimus Matthias Oberstadt in Remagen zuständig. Er wurde hier am 13. Juni 1820 approbiert, nachdem er erst drei Monate zuvor am 10. März 1820 in Berlin sein Dr.-Diplom als a270Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer erworben hatte. Wahrscheinlich übernahm er in Remagen die Praxis eines anderen Arztes. Denn hier gab es bereits seit vierzig Jahren eine Apotheke, die dort 1779 mit einer kurpfälzischen Konzession eröffnet worden war und ohne eine ärztliche Praxis am Ort sicherlich nicht genehmigt worden wäre. Zur Zeit der französischen Besatzung erhielt Apotheker Unger am 5. Germinal Jahr IX des Revolutionskalenders (5. April 1801) die Konzession. Auf Vorschlag von Souspräfekt Eichhoff vom Arondissement Bonn, zu dem Remagen gehörte, verlieh sie der Präfekt des Rhein-Mosel-Departements, Chaban.

Patienten aus den südlich gelegenen Orten Niederbreisig und Brohl nahmen damals und auch in den ersten preußischen Jahrzehnten nicht den Remagener Distriksarzt in Anspruch, sondern meist Ärzte und Apotheker in Andernach oder Hönningen/Linz, die schneller zu erreichen waren. In amtlichen Berichten wurde noch am 14. September 1824 ein »medicus« Kaiser aus Hönningen genannt, der in Brohl den bald nach der Geburt erfolgten Tod des Sohnes Franz der Eheleute Franz Nonn und Catharina Jungblut beglaubigte. Und einen Monat später bescheinigte Dr. Jacob Seiwert aus Andernach, der dort mit einem Berliner Dr.-Diplom vom 10. September 1819 tätig war, den Tod eines dreizehnjährigen Sohnes des Brohler Landwirtes Josef Nonn. In Andernach gab es damals mit dem Arzt und Wundarzt Anton Josef Berresheim bereits seit 1801 noch einen zweiten Mediziner.

Den Anstoß zu einer nachhaltigen Erleichterung der ärztlichen Betreuung am linken Mittelrhein gab dann die 1835/36 erfolgte gleichzeitige Niederlassung eines Arztes und auch einer Apotheke in Niederbreisig, nachdem einer von den zwei Linzer Apothekern seine Offizin aufgegeben und in einem Vertrag an einen jungen Pharmazeuten aus Koblenz abgetreten hatte. 

Ärztliche Hilfe von Linz 

Ärzte und Apotheker aus Linz hatten seit Ende des 17. Jahrhunderts wesentlichen Anteil an der medizinischen Betreuung auch der Einwohner in den linksrheinischen Gemeinden -im »Breisiger Ländchen«, in Sinzig und Remagen. Denn nicht in Ahrweiler oder Andernach, sondern in Linz, der südlichen Grenzstadt des Kölner Oberstifts am rechten Rheinufer, waren die ältesten kurkölnischen Apotheken am Mittelrhein entstanden und hatten sich Mediziner niedergelassen. Bereits Mitte des siebzehnten Jahrhunderts werden - zusammen mit oft zwei Ärzten - hier Apotheker erwähnt. Die erste Pharmazie ist seit 1664 nachgewiesen. Sie gehörte Sixtus Wasserfaß, dessen Tochter Gertrud später als Ehefrau des Inhabers der »Engel«-Apotheke Jeremias Wilhelm! genannt wird, als dem Ehepaar 1665 eine Tochter geboren wurde. Dreißig Jahre danach war die Offizin im Besitz ihres Sohnes Heinrich. Eine Apotheke »Zum Lämbgen« (Zum Lamm) gehörte 1714 einem Johann Metternich, wurde aber nach dem Tod des Apothekers eingestellt. 1669 wurde als dritter Apotheker Jakob Berends erwähnt. Die Engel-Apotheke ging 1780 in den gemeinsamen Besitz der beiden anderen Apotheker über.

Nur dem Verkauf einer dieser beiden Konzessionen an den Apotheker-Kandidaten Lesaulnier aus Koblenz war es diesem möglich, 1836 in Niederbreisig seine Apotheke zu gründen.

Im Jahre 1858 gab es in den Kreisen Adenau und Ahrweiler in 34 Gemeinden Hebammen.

Sie besteht neben zwei jüngeren Apotheken noch heute. Auf die Notwendigkeit, gerade in Niederbreisig einen Arzt und eine Apotheke zwischen Andernach und Remagen anzusiedeln, hatte der junge Pharmazeut als erster den zuständigen Medizinalrat bei der Koblenzer Regierung, Dr. Julius Wegeier, mit Nachdruck hingewiesen und auch den Nutzen für die Gesundheit der Bevölkerung dieser Region und des Brohltals dabei herausgestellt, was sicherlich bei dem Koblenzer Medizinalrat eine gewisse Sympathie bewirkte. Denn Dr. Wegeier hatte durch die Orbachs-Mühle bei Schweppenburg, die seinem Vater als Erbe seitens der Familie von Breuning aus Kerpen zugefallen war, schon seit jungen Jahren besonders enge Beziehungen zum Brohltal, um das er sich später als Historiograph dieser Region durch seine »Beiträge zur Spezialgeschichte der Rheinlande« große Verdienste erwarb. Das Ringen um die Gründung einer Apotheke am linken Mittelrhein - ob in Niederbreisig oder in Sinzig -, um die sich im Verlauf des Tauziehens weitere Apotheker bewarben, die Haltung der umliegenden Apotheker und Gemeinden, unter anderem auch der Vorschlag des Amtes Königsfeld, in Niederzissen als dem »zentralen Ort des Brohltals« statt am Rhein diese neue Apotheke zuzulassen, geben aufschlußreiche Einblicke in die damalige medizinische Betreuung der ganzen Region und in die Versuche der Behörden, die gegensätzlichen Interessen der einzelnen Gemeinden und Apotheker mit den eigenen Vorstellungen und Plänen der Medizinal-Verwaltung in Einklang zu bringen. Dies sei deshalb am Beispiel der Breisiger Apotheke etwas eingehender dargestellt.

Der Pharmazie-Kandidat Lesaulnier

Am 25. April 1835 hatte der »Candidatus Phar-maciae« Carl Lesaulnier aus Koblenz beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz Freiherrn von Bodelschwingh-Velmede beantragt, ihm die Apotheken-Konzession für Sinzig zu erteilen. Dies wurde ihm jedoch abgelehnt mit der Begründung, es gebe dort zu diesem Zeitpunkt keinen Arzt. Ein halbes Jahr später erneuerte er seinen Antrag mit dem Hinweis, dieses Manko sei behoben; denn inzwischen habe sich dort ein Wundarzt niedergelassen. Es handelte sich nach Ausweis des Regierungs-Amtsblattes um den am 3. Mai 1833 in Berlin approbierten Wundarzt II. Klasse Friedrich Anton Schröder, den Nachfolger von Dr. Gottlieb Aulich, der für Sinzig am 16. Mai 1828 zugelassen worden war. Dem neuen Arzt, so versicherte Lesaulnier, wolle der Armenvorstand zu Sinzig die Armenpraxis übergeben, so daß die ärztliche Existenz des jungen Mediziners wenigstens teilweise so gesichert sei, wie es die Einrichtung »Armenarzt« ja zum Ziele hatte. Alternativ bat der angehende Apotheker, die Konzession statt für Sinzig für Niederbreisig zu erteilen, da dessen Lage zwischen Remagen und Andernach von großem Vorteil auch für die Bevölkerung der umliegenden Orte sei. Lesaulnier hatte seine Staatsprüfung als Apotheker l. Klasse mit der Note »Sehr gut« bestanden und in Berlin am 7. August 1833 die Approbation erhalten. Er besaß, wie ihm später ein Bericht des Koblenzer Regierungs-Medizinalrates attestierte, auch »hinreichendes Vermögen, um eine neue Apotheke vollständig einzurichten und mit reichlichem Vorrath zu versehen.« Er hatte sich früher bereits um eine Konzession für Vallendar beworben, war dabei jedoch einem weniger qualifizierten Pharmazeuten unterlegen, was ihn sehr schmerzte. Der Niederbreisiger Schöffenrat mit Amtsbürgermeister Conrads wurden von Lesaulnier offensichtlich trotz der gegenüber der Gegenwart so beschwerlichen Verkehrsverbindungen mit Rheinschiff oder Postkutsche persönlich informiert. Denn beide griffen diesen Antrag sofort auf, besonders mit dem Hinweis, daß der Einzugsbereich einer Apotheke in Breisig sich nicht nur auf das engste Umland erstrecke, sondern auch für die Gemeinden des Brohltals und Vinxtbachtals sowie für Henningen und Rheinbrohl besonders günstig sei. Die Bürgermeistereien Niederbreisig mit 3 400 Einwohnern und Königsfeld mit 4 000 »Seelen«, die Ortschaften Burgbrohl und Lützingen (aus dem Kreis Mayen) mit 800 sowie Hönningen und Rheinbrohl mit zusammen 2 400, insgesamt also rd. 10 600 Einwohnern gäben eine solide Geschäftsbasis. Nicht nur die Einwohner würden »die Wohltat mehr ärztlicher Hülfe höchst dankbar anerkennen, sondern es scheint auch - was hier Hauptsache ist - daß eine Apotheke hieselbst vollkommen bestehen könne«, formulierte Bürgermeister Conrads - vordem selbst von 1828 bis 1834 Bürgermeister in Königsfeld - im Antrag des achtköpfigen Schöffenrates recht geschickt die Breisiger Argumente. Sinzig beeinträchtige wegen seiner Nähe zu Remagen die dortige Apotheke zu stark; zu den anderen Orten der Region sei seine Randlage ein allzu großes Hindernis. Der Breisiger Schöffenrat führte auch die Tatsache ins Feld, daß »schon in früherer Zeit« in Niederbreisig ein Arzt gewohnt habe. Dessen Praxis sei selbst ohne eine Apotheke am Ort so ausgedehnt gewesen, daß sie habe bestehen können. Nach dem Tode des Arztes habe sich zwar kein Nachfolger niedergelassen, weil die auswärtigen Mediziner, die an Orten mit Apotheken praktizierten, den größeren Zulauf hätten. Zur Zeit besuche ein Arzt aus Andernach periodisch den Ort, ein anderer wolle sich hier eine Wohnung einrichten, so daß auch ein Apotheker sein Auskommen habe. Bei dem angekündigten Arzt handelte es sich um den Chirurg l. Klasse H. Maeder, der jedoch nur kurze Zeit in Breisig blieb und durch den Arzt Dr. Apollinar Schaefer abgelöst wurde, der einen Vertrag als Distriksarzt für die Gemeinden des Amtes Niederbreisig und einige Orte der anliegenden Bürgermeisterei Königsfeld erhielt. Nur vier Tage nach dem Schreiben des Breisiger Rates an den Oberpräsidenten erneuerte Lesaulnier sein Gesuch vom April mit dem Hinweis, daß sich gleichzeitig mit seiner Etablierung in Niederbreisig dort auch ein Arzt niederlassen werde, dessen Auskommen durch seine Offizin mitbegründet sein werde. 

Koncession für den Pharmazeuten Lesaulnier für die Apotheke in Niederbreisig vom 30. Januar 1836.

Sinzig, ernste Gefahr für Remagen 

Lesaulnier erhielt indirekte Hilfe durch den Re-magener Apotheker Georg Christian Storck, der schon unter der Konkurrenz der Apotheken in Linz, Bonn und Königswinter litt. Eine neue Offizin in Sinzig, so schrieb er nach Koblenz, werde seine Existenz direkt bedrohen, während Breisig allen rundum liegenden Apotheken Abbruch tun werde, jedoch dürfte sich der Schaden für den einzelnen in Grenzen halten. Anhand der Einwohnerzahlen unterstützte er seine Argumente: Während bisher im Rheintal zwischen Andernach und Remagen/Linz jede Apotheke im Durchschnitt für rd. 7 500 Einwohner tätig sei, werde sich diese Zahl um mindestens tausend verringern. Dabei merkte Storck mit Nachdruck an, daß andere auswärtige Pharmazeuten mit erheblich höheren Zahlen rechnen könnten: in Mayen etwa mit 15505 Einwohnern, in Ahrweiler 18440, Adenau 22 210 und Cochem sogar mit 30 163. Was seine eigene Apotheke betreffe, die er am 7. Juli 1825 erworben hatte, so sei sie in früherer Zeit »in höchst erbärmlichem Zustand« gewesen. »In ihrem 45jährigen Bestehen«, schrieb Apotheker Storck, »wurde ich vor zehn Jahren schon der sechste Besitzer, wovon nur einer - der auch zugleich Arzt war - sein Auskommen hatte. Auch ich habe jetzt mein Auskommen, doch darf ich keinen Gehülfen halten und muß durch Bereitung pharmazeutischer Präparate, Vegetabilien-Sammeln, Farbenverkauf etc. mitunter etwas nebenher zu verdienen suchen. Vor allem aber muß ich eifrigst wünschen, daß man mir, wo möglich, meinen vortrefflichen Arzt Dr. Oberstadt hier lasse oder wenn dieses unthunlich, doch wenigstens mit einem anderen erfahrenen Arzte ersetze. Eine Landapotheke, die nur einen Arzt hat, ist verloren, wenn dieser nicht in jeder Hinsicht ein erprobter, tadelfreier Mann ist«, setzte er als Fazit seiner Erfahrungen hinzu. Die Entscheidung des Oberpräsidenten wurde schließlich durch einen acht Seiten langen Bericht bestimmt, den Geheimer und Regierungs-Medizinalrat Dr. Wegeier als Referent abgab und die Abteilung des Innern der Koblenzer Regierung dem Oberpräsidenten am 2. Oktober 1835 vorlegte. Darin waren auch Berichte verwertet, die man beim Ahrweiler Landrat und dem dortigen Kreisphysikus angefordert hatte. Die Koblenzer Regierung kam zu dem Schluß, daß eine neue Apotheke zwischen Remagen und Andernach für die Bevölkerung nur Vorteile bringe und deshalb zweckmäßig sei. Für die bestehenden könne sie nicht als sehr nachteilig angesehen werden. Eine neue Apotheke in Sinzig dagegen werde die in Remagen bestehende allzu sehr beeinträchtigen, ja ihre Existenz zweifelhaft machen können. Dabei anerkannte die Regierung sehr, daß sich die Rema-gener Offizin »durch den Fleiß und die Geschicklichkeit eines wackeren und redlichen Eigentümers und durch den Ruf des Dr. Oberstadt - des dortigen Distriksarztes - etwas in die Höhe gebracht« habe. 

Linz als Tauschobjekt

In der positiven Beurteilung von Niederbreisig, das der Bericht einen »nicht unansehnlichen Flecken von fast tausend Seelen« nennt, ging Dr. Wegeier bei seinen Vorschlägen völlig konform mit der Eingabe des Breisiger Schöffenrates. Er griff auch dessen Schlußfolgerung auf, daß sich ein »Schaden« für die bestehenden Apotheken in Grenzen halten und gleichmäßig verteilen werde. In bezug auf die Qualifikation des Pharmazeuten Lesaulnier verwies er darauf, daß dieser seine Staatsprüfung als Apotheker l. Klasse mit »Sehr gut« bestanden habe.

Ins Ermessen des Oberpräsidenten stellte Dr. Wegeier abschließend, ob man den Vorschlag des Ahrweiler Kreisphysikus aufgreifen wolle, eine der beiden Linzer Apotheken nach Breisig zu versetzen. Dies durch Zwang zu erreichen, sei wohl nicht gerechtfertigt; sicherlich würden sich die beiden Linzer Apotheker auch dagegen aussprechen. Den Plan einer solchen »Verlegung« nach Breisig lehnte der Linzer Apotheker Bendten in der Tat auch ab. Die beiden Andernacher Apotheker Byll und Nuppeney, die sich ebenfalls zu Wort meldeten, befürchteten bei Eröffnung einer Apotheke in Breisig den Verlust ihrer Kundschaft aus der ganzen Bürgermeisterei Burgbrohl mit der Umgebung von Niederzissen, so daß sie sich dann auf ihre »ärmsten Orte wie Eich, Kretz, Nickenich, Saftig und Namedy beschränken« müßten, zumal die Einwohner von Plaidt, Saffig, Kruft, Fahr und Leutesdorf größtenteils Neuwieder Apotheken bevorzugten. Gegen Ende des Jahres traten dann plötzlich als neue Bewerber auch die Bürgermeistereinen Königsfeld und Burgbrohl offiziell in die Konzessions-Arena. Sie hielten zwar Niederzissen für den »idealen Mittelpunkt« zwischen den alten Apothekenplätzen Remagen, Ahrweiler, Adenau, Mayen und Andernach. Im Falle der Ablehnung von Zissen sprachen sie sich aber für Sinzig aus, da ihrer Meinung nach die Beziehungen vieler Orte hierhin viel enger seien - was man in Koblenz jedoch mit Nachdruck als falsch bezeichnete. 

Kaufvertrag entschied 

Mitte Dezember 1835 überraschte dann der Koblenzer Provisor Kutzbach, einer der Mitbewerber um die neue Apothekenkonzession, die Regierung mit dem Hinweis, er habe mit den beiden Andernacher Apotheken Nuppeney und Byll einen mündlichen Vertrag zur Verlegung einer dieser Apotheken nach Sinzig oder Brei-sig abgesprochen. Und da es sich um die schlechtere in Andernach handelte, die der Medizinal-Polizei sowieso schon manchen Kummer bereitet hatte, betrachtete man bei der Regierung diesen Schachzug zunächst als recht geschickt. Dies um so mehr, als man damit rechnen konnte, daß die Byllsche Offizin in kurzer Zeit sowieso eingehen werde; denn ihr Inhaber war betagt und hatte keinen Nachfolger in der Familie.

Lesaulnier legte seinerseits zum gleichen Zeitpunkt einen ausführlichen, notariell abgeschlossenen Vertrag vor, über den er mit den beiden Linzer Apotheken Bendten und Funcke übereingekommen war. Darin war festgelegt, daß er an die Stelle des Apothekers Funcke treten und dessen Offizin dann auf die linke Rheinseite verlegen solle. Ein solcher Plan kam den Überlegungen auch der Medizinalpolizei in Koblenz äußerst gelegen, da sie mit dem Zustande der Funcke'schen Apotheke in Linz -nicht zuletzt infolge der Vielzahl von einträglichen Nebentätigkeiten des Inhabers - nicht sehr zufrieden war.

Zwar genehmigte die Koblenzer Regierung diesen Vertrag nicht, weil »die Konzession kein veräußerbarer Gegenstand« sei. Aber Lesaulnier wurde überraschend am 15. Januar 1836 mitgeteilt, wenn er binnen vierzehn Tagen die Verzichtserklärung eines der beiden Linzer Pharmazeuten auf ihre Apotheken-Konzession vorlege, werde man ihm die Erlaubnis für eine Apotheke in Niederbreisig »sofort« erteilen. Dazu kam es dann innerhalb von nur einer Woche. Denn Lesaulnier reichte das geforderte Dokument über den Verzicht des Apothekers Funcke - es umfaßte nur zehn Zeilen - bereits am 21. Januar ein. Noch am gleichen Tag wurde es in Koblenz bearbeitet. Zwei Tage später war Lesaulnier bereits im Besitz der »Erlaubnis, zu Niederbreisig im Kreise Ahrwei-ler eine Apotheke anzulegen und für eigene Rechnung zu führen«. Er gründete sie sofort unter dem Namen »Hirsch«-Apotheke, den er nach dem Erwerb der Linzer Hirsch-Apotheke mit über den Rhein nahm, wo sie unter diesem Namen heute noch besteht. Die Mitbewerber Kutzbach und die Amtsbürgermeister in Königsfeld und Burgbrohl erhielten am gleichen Tag »mit Bedauern« einen abschlägigen Bescheid, der Breisiger Schöffenrat aber die für ihn erfreuliche Mitteilung über die Konzession. In Sinzig entstand erst 57 Jahre später eine eigene Apotheke. Sie wurde zudem nur als Filial-Apotheke installiert und den damaligen Apothekern Josef Noster in Breisig und Eugen Funck in Remagen in einer gemeinsamen Konzession vom 1. März 1893 übertragen. Da für Noster 1899 ein Verwalter bestellt werden mußte, lag die Sinziger Filial-Konzession seither allein bei Funcke. Sie wurde auf jeweils drei Jahre begrenzt und in dieser Form, wie die Medizinalakten im Landeshauptarchiv Koblenz ausweisen, noch im Jahre 1911 verlängert. 1909 erhielt der damalige Apotheker Jakobs aus Breisig eine ähnliche gemeinsame Konzession mit seinem Linzer Kollegen jenseits des Rheins in Hönningen zur Fortführung einer dortigen Filial-Apotheke. In diesen Jahren existierten im Kreis Ahrweiler sechs Apotheken, die in Ahrweiler, Neuenahr, Remagen und Niederbreisig Vollapotheken, in Sinzig und Ahrweiler Filial-Apptheken waren.

Breisiger Ärzte wechselten oft

Wie sehr die Existenz einer Apotheke die ärztliche Versorgung der Bevölkerung beleben und auch in ihrer Umgebung verbessern kann, zeigte sich bald nach Eröffnung der Breisiger Offizin. Der Ort war seither - selbst in den restlichen Jahrzehnten des arztarmen 19. Jahrhunderts - nie ohne Arzt oder Distriksarzt. Schon 1834 praktizierte hier Dr. Ernst Wilhelm Maeder, der aus Unkel gekommen war. 1836 folgte Dr. Apollinar Schaefer, neben dem nach 1841 Dr. Wilhelm Maria Dewin als zweiter Arzt, später auch als Armenarzt tätig war. Als Dr. Schaefer 1847 als Distriksarzt nach Montjoie -wie Monschau damals noch hieß - berufen wurde, verpflichtete Niederbreisig an seiner Stelle Dr. Carl Albert Dick aus Krefeld. Die Regierung zu Koblenz wies Landrat Schraut in Ahrweiler an zu veranlassen, daß die beiden Bürgermeistereien einen besonderen Vertrag mit Dr. Dick abschließen sollten, sofern Dr. Dick das Jahresgehalt als Armenarzt, das um dreißig Prozent unter dem Gehalt lag, das er bisher in Krefeld bezogen hatte, akzeptiere. Es war auf siebzig Thaler festgesetzt. Dr. Dick blieb fünf Jahre in Niederbreisig. Dann kündigte er am 6. Februar 1852 seine Stellung, da er - wie eine ganze Reihe von Familien aus der Region - der alten Heimat den Rücken kehren wollte. Mit seinem Sohn wanderte er in die USA aus. Ein Jahr später nahm diesen Weg auch der seit Juli 1850 von seinem Amt suspendierte Breisiger Bürgermeister Heinrich Joseph Con-rads. Er folgte mit seiner Frau und seinen drei Söhnen, die sich in Texas in dem von rheinischen Auswanderern gegründeten Neu-Braun-fels niedergelassen hatten. Noch heute leben dort Nachfahren des Bürgermeisters; aber sie können kein Deutsch mehr. 1861 war Dr. August Schmidt in Breisig Distriksarzt, vor ihm hielt es Dr. Karl Lorenz Cüp-pers hier vier Jahre aus. Da Distriksärzte seit 1864 nicht mehr Beamte, sondern nur noch kommunale Vertragsärzte waren, wurde Niederbreisig seither für viele lediglich als Sprungbrett in eine bessere Position benutzt. So ging Dr. Schmitz, der seit 1875 am Mittelrhein wirkte, schon ein Jahr später als Kreisphysikus nach Malmedy. Sein Nachfolger war Dr. Greve. 1887 folgte auf Dr. Gerhard Glaßmacher für nur zwei Jahre Dr. Simons, der aus Kelberg gekommen war. Nach ihm erhielt ein Dr. Gofferje die Kündigung, als sich überraschend bei einer Kontrolle herausstellte, daß er ein ganzes Jahr lang in den Schulen der Bürgermeisterei nicht eine einzige der vorgeschriebenen Untersuchungen der Schulkinder durchgeführt hatte. Als letzte Ärzte im 19. Jahrhundert werden in Niederbreisig noch Dr. Johann Nippen aus Köln genannt, der auch das Hospital der Franziskanerinnen betreute, und Dr. Ewald Heinrich Knepper, der später zum Kreisarzt in Daun avancierte.

Mit der Gründung der "Hirsch-Apotheke« in Niederbreisig im Jahre 1836 begann die Zeit einer stärkeren Versorgung der Bevölkerung mit Ärzten und Apotheken im Kreis Ahrweiler. Auf dem Bild aus den zwanziger Jahren die Apotheke, kenntlich am Hirschkopf.

Ein Leben lang Landarzt in Brohl 

Da hatten die Einwohner von Brohl mit ihren Ärzten doch mehr Glück. Denn der erste Arzt, der sich im Sommer 1865 in dem durch seine Papierfabrik, zahlreiche neue Handwerkerbetriebe und den Traßversand aufstrebenden Ort niederließ, der aus Bonn stammende Dr. Franz Joseph Berghausen, arbeitete hier volle drei Jahrzehnte bis zu seinem Tode im Jahre 1896. Sein Nachfolger Dr. Jakob Betzner aus Köln, der zeitweise mit Dr. Knepper aus Bad Breisig alternierend die Aufgaben eines Distriks- und Armenarztes wahrnahm, blieb zwar nur vier Jahre und zog dann nach Düsseldorf. Nach ihm ließ sich um die Wende zum neuen Jahrhundert der aus Düsseldorf stammende Arzt Dr. Wilhelm Dapper als Landarzt in Brohl nieder. Er praktizierte hier fast ein halbes Jahrhundert bis zu seinem Tode im Jahre 1947. Er war als Distriksarzt für einen Teil der Gemeinden des Amtes Niederbreisig zuständig. Er betreute dabei die Armen und die Schulen. Zeitweise war er auch Badearzt im nahen Kurbad Tönnisstein. Zugleich setzte er sich - wie überhaupt viele Ärzte in ihren Gemeinden - für die Lösung vor allem sozialer Fragen ein. Er war als Mitbegründer des Verkehrsvereins im Jahre 1906 im kommunalen Bereich lange aktiv tätig. Ihm verdankte ein Ortsverein vom Roten Kreuz sein Entstehen, für den er den Brohler Hauptlehrer Johann Jacobs, den bekannten Mineralogen des Brohltals und Laacher-See-Gebietes, als Vorsitzenden gewinnen konnte.

Zur Darstellung des Gesundheitswesens wurden Medizinalberichte der Kreise Ahrweiler und Adenau sowie der Regierung zu Koblenz herangezogen, ferner die Akten der Amtsbürgermeisterei Niederbreisig zwischen 1815 und 1933 aus dem Landeshauptarchiv. Hinweise zur Historie der Apotheken verdankt der Verfasser auch der Arbeit von Marion Wühr »Die Apotheken im ehemaligen Oberen Erzstift Köln«, Stuttgart 1985.