Römisches Museum in ehemaliger Kapelle

Sammlungsstätte ruft Remagens 2000jährige Vergangenheit wach

Hermann Josef Fuchs

Zeugen römischer und fränkischer Kultur reichen nicht nur in den Städten Bonn und Köln bis in die vorchristliche Zeit, sondern auch Remagen verfügt über beachtenswerte Funde aus jenen Zeitepochen, die seit Mai vergangenen Jahres im wiedereröffneten römischen Museum in der Kirchstraße von Geschichtsinteressierten bewundert werden können.

Die Darstellung der Geschichte Remagens gibt Einblick, daß das damalige »Ricomagus« als Siedlung und strategischer Stützpunkt einen nicht unbedeutenden Platz einnahm. Remagen war während der ganzen Zeit der Römerherrschaft am Rhein ein befestigter Platz. Gebrochen wurde die Römerherrschaft um die Wende des vierten zum fünften Jahrhundert. Die Truppen mußten ihre Kastelle verlassen, um das Mutterland gegen Goten, Vandalen, Franken und Allemannen zu schützen, die über den Rhein drangen und zerstörend durch unsere Gaue bis in das Innere Galliens zogen. Mit Sicherheit ist seit einigen Jahren nachweisbar, daß seit 2 000 Jahren in Remagen eine Siedlung besteht. Grundlage für diesen Beweis ist ein bei Ausgrabungen in den Jahren 1914 bis 1916 in der Kirchstraße gefundener Eichenpfahl, der aus dem Fachwerk eines römischen Hauses stammt. Vor einigen Jahren ließ Bürgermeister Kürten den Eichenpfahl vom Rheinischen Landesmuseum in Trier auf sein Alter hin untersuchen. Die Spezialisten des auf diesem Gebiet führenden Museums ermittelten, daß dieser wenige Jahre nach Christi Geburt zum Hausbau verarbeitet wurde. Die 2 000-Jahrfeier Remagens soll hiernach 1994 stattfinden. Hierzu sind städtischerseits die ersten Vorbereitungen angelaufen.

Archäologische Funde aus der Römer- und Frankenzeit sind in Remagen keine Seltenheit. Die rege Bautätigkeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in den Folgejahren bis in unsere Tage brachte sie an verschiedenen Stellen in der Stadt ans Tageslicht.

Bei der Erweiterung der Pfarrkirche in den Jahren 1900 bis 1903, konnte Professor Lehner, Leiter des Provinzialmuseums in Bonn, die Lage des Kastells Ricomagus genau feststellen. Er befürwortete die Einrichtung eines Zweigmuseums des Provinzialmuseums in Remagen.

Der Museumsleiter hatte in Remagen einen guten Mitstreiter für sein Vorhaben. Es war Apotheker Eugen Funck, der 1891 nach Remagen kam und von Josef Werth die Apotheke am Markt kaufte. Der junge Apotheker Funck hatte neben seiner beruflichen Tätigkeit reichlich Gelegenheit, seiner besonderen Liebe zu den in der Rheinstadt vorhandenen Altertümern nachzugehen. Auf Anregung Funcks schenkte der Geheime Kommerzienrat von Guilleaume der Stadt die vom Verfall bedrohte frühere Knechtstedensche Kapelle in der Kirchstraße, ein aus dem 15./16. Jahrhundert stammendes Gebäude, zur Einrichtung eines Museums.

Unter Leitung von Professor Lehner und Apotheker Funck wurden im Zuge der Bauarbeiten an der Pfarrkirche in der ehemaligen Knecht-stedenschen Kapelle Ausgrabungen durchgeführt. Dabei wurden die Säulenbasen eines ehemaligen römischen Prätoriums entdeckt, die Professor Lehner als Eingang zur »Princi-pia« deutete. Im Jahre 1904 wurde die ehemalige Kapelle mit einem Kostenaufwand von 105 000 Mark für die künftige Nutzung als Museum ausgebaut und nach den Anweisungen von Apotheker Funck gestaltet.

Sämtliche archäologischen Funde, die bis dahin in Schränken im Sitzungssaal des Rathauses in bedrohlicher Enge aufbewahrt wurden, erhielten im Museum einen gebührenden Platz. Die feierliche Einweihung des Museums fand am 10. Juni 1905 statt. Provinz, Kreis, Stadt und eine Reihe privater Spender halfen bei der Finanzierung der Kosten.

Im Kellergeschoß präsentierten sich dem interessierten Besucher die wuchtigen Fundamente und Basen der römischen Säulenanlage. Im Erdgeschoß und auf einer Empore ließ Apotheker Funck die Funde und Beigaben von über 200 römischen Brandgräbern und merowingi-schen Skelettgräbern anordnen. Altarsteine, die dem Jupiter, der Göttin Summuxalis und des persischen Lichtgottes Mithras von römischen Soldaten gewidmet waren, sowie ein Matronenstein, ein frühchristlicher Grabstein und Weihedenkmäler gehörten mit zur Erstausstattung des Museums.

Die Remagener Zweigstelle des Bonner Pro-vinzialmuseums erfreute sich in den Folgejahren eines regen Besucherzuspruches und hatte auch in Fachkreisen wegen ihrer umfangreichen Schätze einen Namen. Apotheker Funck führte dem Museum stets neue Altertumsfunde zu. Er leitete in Remagen sämtliche Ausgrabungen von römischen und fränkischen Altertümern. Auch bei Funden und Ausgrabungen in der Umgebung wurde er um seinen fachlichen Rat angesprochen. Von der damaligen Regierung wurde Eugen Funck zum Vertrauensmann und Beauftragten für Bodenaltertümer im Kreis Ahrweiler bestellt und erhielt wiederholt höchste Anerkennung für die vorbildliche Sammlung und Sortierung der Museumsgegenstände. Die Fundstücke dienten Hochschulen als wichtiges Anschauungs- und Lehrmaterial.

Neben seinem beruflichen und wissenschaftlichen Wirken stand Apotheker Funck als Stadtrat und Beigeordneter der Stadt über lange Jahre im Ehrendienst der Stadt. Der Museumsgründer verstarb am 13. Februar 1935 im Alter von 72 Jahren.

Im zweiten Weltkrieg wurde das Museumsgebäude bei Bombenangriffen auf die Stadt stark beschädigt. Die ausgelagerten Kisten mit den kostbaren Fundstücken wurden durchwühlt und ausgeplündert. Fundstücke, in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen und gehütet, gelangten in unrechtmäßige Hände.

Mit der Ziehung neuer Ländergrenzen nach den Kriegswirren erlosch auch die offizielle Zugehörigkeit zum Landesmuseum in Bonn. Die Stadt mußte nun allein mit den Schwierigkeiten eines kleinen Museums fertig werden. Die Ausstellung in der ehemaligen Kapelle, im Volksmund als »Scherbelehäuschen« bezeichnet, konnte zwar zu Beginn der fünfziger Jahre wieder eröffnet werden, doch die Begeisterung für die Altertumskunde hatte merklich nachgelassen. Gegen Ende der sechziger Jahre wurde im Stadtrat die Frage diskutiert, ob nicht die überzähligen Scherben verkauft werden könnten.

In den sechziger Jahren führten Diebstahl und Brandstiftung zu erneuten Verlusten im Museum und schließlich mußte die Sammlungsstätte wegen der durch den Keller eindringenden Feuchtigkeit geschlossen werden. Diese bitteren Erfahrungen machten das Verlangen vieler Wissenschaftler verständlich, noch vorhandene Sammlungen in den Magazinen der Landesmuseen sicher unterzubringen. Die Stadt Remagen widerstand dieser Versuchung. Bei den vielen Aufgaben, die die Stadt im Zuge ihrer Entwicklung in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten zu erfüllen hatte, blieb der Gedanke am Erhalt des römischen Museums nicht außen vor.

Landauf, landab sind seit Beginn des achtziger Jahrzehnts Heimat und Geschichte wiederentdeckt. So reiften bei der Stadt Pläne, das Haus auf geschichtsträchtigem Boden in der Kirchstraße von Grund auf zu sanieren und das vorhandene Inventar nach neuen Erkenntnissen zu ordnen. Bei den anstehenden Arbeiten lag zunächst das Hauptaugenmerk auf der Substanzerhaltung des Gebäudes. Dach und Außenmauerwerk mußten saniert werden. Schrittweise erfolgte anschließend die Neugestaltung der Räumlichkeiten im Inneren des Hauses. Fachleute wurden hierbei zu Rate gezogen. Aus mannigfachen Gründen traten immer wieder Verzögerungen auf, so daß die Arbeiten eine Zeitspanne von rund fünf Jahren in Anspruch nahmen. Die Sammlungsstätte erstrahlt aber nunmehr wieder im neuen Glanz, nachdem sie im Rahmen einer Feierstunde im Mai 1989 wiedereröffnet wurde.

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In neuem Glanz präsentiert sich das römische Museum in Remagen

Beim Gang durch die Räumlichkeiten erhält der Besucher ein anschauliches Bild darüber, was tatsächlich in einem Auxiliarkastell und seiner Zivilsiedlung gefunden wurde, wie Bruchstücke aus der Kenntnis anderer Funde ergänzt werden können und wie auf diese Art eine fundierte Rekonstruktion der Vergangenheit entsteht. Münzen, Glas, Terrakotten und Terrasigillate sind nicht nur ausgestellt, sondern auch erläutert.

Da großer Wert auf Erläuterung und Illustration gelegt wurde, erfährt der Besucher beispielsweise schnell etwas darüber, welche Götter die römischen Soldaten verehrten, wie die Kaserne, der Dienstplan oder die Ausrüstung der Römer aussahen. Wie könnte Remagen um 200 nach Christus ausgesehen haben, wie sah die Einrichtung eines Hauses inklusive Wandbemalung aus, welche Kleider trug die Dame des Hauses? Das sind Fragen, auf die der interessierte Besucher im Museum in der Kirchstraße höchst eindrucksvoll eine Antwort erhält.

Die Kellerräume sind als Grabstraße hergerichtet. Hier kann man sich unter anderem mit dem Totenkult und den Grabsitten der Römer vertraut machen. Hier hat auch der älteste Remagener Grabfund, ein Soldatengrabstein des Dasmenus aus dem Jahre 40 nach Christus seinen Standort. Aus vielen Einzelheiten ist ein Baumsarkophag aus der Frankenzeit zusammengesetzt.

Im Parterre und im Obergeschoß sind die übrigen Sehenswürdigkeiten sorgfältig und anschaulich geordnet und untergebracht. Ton-und Glasfunde aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten gehören zu den Kostbarkeiten der Ausstellung.

Besondere Beachtung findet jedoch der Eichenpfahl, dessen exaktes Alter von den Wissenschaftlern errechnet wurde und ein Beweis für die 2 000jährige Geschichte Remagens ist.