Die Landmessung von 1792 und andere Bodendorfer Flurvermessungen

Dr. Karl August Seel

Vor 200 Jahren - 1792 - wurde eine neue Vermessung der Bodendorfer Gemarkung angeordnet und durchgeführt. Auftraggeber war Benedikt Freiherr von Clodt, der Landesherr der Reichsherrlichkeit Landskron mit Bodendorf als Haupt- und Gerichtsort. Als Erbfolger der von Quadt und von Brempt war die Familie von Clodt im Jahre 1724 in den Besitz von Bodendorf gekommen. Nach Aussterben dieser Linie (1798) wurde Carl Friedrich vom Stein, der berühmte preußische Staatsreformer (v. Stein-Hardenbergische Reformen), letzter Bodendorfer Landesherr1).

Die Vermessung von 1792 - andere sind ihr vorausgegangen und gefolgt - ist bis heute wirksam. Sie dokumentiert sich u.a. in besonders gestalteten Grenzsteinen, die vereinzelt noch in der Gemarkung stehen. Dort haben sie weiterhin ihre Funktion. Auch jetzt noch, nach 200 Jahren, halten sie Besitzverhältnisse fest und markieren Rechtsgrenzen.

Häufiger jedoch findet man diese Steine in den Altbodendorfer Höfen, Häusern und Gärten. Nach Grenzänderungen wurden sie nach Hause mitgenommen. Hierwurden sie in Einfassungen von Miststätten, in Schuppen alsTürschwellen und Angelsteine sowie in Nischen und Gesimsen eingemauert. In manchen Gärten sind sie als Einzelsteine oder in Gruppen aufgestellt.

Die Flursteine von 1792, auch die der nachfolgenden Jahre, sind in ihrer Form charakteristisch. Während die üblichen Grenzsteine Stükke von Blaubasaltsäulen ohne besondere Merkmale sind, handelt es sich bei ihnen immer um behauene Steine. Sie wurden von Steinmetzen aus Mendiger Basalt geschlagen. Ihre Seiten sind im aufgehenden Teil geglättet, das obere Ende ist gleichförmig gerundet.

Stets sind Zeichen oder Buchstabenkombinationen eingemeißelt, in einem Fall auch der volle Name. Häufig sind Zahlen zugesetzt, die offensichtlich als laufende Nummer Besitzparzellen festlegen. Mit dieser Nummer wurde das Flurstück mit Flächenmaß und Name des Eigentümers in das neu zu errichtende Landmeßbuch eingetragen. Bisher ist lediglich eine Basaltsäule mit eingehauenem Zeichen bekannt geworden (Stein 14).

Anhand der Zeichen und der Besitzer, dort wo eine Zuordnung möglich ist, können drei Besitzgruppen2) festgestellt werden:

  • Gruppe 1 umfaßt herrschaftliche Güter (Steine 1,4, 9)

  • Gruppe 2 kennzeichnet klösterlichen Besitz (Steine 7, 8)

  • Gruppe 3 ist Bodendorfer Bürgern zuzuordnen (Steine 2, 3, 5, 6, 10-16)

Von der Gruppe 3 sind die Steine 2,3,10,11,12 und 16 nach der Säkularisierung des herrschaftlichen und geistlichen Besitzes im Jahre 1804 in französischer und preußischer Zeit gesetztworden. Die Tradition, Steine mit Zeichen in Form und Art der Vermessung von 1792 aufzustellen, ist wahrscheinlich mit der Anlage des Boden-dorfer Urkatasters im Jahre 1828 abgebrochen.

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Alte Bodendorfer Grenzsteine

Stein 1
unbekannt; möglicherweise Zeichen des Kotzguts31 zu Bodendorf; mehrere Steine bekannt, einer im Archiv des Heimat- und Bürgervereins.

Stein 2
Pugge; das »v« ist als »u« zu lesen. Charles Pugge le Pau war Franzose und Schwiegersohn des Franz Burghardt von Koblenz. Dieser erwarb bei der Säkularisation Besitz von Kurpfalz und Kloster Rolandswerth. Pugge war mit Anna, geb. Burghardt verheiratet. Sie wohnten in Bodendorf im Ellig (heute Häuser 6, 8).

Stein 3
Georg Alter; dieser kaufte vor 1824 von Pastor Fey den Nonnenhof (Klosterhof von St. Thomas zu Andernach), heute Gehöft Heinz Giesen, Hauptstraße 102; mehrere Steine bekannt.

Stein 4
unbekannt; wegen des Schildes möglicherweise herrschaftlicher Besitz; das Pentagramm kann auch das Besitzzeichen von Pastor Fey gewesen sein, der dem Freimaurertum nahegestanden haben soll.

Stein 5
nicht eindeutig zu bestimmen; bekannt sind mehrere Steine. In der Liste der "Bodendorfer Einsaßen« von 1791 sind zehn Bürger verzeichnet, deren Namen mit »B« beginnen, darunter fünf Becker.

Stein 6
Bertram Giesen, mehrere Steine bekannt. BG war Besitzer der heutigen Hofanlage »Wie Daheim« (Hauptstraße 80).

Steine 7 und 8

unbekannt; in einem Verzeichnis der Ländereien des Klosters Rolandswerth zu Bodendorf aus dem Jahre 1785 werden u.a. die »CC Minoriten zu Köln« genannt, wobei ein »C« für »Convent« stehen muß. Die Steine mit »CC« und eingeschlossenem »T« könnten Landbesitz des Klosters St. Thomas zu Andernach bezeichnet haben. Das »T« wäre dann von »Thomas« abgeleitet.

Stein 9
Graf von Hillesheim; mehrere Steine. Die v. Hillesheim waren Erblasser der Grafen Spee zu Ahrenthal. Zahlreiche Steine dieser Art sind auch aus anderen Gemarkungen bekannt., in denen Hillesheimer Besitz lag. Dieses Geschlecht war namensgebend für die Bodendorfer Flur »am-, im Hillesheim«.

Stein 10
Dr. Georg Müller, Düsseldorf. Schwiegersohn des Jean Peter Fuchs aus Bonn und Vater des seinerzeit berühmten rheinischen Dichters Wolfgang Müller zu Königswinter. Fuchs ersteigerte 1802 von Freiherr vom Stein den Landskroner Zehnthof in Bodendorf (Hauptstraße 109, 111, 113). Das Haus Hauptstraße 138 wurde später von Müller als Feriendomizil (um 1835) erbaut. Dort ist der abgebildete Stein aufgestellt, zwei weitere sind bekannt.

Stein 11
Gottfried Lade; er erwarb 1818 die Bodendorfer Burg mit ihren Ländereien, die er 1836 bei lebenslangem Wohnrecht wieder verkaufte und 1848 noch bewohnte. Um 1830 war er Ortsvorsteher. Der Stein ist in eine Nische eingemauert (Hauptstraße 128).

Stein 12
Hermens u. Lichtschlag aus Wevelinghoven bei Grevenbroich; diese kaufen nach 1804 den Besitz des Dechanten Radermacher, dessen Vater v. Bremptscher Kellner (Verwalter) und Richter war. Das Gehöft ist der heutige Besitz von H. Strohe, im Ellig 18. Zwei Steine sind bekannt, einer davon im Archiv des Heimat- und Bürgervereins.

Stein 13
Adamus Hart (?); Stein stammt von altem Bodendorfer Landbesitz in der Sinziger Gemarkung. A. Hart ist in den Einwohnerlisten von 1772 und 1791 belegt, sein Sohn Hubert im Urkataster. Ein Nachkomme von ihm erbohrte 1900 und 1913 den Bodendorfer Sprudel.

Stein 14
Matthias Funck (?); Fundumstände nicht eindeutig, wahrscheinlich aber Bodendorf. Matthias Funck war 1791 Bodendorfer Bürger, sein Sohn Hubert ist im Urkataster von 1828 aufgeführt.

Stein 15
Matthias Hüll: auch Matthias v.d. Hüllen, v.d. Hollen; Familie ist von 1578-1828 belegt, wohnhaft im Ellig.

Grenzsteine der Landmessung 1792

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Stein 16
Georg Stockhausen; er ist bei der Aufnahme des Urkatasters (1828) Grundbesitzer, stammte aus Ückerath und soll königlich-preußischer Konsistorialrat gewesen sein. Seine Frau lebte als Witwe in Bodendorf, Heerweg 1 (Haus Beitzel). In einem Anschreibebuch wird sie von 1851-1876 stets als Madame Stockhausen erwähnt. Zusammen mit ihr wird ein Fräulein Steinheuer genannt. Diese war eine Verwandte von Heinrich Steinheuer, einem »Zeitgenössischen Katholischen Dichter Deutschlands«4'. Ein Stein bekannt.

Das bei der Vermessung 1792 errichtete Landmeßbuch ist verschollen. Mit Sicherheit wurde es in französischer und preußischer Zeit benutzt und fortgeschrieben. Es war die Grundlage bei der Errichtung des Urkatasters von 1828 und wurde dann außerkraftgesetzt. Zugleich wurden die alten lokalen Maße - Morgen, Viertel, Ruten, Pinten, Fuß - durch die neuen metrischen Flächenmaße ersetzt.

Die vorgestellten Steine können trotzdem eindeutig dieser Vermessung zugewiesen werden. Im Landskroner Bestand des Landeshauptarchivs Koblenz beweist dies der Entwurf des »Project über die Erneuerung der Landmaaß in der Gemeinde Bodendorf«5'. Darin wird 1792 festgelegt, daß die Gemeinde für das Absteinen der Wege und Pfade sowie des Mühlendeichs »alle bei der Abmeßung nöthige Pfähle, und Scheid Steine unentgeldlich beyzuführen, auch dem Landmesser zu Beyhülfe erforderliche Leute zu stellen« hat (1. Teil, § 9). Für die Grundstückseigentümer wird angeordnet: »Dahingegen zahlen die beerbten alle Meß- und sonstige dahin einschlagende Kosten, als Pfähle-Scheidsteine . . .« (1. Teil, § 10). Weiter heißt es, daß »das gerichtl. alte Lager Buch vom Jahr... und das neue vom Jahr . . . , in so weit jenes mit diesem eingestimmt, wird bey der Messung eines jeden individuelen orts zur grundlage genommen« (2. Teil, § 1).

Im »DritterTeil. VonderwürklichenAbmeßung« wird für die Feldvermessung vorgegeben:

§ 4tens

»Sobald dies geschehen oder auch vorher werden die Steine beygeführt, und nach den ihnen aufgehauenen Zahlen gesetzt.«

§ 13tens »Wenn eine Gewann in dieser Art berichtigt, jedem das seinige eingemessen und das eingemessene durch kennbare Zeichen zergliedert ist, wird mit deranderen Gewann und so fort vorangefahren bis dahin ein ganzer District einer Lage ausgemessen ist«.

Der vorgeschriebene Vergleich der Neueinmessung von 1792 mit den Angaben des alten und neuen Lagerbuchs gibt einen Hinweis auf ältere Bodendorfer Flurvermessungen.

Für die Herrschaft Landskron sind bereits 1371 eine Flächenvermessung in Morgen aus Königsfeld und eine Rutenvermessung beim Bau der Landskroner Kapelle von 1462 belegt6'. Für Bodendorf stammen die ältesten, bisher bekannten Belege für eine aktenmäßige Erfassung von Grundbesitz mit Angaben überGröße und Lasten aus dem 16. Jahrhundert.

1536-1604

Manderscheidtische und Quadsche Akten betr. Güter zu B., teilweise mit Flächenangaben.

1549

Aufnahme des »alt gemein Erbbuch« (s.1625).

1570

Register des Einenberger Besitz in B., aufgenommen durch Peter Jüli-ger und Peter Geseltgen, Steingeschworene von Bodendorf, Flächenangaben (FA): Pinten, Ruten.

1578

Verzeichnis der Pirmonter Erbgüter in B., FA: Morgen, Viertel. Pinten, Fuß.

1625

Register der zur Bodendorfer Burg gehörenden Güter, gemessen und mit dem Landmaß von 1549 verglichen durch Joist Nierendorf, vereidigter Landmesser und Bürgermeister von Remagen. FA: Morgen, Viertel, Pinten, Ruten, Fuß.

1655

Anweisung des Freiherr v. Brempt, was bei »Bodendorfer neuer anzulegender Landmaß« zu beachten ist. Geplante Neuvermessung, 1683 durchgeführt.

1670 Lagerbüchlein des Johann Becker, v. Bremptscher Rentmeister, Kellner und Gerichtsschreiber. Aufnahme und Neuordnung des Landskroner Besitzes nach dem 30jährigen Krieg. FA: Morgen, Viertel. Pinten. Ruten, Fuß.
1683

Aufnahme der »neuen Landmaß«:
»Die Landtmaaß durch die gantze Herrschaft! Bodendorf renoviert, neue Steine gesetzt, neu tax, und Erbbuch aufgerichtet, undt darnach wieder collectiert . . .«. ». . . wird durch den Landmeßer am 6 xbris (Dezember) auffm Kirchhoff vorder gantzen Gemeinden ablesend no-tificiert« und "... nach vorhandenem original alte Erbbuch" . . . »noch laufenden Monats zu allemans wißen bekannt gemacht.« Cölln ahm 18. August 1683, gez. Mauritz Freiherr von Brempt.
Der Vermessungsauftrag wurde im Dezember 1682 an Hilger Becker vergeben, der sich verpflichtete, die ganze Herrschaft Bodendorffür 14 Reichstaler aufzunehmen und das Landmeßbuch zu errichten.

(um 1750)

Extract aus dem Bodendorfer Erbbuch betr. die Herresdorfer Güter in B. FA: Viertel, Finten, Ruten, Fuß. 1750 GerichtsschreiberAdam Becker hat an Unterlagen u.a. ein »gemein alt Erbbuch« und eine »gemein neu Erbbuch mit der landmaß« (d.s.die Landmessungen von 1549 und 1683).

1765 Der Landmesser Valladin hat den Platz gemessen. (Mitteilung an Freiherr von Clodt).
um 1770

Verzeichnis herrschaftlichen und klösterlichen Besitzes in B. FA:
Morgen, Viertel, Finten, Ruten, Fuß. 1785 Güterverzeichnis des Klosters Rolandswerth, über seinen Besitz in B. FA: Morgen, Viertel, Finten.

1792 Neue Vermessung der Bodendorfer Gemarkung auf Weisung des Freiherrn von Clodt7).

Wie die Vermessung der Burggüter im Jahre 1625 durch Joist Nierendorf und die Einrichtung der »neuen Landmaß« im Jahre 1683 durch Hilger Becker zeigen, wurden solche Arbeiten durch Beauftragte des Landesherren oder des Besitzers durchgeführt. Nierendorf war vereidigter Landmesser, bei Becker kann es angenommen werden.

Kleine und routinemäßige Einmessungen bei Besitzwechsel oder Grenzstreitigkeiten wurden durch Steingeschworene ausgeführt. Sie hatten »unrecht peel und stein« (1624) neuzusetzen oder Streit »wegen eines floren oder reyn-steins« (1635),derwiderrechtlich überbaut war, zu schlichten. Ebenso hatten sie die von der »Abtey zu Rolandswerth« . . . »außhenden derer von Quentel überkommenen Conveng Güter zu bodendorf abgesteint«, so u.a. in der Flur Brodtschaff (1747).

Die Steingeschworenen wurden vom Landesherren ernannt und auf ihn vereidigt, zugleich waren sie Mitglieder des Gerichtes. Dies erfahren wir, als beim ungebotenen Gericht 1678 Johannes Kramprich im Namen des Freiherrn v. Brempt anstelle des verstorbenen Engel v.d. Hüllen zum Steingeschworenen berufen wurde. Steingeschworene sind für Bodendorf von 1570-1717 bekannt.

1751 werden Gemeindemänner belegt, die offensichtlich die gleiche Funktion haben. Bei der Grenzbegehung zwischen Westum und Bodendorf unterzeichneten neben Richter, Schultheiß und Schöffen auch die Gemeindemänner Thomas Krupp und Peter Neukirchen das Protokoll. Ähnliches geschah zuvor beim Bau des Backhauses und der Schule (1741). Die Gemeindemänner dabei waren Lambertus Becker und Johannes Welsch81.

Die Landmeßbücher von Bodendorf aus den Jahren 1549, 1683 und 1792 sind verschollen. Vielleicht lagern sie, bisher nicht bekannt, in einem Archiv. Die Landmessung von 1792 wirkt jedoch bis in unsere Zeit hinein, wie die Grenzsteine zeigen.

Anmerkungen:

  1. Seel, Karl August: Die Geschichte Bodendorf s von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert, in: Haffke. J. und Koll, B.: Sinzig und seine Stadtteile - Gestern und heute, Sinzig 1983. S 331-426. spez. S. 420.

  2. Die Steine sind in der Reihenfolge ihres Bekanntwerdens aufgeführt.

  3. Seel, Karl August: Die Hausmarken von Bodendorf, Heimatjahrbuch 1990 Kreis Ahrweiler. S. 153-158.

  4. Keiler, Heinrich (Hrsg.): Zeitgenössische katholische Dichter Deutschlands, Paderborn 1884. S. 89-99 und Müller von Königswinter, Wolfgang: Düsseldorfer Künstler-Album, Düsseldorf 1861. Elfter Jahrgang, S. 7-9.

  5. LHAKo, Bestand 53 C 25, Nr. 3036.

  6. Frick/Zimmer: Quellen zur Geschichte der Herrschaft Landskron a.d. Ahr. Bonn 1966. Nr. 519 und 1366/3

  7. Alle Belege aus LHAKo. Bestand 53 C 25. Nr. 3011 ff

  8. Seel. Karl August: Die Geschichte Bodendorfs a a.O.. S 383. 387 f.