St. Sebastianus-Schützen in Ramersbach

Rudolf Leisen

Im Jahr 1992 wird die Bürgerschaft von Ramersbach mit einer Vielzahl von Maßnahmen und Veranstaltungen daran erinnern, daß hier, seit der ersten urkundlichen Erwähnung vom 19. Mai 992, schon 1 000 Jahre hindurch ein reges dörfliches Leben herrscht. Dies um so mehr, als auch die Pfarrgemeinde »St. Barbara« Ramersbach, deren Gründung am 19. Mai 1662 erfolgte, seit 330 Jahren in die Geschehnisse eingebunden ist.

Ein Doppeljubiläum also, welches sicherlich Grund genug bietet, einmal Rückschau auf den geschichtlichen Ablauf in den vergangenen Jahrhunderten zu halten. Hierbei müssen wir uns zunächst auf die schriftlichen Zeugnisse stützen, die allerdings sehr lückenhaft sind, da bei dem großen Dorfbrand vom 9. April 1736 neben der Kirche und dem Pfarrhaus noch weitere 35 Häuser der verheerenden Feuersbrunst zum Opfer fielen. Bei diesem Brand wurde auch das ganze Pfarrarchiv vernichtet. Wir können heute leider für die Zeit bis zum Jahre 1736 nur noch aus den gelegentlichen Erwähnungen in fremden Dokumenten einen Einblick in unser Dorfgeschehen bekommen.

Unter diesen wenigen Schriftstücken befindet sich ein Testament vom 26. August 1706, in dem unter anderem die Existenz einer Sebastianus-Bruderschaft in Ramersbach schon vorfast drei Jahrhunderten bestätigt wird.

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Siegel der Sebastianus-Bruderschaft in Ramersbach

In Art. 6 ist niedergeschrieben: »Legiere alhiesi-ger bruderschaft S. Sebastian! ein Faselschaf (Zuchtschaf) wie gleychmeßig dan auch eins der Kirchen«. Dieses Testament trägt die Unterschriften: »Christopher Onstein - sein Handmerk (Handzeichen), Eusebius Faber pastor in Kesseling (1696-1724), Johannes Mohr pastor in Ramersbach (1706 -1710)«.

Als Zeugen zeichnen mit ihrem »Handmerk«; »Quirin Müller schultheis, Theis Müller schef (Schöffe) und Laurenz Müller«.

Zudem ist uns auf diesem Testament der einzige bisher bekannte Abdruck von einem Siegel der Sebastianus-Bruderschaft in Ramersbach erhalten, auf dem ganz deutlich ein Schütze mit Pfeil und Bogen dargestellt ist.

Die Menschen suchten zu allen Zeiten in ihrer Not Trost und Hilfe im Gebet und schlössen sich in Gemeinschaften zusammen. In vielen Pfarrorten kam es zur Gründung von Bruderschaften, die teilweise bis heute Bestand haben. Solche, schon seit der karolingischen Zeit unter dem Namen »fraternitatae« bekannten religiösen Gebetsgemeinschaften, erfuhren besonders vom 13. bis 18. Jahrhundert einen gewaltigen Aufschwung, als vielerorts die Hexenverfolgung tobte und manche Familie davon betroffen wurde. Der Glaube an Hexen und Dämonen war so stark verbreitet, daß selbst Fürsten. Ratspersonen und andere ehrenwerte Männer in gutem Glauben an den Folterungen und Hinrichtungen der armen Geschöpfe teilnahmen. Bei der weiteren Suche nach Hinweisen fand ich im Pfarrarchiv Ramersbach einen kleinen Lederband mit vergilbten Blättern, auf denen die Mitglieder der St.-Sebastianus-Bruderschaft Ramersbach niedergeschrieben sind. »Anno 1745 reno vatum der Bruderschaft des Heyligen Sebastiany nach dem Brand wiederumb aufgerichtet zu Ramersbach«, so lesen wir auf der ersten Seite. Dies ist ein deutliches Zeugnis für die im Volk verwurzelte Frömmigkeit.

Auf Seite 10 können wir folgendes lesen: ». . . Hut Dato Am 17. januarius 1753 sint ich Mattheis Schmidt zum Brodermeister gemacht worden als Hauptmann Antonius Schmidt sein Kint...«

Antonius Schmidt war also Hauptmann bei den Ramersbacher Sebastianern. Es gibt allerdings noch weitere Hinweise, die auf ein höheres Alter der Bruderschaft hinweisen.

So ist in einem Visitationsbericht der Pfarrei Blasweiler vom Jahre 1628 (zu der Ramersbach bis 1662 als Filiale gehörte) vermerkt, daß der Schultheiß von Ramersbach ohne Auftrag eine neue Statue des heiligen Sebastianus habe anfertigen lassen und die Blasweilerer darin die Absicht zu erkennen glauben, daß die Ramersbacher die Bruderschaft nach dort übertragen wollten. Ob dies geschah, ist zwar nicht nachweisbar, aber die Verehrung des heiligen Sebastian ist schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt. In der Kanzel der Ramersbacher Kirche ist ein Flachrelief eingearbeitet mit der Jahreszahl 1516, welches den heiligen Sebastian darstellt. Über den tatsächlichen Ursprung und ihr wirkliches Alter herrscht allerdings Ungewißheit.

Eine Überraschung ergibt sich noch aus der Tatsache, daß in Ramersbach, wie heute noch in vielen Städten und Dörfern, ebenfalls am Dreifaltigkeitssonntag der Vogel abgeschossen wurde. Dies wird deutlich aus einem Brief der Reichsfreifrau von Bourscheidt zu Burgbrohl an den Vogt von Neuenahr vom 18. Juli 1749, dessen Inhalt ich hier einmal wörtlich zitieren möchte:

»Demnach die Eingeseßene zu Ramersbach die Anzeige gethan haben, welcher gestalten die der Sebastianischen bruderschaft einverleibte brüder Von undenklichen Jahren her den Vogel in Festo Santißime Trinitatis (Dreifaltigkeitssonntag = Sonntag nach Pfingsten) pflegten abzuschießen, alß wirdt auf beschehenes nachsuchen derselben von seithen Ihro Excel-lency Reichsfreyfrawen von Bourscheidt gebohrenergräfinnen von Schaesberg hiermit verwilliget, daß der Vogel altüblichen gebrauch nach jedoch aber ohne allen Schaden undt nachtheil dasigen gotteshauß und bruderschaft auch mit Vermeidung alles Zanken und schlä-gereyen friedlich in Festo S. Jakobi (= 25. Juli) für dies jähr abgeschoßen werde. Mithin ist gegenwertiges denen Von Ihro Churfürstlich Durchlaucht nachgeordtneten Vögten Bemelten zu presentieren damitt es gleichmeßig unterschrieben werden könne, oderfalß eine haupt ursach solches für dies jähr Völlig zu unterlaßen obhanden seyn dörfte, alß dan der anstand! damit, wie billig genohmen werden könne.«

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Brief von Reichsfrau von Bourscheid zu Burgbrohl an den Vogt von Neuenahr vom 18. Juli 1749

Hier erfahren wir nun erstmals, daß die Mitglieder der St.-Sebastianus-Bruderschaft in Ramersbach »von undenklichen Jahren her« (also vor dem Dorfbrand im Jahre 1736) jeweils am Sonntag nach Pfingsten - so wie dies heute in vielen Orten der Fall ist - den Vogel abgeschossen haben.

Im Jahre 1749 gab es sicherlich einen triftigen Grund dafür, daß der Termin auf den 25. Juli verlegt werden sollte, weshalb die Ramersbacher ein entsprechendes Gesuch eingereicht hatten. Aus den vielen Namen, die in diesem Buch von 1745 bis zur Auflösung der Bruderschaft im Jahre 1893 niedergeschrieben sind, könnte mancher Familienchronist wertvolles Material schöpfen.

Damit ist der Reigen der Beweise geschlossen, daß in Ramersbach zumindest von den Schützenbrüdern der Sebastianus-Bruderschaft, wie heute zum Beispiel noch inAhrweiler üblich, der Vogel abgeschossen wurde.

Statuten waren bei der Wiedererrichtung keine niedergeschrieben worden, auch über den Sinn der Bruderschaft wird nichts berichtet. Sie wird jedoch denselben Zweck verfolgt haben, wie alle anderen religiösen Vereinigungen der damaligen Zeit: Hilfe in allen Nöten des Leibes, Trost im Kreise der Gemeinschaft für die Betrübten und ein regelmäßiges Gebet für die Verstorbenen.

Quellen:

Pfarrarchiv Ramersbach: Bistumsarchiv Trier: Schug, Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier IV Band. Alle hier zitierten Schriftstücke und die Namen der Personen gebe ich bewußt in ihrer uns heute fremd erscheinenden Schreibweise wieder