Erwerbsstruktur und Auspendleranteil des Landkreises Ahrweiler

Guido Kaspari und Kerstin Stühmann

Die nachfolgende Arbeit soll die Situation des Landkreises Ahrweiler als nördlichsten Zipfel des Landes Rheinland-Pfalz bezüglich seiner Wirtschaft, seiner Erwerbstätigenzahl sowie seines Pendleraufkommens und damit seine Abhängigkeit vom Köln-Bonner-Raum aufzeigen.

Zunächst werden die Wirtschaftsbereiche des Landkreises Ahrweiler dargestellt. Die Untergliederung in die verschiedenen Wirtschaftsbereiche wurde analog der Einteilung des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz vorgenommen. Dabei faßt die wirtschaftliche Gliederung ähnliche Wirtschaftszweige zusammen. Sollte ein Betrieb in „mehrere Abteilungen mit unterschiedlichem Produktionsprogramm (z. B. Gießerei und Straßenfahrzeugbau)" oder „in anderer Beziehung (z. B. Autohandel und Autoreparatur)" gegliedert sein, so wird der Betriebsschwerpunkt in den Wirtschaftsbereich aufgenommen (Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, 1987).

Der primäre Bereich umfaßt hier die Land- und Forstwirtschaft sowie die Fischerei. Dieser Wirtschaftsbereich hat im gesamten Landkreis Ahr-weiler mit 3,7 Prozent den geringsten Anteil an den Erwerbstätigen.

Der sekundäre Bereich beinhaltet das Produzierende Gewerbe. Hierzu zählen das Baugewerbe, das Verarbeitende Gewerbe, die Energie- und Wasserversorgung, der Bergbau und das Produzierende Handwerk. Der Anteil des Produzierenden Gewerbes an den Erwerbstätigen beläuft sich auf 35 Prozent und ist somit der zweitstärkste Wirtschaftssektor des gesamten Landkreises.

Den tertiären Bereich machen die Dienstleistungen wie Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung aus. Diesem Wirtschaftsbereich kommt mit einem Anteil von 16 Prozent an den Erwerbstätigen eine mittlere Bedeutung zu.

Unter sonstige Wirtschaftsbereiche fallen alle übrigen Dienstleistungen, z. B. von Verwaltungen, Bildungs- und Schulwesen sowie freien Berufen (Ärzte, Rechtsanwälte, usw.). Mit einem Anteil von 45 Prozent an den Erwerbstätigen des Landkreises kommt diesem Bereich die größte Bedeutung zu.

Die oben aufgezeigte prozentuale Verteilung der Erwerbstätigen auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche findet sich weitgehend in den Verbandsgemeinden, Gemeinden und Städten des Landkreises Ahrweiler wieder.

Große Schwankungen treten jedoch bei dem Anteil der Berufspendler an der Zahl der Erwerbstätigen der jeweiligen Verbandsgemeinde, Gemeinde oder Stadt auf. Dieser Sachverhalt kommt in den verschiedenen Graustufen der administrativen Einheiten der Karte zum Ausdruck. Generell läßt sich sagen, daß die Erwerbstätigen der weiter in der Eifel gelegenen Verbandsgemeinden unter die Berufspendler fallen, da hier der Arbeitsmarkt nicht in der Lage ist, qualitativ und quantitativ ausreichende Arbeitsmöglichkeiten zu stellen. Die Berufspendler der rheinnahen Verbandsgemeinden und Städte nutzen ihre günstige Anbindung an umliegende Städte und Landkreise.

Im unteren Bereich liegt die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler mit einem Anteil von weniger als 45 Prozent der Berufspendler an den Erwerbstätigen. Gründe dafür sind der Ausbau der Stadt zum bedeutendsten rheinland-pfälzischen Heilbad und zum größten Fremdenverkehrsort des Landes. Diese Faktoren liefern ausreichend qualitative und quantitative Arbeitsplätze, u. a. im Dienstleistungsbereich, so daß Pendelwanderungen zurücktreten.

In die zweite Klasse mit 55-65 Prozent Anteil der Berufspendler an den Erwerbstätigen fallen die Verbandsgemeinden Adenau und Bad Breisig sowie die Städte Remagen und Sinzig. Die Verbandsgemeinde Adenau weist den höchsten Erwerbstätigenanteil ( = 7,3 Prozent) des Landkreises Ahrweiler in der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei auf. Auch der Anteil der Erwerbstätigen im krisen- und konjunkturanfälligen sekundären Bereich ist im Vergleich zu den übrigen Verbandsgemeinden, Gemeinden und Städten des Landkreises Ahrweiler relativ hoch. Beide Fakten können zur Erklärung des Auspendleranteils herangezogen werden. Hierbei mußjedoch berücksichtigtwerden, daß sich die Berufspendler der Verbandsgemeinde Adenau aufgrund ihrer ungünstigen Ver-kehrsanbindungen an den Köln-Bonner-Raum eheran nähergelegenen Zielorten wie den Landkreis Mayen-Koblenz oder Bad Neuenahr-Ahr-weiler orientieren dürften. Obwohl bei der Verbandsgemeinde Bad Breisig sowie den Städten Remagen und Sinzig der Dienstleistungsbereich dominiert, weisen sie einen relativ hohen Anteil an Berufspendlern auf. Das läßt sich durch die Anbindung an die Bundesstraße 9, die Bundesautobahn 61 sowie die Eisenbahnstrecke entlang des Rheins erklären, mit denen eine enge Verbindung zum Köln-Bonner-Raum sowie den südlich anschließenden Landkreisen oder Städten gegeben ist.

In die nächsthöhere Klasse mit einem Anteil von 65-75 Prozent der Berufspendler an den Erwerbstätigen fallen die Verbandsgemeinden Al-tenahr und Brohltal. Die Verbandsgemeinde Altenahr ist überwiegend durch Fremdenverkehr und zum Teil durch Weinbau geprägt. Berufspendler mit dem Ziel Bad Neuenahr-Ahr-weiler gelangen über die Bundesstraße 267 dorthin, Berufspendler mit dem Ziel Köln-Bonner-Raum sind an die Bundesstraße 257 gebunden. Die Zielorte der Berufspendler der Verbandsgemeinde Brohltal orientieren sich zum einen an den südlich an den Landkreis Ahrweiler angrenzenden Landkreis Mayen-Koblenz sowie der Stadt Koblenz. In nördliche Richtung ist es die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler sowie der Köln-Bonner-Raum. Ausschlaggebend hierfür istwieder die günstige Verkehrsanbindung durch die Bundesautobahn 61.

Landkreis.gif (86316 Byte)

 

Legende.gif (31595 Byte)

Auffällig dagegen ist der hohe Anteil der Berufspendler an den Erwerbstätigen der Gemeinde Grafschaft. Dieser Wert beträgt, trotz Dominanz des Dienstleistungsbereichs, mehr als 75 Prozent. Maßgeblich dürfte auch hier die Nähe des Köln-Bonner-Raumes sein.

Darüber hinaus verdeutlicht die Karte den Strom der Berufspendler aus dem Landkreis Ahrweiler in die umliegenden Regionen. Bestand in der vorindustriellen Gesellschaft eine Einheit von Wohn- und Arbeitsplatz, so ist das heutige So-zialgefüge seit den Vor- und Frühphasen der Industrialisierung durch eine Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz geprägt. Daraus resultieren die sogenannten Berufspendler, die zu einem erheblichen Teil am gegenwärtig hohen Verkehrsaufkommen beteiligt sind. Die zu überwindende Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort, die sogenannte Aktionsreichweite, erfuhr eine wesentliche Ausdehnung mit dem Aufkommen des Kraftfahrzeugs. Diese Aktionsreichweite wird durch den Zeitaufwand und die Kosten begrenzt, die von den Erwerbstätigen täglich aufgewendet und als erträglich angesehen werden müssen. Beide Faktoren müssen sich z. B. durch einen entsprechend höheren Lohn oder Gehalt aufrechnen.

Nach Klingbeil (1969) lassen sich zwei „Gründe" für das Pendeln anführen:
Vorstellung von einem besseren Wohnort
Vorstellung von einem besseren Arbeitsort

Wohnen im „Grünen" sowie der Wunsch nach Eigenheim, verbunden mit niedrigen Bodenpreisen begründen die Vorstellung von einem besseren Wohnort. Räume mit einem differenzierten (Über-)Angebot an Arbeitsplätzen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht bestimmen die Vorstellung von einem besseren Arbeitsort.

Von den rund 47 000 Erwerbstätigen des Landkreises Ahrweiler fallen 14 802 Erwerbstätige (= 32 Prozent) in die Sparte der Berufspendler. Dabei verteilen sie sich auf folgende Zielorte:

47,3%

(6998)

nach Bonn

12,0%

(1781)

in den Rhein-Sieg-Kreis

8,3%

(1234)

nach Köln

4,0%

(588)

nach Euskirchen

71,6% (10601) in den Köln-Bonner-Raum
12,1% (1801) nach Mayen-Koblenz
5,2 % ( 767) nach Koblenz
2,5 % ( 364) nach Neuwied
8,6% (1269) sonstige Zielorte

Der Hauptstrom, so geht aus Tabelle und Karte hervor, ist dabei nach Norden gerichtet: auf Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis. Ausschlaggebend sind Arbeitsplätze bei Bundesbehörden, Botschaften, überregionalen Medien und Verbänden. Insgesamt werden rund 54.800 Personen von diesen Institutionen beschäftigt, davon stammen ca. 40.000 aus Bonn und ca. 8.800 aus dem Landkreis Ahrweiler.

Daraus folgt, daß fast die Hälfte aller einpendelnden Erwerbstätigen aus dem Landkreis Ahrweiler stammen. Es zeigt sich, daß der Land-kreisAhrweiler, obwohl zum Bundesland Rheinland-Pfalz gehörend, eine ähnlich hohe Abhängigkeit von Bonn und seinen Ministerien, obersten Bundesbehörden und nachgeordneten Stellen sowie Landesvertretungen hat wie z. B. der direkt an die Stadt Bonn angrenzende Rhein-Sieg-Kreis. Nachdem durch Parlamentsbeschluß die Frage des Sitzes von Bundestag und Kernbereichen der Bundesregierung zugunsten Berlins entschieden wurde, kommt es nun darauf an. in welchem Umfang die an den Regierungssitz gebundenen Institutionen nach Berlin verlegt werden. Es bleibt die Frage, ob die verbleibenden Behörden und die von der Regierung in Aussicht gestellten Ausgleichsmaßnahmen für die betroffenen Regionen ausreichend sind.

Literatur:

Klingbeil. Detlev. Zur sozialgeographischen Theorie und Erfassung des täglichen Berufspendeins. In: Geographische Zeitschrift. 57. 1969
Kuls. Wolfgang, Bevölkerungsgeographie Stuttgart. 1980
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen
Bevölkerung. Privathaushalte und Erwerbstätige. Sonderreihe zurVolkszählung 1987 in Nordrhein-Westfaien. Bd. 11. Düsseldorf, 1989.
Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (Hrsg.', Volks- und Berufszählung 1987. Bad Ems. 1989,
Statistisches Bundesamt Rheinland-Pfalz. Pendelwanderung 1987, Bad Ems, 1989