Zur Siedlungsgeschichte von Beller

Ottmar Prothmann

Zu den zahlreichen Orten in der Region Ahr-Eifel, die im Jahre 1993 aufgrund einer Erwähnung im Prümer Urbar ihr elfhundertjähriges Bestehen feiern konnten, gehört auch der kleine Ort Beller im Osten des Kreises Ahrweiler. Das Dort liegt 210 Meter über dem Meeresspiegel am Fuße eines langen Südhanges und bildet zusammen mit Ringen und Bölingen eine gemeinsame Feldgemarkung, eine Pfarrei und eine Gemeinde bzw. seit 1974 einen Ortsbezirk innerhalb der neugebildeten Großgemeinde Grafschaft. Die Zusammengehörigkeit dieser drei Dörfer reicht bis in die Anfänge der schriftlichen Überlieferung zurück. Die Pfarrei ist bereits im Jahre 1136 nachweisbar.1) 1372 wird das Kirchspiel zur Grafschaft Neuenahr gezählt2) und bleibt bei dieser Grafschaft bzw. beim späteren Amt Neuenahr bis zum Ende des Alten Reiches.

Die Anfänge

Bei den sehr fruchtbaren, tiefgründigen Lehmböden rund um Beller ist es wahrscheinlich, daß schon früh in der Menschheitsgeschichte der Boden vom Wald befreit und bearbeitet wurde. Erste erkennbare Siedlungsspuren stammen allerdings erst aus der Römerzeit. Am Südhang oberhalb von Beller liegen im Feldbereich „Am Wattes" unter der Erdoberfläche die Reste eines ausgedehnten römischen Landgutes.3) Auch im Bezirk „Auf der krausen Hecke" nordwestlich von Beller, finden sich auf einer kleinen Fläche die typisch römischen Dachziegel. Hier dürfte allerdings nur ein kleines Gebäude gestanden haben.

Über die erste Besiedlung des Dorfes Beller liegen keine Nachrichten vor. Oft kann der Ortsname einen Hinweis auf die Entstehungszeit geben, doch hilft er in diesem Fall nicht weiter. Ausgehend von den ältesten Belegen, 893 „Belnere" und 1240 „Belre",4) bieten sich folgende Erklärungen: Eine Ableitung von dem Wort „Belenovillare (Gutshof des Galliers Belenos) oder „Bellen wilere" (zum schönen Gutshof) oder schließlich Zurückführung auf „Belenari" mit der Bedeutung „Weißpappel-Leute", also Leute, die bei einer Weißpappel wohnen. Zugrunde läge dann für Weißpappel das rheinfränkische Wort „Belle".5) Welche Erklärung die Wahrheit trifft, wird sich wohl nicht herausfinden lassen.

Größe des Dorfes

Eine Urkunde vom Jahre 1136 bezeichnet Beller als größeren Teil der Pfarrei (major pars parochiae), bestehend aus den drei Dörfern Ringen, Beller und Bölingen. Das ist erstaunlich, zumal Beller heute mit Abstand der kleinste dieser drei Orte ist. Die Gesamtzahl der Einwohner für alle drei Dörterdürtte für jene Zeit mit hundert Personen eher zu hoch als zu niedrig angesetzt sein, denn 500 Jahre später, im Jahre 1600, standen in der Pfarrei Ringen rund 32 Wohnhäuser.6) Erfahrungsgemäß läßt das auf eine Einwohnerzahl von etwa 160 Personen schließen, wohlgemerkt in allen drei Dörfern zusammen. 1676 sind hier 150 Kommunikanten, was rund 200 Einwohnern entspricht.7) Im 18. Jahrhundert, als in hiesiger Gegend die Kriege ausblieben und wirtschaftliche Verbesserungen eintraten, wuchsdie Bevölkerung noch stärker, so daß man im Jahre 1786 schon 333 Menschen in 68 Häusern zählte.8) Für das Jahr 1796 liegt auch erstmals eine Statistik für Beller vor, nämlich 13 Häuser und 83 Einwohner.9) Im Jahre 1993 zählt Beller 51 Häuser und 169 Einwohner.10)

Adelige und geistliche Besitzungen

Im vierten bis fünften Jahrhundert waren die Römer von den Franken verdrängt worden. Ob der römische Gutshof oberhalb von Beller während der langen kriegerischen Auseinandersetzungen abbrannte oder ob er danach noch genutzt wurde, wird sich erst nach einer archäologischen Untersuchung zeigen.

Im Prümer Urbar von 893 wird auch eine Hofstelle in „Belnere" genannt.11) Außer dieser kurzen Nachricht, mit der Beller zum ersten Mal in der Geschichte namentlich auftaucht, erfahren wir keine weiteren Einzelheiten. Wie lange Prüm

den Besitz behielt, ist aus den überlieferten Quellen nicht mehr zu beantworten.12)

Recht gut sind wir dagegen über einen anderen Hof informiert, den im Jahre 1136 die Abtei Klosterrath ihrem neu gegründeten Tochterkloster Marienthai an der Ahr zu Beller schenkte. Bis zur Säkularisation 1802, als das Kloster aufgehoben wurde, blieb er in dessen Besitz13) und wurde in dieser langen Zeit von Halfen bewirtschaftet, die in der Gemeinde in hohem Ansehen standen und vielfach als Inhaber kirchlicher und gemeindlicher Ehrenämter im Kirchspiel Ringen füngierten.14) Den zweitletzten erhaltenen Pachtvertrag schloß das Kloster am 3. März 1772 auf zwölf Jahre mit den Eheleuten Jörgen Geuer und Maria Ulrich ab. Jährlich hatten sie an Martini 40 Malter Roggen, 5 Malter Weizen, 2 Malter Erbsen, 2 fette Schweine zu je 180 Pfund, 2 Kälber, 2 Hammel, 15 Maß Butter, 2 Hut weißen Zucker von je vier Pfund und 1 Pfund ungestoßenen Pfeffer nach Marienthai zu liefern. Außerdem sollte Jörgen Geuer jährlich zwei Fuhren Steinkohle von Klosterrath oder anderswo abholen und auch bei der Weinlese die Trauben herbeifahren.15) In den schriftlichen Quellen wird der freiadelige Hof als „villa Mariana" (1719) oder „villa Beller" (1798,1805) genannt.16) Heute heißt er „Bellerhof". Die Gebäude des Hofes an der heutigen Kleegartenstraße waren nach der Tranchotkarte von 1808/10 und der Katasterkarte von 182417) doppelt so groß wie alle anderen Höfe des Dorfes. Anders als heute schlössen sich damals die Wirtschaftsgebäude östlich an das Wohnhaus an und reichten bis zur Heppinger Straße.

Rund ein Dutzend Urkunden weisen weiteren adeligen und geistlichen Hofbesitz in Belleraus. Bei näherer Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse der Besitzer18) und Pächterfamilien sowie weiterer Hinweise zeigt sich jedoch, daß alle diese Nachrichten sich nur auf einen einzigen Hof beziehen. Die älteste Urkunde datiert von 1375. Am 28. März dieses Jahres erklärt Johann von Weysben, daß er seinen Hof zu „Belre" mit Ackerland, Hauswiesen (Peschen). Wiesen und Büschen dem Ritter Tillmann von dem Vorst und seiner Frau Liese verkauft habe.19) Im Jahre 1425 besitzt Siegfried Walpode von Bassenheim einen Anteil an diesem Hof.20) Als im Jahre 1468 die Herren und späteren Herzöge von Arenberg den „Turm" in Ahrweiler mit allen zugehörigen Gütern erbten, wurden sie auch Besitzer der hierzu zählenden Höfe in Beller und Ringen. Damit erhielten sie nicht nur zwei wirtschaftlich bedeutende Höfe in der Gemeinde, sondern erreichten es auch, daß sie zeitweise, abwechselnd mit den Grafen von Blankenheim, die Ringener Pfarrstelle besetzten. Rund 350 Jahre blieben sie Eigentümer dieser Güter. Wie damals üblich, bewirtschafteten sie die Höfe nicht selbst, sondern belehnten damit andere Adelige, die dann in den Urkunden als Besitzer auftreten, oder verpachteten sie direkt an die Bauern. So erhielten am 25. November 1582 Jakob Krupp und seine Ehefrau Guytgen diesen Hof als Lehen. Jährlich mußten sie 31 Malter Roggen, 2 Malter Weizen und 1 Malter Erbsen in Ahrweiler Maß an den „Turm" nach Ahrweiler liefern. 1604 werden die Brüder Conradt und Jacob Conrads, deren Vater in Hoffeld lebte, als Pächter genannt.21)

Im Jahre 1526 erbte Dietrich von Nagel das Haus in Ahrweiler, genannt der „Turm", mit allem Zubehör, darunter den Hof in Beller. Eigentümer blieben aber weiterhin die Arenber-ger. 1592 finden wir Dietrich von Metternich als Besitzer des Hofes zu Beller, der damals jährlich 28 Malter Roggen und 17 Malter Hafer einbrachte.22) Genau 20 Jahre später zählte die AhrweilerGilde-Bruderschaftdiesen „Nagel-Hof" zu ihrem Besitz.23) Im Jahre 1662 besaß ihn Freiherr Hartard Gottfried von Stein-Callenfels, Oberst im Dienst der Vereinigten Niederlande und Kommandant zu Maastricht. Er wird diesen Hof, wie andere Besitzerauch, wohl kaum selbst betreten haben. In dem genannten Jahr hatte er ihn für 28 Malter Roggen und 14 Malter Hafer verpachtet. Seine Erben verkauften den Hof im Jahre 1700 an die Abtei Steinfeld, die damit ihren Besitz in dieser Gegend abrundete, denn sie besaß schon in den Nachbardörfern Ben-gen, Karweiler, Lantershofen und Fritzdorf Höfe, Ackerland, Weingärten und Zehnteinnahmen. In Bengen und Fritzdorf stellte die Abtei aus der Reihe ihrer Mönche über Jahrhunderte den jeweiligen Pfarrer.24)

Pächter des Hofes in Beller waren Mitte des 18. Jahrhunderts Johann Kohlhaas und Katharina Conrads. Nachdem Johann Kohlhaas verstorben war, schloß Katharina 1766 allein einen weiteren zwölfjährigen Vertrag mit der Abtei. Schon vier Jahre später starb auch sie im Alter von 57 Jahren an einem bösartigen Fieber. Nach dem Pachtvertrag mußte sie 26 Malter Roggen und 14 Malter Hafer jährlich an Martini nach Ahrweiler in den Stadthof der Abtei bringen. außerdem einen wohlgenährten Hammel oder ein fettes Kalb. ferner 1 Reichstaler an die Abtei zahlen, den Ahrweiler Wingertspächtern der Abtei helfen und jährlich eine Weinfuhre machen25)

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Der Bellerhof am nordwestlichen Dorfrand (um 1957)

Leider läßt sich die Lage des Hofes noch nicht festlegen. In Frage kommen am ehesten die Häuser Heppinger Straße 76 (Hecker) und Ziemesgartenstraße 5 (Mund).

Besitzungen in Beller hatte auch die Ahrweiler Gilde- bzw. St. Laurentius-Bruderschaft. Daß ihr 1612 der Arenberger Hof gehörte, wurde schon erwähnt. Daneben besaß sie schon früher andere Liegenschaften und Einkünfte, die sie zur Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben verwendete. Sie unterstützte unter anderem auch die armen Pilger, die auf deran Beller vorbeiführenden Fernstraße nach Aachen zogen (nachgewiesen für 1505).26) Die Gilde hatte im Jahre 1506 von einem Priester namens Petrus Heimps. Altarist in der Pfarrkirche zu Ahrweiler. Einkünfte aus dessen Gütern zu Beller erhalten, die dieser wiederum von einem Mann aus Beller mit Namen Bersche bekommen hatte.27) Im Jahre 1599 betrug der Besitz der Gilde zu Beller 13 1/ 2 Morgen28) (Hier wie nachfolgend sind jeweils alte Morgen zu 32 Ar gemeint). Das Land war jedoch nicht Eigentum der Gilde, sondern ein Lehen des Bonner Cassiusstifts.29) dessen Besitz bei „Belre" im Jahre 1477 mit zehn Morgen angegeben wird.30)

Im Zuge der Säkularisation wurden die geistlichen und adeligen Höfe vom französischen Staat eingezogen und veräußert. Den Bellerhof des Klosters Marienthai mit Haus. Scheune, Ställen, einem Garten, vier Wiesen (0.79 ha) und 60 Ackerparzellen (50.84 ha) kauften am 31. Juli 1806 Johann Peter Krämer und Michael Geuer, beides Bauern aus Beller. Die Nachkommen besitzen den Hof noch heute. Die Ländereien des Herzogs von Arenberg in Beller - von einem Gehöft ist keine Rede - waren in zwei Teile zu etwa je elf Hektar geteilt und an die Bauern Johann Joseph Kohlhaas und Johann Wilhelm Schmilz verpachtet. Sie wurden zwischen 1806 und 1813 vier bzw. fünfmal zum Verkauf angeboten. Den ersten Teil kaufte 1811 Christian Koch aus Bonn, der zweite Teil blieb 1813 noch unverkauft im Besitz von Johann Brück.31)

Der Siedlungsraum

Die bruchstückhaft überlieferten Quellen über diese beiden Höfe enthalten keine Nachrichten über den Siedlungsraum. Einer mündlichen Überlieferung zufolge soll der Ort früher an anderer Stelle gelegen haben und nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg am heutigen Platz wieder aufgebaut worden sein. Die frühere Ortslage wird unterschiedlich östlich oder südlich des Dorfes im sogenannten „Kappesgarten" angegeben. Bestätigung findet diese mündliche Überlieferung nach Meinung der Dorfbewohner durch verschiedene Funde von Münzen, Ziegeln, und Mauerresten in den Bereichen „im grünen Weg" oder „in der Hüllen"32) Welches Schicksal das Dort im Dreißigjährigen Krieg hatte, ist in schriftlichen Quellen nicht überliefert, jedoch wurde der Ort 1690 während der Reunionskriege Ludwig XIV. von französischen Soldaten in Brand gesetzt.33) Daß er nach dieser Katastrophe oder irgendwann vorher vollständig verlegt wurde, ist wenig wahrscheinlich, auch wenn ähnliches von den Nachbardörfern Eckendorf und Oeverich mündlich überliefert wird. Fest steht allerdings, daß westlich und südlich von Beller weitere Siedlungsplätze lagen, die irgendwann aufgegeben wurden.

Noch in jüngster Zeit stieß man auf einem Feld südöstlich des Dorfes - heute steht hier eine Obstplantage - beim Pflügen immer wieder auf Fundamente. Deutlich zeichneten sich zwei nebeneinanderliegende Gebäudeteile ab, von denen der größere die Ausmaße von etwa 9x10 Meter hatte.34) Daß hier ein Wohnplatz war, wird durch den Flurnamen „Auf dem Krämer" bestätigt. Unwillkürlich muß man an den unten genannten Händler Krämer denken, dessen Haus hier vielleicht im ausgehenden Mittelalter gestanden hat.

Eine kurze Wegstrecke weiter in Richtung Ben-gen, aber noch zur Gemarkung Ringen gehörig und in der Vergangenheit oft dem Dorf Beller zugerechnet, liegt ein weiterer Siedlungsplatz, der lange wüst gelegen hatte. Es ist die heutige Graßmühle. Im Jahre 1590 hatte der Ölschläger Adam die Erlaubnis erhalten, eine Ölmühle an den Bach zu setzen. Sie war 1728 schon wieder untergegangen und wurde erst 1835 als Getreidemühle wieder errichtet.35)

Die älteste bekannte Darstellung des Dorfes Beller auf der Tranchotkarte von 1808/10 zeigt den Ort in der heutigen Lage. Außerhalb der Ortslage sind keine Gebäude verzeichnet. Damals hatte das Dort auch bereits die heutige Ausdehnung, wobei die einzelnen Höfe durch Gärten und Wiesen voneinander getrennt lagen. Diese lockere Bebauung ist auch heute noch charakteristisch für Beller, wenn auch in den letzten Jahren die Lücken sich immer mehr zu schließen beginnen. Aber eine so dichte Bebauung, wie etwa in den Nachbardörfern Ringen und Oeverich, wo die Straßen von geschlossenen Häuserfronten begleitet werden, ist hier nur in Ansätzen zu sehen. Rund um den Ort lagen wie heute ausgedehnte Ackerfluren. Die Wiesen und Weiden, wahrscheinlich teilweise mit Obstbäumen bestanden, befanden sich im Ortsbereich sowie südlich des Dorfes und am Bellerhof. Dort lagen auch zwei große Weiher, die wohl zur Fischzucht dienten. Ein eigentlicher Brandweiher mit einem ausgemauerten Bassin wurde 1889 neben dem Haus Heppinger Straße 76 angelegt,36) nach dem Ersten Weltkrieg aber auf Befehl der amerikanischen Besatzung zugeschüttet.37) Einen neuen Brandweiher grub man 1943, während der drohenden Luftgefahr im Zweiten Weltkrieg, in den Wiesen am südwestlichen Rand des Dorfes.38)

Verkehrsverbindungen und Dorfstraßen

Überörtliche Verkehrswege und Einrichtungen prägen die Umgebung von Beller seit langer Zeit. Zuerstwar es die Aachen-Frankfurter Heerstraße, die seit frühesten Zeiten nördlich des Dorfes über den Höhenzug lief, vor Juni 1914 wurde dann die erste Hochspannungsfernleitung über diesen Höhenzug geführt39), der zwei weitere mit höherer Leistung 1923 und 1926 folgen sollten,40) und schließlich baute man in den Jahren ab 1918 südlich des Dorfes die Eisenbahnlinie von Ringen nach Sinzig.41) Sie wurde nicht beendet und diente später der 1975 fertiggestellten linksrheinischen Autobahn 61 als Trasse.

Die Aachen-Frankfurter Heerstraße42) verlief parallel zur Gemarkungsgrenze. Sie war eine der wenigen Fernstraßen des Alten Reiches und bestand schon zur Zeit Karls des Großen um 800. Erst im vorigen Jahrhundert verlor sie durch den Bau neuer Chausseen und Eisenbahnlinien ihre Bedeutung. Als Handelsstraße, Pilgerweg und Heerstraße besaß sie große Bedeutung. Auf ihr verlief auch die um die Wende des 16. Jahrhunderts eingerichtete älteste deutsche Postroute. Wenn auch über diese Straße Scharen von Reisenden zogen, so ließen sich doch selten Fremde in Beller nieder, wie die ab Mitte des 17. Jahrhunderts geführten Kirchenbücher ausweisen. Man blieb unter sich und heiratete im engsten Kreis.

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Hofanlage Heppinger Straße 70 (um 1957). Das Wohnhaus wurde 1864 erbaut.

Und doch gab es immer wieder Einwohner, die über den dörflichen Horizont hinaus wirkten. Unter den rheinischen Städten und Dörfern, die im Warenverkehr mit Antwerpen genannt werden, tauchtauch Bellerauf. Im Jahr 1513 gingen nicht nur Heringe, Bücklinge, Stockfisch, Öl, sondern auch Trauben und Feigen von dort „vers Beller dans le pays de Juliers", womit nur dieses Beller gemeint sein kann, denn im Jülicher Land gab es keinen weiteren Ort dieses Namens. Nur in Westfalen liegen noch zwei gleichlautende Orte. Die genannte Ware war Eigentum eines dortigen Bürgers „Coenrad de Cremer", also wohl des Krämers Konrad, der sich eines Fuhrunternehmers bediente.43) Die günstige Lage des Dorfes an der Fernstraße, vergleichbar dem Standortvorteil des Grafschafter Gewerbegebietes direkt an der Autobahn, war für einen größeren Handel sicher förderlich. Der aus der Berufsbezeichnung „Krämer" hervorgegangene Familienname gehört übrigens zu den ältesten Namen des Dorfes.

Vom Herbst bis zum Frühjahr waren die Fernverbindungen für schwer beladene Fuhrwerke oft kaum befahrbar. Das galt erst recht für die Ortsverbindungen und Dorfstraßen. Ein systematischer Ausbau und eine Befestigung mit Basaltschotter begann erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Durch Beller liefen damals die Ortsverbindungen Ringen-Oeverich, ferner die „Fritzdorf-Ahrweiler Straße" über Ziemesgartenstraße, Tintenstraße und Fritzdorter Weg und schließlich derWeg von Gelsdorf nach Leimersdorf über die Kleegarten-, Heppinger Straße und Bäumchenstraße. Viele Ortsverbindungen hatten damals einen anderen Verlauf als heute. Zuerst wurde die Straße von Ahrwei-ler nach Fritzdorf auf dem Streckenabschnitt Fritzdorfer Weg bis zur Gemarkungsgrenze nahe der Windmühle in den Jahren 1858 bis 1868 ausgebaut und befestigt. Der Ausbau dauerte so lange, weil er in Eigenleistung geschah.44) Dann erfolgte der Neubau der Strecke Beller-Oeverich, die eine neue Führung erhielt. Zuerst verlief sie von der Heppinger Straße über die Bäumchenstraße, knickte etwa hinter den letzten heute dort stehenden Häusern nach links ab, um geradewegs auf die Höhe bis zur Gemarkungsgrenze zu führen. Der weite Bogen wurde durch eine fast gerade Linienführung ersetzt. In den Jahren 1868/69 erfolgte der Ausbau bis auf die letzten 278 Meter auf der Höhe, die über zehn Jahre liegenblieben, da ein Anlieger kein Land verkaufen wollte. Erst nachdem ein Enteignungsverfahren eingeleitet worden war, einigte man sich gütlich, und der Rest wurde 1880 fertiggestellt.45) In den Jahren 1910-1912 erfuhr diese Straße als eine der ersten Kreisstraßen einen erneuten Ausbau, der den gestiegenen Ansprüchen gerecht wurde. Dabei wurde sie auf der östlichen Seite mit Apfelbäumen bepflanzt.46) 1928 wurde sie im Dorfbereich geteert.47)

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Das Haus Ziemensgartenstraße 8 aus dem 18. Jahrhundert mit jüngeren Anbauten.
Der Torbau wurde nach einer Inschrift im Jahre 1855 von Johann Peter Kohlhaas und Maria Catharina Klein errichtet.

Von den anderen Dorfstraßen wurde der Bereich Weidgen- und Ziemesgartenstraße bis zur Einmündung der Tintenstraße im Jahre 1875 zum ersten Mal mit einer Schicht aus Basaltschlag befestigt und die Straßenrinnen gepflastert.48) Diesen Straßenbereich nannte man damals „hintere Dorfstraße", denn die heutigen Straßennamen wurden erst 1936 vergeben.49)

Ziegelbauten

Bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts waren alle Häuser des Dorfes aus Fachwerk errichtet. Dann lösten Ziegelsteine, die in den Städten schon vorher verwandt worden waren, auch auf dem Land die Fachwerkbauweise ab. Man stellte die Steine auf den Feldern selbst aus Lehm her. In den Jahren 1856 bis 1874 ziegelte Wilhelm Krämer, Besitzer des Bellerhofes, mehrmals auf verschiedenen Stellen in der Nähe seines Hofes und südlich des Dorfes. Dort schien der Lehm zurZiegelherstellung von geeigneter Qualität zu sein, da auch andere in dieser Zeit dort Ziegelfelder einrichteten.50) Die Ziegel verwendete Krämer offensichtlich, wie man heute noch sehen kann, zum Bau der großen Wirtschaftsgebäude.

Als um die Jahrhundertwende Bimssteine aus der Neuwieder Gegend begannen, die Ziegelsteine als Baumaterial abzulösen, ging die kurze Ziegelbauperiode zu Ende. Als Zeugnisse aus dieser Zeit stehen in Beller außer den genannten Wirtschaftsgebäuden des Bellerhofes noch eine Reihe weiterer Gebäude. Auffallend ist das stilgerecht erhaltene Haus Heppinger Straße 70 (Müllenbruck), das 1864 von dem Ehepaar Johann Joseph Kohlhaas und Helena geb. Kaiser in einem Obstgarten errichtet wurde.51) Dieses Ehepaar errichtete ebenfalls aus Feldbrandziegeln in den Jahren 1868/69 die Josephkapelle. Am 5. Juli 1870 wurde sie eingeweiht, nachdem sie kurz zuvor in das Eigentum der Pfarrgemeinde übergegangen war.52)

Ein weiteres nennenswertes Bauwerk ist eine lange Mauer, die das Bild der Kleegarten- und Heppinger Straße prägt.

Wasserversorgung

In Bezug auf die Wasserversorgung änderte sich in Beller, wie in etlichen anderen Dörfern der Grafschaft, über tausend Jahre nichts, denn bis vor 30 Jahren schöpfte man das gesamte Wasser für Mensch und Vieh wie seit den Anfängen der Besiedlung aus den Brunnen. Als einzige Verbesserung waren Pumpen auf die Brunnenschächte gesetzt worden. Wer keinen eigenen Brunnen besaß, war auf die Nachbarschaft oder einen der drei öffentlichen Brunnen angewiesen. Sie lagen vordem Hause Heppinger Straße 76, unterhalb des Hauses Ziemesgartenstraße 5 und zwischen den Häusern Heppinger Straße 58 und Zweigstraße 3.

Als Erinnerung an diese Zeit ist eine gußeiserne Pumpe erhalten worden und steht heute unter der 1913 gepflanzten Kaiserlinde53) an der Ecke von Heppinger Straße und Kleegartenstraße. Erste Bemühungen um eine Wasserleitung begannen im Jahre 1899, als Ringen bereits eine Wasserleitung besaß und Bölingen gerade dabei war, eine solche zu bauen. Glaubte man anfangs, das Unternehmen leicht bewerkstelligen zu können, so stellte sich bald heraus, daß jede der aufgefundenen Quellen am Höhenzug oberhalb von Beller allein nicht genügend Wasser in ausreichender Qualität für 20 Haushaltungen, 28 Pferde und 140 Stück Rindvieh (Stand 1902) lieferte. Der finanzielle Aufwand zur Herstellung einer Verbundleitung schien für so wenige Häuser jedoch zu hoch zu sein. Inzwischen verloren einige Brunnenbesitzer ihr Interesse und die Suche nach weiteren Wasserstellen verlief immer lustloser, bis sie im Ersten Weltkrieg ganz eingestellt wurde. Erst 1964 erhielt Beller eine Wasserleitung.54)

Beller heute

Spaziert man heute durch Beller, so bietet das Dorf noch an vielen Stellen eine ländliche Idylle mit alten Fachwerkhäusern, vielen Wiesen, Weiden, Pflanzgärten und sogar noch Streuobstwiesen. Hühner und Gänse laufen in Gärten umher, und sogar Hähne dürfen hier noch krähen. An den beiden Ortseingängen warnen Schilder die Verkehrsteilnehmer vor Kühen auf der Fahrbahn. Schaut man aber genauer hin, bemerkt man, daß auch dieses Dorf vom großen Umbruch der letzten Jahrzehnte nicht verschont geblieben ist. Die Landwirtschaft, die das Dorf in der Form entstehen ließ, wie wir es heute vor uns sehen, ist endgültig auf dem Rückzug. Die Bauerngehörte stehen zwar noch, sind aber fast alle leer. 1902 gab es hier in 20 Häusern 13 Bauern, 6 Tagelöhner und 1 Rentner,55) 1962 zählte man noch neun Bauern56) und heute sind nur mehr drei hauptberuflich geführte Bauernbetriebe übriggeblieben (Hecker, Heppinger Straße 76 und Müllenbruck, Heppinger Straße 70 sowie Vogt. Kleegartenstraße 7, Bellerhof), Die letzten Milchkühe des Dorfes verkaufte Familie Müllenbruck im Juli 1992.

Der Einbruch der neuen Zeit ist in Beller Tag und Nacht zu spüren, denn unaufhörlich überflutet der Lärm der nahen Autobahn das Dort. 1988 zählte man zu Spitzenzeiten 90.000 Fahrzeuge in 24 Stunden.57) Um den Lärm auf ein ertragbares Maß zu verringern, wurde 1977/78 auf der nach Beller zugewandten Seite eine rund 550 Meter lange Lärmschutzwand errichtet.

Eine weitere große Veränderung steht unmittelbar bevor, wenn ein Beschluß des Gemeinderates vom Jahre 1992 verwirklicht wird. Danach soll auf dem Höhenzug oberhalb von Beller ein Technologiepark entstehen, der fast die gesamte nördliche Feldgemarkung ausfüllt. Als Folge dieser bislang einschneidendsten Maßnahme in der Geschichte von Beller werden Dorf und Umland sich völlig verändern.

Anmerkungen:

  1. Aus einer nicht mehr auffindbaren Urkunde vom Jahre 1136. in der die Abtei Klosterrath ihrem Tochterkloster Manenthai den Hof in Beller übereignet haben soll. wird sowohl in der 1908 begonnen Pfarrchronik von Ringen (3,2) als auch in einem Manuskript des Ringener Lehrers Stausberg über den Bellerhof (Original bei Gudrun Stausberg Köln) zitiert,

  2. Hans Frick, Quellen zur Geschichte von Bad Neuenahr, Bad Neuenahr-1933 Nr 780.

  3. Rhein-Ahr-Rundschau Nr, 40,1974, Die Ortsakte ..Ringen" im Staatlichen Amt für Vor- und Frühgeschichte in Koblenz enthält über diese Villa keine Nachricht

  4. 893. s. Anm. 11. 1240: Fnck, wie Anm. 2, Nr 417

  5. Gerhard Mürkens. Die Ortsnamen des Kreises Ahrweiler Sonderdruck der Bad Neuenahrer Chronik 1959. S 47f

  6. Frick. Wie Anm. 2. Nr. 1225,

  7. Peter Schug, Geschichte der Dekanate Adenau, Ahrweiler und Remagen. Trier 1952. S 417

  8. Frick. wie Anm, 2. Nr 1768.

  9. Landeshauptarchiv (nachfolgend abgekürzt LHA) Koblenz, Best 1241. Nr. 196.

  10. Auskunft der Gemeindeverwaltung und eigene Zählung der Wohnhäuser

  11. Ingo Schwab (Hrsg.). Das Prümer Urbar. (Rheinische Urbare. Bd 5). Düsseldorf 1983. S 229 - Ulrich Heibach. Jnvenimus in Ära..." die Entstehung des Prümer Urbars, in: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1993, S 84,

  12. LHA Koblenz, Best 18[Prüm]

  13. Ludwig Wirtz, Das Augustinerinnehkloster Marienthai an der Ahr, Manuskript ohne Datum, Kreisarchiv Ahrweiler, S. 25. 28. 1211. 129,

  14. Viele Erwähnungen in den Kirchenbuchern der Pfarrei Ringen. Taufen. Heiraten und Sterbefälle, ab 1650,

  15. LHA Koblenz. Best, 137, Nr. 15.

  16. Kirchenbucher von Ringen. Tauleintragung 23,02.1719. Sterbeeintragungen 24.12.1798 und 28 12,1805,

  17. LHA Koblenz. Best. 730 Nr 128

  18. Vgl. hierzu Christian Stramberg, Rheinischer Antiquanus, III. Abt. 9 Bd . Coblenz 1862. S 783.

  19. Hans Frick/Theresia Zimmer. Quellen zur Geschichte der Herrschaft Landskron a.d. Ahr, Bonn 1966. Nr, 545,

  20. LHA Koblenz, Best. 54./32. Nr. 32

  21. Peter Neu, Die Arenberger und das Arenberger Land, Bd. 1Koblenz 1989. S, 79f.. 114, 419. 440,

  22. Francois Decker, Regesten des Archivs der Herren von Bourscheid. Bd. 1. Bourscheid/Koblenz 1989, Nr. 412. 772

  23. Theresia Zimmer. Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler, Koblenz 1965. Nr, 513.

  24. Georg Baersch. Das Prämonstratenser Mönchskloster Steinfeld in der Eifel. Schieiden 1857. S. 43-46, 50. 58f., 63,

  25. Wolfgang Bender, Vom Bauernjungen zum Klosterherreh. Gabriel Hilger. ein Steinfelder Abt aus Hannebach, in: Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1991. S 88 - Kirchehbücher von Ringen ab 1650

  26. Stadtarchiv Ahrweiler. A 107.

  27. Zimmer.wieAnm.23.Nr.112

  28. Stadiarchiv Ahrweiler, Nr, 480, S. 141-146, Hans-Georg Klein danke ich für Beschaffung von Kopien

  29. Stadtarchiv Ahrweiler, Nr, 480.

  30. Hauptstaatsarchiv Dusseldorf, Best, Cassiusstift, Akte 56, fol, 6v.

  31. Wolfgang Schieder (Hrsg.). Säkularisation und Medlliarisierung in den vier rheinischen Departements 1803-1813. Teil II 2, Boppard 1991, S.403f,

  32. Mündl Auskunft Gerta Jontgen geb. Krämer, Beller 1983. Rudolf Köhler, Jürgen May und Gisben Vogt. Beller 1993, Maria Schopp geb. Hecker. Esch 1993.

  33. Christian Stramberg, Rheinischer Antiquanus, III Abt. Bd 10. Coblenz 1864, S. 230,

  34. Mündliche Auskunft Hermann Müllenbruck, Beller 1993.

  35. Frick. wie Anm, 2. Nr, 1225 • StA, Ahrweiler, A 583, S 109, -LHA Koblenz. Best, 441. Nr. 14243,

  36. Gemeindearchiv Grafschaft [nachfolgend abgekürzt GAGl. Akte 69,1

  37. Mündl. Auskunft Gertrud Hecker geh Kohlhaas, Beller 1993,

  38. GAG. Akte 69/21.

  39. GAG. Akte 123b,'12b.

  40. GAG. Akte 23/4,

  41. GAG. Akte 23/3,

  42. Vgl. Hans Nottebrock, Die Aacheh-Frankfurter Heerstraße In Ihrem Verlauf durch den Kreis Ahrweiler, in: Jahrbuch des Kreises Ahrweiler 1939. S. 65-75 l=Auszug aus seiner Dissertation]

  43. Renee Doehaerd, Etudes Anversoises. Documents sur le com-merce international ä Anvers 1488-1514, 3 Bde. 1962/63. S, 2737.

  44. GAG, Akte 135/5.

  45. GAG, Akte 135/4.

  46. Schulchronik Leimersdorf - Verwaltungsbericht Kreis Ahrweiler 1929, S.81

  47. Verwaltungsbericht Kreis Ahrweiler 192S, S, 86,

  48. GAG, Akte 135/3.

  49. GAG, Akte 74/5.

  50. GAG. Akte 97 3,

  51. Mündliche Auskunft Agnes Müllenbruck geb. Kohlhaas Beller 1993

  52. Pfarrarchiv Ringen, Pfarrchronik, S. 63 - GAG. Akte 17 15, fol. 111

  53. Ottmar Prothmann. Kaiserlinden in der Gemeinde Grafschaft, in Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1989. S, 194

  54. GAG, Akte 123b/12b - Bonner Rundschau vom 16,11,1964,

  55. GAG, Akten 74/5 und 123b/12b.

  56. Heimat-Adreßbuch für den Kreis Ahrweiler 1962.

  57. Rhein-Ahr-Rundschau vom 26.12.1988