Der Neubau von Straßenbrücken imAhrtal nach dem Hochwasser 1910

Ein Beitrag zur Geschichte des Brückenbaus in »Wilhelminischer Zeit«

Michael Losse

"Die Grundformen der Brücken sind (...) ohne Stil, unwandelbar und klar. Bei Brücken ist Stil entweder die Abwandlung de r einen Grundform durch den Zeitgeist, oder (...) eine gewisse, immer wiederkehrende Strenge und Einheitlichkeit der Grundform." (Paul Bonatz)

In den Jahren 1910/11 entstanden im Ahrtal, insbesondere im Gebiet des damaligen Kreises Adenau, eine Reihe von Brücken, die weitgehend nach ähnlichen Gestaltungskriterien errichtet wurden: Die meisten dieser Bauten sind mit Bruchstein verkleidete Bogenbrücken, die in ihrem Erscheinungsbild Bogenbrücken des 18. Jahrhunderts im Ahrtal gleichen.1) Daß der Verzicht auf ein "modernes Aussehen" bei diesen, in ihrer Konstruktion durchaus modernen Bauten beabsichtigt, ja beinahe programmatisch war, ist bedingt durch die kunstpolitischen Intentionen der Entstehungszeit.

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Hochwasser 1910: Zerstörte Ahrbrücken und Notstege in Altenahr (o.), Antweiler (u.)

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Der folgende Beitrag basiert im wesentlichen auf dem 1912 erschienenen Bericht des Regierungsbaumeisters a.D. Schluckebier aus Oberkassel (Siegkreis) in der .Deutschen Bauzeitung', dem wohl angesehensten Organ der damaligen Fachpresse im Bereich des Bau- und Ingenieurwesens. Die von Schluckebier behandelten Bauten werden hier kurz vorgestellt und vor dem Hintergrund des Brückenbaus der Wilhelminischen Zeit interpretiert bzw. in einen kunstpolitischen Kontext gebracht.

Die Hochwasserkatastrophe im Juni 1910

Am 13. Juni 1910 kam es zur größten historischen bezeugten Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. Starke Gewitterregen in den Regionen Adenau, Antweiler und Müsch führten zu einem heftigen Anschwellen des Flusses, der einen großen Teil des Baumaterials der gerade in Erweiterung befindlichen Ahrtalbahnanlagen sowie einige Behelfsbrücken mit sich riß. Baumaterial, Brückentrümmer und weiteres Treibgut staute sich an den festen Brückenbauten, die meist dem Druck nicht lange standhielten. Es kam so zusätzlich zu meterhohen Flutwellen. Die Bilanz der Naturkatastrophe: 52 Tote, viele von ihnen Arbeiter aus Italien, die beim Eisenbahnbau beschäftigt waren. Darüberhinaus gab es umfangreiche Zerstörungen in den Orten Schuld und Müsch, und fast das ganze Baumaterial der Eisenbahnbaustellen zwischen Antweiler und Dümpelfeld war weggeschwemmt worden. Mehr als 20 Ahrbrücken wurden innerhalb weniger Stunden zerstört.

Der Neubau der Brücken

Am 15. Juli 1907 wurde das preußische .Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden' in Kraft gesetzt. Ergänzend zu diesem Gesetz veröffentlichten die Ministerien des Inneren und der öffentlichen Arbeiten einen Erlaß, in dem es u.a. heißt: "Es ist in hohem Maße erwünscht, beim bauenden Publikum die Erkenntnis zu wecken und zu befestigen, daß ein Straßen-, Stadt- und Landschaftsbild, möge es sich auch aus noch so einfachen und scheinbar anspruchslosen Teilen zusammensetzen, ein kulturgeschichtliches Erbteil ist, dessen Wert erkannt und gewürdigt werden muß, daß es im künstlerischen Sinne ein Ganzes bildet, das durch aufdringliche, unschöne und fremdartige Neubauten ebenso sehr geschädigt wird, wie durch Beseitigung wesentlicher Teile des Vorhandenen."2)

Diese Vorgaben des Gesetzgebers bildeten die Grundlage für den Neubau und die Gestaltung der Ahrbrücken, die zwischen 1910 und 1912 neu errichtet wurden. Von der Fachpresse wurde nach der Fertigstellung der Bauten lobend hervorgehoben, daß trotz der gegebenen Eile bei Beseitigung der Hochwasserschäden und der Knappheit der verfügbaren Mittel, von den verantwortlichen Behörden, "insbesondere von den maßgebenden Stellen des Kreises Adenau, auf welchen die große Mehrzahl der Brükken-Einstürze entfiel", berücksichtigt wurde, "daß die Neubauten nicht nur alle Erfordernisse des Verkehrs und der Hochwasser-Abführung erfüllen, sondern sich auch durch ihre äußere Erscheinung in anmutiger Weise der Umgebung anpassen."3)

Die Entwürfe zu den hier besprochenen Brükken stammten von der Firma Hüser & Cie. in Oberkassel (Siegkreis), die gleichfalls für die Ausführung zuständig war.4) Die architektonische Ausgestaltung der Bauwerke geht auf Anregungen des Kreisbaumeisters Wald aus Adenau zurück.

Die Bauten

Alle Brückenneubauten des Ahrtals sind einfache Konstruktionen, die in technischer Hinsicht keine Besonderheiten bieten. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerbauten weisen sie vergrößerte Lichtweiten, einetiefere Pfeilergründung sowie größere Fahrbahnbreiten auf. Bei allen Bauten handelt es sich um Massivbrücken, die meisten sind gewölbte Stampfbetonbrücken, "da die Kiesablagerungen des Hochwassers hierfür stellenweise den geeigneten Baustoff darboten."5)

Bei der architektonischen Gestaltung orientierte man sich an den Formen der älteren Brückenbauten der Region. Diese waren zwar zum Teil Balkenbrücken (Schuld), doch häufiger Gewölbebauten, "durchweg Bauwerke urwüchsiger Art und fast alle von ehrwürdigem Alter. Gerade deshalb aber wurden sie vom Beschauer weniger als Gebild der Menschenhand, denn als natürliches Zubehör der Landschaft empfunden",6) darüberhinaus bildeten sie nicht selten den Mittelpunkt reizvoller Orts-und Landschaftsbilder.

Die neuen Brücken wurden daher als Gewölbebrücken, je nach Situation des Geländes und der Beschaffenheit des Flußbettes, ein- bis drei-bogig angelegt. Wenn es möglich war, gab man dreibogigen Bauten den Vorzug. Damit wurde einer zu dieser Zeit im Flußbrückenbau als Ideallösung favorisierten Form entsprochen.7) Diese weisen meist eine größere Mittelöffnung und zwei kleinere Seitenöffnungen auf (Antwei-ler, Liers, Schuld). Bei zweibogigen Brücken (Fuchshofen) wurde häufig Asymmetrie als .malerisches Element' angestrebt (Hönningen). Die einbogigen Brücken wirken, bedingt durch die größeren Spannweiten und die zwangsläufige Verwendung des Segmentbogens, am .modernsten' (Altenahr).

Zur Verkleidung der äußeren Ansichtsflächen der gewölbten Brücken mit Bruchstein wurde geltend gemacht, daß die Wetterbeständigkeit geputzter oder auch mit Vorsatzbeton behandelter Flächen "bei dem rauhen Eifelklima der oberen Ahr nicht ganz zweifelsfrei" gewesen sei, zumal die Bauarbeiten zum größten Teil während des Spätherbstes und des Winters auszuführen waren.8) Die Bruchsteinverblendung wurde aber auch als gelungenes architektonisches Gestaltungselement betrachtet, da ihr Wechsel von Steinflächen und Fugen keiner weiteren Mittel zur Belebung, etwa durch Schattenwirkungen bedarf. Auf weit auskragende Gesimse wurde daher ebenso verzichtet, wie auf Konsolen oder Lisenen. Das Mauerwerk wurde bewußt rauh gehalten, die Schichthöhen wechseln und die waagerechten Schichtenverläufe weisen häufige Unterbrechungen auf.

Auch die Flußpfeiler-Vorköpfe sind in ihrer Form sehr einfach gehalten. Ihre teils runden, teils gebrochenen Hauben sind mit Werksteinabdeckungen aus rauh gespitzter Basaltlava versehen.

Die Brüstungen der Brücken sind meist gemauert, doch gibt es auch vereinzelt eiserne Geländer (Altenahr, Hönningen), bedingt durch konstruktive Vorgaben, die eine massive Steinbrüstung nicht erlaubten.

"Gefällumkehrpunkte", d.h. die Scheitelpunkte der Fahrbahnen, "sind in der oberen Begrenzung der Brüstungen nicht etwa durch eine Übergangskurve verwischt, sondern als Knickpunkte klar zum Ausdruck gebracht, ein Verfahren, das von zahlreichen älteren Brücken her bekannt ist und den Bauwerken immer etwas Herbes und Ursprüngliches verleiht."9) Abgesehen von der schon erwähnten finanziellen Beschränkung verbot auch das Umfeld, d.h. meist kleinere Orte mit bescheidenen Häusern und Gehöften, eine zu aufwendige Gliederung oder gar architektonische Gestaltung, wie sie etwa zeitgleich bei vielen Rheinbrücken zur Anwendung kam, welche aber meist in einem städtischen Kontext entstanden.10)

Die Reihenfolgederim Folgenden vorgestellten Brückenbauten ergibt sich aus ihrer Lage stromabwärts am Lauf des Flusses.

Antweiler

Der dreibogig errichteten neuen Brücke war ein zweibogiger Bruchsteingewölbebau vorausgegangen. Der Mittelbogen der neuen Brücke ist etwas größer als die ungleich großen Seitenöffnungen. Die Flußpfeiler-Vorköpfe sind mit halbrunden Hauben versehen.

Fuchshofen

Die Fuchshofener Brücke gehört zu den Zwei-bogigen Anlagen, bekommt jedoch durch die symmetrische Stellung des Mittelpfeilers in ihrer Wirkung "etwas Steifes und Hartes".11)

Schuld

Die dreibogige Brücke in Schuld ersetzte eine Balkenbrücke, die auf zwei gemauerten, im Grundriß zugespitzten Strompfeilern ruhte. Lediglich die Zuspitzung der Pfeiler wurde vom Vorgängerbau übernommen. Zwei ungleich große Seitenöffnungen rahmen hier die große seg-mentbogige Mittelöffnung. Die Hauben der Pfeiler-Vorköpfe sind horizontal und vertikal gebrochen, die Brüstungen massiv. Die Seitenansicht der Brücke mit der dahinter aufragenden Kirche ist zum Wahrzeichen des Ortes geworden.

Liers

Auch die Brücke von Liers ist dreibogig und weist abgerundete Pfeiler-Vorköpfe auf, die mit halbkegelförmigen Hauben aus Basaltlava gedeckt sind. Die Brüstungen sind gemauert.

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Das Bild der Brückenneubauten nach 1910 wird bestimmt vom heimischen Bruchstein: Einbogige Brücke Altenahr
- inzwischen durch eine Betonabdeckung statisch verstärkt (o.) - und die mehrbogige Brücke Schuld (u.)

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Hönningen

Die Hönninger Brücke gehört zu den asymmetrischen Zweibogenbrücken. Sie wirkt durch den niedrigen, langgestreckten Baukörper sehr leicht. Anstelle einer Brüstung findet sich hier ein eisernes Geländer, das von einigen kleinen steinernen Pylonen unterbrochen ist. Ob die Gestaltung der Brücke bewußt nach dem Prinzip des goldenen Schnittes12) erfolgt ist oder das Erscheinungsbild des Bauwerkes lediglich Assoziationen daran erweckt13), ist nicht bekannt.

Altenahr

Die Brücke in der Nähe des Bahnhofes ist ein einbogiges Bauwerk von 36 m Spannweite. Die Verblendung ist hier in einem fast regelmäßigen Bruchsteinmauerwerk ausgeführt und statt einer steinernen Brüstung ist ein eisernes Geländer angebracht. Die Deutsche Bauzeitung (1912) sieht in ihr ein "Gegenbeispiel" zu den anderen hier besprochenen Brücken: "Bei diesem für eine andere Verwaltung ausgeführten Bauwerk wurde sowohl auf eine Teilung der Lichtweite als auch auf die Anordnung einer geschlossenen Brüstung verzichtet. Die Brücke entbehrt des richtigen Maßstabes zur Umgebung und wirkt trotz der stattlichen Spannweite von 36 m etwas kleinlich.14)

Zusammenfassung

Der Brücke als architektonisch gestaltetem Ingenieurbauwerk wurde in Wilhelminischer Zeit ein großes Interesse gewidmet und entsprechend vielfältig waren die Diskussionen sowie die Publikationen zu diesem Thema. In allen Jahrgängen der Deutschen Bauzeitung gab es zu dieser Zeit zahlreiche Artikel, die Konstruktion, Bau und Umbau von Brücken, darüberhin-aus aber auch historischen Brückenbauten gewidmet waren. Dabei wurden immer wieder Forderungen erhoben und Richtlinien erstellt, wie Brücken zeitgemäß zu bauen und zu gestalten sind.

Eine anschauliche Zusammenfassung der Anlage- und Gestaltungskriterien für Brückenbauwerken gab Prof. F. Genzmer15) in einem Vortrag mit dem Titel "Brücken als künstlerische Bauwerke", den er anläßlich der Mitgliederversammlung der .Vereinigung Berliner Architekten am 12. Dezember 1912 hielt. Die Brücke hat demnach eine "ganz eigenartige Stellung" unter allen Bauwerken.16) Sie wird einerseits bestimmt durch ihren praktischen Zweck, ist andererseits aber auch ein "Hochbau- und Architekturwerk", das häufig in nahe Beziehung zu den übrigen Hochbauten einer Stadt tritt, und insofern besonderen Anforderungen an die künstlerische Gestaltung unterliegt. Aber auch in ihrer Beziehung zur Landschaft gehören Brücken zu den künstlerisch wirkenden Bauwerken. "Für die künstlerische Erscheinung ist es gleichgültig, welcher Art die Brücke ist, aber je nach ihrer Stellung hat sie sich bestimmten künstlerischen Gesetzen zu unterwerfen. Daher kann eine an sich schöne Brückenform nicht ohne Weiteres für eine gute Lösung in städtebaulicher Hinsicht oder in Beziehung zur Landschaft gelten."

Genzmer beklagt den oft "rücksichtslosen Brückenbau" - rücksichtslos in Bezug auf historisch gewachsene Städtebilder oder die landschaftliche Situation -, bemerkt aber weiter "mit Genugtuung", daß Dank der lebhaften künstlerisch-städtebaulichen Bestrebungen ein wachsendes Verständnis gegenüber ästhetisch begründeten Gestaltungen neuer Brücken festzustellen sei. Neben der grundsätzlichen Entscheidung ob Flach- oder Hochbrücke sind die Konstruktion (Bogen- oder Balkenbrücke) und die Wahl des Baustoffs (Holz, Stein, Eisen) bedingend für den "Charakter des Brückenwerkes". "Ferner kommen die stilistischen Eigenschaften der Brücke in Frage. Insbesondere aber sind die künstlerische Einheitlichkeit des Werkes und seine Anpassung an die Umgebung von großer Bedeutung für seine gute Erscheinung." Dabei ist die Frage nach der Sichtbarkeit der Brücke von großer Wichtigkeit und auch ob die Fahrbahn sich über oder unter dem Horizont befindet, wobei letzterer Variante der Vorzug zu geben sei und "wobei es wichtig ist, daß Gebäude, die sich mit der Brücke zu einem Bilde vereinigen, im wesentlichen über dem Brückenbau liegen." Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist, ob eine Brücke nur in Richtung ihrer Fahrbahn sichtbar ist oder ob der Betrachter sie auch von der Seite sieht.

Nach diesen von Genzmer aufgestellten Kriterien, die im wesentlichen den allgemeinen Anforderungen an Brückenbau und -gestaltung in Wilhelminischer Zeit entsprechen,17) können die hier vorgestellten Brückenbauwerke als "gelungen" bezeichnet werden. Dieser Meinung war auch Schluckebier in seinem in der "Deutschen Bauzeitung" veröffentlichten Artikel, den er mit folgender Stellungnahme beendet:

"Man braucht kein Lobredner der Vergangenheit zu sein, um anzuerkennen, daß es ein gesunder Gedanke ist, auch im Brückenbau an die alten überlieferten Formen anzuknüpfen und die Bestrebungen aufzunehmen, die durch die Worte .Heimatschutz' und .Denkmalpflege' gekennzeichnet werden. Auf diesem Wege wird sich jedenfalls der Massivbrückenbau viele neue Freunde erwerben können."18)

Für die große Bedeutung des Heimatschutzgedankens, gerade auch im Rheinland, sprichtdie Gestaltung der 1898 vollendeten Bonner Rheinbrücke, zu welcher der Architekt der Brücke. Bruno Möhring. bemerkt: "An den Ufern unseres deutschen Lieblingsstromes ragen noch zahlreiche herrliche und volkstümliche Bauten aus alter Kaiserzeit hervor. Auch Bonn besitzt ein berühmtes Münster in der prächtigen romanischen Bauweise und in diesen Formen würden wir zu schaffen haben, wenn wir einen der Gegend würdigen Monumentalbau, wie es eine Rheinbrücke doch zweifellos ist. errichten wollen."19) In Bonn entschied man sich für den romanischen Stil, da "der Stil der Brücke dem Charakter der Gegend angepaßt werden müsse: eine Rheinbrücke bedürfe eines anderen Gepräges, wie z.B. eine Weichselbrücke, die sich dem Geist der deutschen Ordensbauten anschließen, oder eine Spreebrücke, die, fin du siede, dem Geschmacke moderner Wohnhausbauten ihrer Umgebung Rechnung tragen könne."20)

Wenn auch die sehr einfachen Straßenbrücken über die Ahr, die zwischen 1910 und 1912 entstanden, auf den ersten Blick nichts mit solch großen und aufwendigen Brückenbauten, wie es die Rheinbrücken der Zeit waren zu tun haben, so sind sie doch aus dem gleichen Geist entstanden, der landschaftliche Gegebenheiten, regionale bauliche Gewohnheiten und die Historizität des Ortes in gleicher Weise zu Gestaltungsfaktoren von Ingenieurbauten erklärte.

Zum Abschluß sei hier noch eine Ahrbrücke aus neuerer Zeit erwähnt: Die einbogige Straßenbrücke zwischen der Bahnhofstraße und der L 73 in Schuld, 1984/85 anstelle einer ebenfalls

1910 errichteten Brücke errichtet, welche ihrerseits einen Bau von 1884 ersetzt hatte. Die Brücke von 1910 war während des Zweiten Weltkrieges teilzerstört worden und nur provisorisch gesichert. Da ein völliger Neubau als preisgünstiger erachtet wurde, entschied man sich dafür, auf eine Rekonstruktion des alten Zustandes zu verzichten. Die Rücksicht auf Landschaftsbild und Denkmalpflege führten nach langen Debatten zu einer Entscheidung. eine neue Brücke in einer dem Vorgängerbau ähnlichen Form zu errichten, ein Vorhaben, das auch die Zustimmung des Landeskonservators fand. Das so entstandene Brückenbauwerk der "Klasse 30" hat eine Spannweite von 31 m bei einer Fahrbahnbreite von 5.50 m und einer mittleren Höhe von 5,50 m über der Ahr. Zur Verkleidung der Betonkonstruktion wurden die Bruchsteine der alten Brücke benutzt, und auch das Geländer wurde aus Teilen des alten, ergänzt um neue. gleich gestaltete Bahnen, zusammengesetzt.21)" Die neue Ahrbrücke in Schuld wurde also nach ähnlichen Kriterien gestaltet. wie die 1910/11 entstandenen Brücken, mit deren Bau für die Region Verbindlichkeiten zur Anlage und Gestaltung von Brücken im Kontext des Landschafts- und des Ortsbildes geschaffen wurden, die noch heute Gültigkeit haben.

Anmerkungen:

  1. Im 18. Jahrhundert entstand eine Reihe steinerner BogenbrucKen an der Ahr. meist drei- oder vierbogige aus heimiscnem Bruchstein errichtete Bauwerke ohne eine aufwendige architektonische Gestaltung, wie z B. die Brücken in Dernau und Rech ivgl. Nischalke 1989, S,116l

  2. Zitiert nach Schluckebier. in Deutsche Bauzeitung Mitteilungen über Zement, Beton-und Eisenbetonbau. IX Jg . Mo 6.1912, S 41 -42 und 44-45 - Der Autor. Regierungsbaumeister a.D. Schlckkebier. wann Oberkassel (Siegkreis) ansässig, dort hatte auch die Firma Hüser & Cie. die mit den Entwürfen und der Bauausführung der hier behandelten Brücken betraut war ihren Sitz

  3. Schluckebier 1912, S. 42

  4. Die Firma Huser A'ar 1870 gegründet worden. Sie warb zur Zeit des Baus der hier besprochenen Brücken in mehreren überregionalen Fachzeitungen - wie der Deutschen Bauzeitung - um Auftrage in den Bereichen Hoch- uhd Tief- Beton- und Eisenbeton-sowie Brücken- und Kanalisationsbau. daneben aber auch als Zementwarenfabrik vgl z B Beilage 1 5 zur Deutschen Bauzeitung No, 20, 14 April 1909. S.25, S,57 u.o

  5. Schluckebier 1912, S 42
  6. Ebd S 41
  7. Knngs 11980. S 1001 verweist auf die -in der Literatur der Zeit stets positiv bewertete Dreizahl der Stromoffnungen" bei Flußbrucken
  8. Schluckebier 1912, S 42
  9. Ebd. - Als Vergleich sei hier die wohl um 1914 bei Sinzig erbaute Straßenbrücke über die Ahr herangezogen, die den Gefal-umkehrpunkt durch einen gestuften Aufbau der Brüstungen .versteckt" in der Seitenansicht wirkt die durch turmartige Pylonen aufwendig gestaltete Brücke sehr steif.
  10. So z,B, die Straßenbrücke in Bonn (1896-1898) oder die Südbrücke und die Hohenzollernbrücke in Köln (1907-1911).
  11. Schluckebier 1912. S.42.
  12. Mit .goldener Schnitt' wird die Teilung einer Strecke in zwei ungleich große Abschnitte bezeichnet, nach der sich die Gesamtstrecke zum größeren Teilstück proportional so verhält, wie dieses zum kleineren Teilstück,
  13. Schluckebier 1912. S.42.
  14. Ebd.
  15. Felix Genzmer (1856) war als Professor für Architektur an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg tätig. Auch als Stadtplaner trat Genzmer in Erscheinung, so bei der Erstellung der Bebauungspläne von Mainz und beim Wettbewerb für Groß-Berlin 1911.
  16. Die Zitate dieses Abschnitts sind, soweit nicht anders vermerkt, der Zusammenfassung des Vertrages von Genzmer in der Deutschen Bauzeitung No. 10 vom 1. Febr. 1913, S.95 entnommen.

  17. 1906 hatte die .Königliche oberste Baubehörde im Staatsministerium des Inneren' des Landes Bayern eine Schrift mit dem Titel .Von der Staatsbauverwaltung in Bayern ausgeführte Straßen-, Brücken- und Wasserbauten' herausgegeben (l. Bd . München 1906), in der fünf Brückenbaulen vorgestellt wurden, "davon betreffen vier massiv gewölbte Brücken kleinerer und mittlerer Spannweiten, das fünfte eine größere Eisenbrucke, Die Steinbrücken weisen in der Konstruktion keine besonderen Eigenheiten auf. zeigen aber das erfreuliche und erfolgreiche Bestreben, mit einfachen Mitteln und geringem Kostenaufwande eine der Landschaft angepaßte ansprechende Erscheinung zu erzielen" (F. Eiselen In der Rezension des Buches, in: Deutscher Bauzeitung 94/1906, S.646).

  18. Schluckebier 1912. S.42. - Auch die meisten der Brücken, die während des Ausbaus der Ahrtalbahn zur gleichen Zeit entstanden. wurden als massive Bauten aufgeführt. Als Beispiel sei hier nur die 1912 errichtete zweite Eisenbahnbrücke bei Altenahr erwähnt, eine dreibogige Brücke mit Bruchsleinverkleidung, welche parallel zu einer Fischbauchträgerbrücke der ersten Bauphase entstand: letztere wurde 1937/38 durch eine ebenfalls mit Stein-verkleidung aufgeführte Massivbrücke ersetzt, -in Anpassung" an den Brückenbau von 1912 (vgl, Kemp 1983, Abb. S.26 und 38).

  19. Bruno Möhring im Erläuterungsbericht zum Bauentwurf der Brücke, in: Deutsche Bauzeitung 105/1898.

  20. Ebd.

  21. Zur neuen Straßenbrücke in Schuld vg[. Rhein-Ahr Rundschau 24.08,1984 ("Die neue Ahrbrücke in Schuld verbindet 20 Häuser mildem Dorf"), 31.08.1985 ("Ahrbrücke feierlich eingeweiht") und Rheinzeitung23.08.1984 ("Die neue Brücke wird aussehen wie die alte"),

Quellen und Literatur:

Bonatz, Paul / Leonhardt. Fritz: Brücken. Königstein 1965, Genzmer. Felix: Brücken als künstlerische Bauwerke, Berlin 1913 (Vortrag, gehatten auf der Mitgliederversammlung der Vereinigung Berliner Architekten am 12, Dez. 1912. Zusammenfassung in: Deutsche Bauzeitung No, 10/1913, S, 95) Gerhart. J./ Neu, H./ Renhard, E./' Verbeek, A.: Die Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweller (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 17/1). Düsseldorf 1938. Hofmann, Albert: Diebeiden neuen Rheinbrücken bei Worms (III. Die Architektur der Brücken), in: Deutsche Bauzeitung. No. 97/1900, S.593f,; No. 98/1900. S. 597-601. Kemp. Klaus: Die Ahrtalbahnen. Freiburg 1983. Krings, Ulrich: Eisenbahn- und Straßenbrücken, in: E. Trier/W, Weyres, Kunst des 19. Jahrhunderts im Rheinland, Bd. 2. Düsseldorf 1980, S, 97-105. Lexikon der Kunst. Bd, 1. der Neuauflage, Leipzig 1987. Nischalke. Reinhold:

Zwei alte Steinbrücken über die Ahr in Dernau und Rech. in: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweller 1989. S. 116 - 119. Schluckebier: Die neuen Straßenbrücken im oberen Ahrtal. in: Deutsche Bauzeitung - Mitteilungen über Zement, Beton- und Eisenbetonbau, IX. Jg., No. 6./1912, S. 41 -42 und 44-45. Stommer. Rainer: Triumph der Technik, Autobahnbrükken zwischen Ingenieuraufgabe und Kulturdenkmal, in: Rainer Stommer (Hg.), Reichsautobahn. Pyramiden des Dritten Reichs. Analysen zur Ästhetik eines unbewältigten Mythos. Marburg 1982. S, 49 - 76. Zucker, Paul: Die Brücke. Typologie und Geschichte ihrer künstlerischen Gestaltung, Berlin 1921.