Traditionelle Verkehrspolitik am Ende. Umdenken heißt die Devise!

Kreis Ahrweiler geht neue Verkehrs-Wege

Arnim Franke

Es waren nicht viele mit dem Radi da, zugegebenermaßen auch der Autor dieses Beitrages nicht. Dies tat jedoch der Ernsthaftigkeit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Umwelt und Verkehr - Neue Wege aus dem Verkehrsinfarkt?" keinen Abbruch. Allerdings wäre dem spannenden Meinungsaustausch mehr Publikumsresonanz zu wünschen gewesen. Aber wie so häufig, traf leider auch dieses Mal die Binsenwahrheit zu: Kritisieren ja, engagieren nein. So blieben die Experten fast unter sich - schade.

Dennoch: Der Kreis Ahrweiler hatte anläßlich des „Tages der Umwelt", am 5. Juni 1993, nicht nur diese Diskussionsrunde in der Bad Boden-dorfer Winzergaststätte, sondern auch eine „Sternfahrt für Radfahrer" aus dem gesamten Kreisgebiet neben allerlei Spiel und Spaß rund um den Verkehr glänzend vorbereitet.

Allein der Titel der improvisierten „Verkehrs-Debatte" in Bad Bodendorf - „Neue Wege aus dem Verkehrsinfarkt?" - verriet einerseits, daß auch und gerade im mit landschaftlicher Schönheit reichlich gesegneten Kreis Ahrweiler in bezug auf die vorhandene Verkehrsdichte im wahrsten Sinne des Wortes so gut wie nichts mehr geht.

Andererseits fand in der Verwaltung sowie bei den Kreispolitikern ein Umdenken mit der Zielsetzung statt, die Spirale des zunehmenden Individualverkehrs (in erster Linie das eigene Auto betreffend) mit Hilfe gut durchdachter öffentlicher Verkehrsangebote (Bahn, Bus) zu stoppen. Die große Unbekannte sind und bleiben aber letztlich die Verkehrsteilnehmer/innen. Sie müssen aus alten, überholten Verkehrsmitteln aus- und auf ökologisch und ökonomisch vertretbare Verkehrssysteme umsteigen.

Mit mehr oder weniger Vehemenz vertraten die Verkehrsexperten am Podiumstisch ihre Standpunkte. Dazu gehörten: Meik Ebert, bei der Bundesbahndirektion Köln für den Schienen-Güterverkehrzuständig; Dipl.-Geograph Elmar Knieps, Arbeitsgemeinschaft der anerkannten Umweltverbände im Kreis Ahrweiler; Gerhard Lemm, Referent für Stadt- und Verkehrsplanung im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club;

Hubertus Oelmann, Beigeordneter der Stadt Köln; Franz Sauerborn, Tagungsleiter „Verkehr und Technik" des ADAC Mittelrhein und Rolf Daniel, Verkehrsdezernent der Kreisverwaltung Ahrweiler. Die Moderation oblag Arnim Franke, Pressereferent beim Deutschen Landkreistag in Bonn.

Der Landrat des Kreises Ahrweiler, Joachim Weiler, eröffnete die Veranstaltung und gab in seinen einleitenden Worten zu bedenken, daß ein Freizeit- und Fremdenverkehrskreis sein „Umweltkapital pfleglich behandeln" müsse. Aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge „werden uns hier zunehmend schwierige Entscheidungen abverlangt". Der Verkehrsbereich dürfte ganz oben stehen auf der Liste der vom Kreis zu lösenden Probleme, was die vom Landrat anschließend genannten Zahlen deutlich unterstrichen.

Danach wurden im Jahre 1960 im Kreis rund 6.500 PKWzugelassen. Zehn Jahre später wies die Zulassungsstatistik etwa 23.000,1980 rund 44.500,1990 59.000 und 1991 insgesamt 60.500 Fahrzeuge auf. In 1992 stieg die Zulassungsrate gar auf 62.500 Autos.

Das zeigt Wirkung auf die Benutzung bzw. Nichtbenutzung der angebotenen öffentlichen Verkehrsmittel: Rund 86 % der Berufspendler benutzen nach Weilers Angaben das eigene Auto, lediglich etwa 8 % die Eisenbahn, 5 % den Bus. Nur etwa 1 % erreicht den Arbeitsplatz mit dem Fahrrad oder zu Fuß.

Der Kreis reagierte, an der Umsetzung eines neuen ÖPNV-Konzeptes wird gearbeitet. Dem Fahrgast soll ein umfassendes Liniennetz präsentiert werden, dessen Einheit sich aus Bahn-, Bus-Haupt- und Nebenachsen, Anrufnahverkehrsdienst mit Mietwagen oder Taxen zusammensetzt. Eine Vielfalt von Angeboten soll es dem Fahrgast erleichtern, das Verkehrsmittel seiner Wahl problemlos zu wechseln. Kooperation und Koordination verschiedener Verkehrsunternehmen sind aber Voraussetzung, um mit einem attraktiven Verkehrsangebot, mit einem Fahrplan und einem Tarifschein zu werben. Keine leichte Aufgabe, von den immensen Kosten, die der ÖPNV verschlingt, ganz abgesehen.

Dennoch: Eine Veränderung der Rahmenbedingungen in Theorie und Praxis ist eingeleitet, Alternativen liegen auf dem Tisch, an Anreizen zum Umsteigen mangelt es nicht.

Die Expertenrunde war sich einig darin, daß eine Trendwende im Verkehrsverhalten dringend vonnöten ist.

Hubertus Oelmann gab zu bedenken, daß pro Jahr allein rund zwei Milliarden Mark an Stau-benzin verbrannt würden. Die Stadt Köln zählt rund 500.000 angemeldete PKW, kein leichtes Unterfangen also, um hier einen stadtgerechten Verkehr zu entwickeln. Für den Stadt-Beigeordneten Oelmann muß „Verkehr den Verkehr finanzieren", nach dem Motto „wer Verkehr verursacht, muß zahlen". Es müsse ein Abgabenmix geben, bestehend aus einer Erhöhung der Mineralölsteuer und einer CCL-abhängigen Gebühr. Mit Blick auf die Fragender Mobilität sei dabei auch das Stadt/Land-Gefälle zu berücksichtigen.

Franz Sauerborn hatte keinen leichten Stand, denn das Auto rückte immer stärker in das Zentrum der Kritik. Der ADAC-Tagungsleiter wies darauf hin, daß ein gänzlicher Verzicht auf den PKW fatale Folgen hätte. Wie solle Freizeit-und insbesondere Berufs-Mobilität gesichert werden ohne Auto? Zum Handel in den Städten sei das Auto unverzichtbar. Ein Großteil der Einnahmen im Stadtsäckel käme aus dem Geschäftsbereich. Es sei deshalb falsch, so Sauerborn, Parkplätze zu kappen, das Gegenteil müsse der Fall sein. Sollte das Autofahren drastisch verteuert werden, sei der „kleine Mann" davon wieder am stärksten betroffen.

Ein nicht zu leugnendes Übel stellt ebenso der zunehmende LKW-Verkehr dar, insbesondere auf den Autobahnen. Im Autobahn- und Fernstraßenbereich ließe sich das Problem angehen, da könne die Bahn eine Alternative sein, sagte Meik Ebert. Aber lokal müßten für den Güterverkehr andere Lösungen gefunden werden. Ebert räumte ein, daß der Bahn-Güterverkehr ein bedrohter Bereich sei. Hier seien mehr Wettbewerb sowie eine modernere Logistik vonnöten. Die geplante Bahnreform soll Verbesserungen bringen. Der Stückgut-Transport dürfte für die Bahn interessant werden. Beim Personenverkehr sei aber auch mehr Kreativität und kostenbewußtes Denken erforderlich.

Sein Auto sei überwiegend ein „Stehzeug", erklärte Gerhard Lemm. Das Fahrrad könne wesentlich häufiger eingesetzt werden, als manche Verkehrsteilnehmer glaubten. In Kombination mit der Bahn böte das Fahrrad eine interessante, vor allem aber umweltfreundliche Alternative zum Auto. Die meisten Kurorte, kritisierte Lemm, entsprächen aufgrund der durch eine hohe Verkehrsdichte verpesteten Luft kaum noch den Anforderungen eines Luftkurortes. Gerhard Lemm führte das hohe Verkehrsaufkommen insbesondere auf die Bequemlichkeit der Menschen zurück.

Elmar Knieps hält die bisher eingeleiteten Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung für nicht ausreichend genug. Die Hälfte des Verkehrsaufkommens resultiere aus Freizeit- und Umweltverkehr, hier müsse sich Grundlegendes ändern. Man dürfe Verkehr erst gar nicht entstehen lassen. Verkehrspolitik müsse ökologisiert und damit Mobilität neu definiert werden.

Rolf Daniel fordert ebenso eine Trendwende im Verkehr. Es gehe nicht darum, Schuldige zu suchen, sondern Kooperation bei der Bewältigung der Verkehrsprobleme sei vonnöten. Daniel: „Dem Nutzen unserer Umwelt zuliebe sollten auch im Verkehr kleine Opfer möglich sein." Fazit:

Der Verkehr muß umweltfreundlicher werden und nicht die Umwelt verkehrsfreundlicher. Die Sicherung der Mobilität von Menschen und Gütern in einer intakten Umwelt, das muß die Handlungsmaxime in der Zukunft sein. Mobilität sollte dabei allerdings nicht ausschließlich als Automobilität verstanden werden.