Die Versteigerung der französischen Nationalgüter in Ahrweiler und Marienthal

Hans-Georg Klein

Durch den Frieden von Luneville am 9. 2.1801 wurde das linke Rheinufer auch formell dem französischen Staat eingegliedert mit der Folge, daß alle französischen Gesetze voll zur Anwendung kamen. In mehreren Gesetzen wurden die kirchlichen Güter enteignet und in den Nationalbesitz überführt (Säkularisation). Diese so entstandenen Nationalgüter (biens nationaux) wurden der Domänenverwaltung unterstellt und verpachtet. Ebenso wurden der Besitz der ehemaligen Landesherren und der reichsständische Besitz enteignet (Mediatisierung).

Nach mehreren Gesetzesbeschlüssen, die hier nicht nachverfolgt werden sollen - die letzte Ergänzung erfolgte am 24. Januar 1803 - kamen die enteigneten Besitztümer zum Verkauf. Für den Kanton Ahrweiler fanden die Versteigerungen in der Präfektur Koblenz statt. Zwei Wochen vor dem Versteigerungstermin wurden Lage, Beschreibung und Schätzpreis durch Aushänge, den sogenannten affiches, in der Präfektur, in den wichtigsten Orten des Departements und in den durch den Verkauf betroffenen Gemeinden bekanntgegeben. Auch im Rhein-Mosel-Bothen erschien eine Liste der Versteigerungsobjekte. Größere Nationalgüter wurden in mehrere Lose aufgeteilt, die dann getrennt zur Versteigerung kamen.

Der französische Staat war durch seine hohen Schulden gezwungen, diese Nationalgüter zu vermarkten. Die Versteigerungen erfolgten zunächst vom Schätzpreis aus. Kleine Wachskerzen mit einer Brenndauer von drei bis vier Minuten gaben die Angebotszeit an. Ein Objekt wurde so lange angeboten, bis mindestens drei Kerzen abgebrannt waren. Der Zuschlag erfolgte endgültig, wenn die letzte Kerze abgebrannt und kein Überangebot abgegeben war. Das Gebot konnte nicht willkürlich erhöht werden, sondern nur im Verhältnis zur Höhe des Schätzpreises, so daß beispielsweise nur Erhöhungen um 5, 10 oder höchstens 100 Francs erfolgen konnten.1)

Die Versteigerungen fanden an 218 Versteigerungstagen statt, vom 16. Mai 1803 bis zum 22. Oktober 1813. Erst wurden durchschnittlich vier Termine pro Monat angesetzt, später ließ die Häufigkeit deutlich nach. Der Verkaufspreis für die Nationalgüter konnte in fünf gleichen Raten beglichen werden. Die erste Rate, die zinsfrei war, mußte spätestens drei Monate nach der Versteigerung bezahlt werden. Für die weiteren Raten war ein Zinszuschlag von 5 % fällig.

Bei den großen Gütern traten kapitalkräftige Großkäufer auf, die die Güter oft als Spekulationsobjekte betrachteten. Die französische Verwaltung hoffte besonders auf jüdische Käufer, denen z. B. in Kurköln der Immobilienerwerb verboten war. Wegen dieser erhofften jüdischen Käufer wurden sogar einige Versteigerungstermine, die auf jüdische Feiertage fielen, verlegt. Aber aus den vorhandenen Quellen ist diese jüdische Käuferschicht nicht erkennbar. Andererseits traten jüdische Händler, vor allem Mitglieder der weitverzweigten Familie Seligmann aus Koblenz und Bonn als Vermittler bei den Transaktionen auf. Auch die ländliche Bevölkerung kaufte ehemalige Kirchengüter. Die oft beschriebene Zurückhaltung aus religiösen Gefühlen läßt sich aus den Quellen nicht belegen, zumal durch das Konkordat auch von Seiten der Kirche den Käufern der ehemaligen Kirchengüter das Eigentum garantiert wurde. Betroffene kirchliche Eigentümer in der Gemarkung Ahrweiler und in Marienthal:

Abtei St. Maria und Potentinus - Prämonstratenser -, Steinfeld
Abtei St. Salvator - Benediktiner -, Prüm Augustinerabtei - Regulierte Augustinerchorherren -, Klosterrath Domstift, Köln
Franziskanerkloster, Ahrweiler Jesuitenorden, Düren
Kloster Marienforst - Prämonstratenserinnen -, Godesberg
Kloster Marienthai - Augustinerinnen Kloster St. Barbara - Augustinerinnen -, Stotzheim
Kloster St. Klara - Franziskanerinnen -, Köln Reichsstift St. Servatius, Maastricht Stift St. Gereon, Köln Stift St. Chrysanthus und Daria, Münstereifel Vikarie Heilig Kreuz, Ahrweiler Vikarie St. Nikolaus, Ahrweiler Zisterzienserinnenkloster, Schweinheim Betroffene reichsständische Eigentümer in der Gemarkung Ahrweiler waren die Erben der Grafen von Blankenheim und der Herzog von Arenberg. Von den Reichfürsten war der Kurfürst von der Pfalz durch die Enteignung in der Gemarkung Ahrweiler betroffen. Unter den Liegenschaften sind in Tabelle 1 nur die Grundstücksflächen ohne die Gebäude erfaßt.2) An Grundstücken werden Weinberg, Akker, Land, Wiese, Garten, Buschholz, Heckenland, Bungert und Wald genannt. Es fällt auf, daß der Anteil der Weinberge an der Gesamtfläche der jeweiligen Vorbesitzer erheblich ist. Er schwankt zwischen 13,9 % bei Steinfeld und 100 % bei dem Kloster Calvarienberg. (Dabei bleibt der Sondertall Kurpfalz unberücksichtigt.) Das ist verständlich, wenn wir uns in Erinnerung rufen, daß viele dieser klösterlichen Anwesen erworben wurden, um die Weinversorgung sicherzustellen. Der überwiegende Teil der Erwerbungen stammt aus dem Mittelalter. Durch fromme Schenkungen erhielten die Klöster und Stifte diese Grundstücke. Der Wein war damals in erster Linie ein tägliches Nahrungsmittel, denn das Wasser war wegen seiner schlechten Qualität oft nicht genießbar oder nur unter gesundheitlichen Risiken zu trinken. Das Bier war noch nicht lagerfähig und verdarb in wenigen Tagen. Beim Kloster Marienthai muß beachtet werden, daß der überwiegende Teil des Besitzes in der Gemeinde Dernau (Ort Marienthai) lag. Nur 25 a Weinberg in der Wolfsgasse lagen im Bereich der Gemarkung Ahrweiler. Das Kloster St. Barbara war ausschließlich in Marienthal, das Kloster Marienforst ausschließlich -ebenso wie das Domstift - in Walporzheim begütert.

Der Besitz des Jesuitenkollegs in Düren lag überwiegend in Ahrweiler. Zu diesem Los gehörten aber auch 71 a Acker und 10 a Wiese in der Gemarkung Wadenheim. Die Angabe in der Klammer weist den ehemaligen Besitz in der Gemarkung Ahrweiler aus. Der Besitz des Kurfürsten bei Rhein - Kurpfalz - umfaßte in Ahrweiler nur eine Wiese von 1,24 ha, die Grafwiese, Flur 15, Bachemer Tal.

Eine Besonderheit in Ah rweilerwaren die Güter der Vikarien von Heilig Kreuz und St. Nikolaus. Die 53 a Weinberg von Heilig Kreuz kaufte Peter Josef Loehr für 2.925 Francs bei einem Schätzpreis von nur 400 Francs. Derselbe kaufte auch 66 a Acker und 28 a Wiese aus dem ehemaligen Besitz dieser Vikarie, nachdem dieses Los schon zweimal zur Versteigerung anstand, ohne einen Käufer zu finden. Die Vikarien wurden seit dem Mittelalterdurch Vermächtnisse mit Liegenschaften und einigem Kapital ausgestattet. Aus den Einnahmen aus Kapital und Bodenzins wurden die Vikare besoldet und die Jahrgedächtnisse für die verstorbenen Stifter gehalten. Auffallend ist ferner, daß das Erzstift Köln bzw. der Erzbischof als Landesherr von Ahrweiler keinerlei Immobilien in Ahrweiler besaß.

Zur Versteigerung kamen nur die eigentlichen Herren- bzw. Klosterhöfe mit der zugehörigen landwirtschaftlichen Fläche, denn nur diese wurden enteignet. Die Lehens- und Zinsgüter die Adlige und Bürger meist in Erbpacht harter gingen in deren Besitz über, denn ohnehin waren diese Besitzungen den ursprünglichen Eigentümern längst entfremdet und unterstanden nicht mehr ihrer Verfügungsgewalt. Der Besitzanspruch beschränkte sich in der Regel nur auf eine kleine Anerkennungsgebühr im Todesfalle oder auf einen Teil der Ernte.3)

Die Tabelle 2 weist die erzielten Verkaufspreise aus allen Losen - auch aus dem Erlös der Gebäude - der vormaligen Besitzer aus. Der Preis ist in Francs angegeben. Die Gewinnspalte zeigt den Zugewinn in Prozenten gegenüber dem amtlichen Schätzpreis. Dabei fällt die doch erhebliche Gewinnspanne auf. Entweder waren die Immobilien in der amtlichen Taxierung zu niedrig angesetzt oder die Nachfrage hat den Preis gewaltig nach oben gezogen. Gefragt waren in erster Linie Weinberge. Diese Liegenschaften wurden stets bei der ersten Versteigerung an den Käufer gebracht. Bei Ackerland mußten wegen fehlender Bieter oft die Versteigerungen wiederholt werden. Die Spalte Anzahl 1 gibt die Zahl der zur Versteigerung angestellten Objekte an, während die Spalte Anzahl 2 die wirklich verkauften Objekte benennt. Bei den unverkauften Liegenscharten handelt es sich, wie schon erwähnt, ausschließlich um Acker, Land und Wiesen mit Ausnahme der Gebäude aus dem Besitz des Reichsstiftes St. Servatius Maastricht.

Gesamtfläche der Liegenschaften ohne Gebäude

Herkunft

Fläche in ha

davon Wingert

Wingert in Prozent

Marienthal

21,4

5,86

27,4

Steinfeld

20,73

2,88

13,9

Marienforst

11,71

4,27

36,5

Domstift

7,74

3,06

39,5

Klosterrath

6,71

5,07

75,6

Jesuiten

4,99(4,18)

1,55

31,1

Schweinheim

3,13

0,96

30,7

St. Nikolaus

2,29

1,03

45,0

Servatius

2,21

1,85

87,7

St. Klara

2,09

0,57

27,3

Arenberg

1,93

0,81

42,0

Heilig Kreuz

1,47

0,53

36,1

Franziskaner

1,27

1,27

100,0

Kurpfalz

1,24

0,0

0,0

Prüm

1.2

1,14

95,0

St. Barbara

0,98

0,49

50,0

Münstereifel

0,95

0,73

76,8

Blankenheim

0,76

0,32

42,1

St. Gereon

0,47

0,25

53,2

Summe

93,37

32,64

Tabelle 1

Herkunft

Preis

Gewinn

Anzahl 1

Anzahl 2

Marienthal

56490

+109,2

9

9

Marienforst

24800

+5,4

2

2

Domstift

24800

+5,5

1

1

Jesuiten

18000

+44,0

1

1

Steinfeld

17346

+54,7

12

8

St. Nikolaus

13450

+180,2

1

1

Klosterrath

10200

+213,0

2

2

Schweinheim

10105

+260,9

2

2

Arenberg

8750

+200,7

2

2

Servatius

7000

+338,3

2

2

Franziskaner

5925

+48,1

1

1

Prüm

5010

+125,5

3

3

Heilig Kreuz

4750

+179,4

2

2

St. Klara

3500

+288,9

1

1

St. Barbara

3225

+222,5

1

1

Blankenheim

2825

+158,7

1

1

St. Gereon

1895

+2,4

3

3

Münstereifel

1850

+1,4

1

1

Kurpfalz

280

+2,9

1

1

Summe

220201

48

44

Tabelle 2

Stempel.gif (25729 Byte)

Gebührenstempel der französischen Republik

 In der Tabelle 3 sind die zum Verkauf angestellten Gebäude aufgelistet. Dabei ist, so wie aus den Quellen überliefert, die Anzahl der Hauptgebäude angegeben (z. B. 1 Haus, 1 Scheune, 2 Ställe). Es wird unterschieden zwischen Hofgut und Gut. Ein Hofgut ist dann ein Grundstück mit Gebäude, ein Gut nur das Grundstück. Die Immobilien konnten auch von einer Eigentümergemeinschaft (s. Ruine Schmiede bei Marienthal) erworben werden. Bei manchen Ersteigerungen haben sich die Käufer das Wiederverkaufsrecht in die Kaufakten eintragen lassen. Dies ist ein Hinweis darauf, daß es sich wahrscheinlich um Spekulationsobjekte handelte. Das Anwesen des Servatiusstiftes konnte bei einem Schätzpreis von 1.800 Francs nicht verkauft werden. Der Pächter war damals Matthias Karth aus Bonn (129 Francs Jahrespacht), der bei anderen Objekten im ganzen Rheinland als Aufkäufer in Erscheinung trat. Karth, der seinen Beruf mit Holzhändler angibt, hat im Rhein-Mosel-Departement insgesamt 33 Käufe getätigt mit einer Kaufsumme von 133.287 Francs. Er nimmt damit unter den Großeinkäufern den vierten Platz ein. Möglicherweise hatte Karth bei dem Nichtverkauf die Finger im Spiel, denn das Anwesen kam nicht wie üblich ins Wiederangebot.

Die Überlieferung, daß Mitglieder der weitverzweigten Familie Kreuzberg bei diesen Versteigerungen die meisten Klosterhöfe erworben hätten, ist somit nicht belegbar. Das schließt aber nicht aus, daß Angehörige dieser begüterten Familie im Nachgriff ehemalige Klosterhöfe erworben haben, wie das z. B. vom Rodderhof zu belegen ist. Ob die Enteignung und der dann erfolgte Verkauf der großen klösterlichen, kirchlichen und reichsständigen Immobilien für die Einwohner der Stadt Ahrweiler zu einer erheblichen Verschiebung des Sozialgefüges geführt hat, ist einer gesonderten Untersuchung wert.

Anmerkungen:

1) De Faria e Castro, Katharina, Die Nationalgüter im Arrondissement Koblenz und ihre Veräußerung in den Jahran 1803 bis 1813. Rheinisches Archiv 85. Bonn 1973
2) Alle statistischen Angaben entnommen und aufbereitet aus:
a) Schieder, Wolfgang, und Kube, Alfred, Säkularisation und Mediatisierung, Die Veräußerung der Nationalgüter Im Rhein-Mosel-Departement 1803 - 1813, Forschungen zur deutschen Sozialgeschichte, hrsg. von der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschart, Bd. 4, Boppard 1987
b) Schieder, Wolfgang. Säkularisation und Mediatislerung in den vier meinischen Departements 1803 -1813, Edition des Datenmaterials der zu veräußernden Nationalgüter. Teil II, 2. Rhein-Mosel-Departement, datentechnisch aufbereitet von Manfrec Koltes, Forschungen zurdeutscnen Sozialgeschichte, hrsg. vor der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschart, Bd. 5, Bopaprd 1991 Beide Bände sind für den Heimatforscher eine wahre Fundgrube.
3) Vgl. dazu Klein, Hans-Georg, Ahrweiler im Spiegel des Prümer Urbars, in: De aruuifre - 1100 Jahre Ahrweiler, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1992
Vorbesitzer Objekte Preis Käufer
Marienthal 1 Kloster, Ställe. 1 Kelter, 1 Haus, 1 Kirche, 1 Gebäude, 1 Hof, 1 Scheune, 1 Weiher 44000 Manderfeld, Anton, Lissendorf
Domstift 1 Hofgut. 1 Haus, 1 Scheune, 1 Stall 24800 Lallier, Josef. Koblenz
Jesuiten 1 Haus, 1 Kelter, 1 Stall 18000 Witsch, Anton. Wadenheim
St. Nikolaus 1 Gut 13450 Koller, Willibrod. Adenau
Franziskaner 1 Kloster 5925 Giesen, Jakob. Ahrweiler
St. Barbara 1 Gut, 1 Haus. 1 Scheune, Ställe 3225 Schmitz, Heinrich, Gelsdorf
Blankenheim 1 Haus 2825 Heimsoth, Johann Markus, Köln
Marienthal 1 Mühle. 1 Kanal 2650 Mombauer, Josef, Marienthal
Klosterrath 1 Haus, 1 Scheune, Ställe 2075 Schütz, Peter Josef, Ahrweiler
Münstereifel 1 Haus, 1 Stall, 1 Scheune, 1 Hof 1850 Karth, Matthias, Bonn
Steinfeld 1 Haus, 1 Scheuer, 1 Stall, 1 Kelter 1 Bäckerei, 1 Hof 1825 Gillet, Phillip
Arenberg 1 Haus, 1 Mühle 1650 Bohl, Konrad, Koblenz
Marienforst 1 Hofgut, 1 Haus, 1 Scheune, 1 Stall 1025 Heydinger. Nikolaus, Ahrweiler
Prüm 1 Haus, Ställe 905 Wulle, Johann, Ahrweiler
Schweinheim 1 Haus 805 Kriechel, Anton, Ahrweiler
St. Gereon 1 Haus. Garten 805 Wolber, Johann Peter, Ahrweiler
Marienthal 1 Ruine Schmiede 375 Schütz, Konrad, Ahrweiler, Roßbach, Hein., Marienthal, Creutzberg, Jacob, Demau
Prüm 1 Zehntscheuer 305 Creutzberg, Johann, Ahrweiler
Manenthal 1 Hausruine 205 Kriechel, Peter Josef, Ahrweiler
Servatius 1 Haus, Ställe, 1 Kelter (1800) unverkauft

Tabelle 3