Die Dorferneuerung in Löhndorf

Ein altes Löhndorfer Haus erzählt

Friedhelm Münch

Auf Anregung des Ortsbeirates von Löhndorf beschloß der Stadtrat Sinzig am 8. 10. 1985 für den Stadtteil Löhndorf ein Dorferneuerungskonzept erstellen zu lassen. Es war etwas ganz Neues für die Entwicklung unseres Ortes. Die Kreisverwaltung Ahrweiler erarbeitete das Konzept. Dank gilt allen Mitarbeitern in den einzelnen Dienststellen, den politischen Vertretern und allen, die zum Gelingen und zur Umsetzung der Dorferneuerung in Sinzig-Löhndorf beigetragen haben.
Aspekte der Dorferneuerung werden nachfolgend aus der Sicht eines alten Hauses in Löhndorf geschildert.

Es war einmal im Jahre 1649, so steht es auf einem Balken, als man mich errichten ließ. Wie die anderen Häuser in Löhndorf bin ich aus Eichenholz gebaut. Dieses Holz aus dem heimischen Walde wurde meinen Besitzern von der Gemeinde geschenkt, denn jeder, der sich hier ansiedelte, mußte ein Eintrittsgeld zahlen, damit er hier wohnen durfte. Das war nicht ganz billig, aber es berechtigte dazu, ein Haus zu bauen und so eine Bleibe zu finden.

Bis Anfang unseres Jahrhunderts änderte sich das Leben im Dorf kaum. Hart und unter großen Mühsalen wurde das Brot in der Landwirtschaft verdient. Ja, wenn man die Nachbarschaft nicht gehabt hätte oder die Dorf- und Lebensgemeinschaft, so wären die Menschen mit der Not nicht fertiggeworden.

In der Zeit nach 1945 ging auch in unserem Dorf die Entwicklung so schnell voran, wie es Jahrhunderte zuvor nicht geschehen war.

Ich spürte deutlich, daß eine Zeit des Aufbruchs, neuerwerte und eines anderen Selbstverständnisses kam. Meine jüngeren Mithäuser wurden schon mit der Toilette im Haus gebaut. So etwas kannten wir bis dahin nicht im Dorf. Auch sonst gab es viele Neuerungen. Die Gemeinde selbst baute ein Haus für den Lehrer. Viele meiner Altersgenossen wurden leider abgerissen. Traditionen, die über Jahrhunderte hoch gehalten wurden, sind wie alte Zöpfe abgeschnitten worden. Neue Baugebiete um das Dort herum wurden geplant und bebaut. Nur im alten Ort tat sich wenig. Die Schlagworte hier waren Abriß, Platz schaffen und autogerechte Straßen. Selbst das Gemeindebackhaus mußte weichen. Wie die Leute erzählen, steht es weit weg in Kommern und wird als Zeuge der Vergangenheit in dem dortigen Freilichtmuseum bewundert.

Nachdem die Alten, die noch in uns wohnten und hierüber erzählen konnten, gestorben waren, kauften uns Menschen von außerhalb auf und bemühten sich sehr um uns. Sie fingen an, uns zu renovieren und - welch vornehmes Wort - zu restaurieren. Mich selbst wollte keiner. Es wurde gemunkelt, ich würde abgerissen, um dem Verkehr Platz zu machen. Doch darüber später mehr.

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Das „erzählende Fachwerkhaus" in Löhndorf vor und nach der Sanierung

Dann begannen die Menschen umzudenken. Ein neues Schlagwort kam auf: Dorferneuerung hieß es. Von der Landesregierung wurde 1985 das Dorferneuerungsprogramm beschlossen. Mein Ort war unheimlich schnell, und noch im selben Jahr wurde von der Kreisverwaltung Ahrweiler ein Konzept für Löhndorf erarbeitet. Dieses war so ausführlich, daß sich im Vorfeld viele fremde Leute in jedem Winkel des Dorfes umsahen. Sie nannten sich Dorferneuerer, Dorfplaner, Grünflächengestalter. Fotografen machten viele Bilder, ja selbst die halbverfallenen und nicht ansehnlichen Häuser wurden aufgenommen. An diesen Bildern konnte man dann ortstypische Baustile von anderen unterscheiden. Alle diese Fremden sahen viel mehr als die Menschen, die schon lange hier wohnten. Sie lobten die gute Substanz der Fachwerkhäuser, die schöne Dortanordnung, die gute Einbindung in die Landschaft. Ja, auf einmal hieß es:

aus Löhndorf kann etwas gemacht werden! Außerdem wurde von den Löhndortem selber immer die schöne Landschart um das Dort gelobt. Von unserer Gemarkung, so hieß es, kann man ins Rheintal, ins Ahrtal und in die Eifel schauen.

Da Bauland knapp und teuer ist, entschieden sich viele Familien und junge Menschen zum Kauf eines alten Hauses. Land und Kreis bezu-schußten die Kosten für die Renovierung. So kam auch das Leben, das Spielen der Kinder wieder zurück in den Ort. Einige waren noch skeptisch, ob man denn in einem so alten Haus überhaupt wohnen könnte, ob es genug Lebens- und Wohnqualität böte. Doch es gab ja Gott sei Dank einige Beispiele, wo Häuser liebevoll restauriert worden waren und die Besitzer andere mal reinschauen ließen. Selbst die Gemeinde wollte jetzt nicht mehr zurückstehen und plante den dortgerechten Straßenausbau. Oft hörte ich: „Was ist denn das für ein neumodischer Kram, sollen wir etwa wieder durch Pfützen laufen?"

Nein, das war nicht gemeint. Vielmehr sollte ein dem Dort angepaßter Straßenraum mit dem besonderen Augenmerk auf die Platz-und Grüngestaltung geschaffen werden.

Die Plätze sollten gepflastert werden. So können bei Regen wieder etwa 30 - 40 Prozent des Niederschlags in den Boden eindringen. Überhaupt sollte der Umweltgedanke stärker und mit Nachdruck betrieben werden. Parkplätze mit sandgebundener Decke sollten entstehen. So sollte die Dorferneuerung im privaten und öffentlichen Bereich zusammenwirken. Alles in allem ist es eine tolle Sache, die selbst mich als altes Haus überzeugt hat. Wie ich merkte, waren viele Gespräche nötig, um den heutigen Straßen- und Platzausbau sowie die Stärkung der Wohn- und Lebensqualität im Ort zu erreichen. Die Überzeugungsarbeit gelang schließlich.

Ja, die Neubaugebiete sind wunderbar ausgebaut und erschlossen. Die Menschen dort wohnen wie in einem Park und haben rechts und links den nötigen Abstand zum Nachbarn. Im Ortskern selber aber sind wir alten Häuser meist aneinandergebaut. Manchmal kann man dem Nachbarn direkt in den Suppentopf schauen. Für die Menschen, die in uns wohnen, bedeutet dies jedoch dörfliche Geborgenheit in guter Nachbarschaft.

Ich finde es nicht schön, wie zum Teil in den engen Dortstraßen vor unseren Türen geparkt wird. Es wird behauptet, daß die Menschen zu bequem sind, die Autos in die eigenen Höfe oder auf Parkplätze zu fahren. Sie stellen sie lieber dem Nachbarn vor das Fenster.

Die Fachleute haben mir erzählt, daß die Dorterneuerung nicht nur das Renovieren und Erhalten von Häusern und Straßen bedeutet, sondern auch das Gespräch und die Begegnung der Menschen, die hier wohnen. Das kann ich inzwischen voll bestätigen.

Im Dort begegnen sich die Leute beim Einkaufen, denn schließlich hat mein Ort noch Bäcker, Metzger, Lebensmittelgeschäfte, Post, Banken und eine Gastwirtschaft. Das ist ein ungeheurer Vorteil, hört man aus den Nachbarorten. Man bedauert immer erst dann etwas, wenn man es nicht mehr hat. Ich denke da an die Schule, die 1969 aufgelöst wurde. Es ist aber gut, daß Löhndort heute zumindest noch einen Kindergarten hat.

Ich meine, daß es gut wäre, wenn die Menschen aus Löhndorf auch ihren eigenen Geschäften und Handwerksbetrieben etwas zu verdienen geben würden. Denn das sind doch Arbeitsplätze am Ort und für den Ort. In meinem Dorf gibt es viele kirchliche und weltliche Feste. So geht die Fronleichnamsprozession durch den mit Maien, Fahnen und Girlanden geschmückten Ort. Die Kirmes- und Schützenumzüge, ja, die gesamte Tradition, die die Leute sich in meinem Ort erhalten haben, machen doch einen wichtigen Teil des Dortlebens aus. Wie ist es schön, wenn der Birnbaum Ende April blüht und die Junggesellen an der Georgskirmes das neue Königspaar mit dem berühmten Parademarsch vorstellen. Ich fände es toll, wenn die Neubürger und die Ureinwohner diese Werte meines Dorfes neu erkennen würden und schätzen lernten. Von manchen Urlaubs- und Ferienorten höre ich die Leute erzählen wie schön es dort sei, was die Einwohner dort alles veranstalten würden.

Ja, selbst in unserem Ort gibt es Ferienwohnungen, die dauernd belegt sind. Die Urlauber und Besucher schwärmen von meinem Ort. Aus Gesprächen höre ich, daß gerade die Begrünung im Ort an den Fassaden besonders gefällt. In den neu gepflanzten Bäumen und Sträuchern nisten heimische Vögel. Die Gemeinde gibt Pflanzgutscheine aus, wenn jemand an den Fassaden im Ortsbereich Begrünungen durchführt. Es stört auch nicht mehr, wenn hierund da ein Wildkraut sprießt.

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Fachwerkhäuser prägen das Löhndorfer Straßenbild

Ich weiß, daß der Volksmund sie Unkräuter nennt, aber diese Pflanzen waren doch schon Jahrhunderte hier und haben für die Kleintierwelt besondere Bedeutung. Man kann ja diese Pflanzen ruhig ausrupfen. Das ist immer noch besser, als mit Unkrautex viele Quadratmeter zu vergiften. Ich jedenfalls, der jahrelang ein Ungewisses Dasein führte, bin froh, daß mir die Dorferneuerung wieder zu altem Glanz verhelfen hat. Als Anerkennung dafür wurde ich sogar beim Fassadenwettbewerb mit einem Preis bedacht.

Mein Dorf erhielt im Jahre 1993 den ersten Preis im Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden" auf Kreisebene. Seitdem kommen Besucher an Sonn- und Feiertagen, um den Ort zu besichtigen. Ich selbst werde viel bewundert. Das verdanke ich aber auch meinem Freund, dem alten Birnbaum, der direkt neben mir steht. Er mußte sich einem ordentlichen Verjüngungsschnitt unterwerfen. Seine Frucht ist eine alte Birnensorte, die bei uns „Öligsbier" genannt wird.

Bei meiner umfassenden Renovierung wurden umweltfreundliche Materialien verbaut. Bis auf meine Eichenbalken und die Dachziegel ist alles neu an mir. Alles, was entfernt wurde, war wirklich nicht mehr zu gebrauchen. Ich fühle mich seither wie neu geboren!

Es geht weiter in meinem Löhndorf. Jetzt - so ist zu hören - werden die alte Dorfschule und das Pfarrhaus renoviert. Die Steine für diese an Erinnerungen reichen Gebäude wurden in der Germarkung am jetzigen Übungsplatz des Hundesportvereins gebrochen. Und obwohl diese beiden Häuser wesentlich jünger sind als ich, -sie stammen aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts -, freue ich mich, daß auch der Wert dieser Baukunst erkannt wird. Ich merke, daß sich die Leute meines alten Dorfes zunehmend wohl fühlen und daß die Dorferneuerung den Menschen im Dorf viel mehr Lebensqualität gebracht hat.