Die Anfänge des Museumswesens im Kreis Ahrweiler

Heike Wernz-Kaiser M.A.

Die Entstehung von musealen Sammlungen kann nicht auf ein bestimmtes Datum zurückgeführt werden. Ob Grabbeigaben im alten Ägypten, Kunstsammlungen im antiken Griechenland oder das Ausstellen erbeuteter Gegenstände im alten Rom - alle geben sie Zeugnis dafür, daß Gegenstände neue Funktionen und Werte erlangen, indem sie aus ihrem ursprünglichen Sinnzusammenhang herausgenommen werden und ihnen symbolische Bedeutung zugewiesen wird. Sie bekommen Stellvertreterfunktion.

Welcher Art diese Funktion ist und welche Gegenstände als sammlungswürdig und sammlungswert befunden werden, ist abhängig von den jeweiligen gesellschaftlichen Interessen. Dies zeigt sich ganz drastisch in der Gegenwart, in der die Devise gilt: Ein gutes Museum, ist ein gutbesuchtes Museum. Die Besucherzahlen entscheiden überdas Bestehen oderdas Schließen von Museen und daraus folgend über den ausgestellten Sammlungsbestand. Das Museum als Bildungsinstitution und als Ort der Muse und der Erinnerung tritt immer mehr in den Hintergrund, Museen werden zum Serviceunternehmen in Sachen Kultur gegenüber einer immer verwöhnteren Öffentlichkeit.

Das kulturhistorische Museum als öffentliche Institution hat seine Anfänge als Forum für die politische Emanzipation des liberalen Bürgertums zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In den Museen fand das Bürgertum eine Institution vor, mit der die eigene, nun aufgewertete Geschichte dargestellt und vermittelt werden konnte. Das Sammeln von Zeitzeugnissen, nicht zuletzt im Sinne des Denkmalschutzes ging mit dieser Gründungswelle von bürgerlichen Museen einher. Insbesondere im Zuge der politischen Erschütterungen durch die napoleonische Ära und der daraus resultierenden nationalen Besinnung hatte sich ein breites Geschichtsinteresse entwickelt, dem auch die Verbreitung des bürgerliches Museumsgedankens seinen Anfang verdankt. Museumsvereine als politische Debattierclubs entstanden gleichzeitig mit den Geschichts- und Altertumsvereinen. Museen, neben Verwaltung, Kirche und Militär die vierte Säule des Staates, wurden zu Stätten der Pflege des Heimat- und Nationalgedankens, ja sie wurden zu einem wichtigen konstitutiven Bestandteil nationaler Identitätsbildung.

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Das Ahrgaumuseum um 1907: Blick in ein klassisches Heimatmuseum.

Diese Bestrebungen waren auch für die Gründung des früheren Ahrgau-Museums im heutigen Stadtteil Ahrweiler verantwortlich.

Für die Hauptversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein am 3. Oktober 1906 in Altenahr war eine 700 Objekte umfassende Ausstellung von Altertümern zusammengetragen worden, um deren Zustandekommen sich die Ahrweiler Bürger Dr. von Ehrenwall, Leopold Kreuzberg, der Gutsbesitzer Fabri und der Maler Bardenheuer verdient gemacht hatten.1) Ein Großteil der anläßlich dieser Ausstellung zusammengetragenen Exponate wurde Ende 1907 in dem im sogenannten „Weißen Turm" in Ahrweiler neu gegründeten Ahrgau-Museum, dem heutigen Museum der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, zur dauernden Ausstellung verbracht. Erklärtes Ziel war es, ein erneutes und wahrscheinlich endgültiges Zerstreuen der Altertümer zu verhindern. Dies wird in dem „Aufruf zur Bildung eines Ahrgau-Museums zu Ahrweiler" deutlich, wenn bei der Suche nach Unterstützern für die Einrichtung des Heimatmuseums die Verwirklichung des gemeinnützigen Unternehmens als eine Ehrenpflicht für die Ahr konstatiert wird.2)

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Das Ahrgaumuseum 1910. Präsentation von Funden aus römischen Gräbern im Museum Remagen

Auch das Römische Museum Remagen verdankt seine Entstehung dem Wunsch, die vor Ort entdeckten „Altertumsfunde aus der Römer- und Frankenzeit"3) zu bewahren und als Zeugnisse einer glorreichen Geschichts- und Kulturepoche der Nachwelt zur Bildung und Erinnerung öffentlich zu präsentieren. Es wurde am 10. Juni 1905 in der ehemaligen Kapelle der Abtei Knechtsteden eröffnet, nachdem diese zuvor seitens des Kommerzienrates Max von Guilleaume an die Stadt geschenkt worden war. Das Remagener Museum ist somit die älteste Museumsgründung im Kreis Ahrweiler.

Wie in Ahrweiler, wo sich vor allem der Rektor der Höheren Bürgerschule, Dr. Peter Joerres, wesentlich um die Realisierung der Museumsgründung bemühte, waren es auch in Remagen Privatmänner, denen der Erhalt von Altertümern für die Stadt Remagen am Herzen lag:

Heinrich Reuleaux (Beigeordneter der Stadt Remagen), Hans Lehner, der Leiter des Provinzialmuseums Bonn sowie Eugen Funck, der Gründer und späterer Leiter des Museums.

Die Gründung beider Museen fällt in die zweite der Hauptgründungsphasen von heimatkundlichen bzw. kulturhistorischen Museen, nämlich derzwischen 1905 und 1915. Der Wunsch nach Pflege des Heimatgedankens und dem Erhalt einer regionalen Identität erfährt in den 20er Jahren erneut Auftrieb und gibt den neugegründeten Museen die Möglichkeit sich endgültig als Teil des öffentlichen Bildungswesens fest zu etablieren. In einem Aufsatz Dr. Kempes kommt

dies deutlich zum Ausdruck: „Die Pflege des Heimatgedankens durch Tagungen, Heimatkalender, heimatkundlichen Unterricht und Vorträge und nicht zuletzt durch Gründung und Ausbau der Heimatmuseen trat immer mehr in den Vordergrund des Interesses. Von Tag zu Tag erkannte man mehr die große Bedeutung heimatkundlicher Sammlungen sowohl für die weitere Volksbildung als auch für die Neubelebung wahrer Heimatliebe. Diesen beiden Aufgaben will auch das Ahrgaumuseum dienen. Deshalb sammelt es in seinen Räumen Erinnerungsstücke der Vorzeit von den vorgeschichtlichen Funden angefangen durch die Römerzeit und das Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit..."4) Von der Museumsfachwelt wurden die Heimatmuseen stets argwöhnisch betrachtet und nicht selten als unseriöser Wildwuchs abgetan, stellten sie sich doch oft jeglicher Spezialisierung und Professionalisierung entgegen. Noch heute interessieren sich herkömmliche Heimatmuseen für alle Bereiche der Vergangenheit, sei es für die Geologie, Geographie, Paläontologie, Ur- und Frühgeschichte, Mineralogie, Kunst, Volkskunde usw. und in der Regel ist der gesamte Sammlungsbestand meist ohne Schwerpunktbildung oder thematische Bezüge in den Schauräumen nebeneinander ausgestellt.

Im Unterschied zur Gegenwart galt es weniger eine konzentrierte Schau einiger Schwerpunktthemen anzubieten, als die lokal vorhandenen historischen Schätze zu präsentieren, und dies möglichst komplett. Magazine, also nichtöffentliche Sammlungsräume, besaßen die kleinen Heimatmuseen meist nicht, man war ja froh, daß man überhaupt Räume zur Verfügung hatte. Zur Unterbringung kleinerer Exponate dienten meist alte Möbel mit einer verglasten Vorderseite. Der Besucher ging nicht wie heute flanierend durch das Museum, sondern er wurde in der Regel vom Leiter desselben geführt und unterrichtet. Dies war insofern auch erforderlich, da es meist keine Beschriftung der Exponate gab, sieht man einmal von internen Notizen ab. Zu den Besuchern zählten weniger einzelne Personen als interessierte Gruppen wie bspw. Vereine oder Schulklassen. Eine Beschriftung der Exponate im heutigen Sinne wurde aber erst erforderlich, als es für Museen wichtig zu werden begann, Besucher zu werben und für ein breiteres Publikum erfahrbar zu machen. Vitrinenschränke wie sie für das Remagener Museum nachweisbar sind, waren schon etwas ganz besonderes für ein Heimatmuseum und sind sicherauf den großen Einfluß des Provinzialmuseums zurückzuführen. Größere Exponate wurden an den Wänden entlang aufgereiht oder aber auf Möbelstücke, meist ebenfalls Sammlungsstücke, gestellt.

Selten wurden so wenige Gründungen von Museen vorgenommen wie in der Zeit zwischen 1945 und 1968, Das Museum galt als der Gipfel bürgerlicher Kultur, d. h. als Hort einer konservativen Wertewelt. Das beginnende Wirtschaftswunder förderte die Zukunftsorientierung und nicht die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Eine der wenigen Museumsgründungen dieserZeit ist das Heimatmuseum in Sinzig. Es wurde 1953 zunächst im Rathaus eröffnet. 1955 siedelt die ständig wachsende Sammlung in das von der Stadt angekaufte Sinziger Schloß. Ab der Mitte der 70er Jahre drängt eine zunehmende Geschichtsbegeisterung in alle Lebensbereiche. Es kommt zu den ersten großen historischen Ausstellungen mit einem geschäftigen Kulturbetrieb. Museen erfuhren eine zunehmende Aufwertung dadurch, daß die Politiker den ideologiestabilisierenden und ökonomischen Faktor der Kultur erkannten. Ausschlaggebend für das Interesse an der Geschichte im Museum sind die tiefgreifenden technologischen Veränderungen der letzten Jahre mit ihrem unterschwelligen ökonomischen und sozialen Wandel. Im Kreis Ahrweiler resultieren u. a. das Heimatmuseum Adenau, gegründet 1980, und - besonders charakteristisch - das Rennsportmuseum als „neue Attraktion am Ring", gegründet 1984, aus diesem allgemeinen Bedürfnis.

Anmerkungen und Literatur:

  1. Katalog der am Mittwoch den 3. Oktober 1906 in Altenahr gelegentlich der Hauptversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein stattfindenden Aussteilung von Altertümern, Ahrweiler/ Altenahr, 1906, S. 2.

  2. Neuenahrer Zeitung. 17. Dezember 1907, No. 148

  3. Chronik der Stadt Remagen 1879-1931 (Rigomagus 6), Remagen 1984, S. 23.

  4. Dr. Kempes: „Was bietet das Ahrgaumuseum der Jugendpflegearbeit im Kreise?". Koblenzer Blätter für Jugendpflege und Jugendbewegung, 1928. Heft 6, S. 20.
    -    Kultusministerium Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Museumsführer Rheinland-Pfalz, Bingen 1984.
    -    Röcke, Matthias: Museen der Eifel, Teil l Osteifel. Bad Neuenahr-Ahrweiler 1993.
    -    Wernz-Kaiser, Heike: Museum der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Bad Neuenahr-Ahrweiler 1993