Taler, Albus und Heller statt Korn, Hafer und Erbsen

Köhlerei in der Langhard

Manfred Reinnarth

»Kohle« sagen die jungen Leute heute für Geld. Und mit Kohle haben vor rund 200 Jahren schon Fürsten und Grafen tatsächlich Geld gemacht. Freilich kam auch ein Kohlenbrennermeister auf seine Kosten, wenn er die Schmelzöfen und Schmieden belieferte, aber ihm gehörte auch das Risiko. Die Abrechnungen der Herrschaft Olbrück mit dem Kohlenbrenner Michel Renard in der Langhard (an der Hohen Acht) für die Jahre 1738 bis 1740 liefern nicht nur interessante Umrechnungshinweise für die damaligen Hohlmaße und Währungen, sondern räumen auch mit dem Bild des »schwarzen Mannes« auf, der einsam im Wald seiner Arbeit nachgegangen sei. Er war keine Schreckensfigur, sondern Arbeitgeber für Holzfäller und Fuhrleute. Darüber hinaus sind die besagten Rechnungen ein Zeugnis für den Übergang von der Entlohnung in Naturalien zur Entschädigung in Geld -nicht nur in Münzen, sondern auch in sogenannten Assignaten, also gegengezeichneten Zahlungsanweisungen als Vorläufer der heutigen Banknoten.

Endlich wieder Arbeit

Es war im Februar des Jahres 1738, daß der Kohlenbrenner Michel Renard aus Retterath einen Vertrag mit den Herren von Olbrück, sprich der Amtsverwaltung in Königsfeld schloß, und damit wieder genug Geld verdiente, um seine noch junge Familie zu ernähren. Denn 1735 hatte er in Retterath geheiratet, und 1736 war die erste Tochter geboren. Zunächst, am 6. Februar 1738, mußte Michel allerdings die Herrschaft bemühen, ihm dabei behilflich zu sein, seine Rechnung beim »Herren Reymi« (einem Hüttenmeister im Raum Neuwied/Andernach) zu "urgieren, weil ich des geldts höchst bedürftig bin«. Im gleichen Brief drängt Renard den Freiherrn, endlich beginnen zu dürfen, weil »das Eychenhoitz sich schon würklich anfanget zu verliehren«. Seine Arbeit hatte mit der Suche nach einem geeigneten Wald begonnen. "Hab vernommen, daß die Gemeinde Jammelen (Jammelshofen) ihren Wald zu Verkaufen gedacht seyen, welcher vor 120 Taler nicht fahren zu lassen«, schrieb er. Das heißt, nachdem er 1729 noch mit »+« zeichnete, hat er sich den Brief sicherlich schreiben lassen. Der eigentliche Vertrag ist wohl nur mündlich geschlossen worden, dafür sein Inhalt aber zu Beginn der Rechnung wiedergegeben: »Den 22. Februar 1738 ist mit michell Renard Kollbrenner accor-diert (vertraglich vereinbart), daß holtz auff seine Kost(en) in der langenhart zu hawen und zu verkeilen, jedeß Fuder zwey und einen halben Taler cour. undt einen Reichstaler Drinckgelt so eodem (wie zuvor) empfangen«.

Das Risiko lag also bei ihm. Verständlich, daß der Meister peinlich darauf bedacht sein mußte, Waldarbeiter zu finden, die ihm entsprechend gut zulieferten. »Peter Meyß haben ihm miche-len nicht geliefert, seint nicht guth gewest und hatt Er nur sechß Klafter darauß gemacht« steht in der Abrechnung als Begründung für die Ablehnung des Peter Mies. Sonderzuteilungen sind peinlich genau notiert: Bert Meister zu Oberheckenbach erhielt beispielsweise ein Klafter Holz außer der Reihe. Im Schnitt schlug ein Waldarbeiter 12 Klafter ein und erhielt dafür 4 Sester Korn. Drei Sester sind ein halber Malter.

Holzhauer, Fuhrleute und Schürger im Dienst

Der Wald, um den es 1738 geht, befand sich »im Erpellen Dali«. Holzhauer aus allen umliegenden Orten wurden beschäftigt: Johann Klein aus Kempenich, Andreas Brückert aus Lederbach, Laurent Stenz, Anton Ort aus Oberhekkenbach, Anton Caspary, Johann Gammeisen, Nidaß Pret von Fronrath werden als erste genannt. Später werden im selben Beruf auch Michel Bings aus Cassel und aus Oberheckenbach noch Peter Mertes, Johann Mertes, Peter Schlich, Johann Ort und andere entlohnt. Holzfäller benötigte der Meister Michel Renard offenbar das ganze Jahr über. Jedenfalls finden sich die Bezugsscheine für Waldarbeiter zu allen Jahreszeiten, ja sogar noch im Spätherbst.

Lohe bringt weiteres Geld

Die erste Zahlung wird 1738 am 7. März an den Johann Paps, Bürgermeister zu Fronrath, geleistet. Auch an den Schultheißen Sebastian Tiel-len in Jammelshofen geht Geld. Leider ist der Verkauf der Lohe, also der gerbsäurehaitigen Eichenrinde, nicht datiert. Wegen der Reihenfolge in der Rechnung muß er aber spätestens im Juli erfolgt sein. Schon im April war der Mathias Lehmann aus Adenau an Ort und Stelle gewesen und hatte sich die Lohe angeschaut. Zwei große Aufträge hat Michel Renard offenbar pro Jahr erledigt. Mitte Mai taucht erstmals der Fuhrmann Theiß Scheffer von Lederbach in der Rechnung auf, und auch im August erhielt er wieder Geld, weil er 26 Maß transportiert hat. 18 Maß bildeten ein Fuder. Sicherlich ist zu dieser Zeit auch der Schürger (zu Jammelshofen) benötigt worden. Er taucht in der Abrechnung jedoch erst Mitte Oktober auf.

Per Schiff zum Bestimmungsort

Ziel der Kohlentransporte per Karren (vermutlich sind wie bei Michels Arbeit in der Grafschaft Virneburg Pferdekarren eingesetzt worden, wie sie in den Mayener Zollbüchern verzeichnet

sind) war zunächst Niederbreisig. Denn dort wurden die Kohlen aufs Schiff geladen. Der »Schiffmann Tattenberg« (er selbst quittierte am 26.12.1739 seinen Lohn von 26 Talern mit dem Namen Johannes Dattenfelt) sorgte für den weiteren Transport. 1738 wurden 66 Fuder und 16 Maß nach Niederbreisig geschafft, die 167 Taler, 17 Alb und 4 Heller ergaben. Weitere 27 Fuder und 6 Maß gingen nach Brohl und brachten (jedes Fuder 10 Kopfstücke) 60 Taler und 58 Alb. Die erste Ladung von Michels Kohlen im Folgejahr ging per Schiff an den Ander-nacher Stadtschultheißen Nuppeney, während der Herr von Hack in Köln die Rechnung zu zahlen hatte. 38 Fuder und 14 Maß, aufgeteilt in 36 Lieferungen rumpelten wieder in Karren von der Hocheifel an den Rhein. Eine jede Karre soll sieben Maß gefaßt haben. Ein Fuder blieb in Kruft. In den Akten über Michels Nachfolger in der Langhard, Joseph la nue (später Lano und Lanoy; er wohnte in Kempenich), existiert eine Rechnung des Zolls in Bell. Schließlich war die Eitel damals noch in fast unzählbare Territorien zersplittert. Dort verlief jedenfalls ein Haupttransportweg. Die zweite Lieferung des Jahres 1739 ging übrigens zur Schmelze nach Breid-bach: 40 Fuder und 3 Maß. Inzwischen waren die Preise explodiert. Die erste Lieferung 1739 brachte schon acht Taler das Fuder statt der 2 Taler, 17 Alb und 4 Heller aus dem Vorjahr, die zweite gar neun. Zur gleichen Zeit waren auch die Lebensmittelpreise stark angestiegen.

Solche hohen Summen wurden selbstverständlich gleich in Taler, Albus und Heller gerechnet. Der Lohn der Arbeiter aber ist fast immer in Frucht ausgedrückt worden, auch wenn gelegentlich Geld ausgegeben wurde. In der Akte befinden sich zahlreiche Bezugsscheine oder Anweisungen, die etwa lauten: »Im Nahmen Michael Reinard mögt Ihr Excellenz diesem Joanni Klein Von Kempenich für 4 Reichstaler Frucht geben für Holtz hawen, den 31 Marty Anno 1738.« oder »Gereon Wichterich der Müller soll gegen diesen Schein dem Mr. Michel Renart Kollbrenner messen fünf Sester Korn undt hirmitt verrechnen, Königsfeld, den 19. May 1738. Adm. Güsters, Kellner.« Die Scheine wurden also nicht nur vom Kohlenbrenner ausgegeben, sondern auch vom Amt selbst.

Für des Boten Schuhe bezahlt

Manchmal hatsich derKohlenbrennersein Geld persönlich auf dem Amt abgeholt, meist wurde es aber durch den Heckenbacher Boten oder jemand anderen überbracht. Das geschah freilich nicht umsonst: "Dem bott(en) michell weg(en) Schu(h)en machen« kostete drei Taler.

Bei der Begleichung der Arbeitsentgelte in Frucht bekam es der Kellner schnell mit unterschiedlichen Einheiten zu tun. So sagt ein Zettel: »Andreas Brückert holz hawen = 3 Sester Korn und zwey Mühlfaß Erbsen zu sahm(men) 7 Kopfstück. « Weil sich Äpfel und Birnen nicht so leicht zusammenrechnen lassen, mußte der Kellner getrennte Rechnungen führen und schließlich alles in Taler, Alb und Heller umrechnen. Schon im ersten halben Jahr waren 11 Malter Frucht ausgegeben worden. Jedes Malter Korn wurde zu neun Gulden (kölnisch) verrechnet, was dann einen Betrag von 30 Talern, 36 Alb. ergab, zudem wurden für zwei Sester Hafer 32 Alb. angerechnet. Bei all der Umrechnerei, lassen sich die Preise von 1738 sicher ermitteln; 1 Malter Korn war 2 Taler und 60 Alb wert, was 9 kölnischen Gulden entsprach (1739 wurde das Malter plötzlich zu 5 Talern gerechnet, erst später im Jahr sank der Preis mit dem neuen Korn wieder: auf 2 Taler). Das Malter Hafer wurde zu 1 Taler und 18 Alb abgerechnet, also 4 Gulden kölnisch. Das 1738 erwähnte Mühlfaß Erbsen ist zu 6 Alb und 8 Heller berücksichtigt. Demnach müßte das Malter Erbsen 2 Taler, 57 Alb und 4 Heller wert gewesen sein, fast soviel wie Korn. In der bassenheimischen Hälfte der Herrschaft Olbrück galt nämlich (vgl. LHAKo 40/ 199) 1 Malter = 8 Sommer, 1 Sommer = 4 Mühlfaß, 1 Mühlfaß = 4 Finten.

12 Heller sind ein Albus

So einfach im Zehnersystem lassen sich alte Rechnungen freilich nicht lösen: 12 Heller machten schließlich einen Albus aus, und 78 Albus waren dann ein Taler. Daneben existierte der Dreier, der 4 Alb und 4 Heller wert war, und von dem vier Stück wiederum ein Kopfstück ausmachten, also 17 Alb und 4 Heller. Der bereits erwähnte kölnische Gulden war 24 Alb wert. Die größte Münze, die in der Abrechnung genannt wird, ist der »Carolin« (im Auftrag von Karl Philipp von der Pfalz 1732 erstmals geprägt), ein Goldstück mit einem Gegenwert von sechs Talern und einem Kopfstück, das 1739 offenbar vom »Max d'or« (Kurfürst Maximilian III von Bayern) zum gleichen Wert abgelöst wurde. Bei der Spesenabrechnung für die Zehrung und Reise nach Breidbach 1739 (24 plus 3 Kopfstücke) werden schließlich noch fünf Petermännchen (eine Silbermünze aus Trier, die den Apostel Petrus zeigt) abgezogen.

Niederbreisig.gif (95917 Byte)

Das Rheinufer von Niederbreisig, um 1840: Kahnstation für Rheinreisende und Verladestation zahlreicher Güter. Stahlstich von Salmon/Shury.

Schuld gleich Anspruch auf Arbeit

Sogar der Wert der Arbeit läßt sich gewissermaßen in Geld ausdrücken: Als nämlich Anton Caspar! dem Michel von den ihm anvertrauten sechs Reichstalern nur fünf auszahlt, werden die an ihn schon vorzeitig ausgegebenen Fruchtmengen und Münzen zusammengerechnet und als Schuld in Arbeitstage umgewandelt: 6 Taler, 4 Alb und 4 Heller kommen zusammen. Dazu vermerkt der Kellner: »Dagegen hat er an meinen Herrn zu fordern = 16 tags arbeitt« - auch eine Art Schulden auszudrücken. An anderer Stelle geht es um den Holzfäller Peter Brückert:

»Dagegen hat er ahn meinen Herrn zu fordern 18 Tags arbeit ad 12 Kopfstück und 5 Klafter Holz.« Andersherum wurden laut eines Assignats für 12 Klafter Holz hauen 4 Sester Korn ausgehändigt, statt den Gegenwert von 1 Taler und 66 Alb auszubezahlen.

Nun, da ist es heute doch wirklich einfacher, einen Geldschein in die Tasche zu stecken. Aberauch das ist eigentlich nur ein Stück Papier mit dem aufgedruckten Zahlungsversprechen der Bundesbank...

Anmerkungen:

  1. Olbrück. Abrechnung mit dem Kohlenbrenner Michel Renard in der Langhard 1738 bis 1740. (LHAKo Best. 40/517)
  2. Abrechnungen und Korrespondenzen über die Kohlenbrennerei in der Herrschart Königsfeld (stark beschädigt) 1744 - 1754 LHAKo Best. 40/564
  3. Rechnungen der Kellnerei Olbrück (LHAKo 40/199)