Die vorrömische Fliehburg 
„Auf dem Hahn” in Bad Breisig

Wolfgang Gückelhorn/Winfried Vogel

Im Bad Breisiger Wald, nördlich des Frankenbaches „Auf dem Hahn“, einer knapp 180 m hohen, zum Rheintal steil abfallenden Höhe, entdeckten die Hobbyhistoriker Wolfgang Gückelhorn und Winfried Vogel die Wälle und Gräben einer Fliehburg. Diese ist bislang weder in den Karten des Rheinlandes verzeichnet, noch finden sich in den Bonner Jahrbüchern Hinweise. Vom Landesamt für Denkmalpflege wurde die anfängliche Vermutung, es handele sich um eine vorrömische Anlage, bestätigt. Näheres über die Datierung der Fliehburg und deren Benutzer/Bewohner kann nur durch fachmännisch durchgeführte Grabungen herausgefunden werden. 1998 wurde die gesamte Anlage unter Denkmalschutz gestellt. Vermessungsarbeiten der Denkmalschutzone durch das Katasteramt Sinzig sind inzwischen abgeschlossen, so dass eine Kartierung erfolgen kann.

Sinn und Zweck von Fliehburgen
Befestigungen aus vorrömischer Zeit, oft etwas voreilig „vorgeschichtliche Befestigungen“ genannt, befanden sich in der Regel auf Bergen und Höhen. Sie dienten zum Schutz und zur leichteren Verteidigung des Lebens und Besitztums der meist im Tal an Bächen oder Flüssen siedelnden Bewohner. Hier im Rheintal bei Bad Breisig, dessen Name ja ebenso wie Remagen und Sinzig eine Bezeichnung keltischen Ursprungs ist, können wir uns vorstellen, dass die Anlage „Auf dem Hahn“ von einer keltischen Gruppierung des Großstamms der Treverer stammt. Diese trieben Ackerbau, Fischfang und Handel. Rückschlüsse auf das Errichtungsdatum solcher Wehranlagen können nur durch archäologische Funde gewonnen werden. Solange keine schriftlichen oder durch Münzfunde gesicherten Erkenntnisse ans Tageslicht gelangen, kann die Gründungszeit dieser Anlage nur grob als vorrömisch umrissen werden.

In gefährlichen Zeiten, z.B. bei kriegerischen Auseinandersetzungen, flüchteten die Bewohner der aus Holz und Lehm errichteten Dörfer und größeren Siedlungen aus den Flußtälern auf die angrenzenden Höhen hinter Wälle und Gräben, die sie dort zum Schutze und zur besseren Verteidigung gebaut hatten. Auch Gewässer und Sümpfe, an die man sich zurückzog, sowie schroffe Felsabstürze konnten Sicherheit bieten. Wenn irgend möglich wurde aber eine hohe Lage auf einem Berg für eine Fliehburg ausgewählt, weil sie den Angreifer zu anstrengenden Annäherungen an den Berg und mühsamen Aufstiegsaktionen zwang. Außerdem war der Verteidiger durch die größere Wirkung seiner Stein- und Speerwürfe und Pfeilschüsse dem Angreifer aus dieser Position deutlich überlegen, selbst wenn er zahlenmäßig diesem unterlegen war.

Steinwürfe und Schüsse, insbesondere auch den Berg hinabgerollte Steine gewinnen ja durch den Wurf von der Höhenstellung in die Tiefe hinab an Kraft und Wirkung. Zudem setzten fehlende Ernährungsmöglichkeiten für den Angreifer die Dauer einer Belagerung auf eine kurze Zeitspanne herab.

Die Fliehburg "Auf dem Hahn“ bei Bad Breisig, eingezeichnet in die deutsche Grundkarte (Bearbeitung Katasteramt Sinzig).

Bauweise der Fliehburgen
Wälle und Mauern von Fliehburgen wurden in der Regel aus einem Gemisch von Erde, Steinen und Holz hergestellt. Woraus sie bei unserer Höhenburg genau bestanden haben, kann erst durch Grabungen auf dem Gelände bestimmt werden. Im 7. Buch des „gallischen Krieges“ (De bello Galico) gibt uns Caesar eine detaillierte Beschreibung der sehr widerstandsfähigen Verteidigungsanlagen einiger befestigter keltischer Städte (=opida).

„Alle gallischen Mauern haben etwa folgende Gestalt: Auf dem Boden werden rechtwinklig zu Länge des Walles immer mit zwei Fuß Abstand Balken nebeneinander gelegt. Die inneren Enden der Balken werden wohl befestigt und mit viel Erde bekleidet. In der Front aber werden die Abstände zwischen den Balken, welche wir erwähnen (nämlich zwei Fuß) mit großen Steinen völlig ausgefüllt. Ist diese Schicht gelegt und verbunden, so kommt eine zweite Lage von Balken mit demselben Abstand darauf, aber so, dass nicht Balken auf Balken trifft, sondern daß sie in gleichen Räumen abwechseln und sie immer durch dazwischen gestellte Steine sorgfältig umschlossen sind. So wird das Werk fortgeführt, bis die verlangte Höhe der Mauer erreicht ist.

Der regelmäßige Wechsel der nach geraden Linien geordneten Balken und Steine gibt dem Werk ein nicht unschönes Ansehen, ist aber auch von großem Nutzen und von größtem Vorteil für die Verteidigung der Städte, weil die Steine gegen das Feuer, die Balken aber gegen den Widder Schutz gewähren, denn diese sind durch oft 40 Fuß messende Längsbalken im Inneren verbunden und können weder durchbrochen noch auseinandergerissen werden.“

Bei der Fliehburg „Auf dem Hahn“ hat es sich sicherlich nicht um eine solche wehrtechnisch vorzüglich entwickelte Großanlage gehandelt, aber nach einem ähnlichen Prinzip dürften auch hier die Wälle gebaut gewesen sein.

Wenn das Holz dann im Laufe der Jahrhunderte verrottete, so verfiel die Mauer und es bildeten sich aus ihrem Schutt Erdwälle. Reste solcher Anlagen finden wir auf den Rheinhöhen, insbesondere im linksrheinischen Gebiet. Auf den Wanderkarten werden sie entweder als keltische Fliehburgen oder auch fälschlicherweise als Schwedenschanzen o.ä. bezeichnet. Ihre Funktion als Zufluchtsstätte der Bevölkerung in vorrömischer Zeit lebte in den 300 Jahren nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches wohl teilweise wieder auf. Plündernde Germanenstämme und unsichere Lebensverhältnisse gefährdeten das Leben im ehemaligen römischen Kulturgebiet, bis durch Karl den Großen wieder ein Staatsgebiet entstand, in dem Ordnung und Sicherheit - von Einfällen der Wikinger einmal abgesehen - garantiert werden konnten.

Wall-Grabensystem der Anlage nach Nordosten hin.

Fliehburgen bei Bad Breisig und Brohl
Die Besichtigung der Fliehburgen bei Bad Breisig und Brohl ist zwar mit Bergsteigen verbunden, aber in jedem Fall lohnend, weil sich von dort oben herrliche Blicke ins Rheintal und bis zum Siebengebirge ergeben. Ohne große Kartenkenntnisse findet der Wanderer alle Anlagen, weil sie wie an einer Perlenschnur aufgereiht am Rheinhöhenweg liegen. Dieser ist mit schwarzem R auf weißem Grund gekennzeichnet.
Bereits seit dem späten 19. Jahrhunderts sind die Fliehburgen auf der Reuterslei und oberhalb des Brohler Bahnhofs bekannt und erschlossen. Zusammen mit der Anlage „Auf dem Hahn“ lassen sie die Vermutung zu, dass in diesem Gebiet wohl ein größerer Keltenstamm ansässig war.

Derjenige, der die Anlage besichtigen möchte, gelangt vom Breisiger Schützenplatz in der Vogelsangstraße über den ausgeschilderten Rheinhöhenweg dorthin. Der Aufstieg an den Hängen, die zum Rhein und Frankenbach hin steil abfallen, lässt erahnen, welche Mühe Angreifer unter Waffenlast gehabt hätten, wenn sie diese Fliehburg angreifen wollten. Sichtbar ist für den aufmerksamen Besucher noch auf dem Weg zur Anhöhe eine Stufe im Hang, bei der es sich wohl um einen Verteidigungsring handelte, vermutlich mit Palisadenzaun.

Im Bereich der eigentlichen Fliehburg ist ein markanter Erdhügel am Weg auszumachen, wo ein Wachtturm gestanden haben könnte. Davor westwärts verläuft ein deutlich sichtbarer Graben über den gesamten Rücken und bildet die westliche Abgrenzung der Verteidigungsanlage. Von diesem Graben zweigt rechtwinklig ein weiterer Graben mit vorgelagertem Wall nach Nordosten ab. Weil in dieser Flanke der Fliehburg die Hängigkeit nicht so ausgeprägt ist, mußten die Erbauer der Anlage diesen Teil mit einem Wall-Grabensystem verstärken.

Damit geschichtlich interessierte Besucher eine Vorstellung von der Anlage erhalten, wird die Fliehburg „auf dem Hahn“ von Seiten der Stadt Bad Breisig und dem Landesamt für Denkmalpflege wegemäßig besser erschlossen und mit Erklärungstafeln ausgestattet. 

Literatur: