Der Ehrensteiner Hof zu Ahrweiler

Hans-Georg Klein

Wo heute das Restaurant „Eifelstube“ in der Ahrhutstraße steht, befand sich im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ein prümischer Adelshof.1) Diese Tatsache ist in der Ahrweiler Stadtgeschichtsforschung unbekannt. Bekannt ist allenfalls, dass im ausgehenden 18. Jahrhundert an dieser Stelle die Steinfelder Mönche eine Besitzung hatten.

Hier in der Ahrhutstraße ist seit etwa 570 Jahren ein Adelshof, der sogenannte Ehrensteiner Hof, der dem Reichskloster Prüm lehnspflichtig war, nachweisbar. Er gehörte damals zu den 7 Adelshöfen von Prüm in Ahrweiler.

Wie ist nun diese Behauptung zu belegen?

Zunächst sind verschiedene Aufzeichnungen des sogenannten Prümer Ganges, der auch bisher nicht ausgewertet wurde, für die Topographie unserer Stadt eine wahre Fundgrube.
Im ältesten überlieferten Prümer Hofweistum von 14302) ist der Prümer Gang vermutlich erstmals beschrieben. Die uns interessierende Stelle lautet:

„...biß up die ander strasse, die man nennet die Pletzergaß, die straisse vortt uyß byß up denn Hirtz, vonn danne over die Aergasse, inde umb denn hoff von Erensteyn, der auch binnen den vier grendelen leygett. Von dannen gelych hynden denn patt uiß biß oeven an die moelen...“

Der nächste Beleg ist der Prümer Gang im Hofweistum von 15493). Dort heißt es: „...biß auff die ander strass, gnant die Pletzergaß, dan die straß voirt auß, biß auff den Hirtz und von dannen over die Ahrgaß umb den Erensteiner hoff, nu durch dero Blanckardter hoff, gnant der Vischenicher hoff, uff die ander gasse auf den dych bey der mullen...“

In den weiteren bekannten Beschreibungen finden wir keine Anhaltspunkte für den Ehrensteiner Hof mehr. Im Prümer Gang von 1694 heißt es: „... bis auf den Hirsch, darumbt gekehrt durch freiherr (hier fehlt die Namensangabe) bis Blanckars hoff...“4)

Im Prümer Gang von 1744 ist nur noch der Blankarts Hof erwähnt. Wir werden noch sehen, weshalb das so ist. Diese Beschreibungen des Prümer Ganges, der ein Grenzgang war und alle 8 bis 9 Jahre durch die Grenzbegehung des Abtes oder seines Vertreters mit den Schöffen und Hofgeschworenen als Zeugen die Rechte Prüms auf dieses Herrenland festschrieb, halten ausdrücklich fest, dass der Ehrensteiner Hof „binnen den vier grendelen“, d. h. auf dem Prümer Herrenland lag. 

In den Prümischen Lehnsregistern von 15215) und 16306) werden 7 adelige und 7 unadelige Lehen genannt. Die Adelslehen sind: der Staffeler Turm, „ein adelich hauß binnen Arweiler genant uff thum“, der Ehrensteiner Hof, „den Erensteiner Hoff vnd was dem anhengigs mit einem Viertel der Marktmühle“, der Kolven Turm, „der Hoff, ... der Kolven hoff genant wird“, der Orsbecker Hof, „bynnen den vier grindelen zu Arweiler und seines gotteshaus hocheit gelegen“, von altersher der Orsbecker Hof genant, der Eltzer Hof, „den Eltzer Hoff vnd was dem anklebt haben die von Eltz vnd Einenberg jetzige herren von Landtcron zu Lehen“, der Fischenicher Hof (= Blankarts Hof) mit drei Viertel der Marktmühle, und der Gymnicher Hof. Das Lehnsregister der Prümischen Güter zu Ahrweiler von 1630 wurde von dem damaligen prümischen Hofschultheißen Hans Wilhelm Stappelberg, der später Bürgermeister von Ahrweiler wurde, angelegt. 

Stappelberg beschreibt den Ehrensteiner Hof im Register an zweiter Stelle nach dem Staffeler Turm, man beachte das, denn die Reihenfolge sagte damals immer viel über die Wertigkeit aus: „Item der Herr von Burenscheidt seliger den Erensteiner hoff und waß dem anhengigs von Prüm zu lehen getragen. Item das viertheil der marckmuhlen in Arweiler“. Der Hinweis, dass am Ehrensteiner Hof ein Viertel der Einnahmen der Marktmühle, die Prümer Bannmühle war, klebt, hilft uns bei der weiteren Aufspürung dieses Hofes und seiner Besitzer weiter. Offensichtlich - und das zeigt uns auch der Grenzverlauf - waren der Ehrensteiner und der Fischenischer Hof resp. Blankartshof ursprünglich in einer Hand. Ich versuche, nach dem heutigen Wissenstand ganz kurz die Besitzverhältnisse zu skizzieren. Wenden wir uns zunächst der Frage zu, wo der Namen Ehrensteiner Hof herkommt. Die erste Möglichkeit ergibt sich aus folgender Überlegung: Um 1330 erbauten die edelfreien Herren von Ütgenbach, die als Zeugen in saynischen Urkunden und als Prümer sowie Schwarzrheindorfer Vögte erscheinen, die Burg Ehrenstein im Wiedbachtal, nach der sie sich seit 1331 von Ehrenstein nennen. 1449 verkauften sie die Herrschaft Ehrenstein dem verschwägerten Wilhelm von Nesselrode7).

Hier befand sich der Ehrensteiner Hof, Aufnahme um 1950

Wenn die Ehrensteiner Herren Prümer Vögte waren, ist auch die Belehnung mit diesem Hofe hier in der Ahrgasse durch den Abt von Prüm nachzuvollziehen, die zwischen 1331 und 1430 erfolgt sein muss, wenn es auch bisher darüber keine weiteren Erkenntnisse gibt. Es ist allerdings auch interessant zu wissen, dass die Ehrensteiner vom Kloster Prüm auch Haus, Hof und Hofrecht zu Pützfeld8), sowie das Haus Kreuzberg, das Adam von Ütgenbach, Herr zu Ehrenstein, zwar 14299) von Köln zu Lehen trug, das aber auf alten Prümer Besitz zurückging, an sich gebracht haben. Interessant ist noch folgendes: Im ersten erhaltenen Privileg Ahrweilers von 122810) taucht im Gefolge des Grafen Lothar von Are-Hochstaden ein Hermannus Flecke auf. Diese Familie Flecke besaß die Burg Nesselrath an der Wupper. Theodor Flecke kämpfte in der Schlacht von Worringen auf der Seite des Kölner Erzbischofs und geriet in Gefangenschaft. Henrich Fleco war 1299 Küchenmeister des Kölner Erzbischofs. Die Fleckes nannten sich um 1300 von Nesselrode. Der besagte Wilhelm von Nesselrode heiratete 1446 Eva von Ütgenbach, Erbin zu Ehrenstein.

Wenden wir uns nun der Lage des Ehrensteiner Hofes in Ahrweiler zu. Wieso kann behauptet werden, er habe in der Ahrhutstraße an der genannten Stelle gelegen?

1. Die Beschreibung im Prümer Gang lässt diese Vermutung zu.

2. Ich werde die Linie von den Ehrensteiner Herren bis zu den Steinfelder Mönchen nachziehen, die laut erstem Stadtplan des Landmessers Galibert von 177511) diesen Hof in der Ahrhutstraße besessen haben. Hilfreich hierzu ist auch das vom dem ehemaligen Bürgermeister Christian Ulrich veröffentlichte Häuserverzeichnis12) zu diesem Plan.

Von den Ehrensteinern gelangte der Hof durch Verkauf an die verschwägerte Familie von Nesselrode. 1449 wird Wilhelm von Nesselrode auf Ansuchen seines Schwagers Adam von Ütgenbach mit der Burg Ehrenstein und allem Anhang belehnt, also auch mit dem Ehrensteiner Hof zu Ahrweiler. 1475 heiratete der Sohn Bertram von Nesselrode zu Ehrenstein Margarete von Bourscheid-Veynau. Die Ehe blieb kinderlos13).

1495 erfahren wir von einer Erbteilung der Gebrüder Nagel, Ritter zu Ahrweiler, in unserer Stadt14). Zeuge ist der Onkel Bertram von Nesselrode, Ritter, Herr von Ehrenstein, Erbmarschall des Landes Berg. Ob die Nagels schon im Besitz des Ehrensteiner Hofes sind, ist nicht zu belegen. 1502 kauft Wilhelm Nagel, Amtmann zu Hammerstein, den Staffeler Turm von Dietrich Kolve für 100 kleine Rheinische Gulden15). Seitdem sind der Staffeler Turm und der Ehrensteiner Hof immer in derselben Hand. Auch das ist für die Stadtgeschichte neu. Wilhelm Nagel ist mit Rüdgen Blankard verheiratet. Sie haben zwei Söhne, Dietrich und Bernhard, von denen uns hier nur Dietrich interessiert16).

1526 ist eine erneute Erbteilung der Gebrüder Dietrich und Bernhard Nagel belegt. Dietrich bekommt den Staffeler Turm zu Ahrweiler und den „steynen strunck“ mit dem dabeiliegenden Hof, dem Ehrensteiner Hof, und ein Haus in „der Judengasse, das die Bürgerschaft jetzt benutzt“.17) Bernhard Nagel erhält zu seinem Erbteil u.a. das Haus zu Sinzig, genannt der Nesselroder Hof (identisch mit dem Nagelshof), mit allem Zubehör. Der Blankartshof in der Stadt Ahrweiler bleibt ungeteilt, jedoch steht jedem der Brüder die Hälfte der Einnahmen zu.

Dietrich Nagel heiratet Anna von Ahr zu Antweiler.

Die Enkelin Katharina von Wachtendonck heiratet 1574 Dietrich von Metternich-Bourscheid18). Dieser Dietrich wurde 1585 von Prüm mit dem Staffeler oder Weißen Turm und dem Ehrensteiner Hof belehnt. Dietrich von Metternich-Bourscheid war eine einflussreiche Persönlichkeit. Er war Rat des Erzbischofs von Trier, dann Rat des Erzbischofs von Köln, Kurtrierer Mannrichter zu Prüm, Amtmann zu Ahrweiler, Rheinbach, Kesseling und Justen, Baumeister zu Wichterich. Dann bekleidete er das Amt eines Amtmannes zu Wittlich und Bruch an der Salm, mit der Residenzpflicht in der erzbischöflichen Wasserburg zu Bruch an der Salm. Hier mußte der Amtmann Dietrich, stets gerüstet und mit drei guten Pferden versehen, zum Kampfeinsatz bereit stehen.

Die Erblinie führt über Hans-Gerhard von Metternich zu Wolf Heinrich von Metternich, belehnt 1652, der diese Lehensgüter an die Familie der Herren von Steinkallenfels verkauft19). 1680 besitzt Philipp Melchior von Steinkallenfels den Weißen Turm und den Ehrensteiner Hof, wie vorher sein Vater Gottfried20).

1700 verkaufen die Steinkallenfels beide Güter für 2134 Taler21) an das Kloster Steinfeld, dessen Besitzung 1688 in der Wehrscheid abgebrannt war. Mit diesem Verkauf ging auch die Bedeutung beider Besitztümer als Adelslehen verloren.

Somit ist die Frage, wo der Hof lag, eindeutig beantwortet. Es führt ein direkter Nachweis vom 1430 erstmals erwähnten Ehrensteiner Hof bis zum Steinfelder Hof im Plan von 1775.

Anmerkungen:

  1. Neben dem Grundstück Wirtz gehörte auch das Grundstück Strohe zum Ehrensteiner Hof.
  2. Quellen zur Geschichte der Stadt Ahrweiler, bearb. von R. Bous und H.-G. Klein, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1998(= Quellen), Nr. 599
  3. Quellen 1017
  4. Quellen 1629
  5. Quellen 950
  6. Quellen 1327
  7. Köbler, Gerhard, Historisches Lexikon der deutschen Länder, S. 126, München 1989
  8. Gensicke, Hellmuth, Landesgeschichte des Westerwaldes, hrsg. von der Historischen Kommission für Nassau, Wiesbaden 1958, S. 203
  9. Ebenda, S. 203
  10. Stadtarchiv Ahrweiler A 1.
  11. Veröffentlicht von Klaus Flink, Der Stadtwerdungsprozeß von Ahrweiler und die „kurkölnischen Stadtgründungen“ in: De aruuilre - 1100 Jahre Ahrweiler, hrsg. von Hans-Georg Klein, S. 119, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1992
  12.  Quellen 2229
  13. Regesten des Archivs der Herren von Bourscheid, bearbeitet von Francois Decker, Bd. 1, S. 163, Koblenz 1989
  14. Quellen 854
  15. Quellen 890
  16. Regesten des Archivs der Herren von Bourscheid, bearbeitet von Francois Decker, Bd. II, S. 542, Koblenz 1989
  17. Quellen 963
  18. Regesten des Archivs der Herren von Bourscheid, bearbeitet von Francois Decker, Bd. II, S. 542, Koblenz 1989. Hier wird der Name des Hofes mit „Ehrensegnerhof“ wiedergegeben. Das ist wohl ein Schreib- oder Lesefehler.
  19. Regesten des Archivs der Herren von Bourscheid, bearbeitet von Francois Decker, Bd. II, S. 543 ff., Koblenz 1989
  20. Stramberg, Christian von, Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, III, 9, S. 783, Koblenz 1854
  21. Schug, Peter, Geschichte der zum ehemaligen kölnischen Ahrgaudekanat gehörenden Pfarreien der Dekanate Adenau, Ahrweiler und Remagen, S. 23, Trier 1952