»Wenn Krankheit eintritt, wird auf Gott vertraut«

Zum Medizinalwesen in der Bürgermeisterei Burgbrohl im 19. Jahrhundert

Achim Schmitz

Rund 250 Milliarden Mark erwartete Kosten im bundesdeutschen Gesundheitswesen im Jahre 1999. Eine enorme Summe, die jährlich für die Gesundheit der Bundesbürger aufgebracht werden muss. Nach Ansicht vieler Experten hat die Gesundheitsfürsorge damit ihre finanziellen Grenzen erreicht. Um die in den vergangenen Jahren ständig gestiegenen Kosten einzudämmen, werden von den verantwortlichen Sozialpolitikern und Versicherungsvertretern umfassende Einsparmöglichkeiten gesucht: Budgetierung von Ärzten, höhere Eigenbeteiligung bei Arzneimitteln und Zahnersatz, Reduzierung von medizinischen Leistungen usw. Um Geld einzusparen, müssen außerdem Krankenhäuser Betten abbauen, die stationären Aufenthalte werden kürzer, die ambulante häusliche Pflege soll verstärkt werden. Tatsache ist außerdem, dass es mittlerweile eine stattliche Anzahl arbeitsloser Mediziner gibt. Dennoch ist das bundesdeutsche Gesundheitswesen trotz aller Einsparungen immer noch eines der modernsten und effektivsten der Welt. 

Davon konnte im 19. Jahrhundert keine Rede sein. Insbesondere in ländlichen Regionen waren Ärzte knapp, es bestand kein flächendeckendes Apothekennetz und Krankenhäuser gab es ebenfalls viel zu wenige. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Gesundheitswesen in der ehemaligen Amtsbürgermeisterei Burgbrohl im 19. Jahrhundert bis zur Eröffnung des St. Josefs-Krankenhauses in Burgbrohl im Jahre 1900, wodurch sich die medizinische Situation merklich verbesserte.

Gesundheit der Bevölkerung um 1880

„Die körperliche Beschaffenheit der Einwohner unseres Bezirks ist von Grund aus gut; ein kräftiger, mehr gedrungener Körperbau entspricht den Mühen der Berge besser als die schlanke Statur des Bewohners der Ebene“ schreibt der „Königlich Preußische geheime Medizinalrat“ Dr. Julius Wegeler im Jahre 1880 in einer Abhandlung über die Bürgermeisterei Burgbrohl. Dr. Wegeler, der als Arzt in Koblenz und Mayen praktizierte, war um 1840 Besitzer der Orbachsmühle im Brohltal geworden. Diese Öl- und Trassmühle existierte unweit des Areals, auf dem sich heute die Kläranlage der Verbandsgemeinde Brohltal befindet. Der Koblenzer Mediziner erkundete Menschen und Natur der Brohltalregion intensiv und fasste seine Erkenntnisse in einer vielbeachteten und sehr aussagekräftigen „land- und volkswirtschaftlichen Chronik“ zusammen. Über die Gesundheit der Bevölkerung heißt es dort neben dem obigen Zitat auch: „Wenn Krankheit eintritt, wird auf Gott vertraut.“ Diese Feststellung Dr. Wegelers sagt sehr viel über die medizinischen Verhältnisse in der Amtsbürgermeisterei Burgbrohl aus, zu der neben dem Hauptort Burgbrohl die Gemeinden Brenk, Galenberg (diese beiden bildeten bis zum Jahre 1828 eine Einheit und wurden danach erst selbständig), Glees, Kell, Niederlützingen, Oberlützingen, Wassenach, Wehr sowie Niederoberweiler gehörten. Wegeler zur Folge lebten im Jahre 1817 2.264 Personen, im Jahre 1851 insgesamt 4.166 Einwohner in der Bürgermeisterei. Der größte Ort war Wehr (868 Einwohner in 1852), gefolgt von Niederlützingen, Kell, Wassenach und Burgbrohl. 1851 wohnte in der Bürgermeisterei weder ein Arzt noch ein Wundarzt, sondern lediglich ein Heilgehilfe. „Indeß die nächste Apotheke überall ein bis zwei Stunden und mehr entfernt liegt und nur drei Hebammen dem Geburtsgeschäft vorstehen", wie es Dr. Wegeler weiter formuliert.

Unzureichende Betreuung

Die medizinische Betreuung der Bevölkerung war folglich vollkommen unzureichend. Das war aber nicht nur in der Amtsbürgermeisterei Burgbrohl so, sondern überall, insbesondere natürlich in ländlichen Gegenden mit einer vergleichsweise geringen Bevölkerungsdichte. Was passierte, wenn jemand erkrankte? Zwei Fälle, die sich tagtäglich ereignen konnten, sollen die Problematik damals etwas verdeutlichen: Es ist Juni. Die Heuernte hat begonnen. Ein Landwirt arbeitet auf dem Feld. Plötzlich verspürt er starke Stiche in Brust und Rücken. Der Mann bekommt hohes Fieber und muss ins Bett. Als sich der Zustand nach einigen Tagen nicht gebessert hat, schickt die Ehefrau einen Boten zum nächsten Arzt in die Stadt. Dieser ist nicht da, sondern weitab auf Krankenbesuch. Erst am darauffolgenden Nachmittag kommt er, untersucht den Kranken und leitet medizinische Maßnahmen ein. Mehrere Tage müssen Ehefrau und älteste Tochter Nachtwache am Krankenbett halten, ehe es dem Patienten langsam wieder besser geht. Die beiden Frauen wechseln sich ab, um am Tag das Vieh zu versorgen und die Ernte einzubringen. „Ein Kranker macht mehr Kranke“ war ein Sprichwort, das damals oft gebraucht wurde. Ein zweiter Fall ist der eines Schmiedes, der sich beim Aufziehen eines Rades schwer verletzt. Der Mann blutet stark und klagt über Schmerzen in einem Bein. Ein Arzt ist nicht zur Stelle. Folglich wird der Verletzte auf einen Pferdewagen geladen, durchs Brohltal nach Brohl und von dort aus nach Andernach oder Niederbreisig transportiert, wo sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts Ärzte niedergelassen hatten. Ein Krankentransport, der aufgrund der schlechten Beschaffenheit der Straßen mehrere Stunden dauerte. Nachteilig konnte sich ebenfalls die Witterung auswirken. Oft kam der Arzt bei Krankheiten und Unfällen zu spät. Das hatte nicht nur mit dem Mangel an ausgebildeten Medizinern zu tun, sondern beruhte auch auf der Tatsache, dass es zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine gesetzliche Krankenversicherung gab. Es gab überhaupt keine staatliche soziale Sicherung der Bevölkerung. Wer krank wurde, Medikamente brauchte oder sogar einen Arzt benötigte, musste die Kosten selbst bezahlen. Eine gesetzliche Krankenversicherung wurde in Deutschland erst im Jahre 1883 eingeführt, 1884 folgte die gesetzliche Unfallversicherung. Eine Invalidenversicherung als Vorläufer unserer heutigen Rentenversicherung existierte seit dem Jahre 1889. Eine gesetzliche Krankenversicherung für Landwirte gibt es sogar erst seit 1972.

Das St. Josefs-Krankenhaus in Burgbrohl um 1900.

Armenpflege

Ein Arzt wurde folglich nur in äußersten Notfällen zu Rate gezogen. So war das auch in der Amtsbürgermeisterei Burgbrohl. Die meisten ihrer Bewohner waren arm und lebten in beständiger Geldnot. Aus Mangel an Finanzen scheute man den Besuch des Arztes. Oft versuchten sich die Leute mit Hausmitteln zu helfen, schalteten mehr oder weniger heilkundige Nachbarn der Dorfbewohner ein, beteten und hofften darauf, daß Heilung eintrat.

Musste dann aber doch ein Arzt konsultiert werden, war es oft so, dass man einen Boten zu dem Mediziner schickte, der dann aufgrund des Botenberichtes eine Ferndiagnose stellte und die wenigen Medikamente, die damals auch ihm zur Verfügung standen, mitgab. Viele Dorfbewohner waren aber so arm, dass sie sich Medikamente oder einen Arzt überhaupt nicht leisten konnten. Benötigten diese Leute jedoch medizinischen Beistand, dann ging das zu Lasten der Gemeinde. Die einzelnen Orte des Brohltals hatten für solche Fälle eigens Armenfonds eingerichtet, beispielsweise Niederlützingen, wo bereits 1827 ein solcher Fonds bestand. Größtenteils finanzierten sich die Armenfonds aus Stiftungen reicheMitbürger und da es davon nicht viele in den einzelnen Gemeinden gab, liegt auf der Hand, dass für die Armenpflege nicht viel Geld zur Verfügung stand. Arme Mitbürger, die krank waren, konnten für eine Gemeinde teuer werden. Daher sträubten sich die Gemeindevertretungen oft auch, für ihre Mitbürger aufzukommen. Dr. Wegeler schreibt hierzu: „Die Armenpflege liegt im Ganzen sehr darnieder. Der Einzelne ist auf die Hilfe und die Unterstützung seiner Nachbarn angewiesen, die ihm gewöhnlich auch in genügender Weise zuteil wird, als das die Gemeinde helfend eingreift. Die Gemeinde greift selten ein. Es geht dies soweit, daß der besoldete Armenarzt selten zu Rate gezogen wird und indem freie Arznei zu erlangen, stets schwierig ist. Hat der Erkrankte namentlich ein auch noch so kleines Grundstück, so beruft man sich darauf und ehe dasselbe nicht verkauft ist, wird ihm schwer auch nur das Mindeste bewilligt. Die Unzweckmäßigkeit dieser Ansicht wird trotz allem Auseinandersetzungen nicht eingesehen.“

Sterblichkeit

Weitaus höher als heute lag im 19. Jahrhundert die Säuglingssterblichkeit. Julius Wegeler geht im Jahre 1851 davon aus, dass die Zahl der „Todgeborenen“ rund 6,4% betragen hat. Er schreibt weiter: „Wie viele Kinder indess wirklich todgeboren, wie wiele bis zum dritten Tage gestorben sind und nach dem Dekret vom 4. Juli 1806 dann noch als todgeboren aufgeführt worden sind, läßt sich nicht ermitteln.“ Wegeler gibt in diesem Zusammenhang auch eine Übersicht über die Sterblichkeit in verschiedenen Lebensaltern (ohne die oben erwähnten Todgeborenen!). Er geht von einer Zahl der Verstorbenen aus, die in einem Zeitraum von zehn Jahren im Amt Burgbrohl insgesamt 1.022 betrug. Davon starben 294 Personen (also 28,7 %!!!) vor Vollendung des ersten Lebensjahres. Ein- bis dreijährige Kinder starben in dem betreffenden Zeitraum 115 (= 11,3%). Drei bis 60jährige Personen: 397 (3 8,8%) und über 60jährige 216 Personen = 21,2%. 

Neben der hohen Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit war auch die Zahl der Mütter, die bei Geburten oder im Wochenbett starben, vergleichsweise hoch. Sicherlich war die mangelnde medizinische Versorgung ein Grund für diesen Umstand. Die Verantwortlichen in Staat und Kirche versuchten bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, dagegen etwas zu unternehmen. Schaut man in Visitationsprotokolle des Bistums Trier aus dem 19. Jahrhundert, so fällt auf, dass die Vertreter der bischöflichen Behörde bei ihren Pfarreibesuchen immer danach fragten, ob es Hebammen in den Gemeinden gäbe. 

Hebammen

Im Archiv der Verbandsgemeinde Brohltal gibt es eine Akte aus der Amtbürgermeisterei Burgbrohl, in der es ausschließlich um das Hebammenwesen geht. Der älteste Eintrag darrin datiert vom 20. Januar 1820. Demnach ist seit 1817 die „Anna Catharina Schlich aus Wassenach“ als Hebamme im Amt Burgbrohl tätig. Aus dem Jahr 1820 existiert eine weitere Urkunde, in der neben der bereits erwähnten Anna Catharina Schlich auch die damals 52jährige Magdalena Geishacker (Geisheuser?) aus Kell sowie die 38jährige Maria Anna Schlich aus Wehr als Hebammen im Amt Burgbrohl aufgeführt werden. Am 2. März 1837 war eine Gertrud Reisdorf, geborene Barth, aus Nickenich als Hebamme in Burgbrohl, Wassenach und Niederoberweiler tätig. „Als Gehalt erhält sie von Burgbrohl 5 Thaler, 26 Silbergroschen und 4 Pfennig, von Wassenach 5 Thaler, 20 Silbergroschen und 8 Pfennig und von Niederoberweiler 6 Thaler, 13 Silbergroschen und 8 Pfennig",- heißt es in der Akte. Ab 1840 arbeitete dann die 25jährige Anna Maria Britz, geborene Detzel, als Hebamme im Burgbrohl, Wassenach und Weiler. Ihr Ehemann, der Bäckermeister Johann Britz, hatte am 30.Mai 1840 einen entsprechenden Vertrag mit dem Burgbrohler Bürgermeister Carl Krah abgeschlossen. In diesem heißt es u.a.: „Die Anna Maria Britz wird auf Kosten der vorgenannten Gemeinden an die Hebammenlehranstalt zu Trier angemeldet, ... um als Hebamme ausgebildet zu werden.

...Die Frau Britz... verpflichtetsich,... die Stelle der Hebamme zu Burgbrohl mindestens zehn Jahre lang treu und richtig zu versehen.“ Interessant an diesem Vertrag ist, dass nicht die Frau Anna Maria Britz selbst unterzeichnet, sondern lediglich ihr Ehemann. Diese Tatsache ist ein wertvoller Hinweis auf die rechtliche Stellung der Frau im 19. Jahrhundert. Von Gleichberechtigung konnte folglich keine Rede sein. Aus dem Jahre 1853 existiert ein Hebammenverzeichnis, in dem die Zuständigkeitsbereich festgelegt sind. Drei Hebammen arbeiten in der Amtsbürgermeisterei Burgbrohl: Die Burgbrohlerin Erna Sackmann ist für Burgbrohl, Niederoberweiler, Nieder- und Oberlützingen zuständig. Barbara Gammel aus Kell kümmert sich um die Orte Kell und Wassenach. Christine Mohr aus Wehr ist in Wehr, Glees, Brenk und Galenberg tätig.

Distriktsärzte

Um auch die ärztliche Versorgung im ländlichen Bereich zu verbessern, beriefen die königlichpreußischen Gesundheitsbehörden - seit dem Wiener Kongress im Jahre 1815 gehörte das Rheinland und damit auch das Brohltal zu Preußen - Anfang des 19. Jahrhunderts sogenannte „Distriktsärzte“. Wie aus Akten des Jahres 1828 hervorgeht, sollte die Gewährung eines bestimmten Einkommens an diese Mediziner einerseits in dünn bevölkerten Gegenden die Niederlassung von Ärzten ermöglichen, andererseits den Gemeinden eine Verbilligung der Arztkosten bringen und schließlich auch eine Entlastung der Staatskasse durch Einsparung an Diäten und Reisekosten der Kreisphysiker herbeiführen. Ein Distriktsarzt hatte die Aufgabe „in der Behandlung aller armen Kranken seines Distrikts in allen drei Kunstzweigen - Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer." Bei ausbrechenden Epidemien mußte sich der Distriktsarzt täglich oder doch über den anderen Tag in die betreffenden Ortschaften begeben und „allen Kranken, welche es begehren, ärztliche Hilfe angedeihen lassen“. Ferner hatte der Distriktsarzt auf Antrag arme Geisteskranke für die Aufnahme in eine Anstalt anzumelden, beurlaubte Soldaten und schließlich die Schulkinder auf chronische Ausschlagkrankheiten zu untersuchen. Es war außerdem als Impfarzt tätig. Für die Amtsbürgermeisterei Burgbrohl war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Distriktsarzt zuständig, der in Andernach ansässig war. Diesen Arzt aufsuchen, war mit stundenlangen Wegen verbunden. Wegen der beträchtlichen Entfernung werden sich viele Bewohner der Bürgermeisterei auch an Ärzte in benachbarten Ämtern gewendet haben. So hatte sich beispielsweise im Jahre 1835 in Niederbreisig der aus Unkel am Rhein stammende Chirurg 1. Klasse Dr. Ernst Wilhelm Maeder als Arzt und Distriktsmediziner niedergelassen. 1865 ließ sich Dr. Joseph Berghausen als erster Arzt in Brohl nieder und eröffnete eine Praxis. Seine Praxis übernahm 1896 Dr. Jakob Betzner und arbeitete bis 1901 in der Rheingemeinde, ehe dort Dr. Wilhelm Dapper als Land- und Distriktsarzt angestellt wurde. Um das Jahr 1870 wurde in Niedermendig das St. Nikolaushospital eröffnet. Dieses Krankenhaus wurde fortan auch von vielen Einwohnern, aus Wehr, Glees und Wassenach aufgesucht, heißt es in Verbandsgemeinde-Akten.

Ärzte in Burgbrohl

In Burgbrohl selber ließ sich im Jahre 1845 Dr. Otto Ewich nieder. Der Mediziner war in diesem Jahr bei einer Versteigerung in Besitz von Schloss Burgbrohl gekommen und eröffnete in dem Gebäude eine Landarztpraxis. Mehrere Jahre arbeitete der um 1814 geborene Dr. Ewich fortan als „Arzt, Operateur und Geburtshelfer“ in Burgbrohl.. Dr Ewich setzte bei der Behandlung seiner Patienten auf die heilende Wirkung der Mineralwässer des Brohltals, darunter auf die besondere Heilkraft des Helperts. Er schrieb einen Brohltalführer und zeigte darin ebenfalls die therapeutische Bedeutung des Mineralwassers auf. Dr. Ewich hatte außerdem vor, im Brohltal ein großes Bad zu schaffen:

„das Kurbad Heilbronn bei Brohl“. Noch heute existieren Pläne und Zeichnungen über dieses Projekt, das gegenüber der Schweppenburg nahe bei der Zufahrt zum heutigen TönissteineSprudel errichtet werden sollte. Um 1850 verzog der Arzt dann nach Köln und eröffnete dort eine Praxis, ohne allerdings seinen Plan von der Gründung eines "Kurbades Heilbronn bei Brohl" aufzugeben. Mehrfach wurden Pläne gemacht, Medizinalkommissionen bereisten das Brohltal und untersuchten die in Frage kommenden Brunnen. 1857 erschien ein Prospekt zur Bildung des Kurbades, das letztendlich dann doch nicht realisiert wurde.

Neben Dr. Ewich heilte der oben erwähnte Dr. Julius Wegeler, wenn es sich auf der Orbachsmühle aufhielt, sicherlich auch so manchen Kranken aus den Brohltalgemeinden. Im Gegensatz zu Dr. Ewich war Dr. Wegeler aber nie im Brohltal niedergelassener Arzt. Ende des 19. Jahrhunderts verbesserten sich die medizinischen Verhältnisse in der Bürgermeisterei Burgbrohl. So wurde 1892 erstmals ein Arzt - er fungierte auch als Distrikts und Armenarzt - angestellt: Dr. B. Hintze. Er war der erste Arzt, der dauerhaft in der Brohltalgemeinde arbeitete. 

Apotheken

Parallel dazu liefen Bemühungen, eine Apotheke in Burgbrohl anzusiedeln. Am 22. November 1892 stellte Amtsbürgermeister Jost - er war seit Juli 1892 Bürgermeister in Burgbrohl - einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Kreisverwaltung Mayen. Begründet wurde der Antrag mit der gestiegenen Bevölkerungszahl, mit der fortschreitenden Industrialisierung sowie der stetig steigenden Bedeutung Burgbrohls und des Brohltals für das Verkehrswesen. Außerdem, schrieb der Bürgermeister, habe sich in Bad Tönisstein (heutige Fachklinik Bad Tönisstein) ein florierender Kurbadbetrieb entwickelt, der ebenfalls eine Apotheke fordere. Die Hausapotheke des niedergelassenen Mediziners Dr. Hintze genüge diesen Anforderungen bei weitem nicht mehr. „Der hiesige Arzt, Dr. Hintze, hat wiederholt den Wunsch geäußert, die Hausapotheke abgeben zu können, da ihm bei Ausübung seiner Praxis kaum die nötige Zeit zur Verwaltung der Hausapotheke übrig bleibt.“ Die Entfernung zu den in Andernach, Niederbreisig, Niedermendig und Ahrweiler existierenden Apotheken sei zu weit. Außerdem argumentiert Bürgermeister Jost mit dem bevorstehenden Bau einer Eisenbahnlinie durch das Brohltal: „Der lang erstrebte Bau einer Eisenbahn erscheint nunmehr gesichert".

Grundsätzlich sahen die Beamten des zuständigen Landratsamtes Mayen auch den Sinn des Antrages ein. Umgesetzt wurde zunächst jedoch nichts. Ein mehrere Jahre dauerndes Prüfverfahren schloss sich an, ehe im Februar 1900 der Niederbreisiger Apotheker Reuter in Burgbrohl eine Filialapotheke eröffnen konnte. Vier Jahre später wurde diese Filiale zur Voll-Apotheke umgewandelt. Der aus einem Moselort stammende Apotheker Hermann Ibach übernahm sie.

Krankenhaus Burgbrohl seit 1900.

Eine weitere entscheidende Verbesserung der medizinischen Versorgung der Menschen des unteren Brohltals bahnte sich seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. In Burgbrohl sollte ein Krankenhaus erbaut werden. Hierzu hatte sich bereits im Jahre 1880 ein „Komitee zum Bau eines Krankenhauses“ gebildet. Nahezu zwei Jahrzehnte arbeitete dieser Ausschuss, ehe das Vorhaben realisiert werden konnte. Geklärt werden mussten vor allem zwei Fragen: Finanzierung und Bauplatz. Bezüglich des Standortes fiel im Jahre 1896 eine Entscheidung, als der Pfarrgemeinderat der Burgbrohler Kirchengemeinde beschloss, ein Gelände „am Vitumhof“ neben der Pfarrkirche für den Bau eines Krankenhauses zur Verfügung zu stellen. Kurz darauf war auch die Finanzfrage geregelt. Das Krankenhaus wurde dann in den Jahren 1898/99 gebaut und konnte Anfang 1900 bereits in Betrieb genommen werden.

Die Gemeinde Burgbrohl als Bauherrin überließ das neuerrichtete Hospital der Ordenskongregation der Waldbreitbacher Franziskanerinnen. Diese, sie hatten bereits 1864 in Oberzissen eine Niederlassung, zogen am 21. Februar 1900 auch nach Burgbrohl und eröffneten das dem heiligen Josef geweihte Krankenhaus. Die Schwestern erhielten das Krankenhaus mit zugehörigem Gartenland zur freien Verfügung. Sie waren lediglich verpflichtet, in erster Linie für kranke und hilfsbedürftige Personen aus der Bürgermeisterei Burgbrohl - ohne Unterschied der Konfession - zu sorgen. „Der Pflegeplatz soll für diejenigen Kranken, welche der Anstalt von den Gemeinden der Bürgermeisterei Burgbrohl überwiesen werden, ausschließlich der ärztlichen Behandlung und der Medikamente, eine Mark pro Tag betragen und darf nur in Ausnahmefällen insofern erhöht werden, als einzelne Kranke besonderer Pflege und Aufwendungen bedürfen.“ Gemeinsam mit der Oberin, Schwester Mechthildis, nahmen fünf Ordensfrauen ihre Arbeit auf. Im Jahrbuch der Schwesterngemeinschaft heißt es: „Vom ersten Tage an konnten die Schwestern ihre Tätigkeit entfalten.“ Das Haus verfügte über rund 20 Betten auf zwei Stockwerken. Da nicht alle Zimmer bzw. zur Verfügung stehenden Krankenhausbetten sofort mit Patienten belegt wurden, fanden vier alte kränkliche Leute der Bürgermeisterei Burgbrohl sowie acht auswärtige Schüler, die vom damaligen Burgbrohler Geistlichen, Pfarrer Kiesselbach, auf das höhere Gymnasialstudium vorbereitet wurden, Aufnahme und Verpflegung im Krankenhaus. Als leitender Arzt fungierte bis zum Jahre 1911 Dr. Hintze. Neben der stationären Pflege engagierten sich die Ordensschwestern besonders stark in der ambulanten Pflege innerhalb der gesamten Amtsbürgermeisterei: „So in Brenk, Burgbrohl, Galenberg, Glees, Kell, Nieder-, Oberlützingen, Wassenach, Wehr und Weiler, wo in diesem Jahr der Keuchhusten unter den Kindern auftrat“, wie es im Jahrbuch des St-Josefs-Krankenhauses vermerkt ist . Mit dem Hospital hatte das Amt Burgbrohl endlich eine Anlaufstelle zur stationären Behandlung. Mehrmals wurde das Krankenhaus seit der Eröffnung umgebaut, erweitert und modernisiert, unter anderen 1923, 1928, 1952 bis 1955, 1962 bis 1965, 1977 sowie in den achtziger Jahren. Der jüngste Umbau fand 1998/99 statt. Nahezu ein Jahrhundert leistete das Burgbrohler Krankenhaus den Menschen im Brohltal und den angrenzenden Regionen wertvolle medizinische Dienste und tut es heute - es ist 1999 in eine geriatrische Fachklinik umgewandelt worden - immer noch.

Die Brohltal-Klinik St. Josef, 1999.

Literatur: