Das Pferd von Remagen

Zur Geschichte der Pferde im Rheinland

Karl Heinz Kurth

Equus remagensis

„Von nun an vor 100.000 Jahren bis 50.000 Jahren vertritt dieser Equus remagensis und seine Untergattungen das typische Wildpferd des eurasischen Mittelpalöolithikums”.1) So las ich es in dem Buch „Reiten, Reiter, Reiterei” und war erstaunt, dass ich, obwohl mich die Geschichte des Pferdes sehr interessierte, noch nie etwas vom Pferd von Remagen gehört hatte. Bald stellte ich fest, dass dies nicht nur mir so ging, sondern auch anderen an der Geschichte der Region interessierten Mitbürgern. 

Bei meinen Nachforschungen erfuhr ich dann, dass der Steinbruch am Unkelstein bei Remagen ein bekannter archäologischer Fundort war.

Als man im vorigen Jahrhundert dort die Lößschicht vor der Gewinnung des Basalts abtrug, fanden Wissenschaftler in den tiefen Lagen des Löß eine reichhaltige Fauna, die großes wissenschaftliches Interesse erregte. So zum Beispiel Überreste von Pferd, Rentier, Mammut, Wollnashorn und Moschusochsen.2) Der dabei gemachte außergewöhnliche Fund des Remagener Pferdes wurde schließlich sogar in das Berliner Institut für Landwirtschaftliche Forschung gebracht. Dies geschah wohl auch vor dem Hintergrund, dass die preußische Regierung im 19. Jahrhundert ein Pferd zu züchten versuchte, das militärischen und danach auch landwirtschaftlichen Anforderungen gerecht wurde. Es dauerte über 40 Jahre, ehe die preußische Regierung bei den Zuchtversuchen erkannte, dass kaltblütige Arbeitspferde als Zuchtziel für die Rheinprovinz am geeignetsten waren.3) Hierbei scheint die Untersuchung des Remagener Fundes vermutlich auch von Bedeutung gewesen zu sein.

Der Equus remagensis – Pferd von Remagen – hat sich seither in der Wissenschaft für das Wildpferd dieser Entwicklungsstufe eingebürgert.

Urpferdchen

Durch den Hinweis auf das Pferd von Remagen wurde ich dazu angeregt, mich mit der Geschichte des Pferdes insgesamt zu beschäftigen.

Die Entwicklung zu unserem heutigen Pferd begann vor rund 55 Millionen Jahren über viele Zwischenstufen, zu denen auch das Remagener Pferd gehört.

Einige Spuren der Entwicklung unseres Pferdes finden wir auch an vielen Stellen im Rheinland und in der Eifel.

So wurden beispielsweise im ältesten Eifel-Maar in Eckfeld (ca. 45 Millionen Jahre alt) bei Manderscheid Überreste von pferdeartige hundegroßen Tieren (Propalaeotherien/Urpferdchen) entdeckt. Dieses Urpferd wies an den Vorderfüßen vier Zehen und an den Hinterfüßen nur drei Zehen auf, was dem Tier eine leichte Fortbewegung auf sumpfigem Urwaldboden ermöglichte, denn Blätter und Kräuter bildeten seine Hauptnahrung.4)

Eiszeit-Pferde

Bis hin zur Entwicklung zum Remagener Pferd mussten noch viele Millionen Jahre vergehen.

Vor rund 100.000 Jahren müssen dann am Unkelstein in der letzten Eiszeit Pferde in einer üppigen Krautsteppe geweidet haben.

Über diese Pferde hat im Jahre 1884 Nehring aufgrund der fossilen Funde am Unkelstein eine Studie verfasst.
„Mittelpunkt der Untersuchungen sind die Funde aus den tiefsten Lagen des Löß am Unkelstein bei Remagen am Rhein, wo unter anderem auch das so gut wie vollständige Skelett einer etwa zehnjährigen Stute zum Vorschein kam.

Aus den Skelettmaßen errechnet Nehring eine Höhe im Widerrist von 1,51 m bis 1,55 m; wahrscheinlicher ist sie jedoch ca. 5 cm geringer”.5)

Das rheinische Urpferd war wie überhaupt das Wildpferd, das seit Beginn der Diluvialzeit die Steppen Mitteleuropas in großen Herden bevölkerte, von kleiner, gedrungener Gestalt, aber durch starken Knochenbau ausgezeichnet.6)

Dass es in unserer Region vor 40.000 Jahren Pferde gab, zeigen menschliche Lagerungsspuren aus dem Bereich Remagen Schwalbenberg.7) Auf der dort untersuchten kleinen Fläche eines Lagerplatzes wurden neben Knochen von Pferden auch Steinartefakte (Werkzeuge aus Stein) gefunden. Pferde waren für diese Menschen wohl Jagdbeute gewesen.

Mit dem Vordringen des Waldes wich das Wildpferd mehr und mehr nach Osten zurück.

Gezähmte Tiere blieben aber auch in dem schon frühzeitig besiedelten Rheintal heimisch. Im 4. oder Ende des 5. Jahrtausend wurde das Pferd dann zum Haustier.8)

Caesar erwähnt in seinem Werk „De bello Gallico” den großen Pferdereichtum im Rheinland, wo damals nur selbstgezüchtete Pferde eingesetzt wurden. Dieses Kaltblut im Besitz eines germanischen Stammes auf dem Westufer des Rheines rühmt er als hartes, unermüdliches Bauernpferd. 

Die Entwicklungsgeschichte des Pferdes verdeutlicht diese Plastik.

Pferdezucht im Rheinland

Über die Pferdezucht am Rhein erfahren wir dann im 16. Jahrhundert in einem Werk von Fugger, der hier drei vorherrschende Zuchtrichtungen vorstellt: das Bergische, das Gelderländer (Holländische Pferd) und das Eifeler Pferd.

Das Gelderländer Pferd wird als das beste Ritterpferd Deutschlands geschildert. Als Streitross hatte auch das Eifeler Pferd eine große Bedeutung. 

Im Jahre 1850 erfahren wir mehr über das Eifeler Pferd. Es wird damals wie folgt beschrieben: „Charakteristisch für die Eifeler Rasse ist der dicke schwere Kopf, die eingedrückte Nase und das breite, sehr abschüssige Kreuz. Die Eifeler Pferde sind ferner bedeutend kleiner als die Holländer, dabei aber dauerhafter und feuriger. Sie besitzen, abgesehen von wenig imponierendem Aussehen, gerade diejenigen Eigenschaften, die wir von den Ackerpferden verlangen, und es kann die allgemeine Haltung diese Rasse, namentlich in Betracht des Umstandes, dass sie in einer rauhen Gegend bei dürftiger Nahrung erzogen wird, und deshalb hier bei hinreichender kräftiger Fütterung vortrefflich sich ausbildet, nur von durchaus günstigem Einflusse auf den hiesigen Ackerbau sein”.9)

Das hier beschriebene Pferd diente später unter Verwendung belgischer Hengste als Grundlage für das Rheinisch-Deutsche-Kaltblut. Die Zuchterfolge führten dazu, dass das Rheinisch-Deutsche-Kaltblut zu einem Begriff wurde und viele deutsche und ausländische Zuchten – auch in Übersee – entscheidend beeinflusste, ja ihnen sogar das Gepräge gab.

In den 1930er Jahren soll das Rheinische Kaltblut rund 50% des gesamten deutschen Pferdebestandes gestellt haben. Anfang der 1960er Jahre ging die Kaltblutzucht aber zu Ende.
Im Rheinland hatte immer ein schwerer Pferdeschlag (Kaltblut) seine besten Voraussetzungen.10) Die Anfänge dieser Entwicklung sehen wir im Wildpferd von Remagen, das vor mehr als 50.000 Jahren in unserer Region heimisch war.

Anmerkungen:

  1. Saldko G. Solinski: Reiter, Reiten, Reiterei. Hildesheim 1993. S. 81ff.
  2. Wighart v. Koenigswald: Erdgeschichte im Rheinland. Mensch und Tier im Rheinland während der vielfältigen Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Bonn 1994. S. 200f.
  3. Angela Baumann: Rheinische Pferdezucht 100 Jahre. Bonn 1992. S. 4ff.
  4. Karl Heinz Kurth: Das Urpferdchen in der Eifel. In: Eifeljahrbuch 1997. S. 161f.
  5. Günter Nobis: Vom Wildpferd zum Hauspferd. Die Wildpferde des Mittel- und Jung-Quartärs in Eurasien. Duisburg 1971. S. 35ff.
  6. Karl Simons: Die Entwicklung der rheinischen Pferdezucht - Geschichtlicher Rückblick S. 6ff.
  7. Gerhard Bosinski: Eiszeitjäger im Neuwieder Becken. Koblenz 1992. S. 80f.
  8. Dr. Dr. h. c. Johannes Flade: Traumpferde. Vom Wildpferd zum Hauspferd. Das Pferd im Wandel der Zeit. Sulzbach 1996.
  9. G. Hartstein: Topographie des Kreises Bonn. Bonn 1850. S. 162-167 (Viehzucht, Pferdezucht)
  10. Karl Heinz Kurth: Das Eifeler Pferd war weit über die Grenzen der Eifel bekannt. Eifel-Jahrbuch 1991. S. 67ff.