Bewaffneter Aufstand der Rheinhalfen anno 1848

Zu den Vorgängen in Kripp und Umgebung

Willy Weis/Hildegard Funk

Bis zum Aufkommen der Dampfschiffe hatte die Treidelschiffahrt ein Monopolstellung am Rhein. Schiffe wurden vor allem mit Pferdekraft mittels eines vorgespannten Seiles auf dem linksrheinischen Leinpfad bergwärts gezogen.

Dies änderte sich mit der Dampfschiffahrt, die schließlich die traditionelle Treidelschiffahrt verdrängte und ihr den Todesstoß versetzte, da sie ja vom Ufer losgelösten, von Wind und Wetter unabhängigen Schiffsverkehr ermöglichte.

Der Halfenaufstand

Der aus Existenzangst aufkommende Ärger und Verdruss bei den Rheinhalfenkolonnen, machte sich dann ab 1830 durch zunehmende Feindseligkeit gegenüber den Dampfschiffern bemerkbar. Die Situtation verschärfte sich nach 1841 rapide, als die Zechenbesitzer Haniel und Stinnes zum Transport ihrer Kohle starke Schleppdampfer auf dem Rhein einsetzten. Der Konkurrenzkampf eskalierte, als die ergrimmten Rheinhalfen im April 1848 zu den Waffen griffen und vorbeifahrende Schiffe beschossen. Dieser „Halfenaufstand" begann am 3. April 1848 und bestand aus einer fast dreiwöchigen, nicht organisierten Schießerei auf Dampfschiffe. Inszeniert wurde sie von aufgebrachten Rheinhalfen, wobei der Anlass, eine in Köln einberufene Versammlung aufgebrachter Segelschiffer gewesen sein dürfte, die zur Rettung der Treidelschiffahrt ein Verbot aller eisernen Kähne und eine Verstaatlichung aller Schleppdampfer forderte. Als Ausnahm wollte man nur Notfälle gelten lassen, z. B. Unpassierbarkeit des Leinpfades bei Hochwasser oder Eisgang, Pferdemangel etc.. Ein auf dieser Versammlung allenthalben umhergehendes „Gerücht", die Halfen sollten nur auf Schleppboote schießen, „man bürge dafür", daß dies nicht bestraft würde, dürfte vermutlich die Initialzündung für den Halfenaufstand gewesen sein, dessen revolutionärer Funke Anfang 1848 schnell auf die anderen Treidelstationen von Wesseling bis Weißenthurm übergriff.1)

Die Kripper Rheinhalfen

Um den Untergang der Treidelschiffahrt durch solche „Selbsthilfe" aufzuhalten, machten die Kripper Rheinhalfen ihrem Unmut Luft, indem sie die vorbeifahrenden Dampfschiffe tätlich angriffen und mit Flinten, Böllern („Katzeköpp" genannt) und einer Kanone auf die Ruderstühle der Dampfschiffe schossen.

Die Steuerstühle und Dampfaggregate waren von den Schiffseignern deshalb vorsorglich mit Eisenplatten gesichert worden. Die Sterumänner versahen ihren Schiffsdienst hinter den mit Eisenblechen verbarrikadierten Steuerstühlen. Für die Männer an den Rudern auf den Anhängekähnen hatte man ebenfalls Schutzplatten angebracht.

Als Munition bei den großkalibrigen Waffen dienten unter anderem nicht mehr benötigte Hufnägel, Steine etc..

In Kripp soll ein dort anwesender Engländer der aufgebrachten Kripper „Halfenwehr" das Exerzieren an einer von ihm beschafften Kanone beigebracht haben.2)

Erst das Eintreffen einer Schwadron des 4. Dragoner Regiments aus Bonn sorgte in Kripp nach kurzem Eingreifen wieder für Ruhe und Ordnung und brachte die hiesigen bis zur Verzweiflung aufgebrachten aufständigschen Rheinhalfen zur Raison.

Während ihrer Einquartierung in Kripp weideten die Dragoner ihre Pferde im Flurbereich „Am Dorn", direkt im Ahrtmündungsbereich. Einige Halfen, die in Kripp Gewalttätigkeiten gegen die Schleppschiffe verübt hatten, wurden in Bonn „gefänglich" untergebracht.

Durch starke Militärpräsenz wurde der Rheinhalfenaufstand in der dritten Aprilwoche 1848 endgültig zerschlagen.

Zur Aufrechterhaltung der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung" wurden mobile berittene Militäreinheiten in verschiedenen Orten entlang des Rheines von Bonn bis Koblenz einquartiert.3)

Verschiedene Vorfälle

Amtlichen Verlautbarungen zufolge nahmen am 3. und 8. April 1848 Weißenthurmer Halfen und Bauern den Düsseldorfer Schlepper „Niederrhein II" von dem Turmer Werth aus, hinter Erdwällen verschanzt, mit annähernd 90 Schüssen unter Feuer. Dagleiche erlitten am 4. April das Schleppschiff „Overstolz" und der Schlepper „Franz Haniel".4)

Das Dampfschiff „M. Stinnes" wurde am 6.4. wurde unter dauerndem Beschuß von Halfen rheinaufwärts verfolgt.

Mit einem Kanonenschuss auf die uferbegleitenden Halfen wehrten sich die Dampfschiffer gegen diese Übergriffe. Zur großen Freude der Halfen brachen sie aber dennoch ihre Bergfahrt ab und kehrten bis Andernach zurück. Daraufhin wurden Husaren aus Bonn nach Weißenthurm verlegt. Von Kripp aus wurde am 9. April 1848 der Raddampfschlepper „Mannheim I" beschossen, ohne daß jedoch die 13-köpfige Mannschaft Schaden erlitt. Das 130 PS starke stählerne Schiff war 1842 von einer englischen Werft in Greenwich gebaut worden. Es war 60,35 m lang und 13,5 m breit.5) Auf den Schleppdampfer „de Rijn" schossen Halfen am 15.4. von Bonn-Rheindorf aus.

Weiteren Dampfschiffen erging es am 18.4. ähnlich bei Wesseling. Die Schleppschiffe setzten jedoch ihre Bergfahrt bis Bonn fort, wo sie oberhalb der Stadt zu ihrem Schutze Truppen an Bord nahmen. Um militärische Präsenz zu zeigen, patrouillierten auf der rechten Rheinseite Dragoner, auf dem linken Rheinufer Ulanen.

Mit Hilfe der mitfahrenden Truppen erzwangen sich diese Schiffe beim Weißenthurmer Werth die Durchfahrt. Die „Truppen luden Während des Übersetzens vor Neuwied scharf, worauf das Werth geräumt wurde."6)

Widerspruchslos nahmen die Treidler ihre erlittenen Einkommenseinbußen nicht hin. Sie protestierten weiter. Erst ein Regulativ durch die Frankfurter Nationalversammlung konnte die aufmüpfigen hiesigen „Wassergewerbler" zufriedenstellen.

Das „Böllerdenkmal" in Kripp erinnert seit 1995 an den „Aufstand der Rheinhalfen". Errichtet wurde es vom Kripper Bürgerund Heimatverein.

Im Konkurrenzkampf mit den immer weiter aufkommenden Dampfschiffahrtsgesellschaften unterlagen die Rheinhalfen jedoch schließlich endgültig. Vorbei war die Zeit, in der Schiffe mit Leinen und durch Muskelkraft expediert wurden.

Selten konnten sich die Halfen auf die neue Schiffahrt umstellen. Die Halfen mußten umlernen und wurden beispielsweise in Kripp teilweise Ziegelbäcker oder Ackerbauern.

Die harte Arbeit am und auf dem Strom, durch die in Kripp ganze Familien ernährt wurden, prägte die Menschen und die gesamte Sozialstruktur des Ortes Kripp. Mit dem Rückgang der Treidelei auf dem Rhein endete auch ein Stück Kripper Ortsgeschichte.

Heute erinnert nur noch ein 1995 vom Kripper Bürger- und Heimatverein in den Rheinanlagen errichtetes „Böllerdenkmal" an die Existenzangst und die verzweifelten Aktionen der ehemaligen Kripper „Wassergewerbler".

Quellen und Literatur:

  1. Stadtarchiv Bonn, II 1626, Vom Rhein zur Ahr.

  2. Festschrift JGV Kripp, H. P. Kürten

  3. Bonner Wochenblatt Nr. 110 v. 20. 4. 1848, Nr. 115 v. 26. 4. 1848

  4. Oldtimer, S. 43 Nr. 109, S. 86, Nr. 38

  5. Oldtimer, S. 37, Nr. 75

  6. Oldtimer, S. 40, Nr. 35, S. 84, Nr. 39
    - „Oldtimer der Rheinschifffahrt", 150 Jahre Dampfschifffahrt auf dem Rhein, Binnenschifffahrtsverlag Duisburg o. J.
    - Godesberger Heimatblätter, Heft 26, Jahresheft des Vereins Heimatpflege und Heimatgeschichte, Bad Godesberg e. V.
    „2000 Jahre Rheinschifffahrt", Koblenz 1991.