Das neue Schulhaus auf dem Calvarienberg

Am 21. Oktober 1929 wurde die Schule der „Unterrichts- und Erziehungsanstalt Ursulinenkloster Calvarienberg bei Ahrweiler eingeweiht

Dr. Michael Riemenschneider

Nicht erst einmal ist es dem Autor während einer Fahrt mit der Ahrtalbahn passiert, dass auswärtige Fahrgäste in Höhe der Römervilla bzw. unterhalb von Hohenzollern sich gegenseitig auf das „Schloss" auf dem gegenüberliegenden Hügel aufmerksam machten. Aus dieser Perspektive hat der Calvarienberg in der Tat etwas Herrschaftliches an sich. Man sieht die eigentliche Klosteranlage, basierend auf dem Grundriss des alten Franziskanerklosters, heute bestehend aus der Kirche, dem eigentlichen Klostertrakt und dem Internat. Vom Betrachter aus gesehen schließt sich rechts der zweite große Baukomplex, das eigentliche Schulhaus des Calvarienbergs an, um das es hier gehen soll. Es ergänzt in harmonischer Weise die „schlossartige" Architektur. Es folgt ein dritter Komplex, der um so stärker ins Blickfeld tritt, je weiter die Bahn ahraufwärts fährt. Er zeichnet sich durch den Beton der siebziger Jahre aus, grenzt sich somit scharf von der bisherigen Architektur ab und beherbergt den Erweiterungstrakt des Gymnasiums, die Realschule, eine Sporthalle und das Hallenschwimmbad. Zwar wird der vermeintliche Schlosscharakter dadurch wohl getrübt, aber das Gesamtbauwerk wirkt auch dann noch auf den Betrachter imponierend. Wie kam es dazu, dass die Ursulinen die Anlage der Franziskaner erweiterten und ein neues, großes Schulhaus bauten?

Die Notwendigkeit des neuen Schulhauses

Nachdem die Ursulinen das durch die Säkularisation unter der französischen Herrschaft seit 1803 leerstehende alte Franziskanerkloster gekauft hatten, begannen sie im September 1838 mit 20 Schülerinnen den Unterrichtsbetrieb, 1839 waren es 50 und 1840 bereits 90 Schülerinnen. Man begann mit zwei Klassen, die sich bis auf sieben steigerten. 1894 erließ der Preußische Staat erstmals „Bestimmungen über das Mädchenschulwesen". Der Calvarienberg versuchte, möglichst schnell diesen Anforderungen zu genügen und seine Lehrpläne darauf auszurichten. 1909 erhielt die Internatsschule die Anerkennung als „Höhere Mädchenschule", später Lyzeum genannt, was bezüglich des Abschlusses etwa der Mittleren Reife vergleichbar wäre. Noch im selben Jahr wurde eine sich daran anschließende einjährige Frauenschule eingerichtet, die die Fertigkeiten der Haushaltsführung lehrte. Ferner gab es Lehrgänge zur Ausbildung von Hauswirtschafts­- und Nadelarbeitslehrerinnen. 1910 öffnete sich die Internatsschule auch für Externe, was die Zahl der Schülerinnen von 160 auf 181 steigen ließ. Von 1902 bis 1922 bestand neben der Schule auf dem Calvarienberg noch eine höhere Mädchenschule in Ahrweiler. Ein Großteil der Schülerinnen wechselte nach der Schließung dieser Schule zum Lyzeum auf dem Berg, wodurch die Schülerinnenzahl von 232 im Jahre 1921 auf 357 im Jahre 1922 stieg. 1921 wurde ein Lehrgang für Hauswirtschaftslehrerinnen, 1924 für Nadelarbeitslehrerinnen eingerichtet. 1925 erhielt das Lyzeum dadurch eine Aufwertung, dass das verliehene Abschluss­zeugnis nun den Vermerk tragen durfte. „Dieses Zeugnis berechtigt zum Eintritt in die Obersekunda und in die dritte wissenschaftliche Klasse eines Oberlyzeums". Zugleich erhielt der Calvarienberg die Genehmigung zum stufenweisen Ausbau des eigenen Lyzeums zum Oberlyzeum, was heute dem Gymnasium entsprechen würde. 1928 konnten die ersten sechs Schülerinnen ihr Abitur ablegen1).

1929 gingen 405 Mädchen auf dem Calvarienberg zur Schule, die wohl „aus allen Nähten zu platzen drohte", zumal die engagierte Ordens- und Schulleitung, Generaloberin Schwester Gonzaga bzw. Schwester Teresita, noch weitere große Pläne hatte:

Die Ursulinen wollten zusätzlich eine dreijährige Frauenoberschule errichten. Diese neue Schulart sah eine Kombination von praktischer und wissenschaftlicher Ausbildung vor; neben den inhaltlich und zeitlich verkürzten Fächerkanon des Oberlyzeums traten verstärkt Hauswirtschaft, Nadelarbeit, Kinder- und Säuglingspflege. Auch diese Schulart verlieh ein Reifezeugnis, das zum Besuch bestimmter Fachschulen, Hochschulen und Akademien, aber nicht zum Studium aller Fächer an der Universität berechtigte – am ehesten vergleichbar etwa unserem heutigen Fachabitur. 1930 wurde diese Schulform nach dem Bezug des Neubaus eröffnet. Die erste Abschlussprüfung fand 1933 statt.

Bei diesem Zustrom auf die Schulen des Calvarienbergs und den Zukunftsplänen war ein Neubau einfach unumgänglich. Nach dem ersten Spatenstich am 21. Mai 1928 erfolgte am 23. September 1928 die Grundsteinlegung, am 28. Mai 1929 wurde Richtfest gefeiert, und am 21. Oktober 1929 war die feierliche Einweihung.

Beschreibung der neuen Schule

Die Gebäude des Calvarienbergs endeten bis 1929 mit dem heutigen Internatsbau, umgeben von einer hohen Klostermauer. Wo heute der Altbau, der Neubau des Gymnasiums und die Realschule liegen, waren zuvor klösterliche Weinberge. Die Mauer wurde abgetragen, das neue Schulhaus und die auch als Aula zu nutzende Turnhalle an die bereits bestehenden Gebäude angebaut. Damit wuchs der Calvarienberg unter den Ursulinen erstmals über das „Mönchsgut", d.h. die Klosteranlage, wie die Franziskaner sie im Zuge der Französischen Revolution hinterlassen hatten, hinaus.

– Im Erdgeschoss der neuen Schule fanden sich insbesondere die Räume der Frauenschule bzw. Frauenoberschule, u.a. die Waschküche. Eingerichtet war sie mit einem betonierten zweiteiligen Einweichbottich, verkleidet mit gelben Kacheln, einer elektrisch betriebenen Waschmaschine mit Kohlefeuerung und zwei Handwaschbottichen (Zinkwannen) für feine Wäsche. Daran schlossen sich der Bügelraum an, ausgestattet mit mehreren schweren Ti-schen und gasbetriebenen und elektrischen Bügeleisen. Dann folgte ein Haushaltsraum zum Erlernen anderer hausfraulicher Tätigkeiten. Auf der gegenüberliegenden Flurseite war der Fahrradkeller mit eigenem Zugang von außen und die Lehrküche. In ihr befanden sich drei U-förmige Küchenkojen, jeweils komplett ausgestattet mit Herd, zweiteiligem Abwaschbecken, Warmwasserbereiter, Arbeitstisch, Geschirr-, Porzellan- und Besenschrank. Jede der drei Küchen war mit einem anderen Ofen ausgestattet, für Gas, Kohle und Elektrizität, was unter pädagogischen Gesichtspunkten für ausgesprochen fortschrittlich galt. Ferner war sie ausgestattet mit sechs Arbeitstischen mit Bunsenbrennern für den theoretischen Unterricht.

– In der ersten Etage befanden sich auf der Bergseite fünf Klassenräume. Diese, wie auch alle übrigen Klassenräume waren mit Linoleum ausgelegt, geschossweise andersfarbig rot, blau und grün. Die Türen waren ebenfalls mit dem entsprechenden Linoleum beidseitig beklebt. Der Wandsockel bis zur Fensterbank entsprach ebenfalls der Farbe des Linoleums. Daran schloss sich bis zur Deckenhöhe eine hellere Komplementärfarbe an: Zum Rot Grün, zum Blau Gelb, zum Grün Rot. Die Decken waren hell elfenbein gestrichen. In jeder Klasse befanden sich die auch heute noch vorhandenen Klassenschränke, die farblich auf das Linoleumabgestimmt waren. Ausgestattet waren die Klassenräume mit einer zweiteiligen Wandtafel, davor ein einstufiges Podest, auf dem ein hohes hölzernes Lehrerpult stand. Die Schulbänke waren ebenfalls aus Holz und fest verschraubt, und zwar zwei Reihen mit jeweils drei Sitzbänken, so dass sich ein breiter Mittelgang und zwei schmälere Seitengänge ergaben. Auf der Hofseite war das Lehrerzimmer bzw. die Lehrerbibliothek, ein Raum, der bis heute relativ original erhalten geblieben ist, geprägt durch die Fensterwand und die drei Schrankwände aus dunkel gebeizter Eiche mit Glastüren für die Bücher. Es folgte das Sekretariat, ein kleiner Warteraum und das Amtszimmer der Direktorin, die heute zu einem Klassenraum zusammengefasst sind.

– Die zweite Etage bestand damals wie heute aus Klassenräumen.

– In der dritten Etage befanden sich die naturwissenschaftlichen Räume: Der Chemiesaal mit aufsteigenden Sitzreihen, woran sich das chemische Laboratorium anschloss, gefolgt von dem Raum für Biologie. Auf der Bergseite lag der ebenfalls aufsteigende Physiksaal, dem der Raum für die Sammlungen und ein Laboratorium für Experimente folgte. Quergelagert über die ganze Breite der Schule war dann der große Zeichensaal. Heute befinden sich auf dieser Ebene vor allem Klassenräume, da die modernen naturwissenschaftlichen Räume im heutigen Neubau untergebracht sind.

– Die vierte Etage war die sogenannte Damenetage, bestehend aus jeweils sechs Einzelzimmern auf jeder Seite des Flures für die an der Schule unterrichtenden unverheirateten Lehrerinnen oder auch ältere „Zöglinge" des Internats, deshalb wohl auch auf jeder Seite zusätzlich eine Schwesternzelle. Heute sind dies zwölf Einzelzimmer für Internatsschülerinnen.

Auf der anderen Seite des neuen, heute natürlich alten Treppenhauses befand sich auf der Höhe der ersten Etage der Durchgang zum Klosterhof oder Internat, der auch heute noch als solcher beim Gang zur Klosterkirche genutzt wird. Auf der Etage darüber befand sich im zweiten Geschoss das gemütlich ausgestattete „Wohn- und Arbeitszimmer für das Lehrkollegium. Auf der dritten Etage war der Musiksaal, der auch heute noch als solcher zusätzlich zum Musikraum im heutigen Neubau benutzt wird. Am Ende des Baus, also anstelle der heutigen zentralen Treppenanlage zwischen Alt- und Neubau, befand sich ein zweites Treppenhaus, das von einer durchgehenden Fensterfront in Richtung Süden abgeschlossen wurde, so dass die Flure der neuen Schule erheblich heller und freundlicher als heute wirkten. Für die neue Aula bzw. Turnhalle hatte man die Maße 24x12x6 Meter gewählt, um in dem Verhältnis 4:2:1 eine gute Akustik zu erreichen. Der Boden bestand aus Buchenparkett. Das Schulgebäude betraten die Schülerinnen durch das heute nicht mehr genutzte sog. Mönchstor von der „Hüll" her. Von dort aus gelangte man an der Pförtnerloge vorbei ins Treppenhaus. Zuvor konnte man durch eine kleine, heute noch vorhandene Tür in der Klostermauer sein Fahrrad in den dafür vorgesehenen Keller schieben. Der Schulhof war ein Sandplatz, so dass man ihn zugleich als Sportplatz nutzen konnte und befand sich auf dem Gelände des heutigen Klostergartens. Der jetzige Schulhof war eine kleine Parkanlage; einen Zugang vom Neubau aus gab es nicht. Wo heute der Neubau, die Realschule und deren Turnhalle bzw. das Schwimmbad stehen, blieben weiterhin Weinberge.

Schulklasse auf dem Calvarienberg, 1929

Der Entwurf des Hauses stammte von Dombaumeister Kurt Matern aus Paderborn, für die Durchführung war der Diplomingenieur Josef Kelemen aus Budapest verantwortlich. Wie gut es ihnen geglückt ist, den Neubau in die bestehende Bausubstanz zu integrieren, davon kann sich der Betrachter auch heute noch überzeugen. Das hohe Satteldach des Internatsgebäudes wurde übernommen, der Putz in Farbe und Behandlung ausdrücklich den älteren Teilen angepasst. Der untere Bereich wurde aus Bruchsteinen aus einem dem Kloster gehörenden Steinbruch gemauert. Architektonisch auffallend sind die aus statischen Gründen notwendigen Abfangkonstruktionen; es handelt sich hierbei um die aus Klinkern gemauerte Pfeiler, die den Außenmauern vorgelagert sind. Dadurch werden zugleich die Wände gegliedert und aufgelockert. Kaum jemand vermutet, dass dieser Gebäudekomplex „erst" 70 Jahre alt ist, so sehr fügt er sich harmonisch in das bestehende, viel ältere Gesamtbild der Anlage und auch in das Landschaftsbild ein. Späteren Generationen ist dies offenkundig nicht mehr gelungen oder es war gar nicht erst ihre Absicht!

Aula mit Bühne, zugleich Turnhalle, 1929

Die Einweihung am 21. Oktober 1929

Am 21. Oktober 1929 wurde die neue Schule in Anwesenheit des Trierer Bischofs Franz Rudolf Bornewasser eingeweiht. Um acht Uhr zelebrierte er ein Pontifikalhochamt, in dem der Kirchenchor, bestehend aus Schwestern und Schülerinnen, die Missa brevis von Palestrina aufführte. Anschließend segnete der Bischof in Begleitung zahlreicher Geistlicher alle Räume der Schule. Um 11 Uhr fand in der neuen Aula ein Festakt statt, der eingeleitet wurde mit dem Chor aus der „Schöpfung" von Haydn „Vollendet ist das große Werk", dargeboten vom Schülerinnenchor. Eine Schülerin der achten Klasse begrüßte den Bischof mit einem Gedicht:

Grüß Gott, lieber Bischof,
Du bringst uns zum Feste
Ja wirklich das Schönste, das Beste,
Da steht nun der neue Bau,
So schön, so trutzig – schau.
Ich glaube, da lernt man so gut,
Wie man es sonst nicht tut.
Ich wette, wir gehen lieber hinein,
als mittags von der Schule heim.
Lieber Herr Bischof, wir danken dir
Daß Du dem Neubau, uns allen hier
Deinen heiligen Segen gibst.
Wir wissen, daß Du die Kinder liebst;
Wir sagen es mutig und sagen es froh:
Im neuen Schulhaus wird alles so,
Daß der liebe Gott und die Engelein
Können mit uns zufrieden sein.

Nach einem weiteren Gedicht einer Abiturientin des letzten Jahrgangs folgte ein Satz aus einer Motette von J. J. Bach: Alles was Odem hat, lobe den Herrn. Viele Redner trugen ihre guten Wünsche vor: Prälat Dr. Paul Küchler als Rektor des Calvarienbergs, Oberschulrat Dr. Hartmann vom Provinzialschulkollegium, der Koblenzer Schulaufsichtsbehörde, Landrat Dr. Meyers, der Bürgermeister der Stadt Ahrweiler Dr. Paul Pomp und der Dechant von Ahrweiler Josef Dickkopf und Direktor Leyhausen vom Realgymnasium in Ahrweiler. Die eigentliche Festrede hielt selbstverständlich Bischof Bornewasser. Er dankte den Schwestern für ihre große Tatkraft und ihren Opfersinn. „Wer nun unten durch das Ahrtal wandert, sieht den neuen Bau und weiß, welche Bedeutung er hat. Aber welche Opfer der Bau gekostet hat, das sieht man nicht. Ich weiß, mit welcher Sorge der Bau errichtet wurde, dass es Stunden gab, wo die Schwestern nicht wussten, woher die Mittel nehmen, um ihn so zu errichten. Ich weiß, dass noch eine große Schuldenlast darauf ruht, die noch auf Jahre hinaus die größten Sorgen macht." Er lobte überschwänglich den Kirchen- und Schülerinnenchor und meinte, er habe in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans einmal einer Darbietung der Missa brevis, gesungen vom Vatikanischen Chor, beigewohnt; aber gerade den Schluss des Agnus Dei habe er selbst dort nicht so gut vorgetragen gehört. „Ich darf sagen, wenn der alte princeps musici aus seinem marmornen Grab in St. Peter sich hätte erheben können und heute morgen der Aufführung beigewohnt hätte er wäre überrascht gewesen, was Frauenstimmen leisten", wo das Stück doch für Knaben- und Männerstimmen geschrieben worden sei. Mahnende Worte hatte der Bischof für die Schülerinnen bereit. „…wir wissen, dass dieses echte, tiefe Frauentum heute Schaden gelitten hat durch die Übertreibung der Körperentwicklung, des Turnens und Schwimmens, durch Formen, die das Frauenwesen in Kleidung und Takt angenommen hat, die jeden um das Wohl des Volkes besorgten Menschen mit ernster Sorgen erfüllen. Meine lieben Schülerinnen, besonders Sie, die Sie in den letzten Klassen sind, vergessen Sie nicht das Wort: ,Mit den Frauen steht und fällt ein Volk´. Und wer die Geschichte kennt, weiß, wie der Wohlstand eines Volkes von der sittlichen Höhe der Frau abhängt und wie der Niedergang eines Volkes immer eingeleitet wird durch den sittlichen Niedergang der Frau." Er forderte sie auf, gegen den Strom zu schwimmen und sich die Kraft dafür hier auf dem Caivarienberg zu holen. Seine Glückwünsche zum Festtag gipfelten in dem Segensspruch. „Herr, erfülle die, die da lehren in diesem Hause mit dem Geiste der Wissenschaft, der Weisheit und deiner heiligen Furcht, und die, die darin lernen, bringe dazu, dass sie das, was man sie lehrt, mit dem Geist erfassen, in ihrer Seele festhalten und in die Tat des Lebens übertragen." Sorgenvoll blickte auch der Vertreter der Schulbehörde Hartmann in die Zukunft. „Gewiss haben alle Zeiten große, gute und hochherzige Frauen nötig gehabt. Aber die Not der Zeit war kaum je so brennend wie heute. Und heute haben wir Frauen nötig, die mutig das, was sie in der Jugend gelernt haben, draußen im Leben betätigen. Es wurde immer als eine schöne und ehrenvolle Aufgabe angesehen, deutsche Knaben heranzubilden. Heute ist es vielleicht eine größere und schönere Aufgabe, deutsche Frauen zu erziehen." Landrat Dr. Meyers dankte den Schwestern für ihr Engagement namens der Bevölkerung des Kreises und führte dann aus. „Schicksalsverbunden fühlt sich der Kreis mit dem Calvarienberg. Wenn das Volk an der Ahr Jahrhunderte hindurch so treu zum Glauben und zur Kirche stand, so ist das nicht zuletzt zurückzuführen auf den Segen, der vom Calvarienberg ausgegangen ist. ... Ihnen am heutigen Tage unsere Glückwünsche und ein Wort herzinnigsten Dankes und aufrichtiger Anerkennung zu sagen für das, was sie an der Jugend unseres Kreises getan haben, ist mir ein Herzensbedürfnis. Wir leben in einer eigenartigen Zeit. Während das Mittelalter die Heiligen und die Helden auf den Schild erhoben hat, vergöttert die moderne Zeit den Sieger im Faustkampf und begeistert sich für die Moral indische Bajarden. Wir können einem katholischen Oberlyzeum nur die Mahnung zurufen, in dieser Beziehung so unmodern wie möglich zu sein". Dank sprach auch Bürgermeister Dr. Pomp für die Stadt Ahrweiler aus, insbesondere dafür, dass die Schwestern „die von der Vorsehung Ihnen verliehenen hohen Gaben in den Dienst der Allgemeinheit gestellt haben. Im Eigenleben und in der Schule wirken Sie für die Kirche. Der katholische Lehrer wirkt durch sein Beispiel, das ist sein Apostolat." Direktor Leyhausen überbrachte die Glückwünsche des Realgymnasiums, das sich mit „Schwesteranstalt auf dem Calvarienberg eins im Ziel und im Wege" sei. Die Feier endete mit dem gemeinsam gesungenen Kirchenlied „Großer Gott, wir loben Dich" und dem bischöflichen Segen. Es folgte um 13 Uhr ein Festmahl für die geladenen Gäste 60 Herren und 74 Damen, wobei die Geschlechter fein getrennt die Herren im Speisesaal des Internats und die Damen im Spielsaal ihr Essen zu sich nahmen. Nachdem der Bischof kurz nach 15 Uhr die Tafel im Speisesaal aufgehoben hatte, ging er zu den Damen im Spielsaal und begrüßte jede Einzelne – „von den Ältesten, Ordensgeschmückten, bis hinab zu den jüngsten Abiturientinnen auf das Herzlichste und hatte für jede ein freundliches Wort". Sodann wurde das Schulhaus von den Festgästen ausgiebig besichtigt. Der Tag schloss mit der um 17 Uhr beginnenden Aufführung des Mysterienspiels „Zur Erntestund" von Erich Eckert, in dem es um die szenische Umsetzung des Gleichnisses von den fünf klugen und fünf törichten Jungfrauen ging. Das Spiel endete mit dem Einzug der fünf klugen Jungfrauen in den Himmel und dem Chorgesang:

Wohlauf, die Lampe brennt,
Wohlauf, der Bräut’gam kommt,
Macht euch bereit zu der Hochzeit.
Wir müssen ihm entgegengehen!
Alleluja, Alleluja

Ausblick

Damit war die schöne neue Schule ihrer Bestimmung übergeben. Niemand, weder Festgäste, Schwestern noch Schülerinnen ahnten, dass ihre Blüte nicht lange dauern sollte, dass sie schon bald dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer fallen würde.2) Der Segenswunsch des Bischofs: „Gott gebe Frieden diesem Haus, und seine Engel halten von ihm alles bittere Leid fern" sollte sich nicht erfüllen: Nur zehn Jahre später, am 8. August 1939, wurde den Ursulinen mitgeteilt, die Schule werde zu Ostern 1940 geschlossen3). Schweren Herzens mussten sich die Ursulinen von Ihrer Schule trennen. Das Internat wurde Lazarett, in der Aula wurden Soldaten einquartiert, und im Schulhaus nahm die neue staatliche Ahrbergschule ihren Betrieb auf. Mit dem Vorrücken der Alliierten von Frankreich her, den zunehmenden Fliegerangriffen und der allgemeinen Mangellage wurde die Ahrbergschule im September 1944 geschlossen. Jetzt wurde auch das Schulgebäude zum Kriegslazarett4). Nach Kriegsende konnten die Ursulinen ihre Schule wieder in Besitz nehmen und am 1. Oktober 1945 mit 350 Schülerinnen den Unterricht beginnen.

Quellen

– Echo vom Berge; Korrespondenzblatt für die ehemaligen Zöglinge der sämtlichen Unterrichts- und Erziehungsanstalten der Ursulinenkongregation Kalvarienberg, Jahrgänge 1928, 1929

– Ursulinenkloster Calvarienberg bei Ahrweiler, Unterrichts- und Erziehungsanstalt; Festschrift zur Einweihung des neuen Schulhauses am 21.10.1929

– maschinenschriftlicher Bericht über die Einweihung des neuen Schulhauses am 21. Oktober 1929, verfasst von Sr. Ancilla; darin Wiedergabe der Redenbeiträge

– Akte: Geschichte der Anstalt – Akte: Frauenoberschule

Anmerkungen

1) Riemenschneider, Michael: Der lange Weg zum ersten Abitur auf dem Calvarienberg 1928; Unterstützung von unerwarteter Seite. in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1995, S. 152-154

2) Riemenschneider, Michael: Der Calvarienberg zu Ahrweiler zwischen Anpassung und Widerstand 1933-1945. Ahrweiler 1991 (Beiträge zur Stadtgeschichte)

3) Riemenschneider, Michael: Die Schließung der Schule des Calvarienberges 1940 vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Ideologie. in: Der Kreis Ahrweiler unter dem Hakenkreuz (Kreis Ahrweiler; Studien zur Vergangenheit und Gegenwart Bd. 2) S. 306-314

4) Riemenschneider, Michael: Der Calvarienberg bei Ahrweiler in den Kriegsjahren 1940-1945. in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1990, S. 93-100