Lohschälen –

Waldnutzung anno dazumal

Peter Weber

In den letzten Jahren wurden immer wieder Klagen der Gemeinden darüber laut, dass der Wald nichts einbrachte, im Gegenteil, er verlangt oft Zuschüsse. Dagegen bot der Gemeindewald in früheren Zeiten viele Möglichkeiten der Nutzung durch die Bürger, wenn auch nicht in unbegrenztem Maße. Er war Bauholzlieferant, man entnahm ihm das Brennholz und sammelte Laub im Wald, um es als Einstreu zu verwenden. Manchmal diente der Wald auch als Viehweide, was von den Förstern nicht gerne gesehen wurde, weil der Aufwuchs geschädigt werden konnte. Deshalb kam es zu Verboten. In sehr futterknappen Jahren, wenn längere Zeit der Regen ausblieb, dienten die jungen Triebe der Laubbäume notgedrungen auch als Viehfutter. Letzteres haben mir vor ein paar Jahrzehnten alte Wershofener Bürger berichtet, weil sie selbst früher die belaubten Zweige nach Hause trugen. In meiner Jugend habe ich mit anderen Kindern im Wald an freien Plätzen das Gras mit der Sichel gemäht und dann im Krauttuch oder Sack nach Hause getragen. Krauten nannte man das damals. Es scheint fast unglaublich zu sein, dass man noch vor einigen Jahrzehnten auf diese Nutzung angewiesen war. Nicht zuletzt diente der Wald aber auch zur Gewinnung von Lohe, die zur Gerbung der Häute für die Lederherstellung gebraucht wurde. Noch in den dreißiger Jahren habe ich in meinem landwirtschaftlichen Lehrbetrieb, auf dem Antoniushof bei Sobernheim, Lohe geschält.

Verhältnisse anno dazumal

Wie war das aber vor Jahrhunderten? Die Vergabe von Brandholz war in manchen Gemeinden so knapp, dass sich im Jahre 1718 die Einwohner von Aremberg beschwerten: Im Winter müssten sich drei oder vier Familien in einem Raum aufhalten, um sich aufzuwärmen.

An anderen Orten gab es sogenannte Buschtage. An diesen Tagen konnte jeder Einwohner in den Wald gehen und Holz sammeln. Allerdings durfte kein Fahrzeug und kein Werkzeug, wie Beil oder Axt, mitgenommen und benutzt werden. Er musste das gesammelte Holz selbst nach Hause tragen.

Die Ledererzeugung war im Mittelalter und bis in unser Jahrhundert ein lohnendes Geschäft. So gab es in der Eifel viele Lohgerbereien. Mancher Landwirt hat die Haut seines geschlachteten Tieres zur Gerberei gebracht und dann mit dem daraus hergestellten Leder selbst Schuhe repariert oder beim Schuhmacher daraus Schuhe machen lassen. Der beste Teil der gegerbten Haut war der Rücken. Wenn die Dasselfliegen dort aber beim lebenden Tier ihre Eier abgelegt hatten, entwickelten sich daraus neue Dasselfliegen. Die Maden zehrten bis zu ihrer vollen Entwicklung von dem lebenden Tier, verursachten Schmerzen und verminderten die Leistung. Nach voller Entwicklung entschlüpften sie durch ein Loch in der Haut des Tieres nach draußen. Es gab früher vor allem Weidetiere, deren Rücken voller Dasselfliegenbeulen waren. Wenn sie reif waren und eine Öffnung vorhanden war, drückte man sie aus, um weiteren Nachwuchs zu verhindern. Dennoch war die Haut in ihrem besten Teil durchlöchert und mehr oder weniger wertlos. Damals entstanden in Deutschland Millionenschäden bei der Ledergewinnung. Beim Ausdrücken der Brut musste man aufpassen, damit nicht diese ins Gesicht spritzte. Auch das kam vor. Später stand das Mittel Neguvon zur Verfügung. Mit diesem sprühte man die Tiere ein und verhinderte die Entwicklung der Eiablagen. Zur Erzeugung von Leder brauchte man Lohe. Das war die Rinde von jungen Eichen mit dem darin enthaltenen Gerbstoff. Es gab Eichenschälwald, dessen armdicke Stämmchen alle 12 bis 15 Jahre umgetrieben werden konnten. Nach diesem Zeitraum war neues Lohholz gewachsen. Das geschälte Holz wurde als Brennholz verwandt. Aus alten Arenberger Rechnungen ist ersichtlich, dass Lohe gewonnen und verkauft wurde. Von dem Erlös erhielt der Herzog ein Prozent des Verkaufspreises. Im Jahre 1781/2 verkaufte Ohlenhard Lohe für 188 Reichstaler und 52 Albus. Die Abgabe betrug 1 Reichstaler und 68 Albus. Die im Lohwald oder den Lohhecken gewonnene Lohe wurde gebündelt und dann zu den Lohmühlen gebracht.

Die Gewinnung der Lohe

Die Arbeiten zur Lohgewinnung begannen im Frühjahr, wenn der Saft voll in die jungen Eichen gestiegen war. Man brauchte dazu eine Häb, einen Lohlöffel und einen Klopfham­mer. Von Letzteren gab es verschiedene Ausführungen. Die Hämmer mussten schon ein größeres Gewicht haben.

Nach der Stallarbeit am Morgen ging es mit dem benötigten Werkzeug und den Essgeschirren, in denen das vorgekochte Essen war, in den Lohwald. Die Geschirre waren für eine Erwärmung ihres Inhalts am offenen Feuer geeignet. Dann begann man mit der Arbeit. Zunächst wurde die Rinde der Eichenstämmchen mit der Häb in Augenhöhe angeschnitten, aber nur dann, wenn man die jungen Eichen nicht direkt abholzte. Diese mussten dann anschließend auf etwa zwei Meter lange Stücke zersägt werden. Wenn man vom Stamm schälte, schlitzte man die Rinde von oben nach unten auf und löste sie mit dem Lohlöffel. Dazu brauchte es eine geschickte Hand, damit die Rinde an einem Stück blieb. Was an dünnerem Holz noch zu schälen war oder die vorgenannten Stücke, trugen wir zu einem Platz, an dem ein Eichenpfahl in den Boden gerammt war. Dann wurde Stück für Stück auf den Haustock gelegt und mit dem Hammer solange geklopft, bis sich die Rinde vollständig vom Holz löste. Das Holz packte man bis zum Abtransport zur Seite. Die Rindenstücke wurden zusam­men gelegt. Wenn eine Bündelstärke erreicht war, band man sie mit einem Knebel zusammen. Die­se einjährigen Schösslinge nannte man Loden (von ahd. loitan = wachsen). Wenn das junge Holz aus der Wurzel oder dem abgehauenen Stamm wächst, nennt man es Stammloden im Gegensatz zu den Samenloden, die aus Samen stammen. Man legte die Lohe auf den Schössling, an dessem dünnen Ende wir eine Schlaufe/Schlinge gedreht hatten, steckte dann das dickere Ende durch diese Schlaufe und zog das Bündel fest zusammen. Dabei hielt man mit einem Fuß das Bündel am Boden fest. Damit sich der Ring, der das Lohbündel umschloss, nicht löste, drehte man wieder einen Kne­bel und steckte sein Ende unter den Schössling. Nach der Lagerung im Wald, wenn das Lohschälen beendet war, fuhren wir die Lohe mit einem Leiterwagen zum Bahnhof. Dort wur­de sie auf Güterwaggons verladen. Über den Ertrag und den Preis ist mir nichts bekannt. Nach dem­ Trocknen des anfallenden Holzes wurde es zum Verheizen in den Hof gefahren. Die so genutzte Fläche konnte dann in etwa 15 Jahren wieder als Lohwald genutzt werden.

Beim Lohschälen

Verwendung der Lohe

Die Lohe war gemahlene Baumrinde, wobei zwischen Stammlohe und Astlohe zu unterscheiden ist. Bei der Lohgerbung in Gruben brauchte man viel Wasser, das aus Bächen entnommen wurde. Die Lohrinde wurde zunächst klein gehäckselt und anschließend in der Lohmühle gemahlen. Dann wur­den schichtweise gemahlene Lohe und Häute in eine mit Wasser gefüllte Grube gelegt. Nach ein paar Tagen entstand eine gerbsäurehaltige Brühe. Diese baute die eiweißhaltigen Stoffe der Haut ab. Die Bauern oder Metzger verkauften die Häute ihres Schlachtviehs an die Gerberei, wobei Ge­wicht und Qualität eine Rolle spielten. Beim Enthäuten der Tiere durften keine Schnitte in die Haut vorkommen. Wie schon erwähnt, spielten auch die Schäden durch die Dasselfliege früher eine we­sentliche Rolle.

Namen

Die Lohgerber führten die Namen Löhrer, Loher, Luerer. Davon sind z.B. auch die Straßennamen Löhrstraße oder Löhrgasse abgeleitet. Auch die Familiennamen Löhr, Löhrer, Lauer und andere sind von dem Beruf des Lohgerbers abgeleitet und haben sich bis heute erhalten. Da es früher auch Lohmühlen gab, in denen die Lohe gemahlen wurde, entstand daraus der Name Lochmühle, der an der Ahr vorkommt und weithin bekannt ist. Der Familienname Lohmüller ist ebenfalls auf die ehemaligen Lohmühlen zurückzuführen. Die Zahl der rheinischen Lohmühlen betrug in den 1860er Jahren 250. Lohmühlen konnten auch Zwangsmühlen sein, wo jeder seine Lohe mahlen und seine Felle gerben lassen musste. In Köln gab es 1746 57 Lohhöfe, wo die Lohgerber zusammen die Felle mit Lohe gerbten. Ein Teil des Kölner Marktviertels wurde schon im 12. Jahrhundert Lohmarkt genannt. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die Abfälle der Gerberei in der Landwirtschaft Verwendung fanden; Hautabfälle, Haare und Lohe gaben ein gutes Düngemittel. Aus Sehnen und Fleischresten wurde Leim bereitet. Haare wurden auch zu Filz verarbeitet, so dass man sagen kann, alles wurde nutzbringend verwendet.

Die aus der gebrauchten, getrockneten und gepressten Lohe hergestellten Lohkuchen dienten zum Ofenanzünden und zur Feuerung. Als Früh- oder Treibbeete dienten Kas-ten, die mit Gerberlohe (anstelle von Pferdemist) gefüllt waren. Die Lohe behält ihre stets gleichbleibende Wärme mehrere Monate.

Erwähnt werden soll auch, dass man Eichenlohe auch in der medizinischen Behandlung von Hautkrankheiten und in anderen Fällen verwendet.

Durch die Einführung der Mineralgerbung, hierbei verwandte man Alaun, Kochsalz, Chrom- und Eisensalz, ging die Lohgerbung immer mehr zurück. Am Anfang fand Alaun als mineralischer Gerbstoff Verwendung in der Weißgerbung, wodurch geschmeidiges Leder gewonnen wurde. Diese Weißgerbung gilt als die älteste Mineralgerbung. Die Zeit, in der bei uns Lohe geschält, verarbeitet und verwandt wurde, ist vorbei, An sie erinnert uns neben den Personen- und Straßennamen heute noch in manchen Gemarkungen der Flurname Lohheck. In Wershofen deutete der Hausname Lauete darauf hin, dass darin wohl ursprünglich ein Lauer oder Loher seine Gerberei betrieb oder wohnte.

Auf dem Köhler- und Loheweg werden im oberen Vinxtbachtal Köhlerei und Lohewirtschaft u. a. auf Schautafeln anschaulich vorgestellt.

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