Rollenklischees auch im AW-Kreis? 

Projekte zur Gleichstellungsarbeit im Kreisgebiet

Evelyn Dirks

„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es”, das behauptet jedenfalls Simone de Beauvoir in ihrem 1949 erstmals erschienen Buch „Das andere Geschlecht”. Diese Betrachtung der Geschlechterrollen war damals revolutionär.

Anlass zum Nachdenken gibt sie aber bis heute. Auch die Forschungen von Margaret Mead trugen zu einer neuen Sichtweise bei: Sie fand heraus, dass die Rollen von Mann und Frau kulturabhängig sind und nicht allein biologisch genetisch begründbar. Vor allem die Rollenfestlegungen auf lebenslange Mutterschaft, über Schwangerschaft und Geburt hinaus, werden seitdem nicht mehr als selbstverständlich erachtet.

Pressevorstellung der Frauenzeitschrift „Glasklar“ mit Landrat Dr. Jürgen Pföhler

Diese Ansätze förderten die kritischen Auseinandersetzung mit Rollenklischees. Sie haben bereits Verbesserungen erbracht. Aber es ist noch viel Bewusstseinsveränderung nötig, um Rollenklischees und die Benachteiligung von Frauen in vielen Lebensbereichen abzubauen. Verdeutlicht wird dies z.B. daran, dass nach wie vor Frauen in Spitzenpositionen völlig unterrepräsentiert sind. Gerade in Deutschland besteht im Europavergleich die höchste Diskrepanz bei den Gehältern von weiblichen und männlichen Arbeitnehmern bei gleicher Arbeit. Das ist nicht nur durch Teilzeitarbeit erklärbar. Diese Ungleichbehandlung findet sich auch im ländlichen Raum, natürlich auch im Kreis Ahrweiler.

Frauenzeitung für den Kreis Ahrweiler

Eine zentrale Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten ist es, über solche Ungerechtigkeiten zu informieren und zu versuchen, zu einer Bewusstseinsveränderung in der Bevölkerung beizutragen. 

Dies kann am besten durch die Verbreitung von Informationen erreicht werden. Um hierfür ein eigenes Forum zu haben, wurde im Jahre 2002 erstmalig im Kreis Ahrweiler eine eigene Zeitschrift für Frauen durch die Gleichstellungsbeauftragte herausgegeben. Sie trägt den Titel „Glasklar – Frauen blicken durch” und ist im März 2002 mit einer Auflage von 5000 Exemplaren erschienen. 

Die erste Ausgabe hatte die Schwierigkeiten von Frauen, Familie und Beruf zu vereinbaren, zum Gegenstand. Beleuchtet wurde das Thema „Frauen – Kinder und Beruf”. 

In ihrer zweiten Ausgabe befasst sich die Zeitschrift mit Rollenklischees, für die verschiedene Beispiele angeführt werden. So können sich die meisten Menschen im Erzieherberuf nur Frauen vorstellen. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass im Kreis Ahrweiler mittlerweile zumindest ein männlicher „Erzieher” ganz selbstverständlich diese Aufgaben im Kindergarten St. Anna in Remagen wahrnimmt. 

Im Gegenzug hat der Kreis erfreulicherweise in einem als typisch geltenden Männerberuf eine Frau aufzuweisen. Eine Schreinermeisterin auf der Grafschaft erledigt in ihrem eigenen Betrieb vorbildlich alle Arbeiten. Sie zeigt, dass Rollenklischees sprengbar sind. 

Rollenklischees sollten in der Erziehung umfassend thematisiert werden. Um gesellschaftliche Bedingungen zu verändern, müssen sich alle, die mit Erziehung zu tun haben, dieser Klischees bewusst sein. Nur so können sie im Alltag auch auf Kinder direkt gegensteuernd einwirken, um diese Vorurteile abzubauen.

Projekte

Der Internationale Frauentag im Kreis Ahrweiler stand im Jahre 2002 unter dem Motto „Typisch Junge – Typisch Mädchen – Freiheit oder Zwang”. Eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern haben sich dafür monatelang in Projekten mit dem Problem auseinandergesetzt. Die Ergebnisse wurden in der Fachhochschule RheinAhrCampus in Remagen am 8. März 2002 in einer Ausstellung zusammengefasst. Fünf Schulen im Kreis beteiligten sich: Die Berufsbildende Schule Bad Neuenahr-Ahrweiler, die Realschule Remagen, die Realschule Ahrweiler, das Rhein-Gymnasium Sinzig, das Peter-Joerres-Gymnasium Bad Neuenahr-Ahrweiler und der RheinAhrCampus Remagen. 

Mit gleich drei Projekten hat die Berufsbildende Schule des Kreises einen Beitrag geleistet. Die Schulklasse der Erzieherinnen untersuchte Bilderbücher auf Rollenfestlegung und kam zum Ergebnis, dass mit wenigen Ausnahmen immer noch die alte Rollenverteilung dargestellt wird. Mädchen kochen, spielen mit Puppen, sind Hausfrauen, Mütter, Krankenschwestern und Schneiderinnen. Dagegen sind die Jungen technisch interessiert und spielen draußen. Von Beruf sind sie u.a. Techniker, Pilot und Arzt. 

Ein Berufsgrundschuljahr entwarf einen Fragebogen zum Rollenverhalten, führte die Befragung an der BBS durch und werteten 250 ausgefüllte Fragebogen aus. Eine weitere Klasse eines Berufsvorbereitungsjahres entwarf ein Spiel zur Lebensplanung. 

Die Realschule Remagen war mit vier Projekten vertreten. Von der 5. - 9. Klasse untersuchten die SchülerInnen ihr Zuhause auf das Rollenverhalten der Eltern und stellten die Ergebnisse künstlerisch in Bildern und Skulpturen dar. 

Die Realschule Remagen und das Rhein-Gymnasium Sinzig präsentierten jeweils Pantomimen und künstlerische Darstellungen unter dem Motto „Menschenbilder” und ein „Geschlechterrollenbaum”. Hier engagierten sich 6. Klassen, die 9. und 10. Klasse. 

Besonders viel Heiterkeit rief ein Film der Film AG des Peter-Joerres Gymnasiums hervor (9. Klasse), die auf dem Schulhof das Rollenverhalten filmte und zum Schluss die Umkehrung in Szene setzte, so dass sich Jungen wie Mädchen und Mädchen wie Jungen verhielten. Die ZuschauerInnen konnten so mit einfachen Mitteln zum Nachdenken gebracht werden. 

Die Ausstellung „Frau und Technik” des RheinAhrCampus Remagen rundete das Angebot ab. 

Wenn – wie hier – zum Internationalen Frauentag 2002 sich zum einen so viele junge Leute mit ihrer Rolle auseinandersetzen, und zum anderen Lehrkräfte an Schulen zusätzlich zum Unterrichtsstoff sich voll Engagement dieser Thematik annehmen, dann macht dies auch für die künftige Gleichstellungsarbeit Mut. 

Die Akzeptanz der Gleichstellungsstelle und das daraus erwachsene gute Miteinander mit vielen Institutionen im Kreis Ahrweiler ist kontinuierlich gestiegen. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer Arbeit zur Geschlechtergerechtigkeit ist in den letzten Jahren größer geworden.

Berufsfindungstage für Hauptschülerinnen 

Viele Projekte haben inzwischen gute Tradition, so z.B. die Berufsfindungstage für Hauptschülerinnen an der Berufsbildenden Schule, die der Arbeitskreis „Frau und Beruf” seit drei Jahren durchführt. Schülerinnen aller Hauptschulen melden sich für die Herbstferien zu diesem Workshop an, und inzwischen sind sogar zwei Veranstaltungen dieser Art zustande gekommen.

Berufsfindungstage für Hauptschülerinnen in der Berufsbildenden Schule in Bad Neuenahr- Ahrweiler, Herbst 2001

Seminare, Fortbildungen

Weitere Möglichkeiten, bewusstseinsbildend zu wirken, ergeben sich aus den Seminaren für Erzieherinnen zum Thema Rollenklischees. Folgende Kindergärten haben daran teilgenommen: Ahrweiler, Unkelbach, Altenahr, Hönningen und einige weitere Kindergärten als Seminare der Kreisvolkshochschule. 

Das Rollenverhalten ist auch Gegenstand in Seminaren zur Kommunikation, die in Zusammenarbeit mit einer Pastoralreferentin für Kindergärten im Kreis angeboten wurden. Hieran nehmen immer mehrere Erzieherinnen aus den Kindertagesstätten teil.

Diese Kindergärten wünschen ausdrücklich weitere Fortbildungen für ihre Arbeit mit Kindern zum Thema Rollenklischees und Erziehung. 

In all diesen Aktionen spiegeln sich die Bemühungen der Gleichstellungsstelle wider, bewusstseinsbildende Veränderungen mit zu initiieren.

Girls’ Day

So hat auch der „Girls’Day” bundesweit zum Ziel, jungen Mädchen technische, naturwissenschaftliche und handwerkliche Berufe nahezubringen, um deren Berufsperspektiven zu erweitern. Die Berufswahl ist leider immer noch von frauentypischen Berufsvorstellungen geprägt. Das gilt auch bei der Berufswahl von Mädchen im Kreis Ahrweiler.

In diesem Jahr konnten erstmals 28 Mädchen der 6. Klasse der Realschule Ahrweiler in Firmen des Kreises einen Tag lang in technische und wissenschaftliche Arbeitsabläufe Einblick nehmen. Zu einem Praktikum haben folgende Firmen Mädchen aufgenommen: Brummer Siebdrucktechnik GmbH, Grafschaft-Ringen; Eifelfango GmbH & Co. KG, Bad Neuenahr Ahrweiler; Mannesmann Sachs AG, Bad Neuenahr-Ahrweiler; Jansen P. A. GmbH & Co. KG, Bad Neuenahr-Ahrweiler; Krupp-Verlags GmbH, Sinzig; Gebr. Rhodius & Co. KG, Burgbrohl, Fachhochschule Remagen.

Die Resonanz war von beiden Seiten positiv. Auch der Girls’Day soll künftig in jedem Jahr im Kreis angeboten werden und eines Tages möglichst für alle Schulen obligatorisch sein. 

Die vorgestellte Auswahl an Projekten zeigt, wie viel in der Zusammenarbeit von Frauen und Schülerinnen mit Institutionen möglich ist und erreicht werden kann.